L 7 AS 414/09 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AS 1897/09 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 414/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Titelzeile:
einstweiliger Rechtsschutz gegen endgültige Leistungsablehnung für die Zukunft aufgrund der Annahme des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft nach vorläufiger Bewilligung

Kurztext:
1. Zur Statthaftigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen endgültigen Ablehnungsbescheid nach einer vorläufigen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
2. Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c und Abs. 3a SGB II (in der ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung).
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 19. Juni 2009 aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin einstweilig für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis zum 30. September 2009 monatlich 473,73 EUR zu erbringen.

II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin deren außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

I.
Die Beteiligten streiten um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab Juni 2009.

Die 1955 geborene Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) ist ledig. Sie ist in drei Privathaushalten geringfügig beschäftigt.

Die Antragstellerin hat eine 1988 geborene Tochter. Deren Vater ist der 1954 geborene X (im Folgenden: Zeuge). Der Zeuge ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sein monatliches Arbeitsentgelt ist unterschiedlich hoch.

Nach eigenen Angaben lebt die Antragstellerin seit 1979 mit dem Zeugen in Mietwohnungen und seit 1985 in der jetzigen 3-Raum-Wohnung. Nach den Betriebskostenabrechnungen für 2006 und 2007 beträgt die Wohnfläche 68,91 m². Von Mai 2006 bis April 2007 war die Tochter Untermieterin in der Wohnung ihrer Eltern (Vereinbarung mit dem Vermieter vom 28. Februar 2006). Seit November 2007 ist sie weitere Mieterin (Nachtrag zum Mietvertrag vom 29. Oktober 2007).

Ab Januar 2005 erbrachte die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) der Antragstellerin und deren Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nach einem von ihr veranlassten Hausbesuch im Februar 2006 nahm die Antragsgegnerin die Bewilligung für die Zeit ab Dezember 2005 zurück. In einem Vergleich vom 16. März 2006 beim Sozialgericht Leipzig (SG) verpflichtete sich die Antragsgegnerin, die sofortige Vollziehung des Rücknahmebescheides auszusetzen. Mit Urteil vom 28. Juli 2008 hob das SG die Rücknahmeentscheidung auf.

Für die Zeit ab dem 17. Mai 2006 erbrachte die Antragsgegnerin der Antragstellerin zunächst ohne vorherige schriftliche Verwaltungsakte und ab November 2007 nach als überwiegend vorläufig bezeichneten Entscheidungen Leistungen.

Auf Antrag der Antragstellerin vom 27. Februar 2009 bewilligte ihr die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 18. März 2009 vorläufig für April bis September 2009 monatlich 471,39 EUR. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt: "Über Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld II kann nur vorläufig entschieden werden, da in ihrer Bedarfsgemeinschaft kein monatlich gleich bleibendes Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wird ... Um Überzahlungen zu vermeiden, habe ich vorerst ein fiktives Einkommen in Höhe von 164,00 Euro eingearbeitet, was nach Vorlage der Einkommensnachweise erneut geprüft wird ... Weiterhin wurde der in der Bedarfsgemeinschaft lebende X noch nicht in die Berechnung aufgenommen, da die Unterlagen noch nicht vorliegen."

Auf Verlangen der Antragsgegnerin erteilte der Arbeitgeber des Zeugen am 30. April 2009 Auskunft über dessen Arbeitsentgelt für Mai 2006 bis Mai 2009. Auf vorherige Anfragen der Antragsgegnerin hatte der Zeuge nicht reagiert.

Am 4. Mai 2009 bat die Antragstellerin die Antragsgegnerin um Prüfung der Anrechnung ihrer Nebeneinkünfte. Im April 2009 seien es nur zwei Putzstellen gewesen. Weiterhin legte sie Einkommensbescheinigungen und eine Rechnung vom 20. April 2009 für Gas- und Stromlieferungen vor.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2009 änderte die Antragsgegnerin die Bewilligung für April 2009 auf 522,59 EUR und für Mai bis September 2009 auf 473,73 EUR monatlich. Die Bewilligung erfolge vorläufig. In der Begründung des Bescheides wird u.a. ausgeführt: "Der Berechnung der Leistung liegen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu Grunde, wie Sie diese bei der Antragstellung angegeben und nachgewiesen haben.

Folgende Änderungen sind eingetreten: - Nachberechnung Einkommen aus Erwerbstätigkeit für 04/2009 - Erhöhung der der anteiligen Gasabschläge ab 05/2009"

Mit Bescheid vom 27. Mai 2009 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung der Leistungen für die Antragstellerin ab Juni 2009 ganz auf. Ihr Lebenspartner X habe Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Sie und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft seien nicht hilfebedürftig. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe nicht mehr. In den tatsächlichen bzw. rechtlichen Verhältnissen sei eine Änderung eingetreten. Daher müsse die Bewilligung aufgehoben werden.

Mit sechs Bescheiden vom 28. Mai 2009 entschied die Antragsgegnerin endgültig über die Ansprüche der Antragstellerin und die zu erstattenden Leistungen für die Zeit vom 17. Mai 2006 bis zum 30. September 2008 und April bis Mai 2009. Für Oktober 2008 bis März 2009 bot sie der Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Entscheidung über zu erstattende Leistungen.

Gegen den Bescheid vom 27. Mai 2009 erhob die Antragstellerin am 5. Juni 2009 und gegen die Bescheide vom 28. Mai 2009 jeweils am 8. Juni 2009 Widerspruch.

Am 5. Juni 2009 hat die Antragstellerin beim SG einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Zwischen ihr und dem Zeugen bestehe weiterhin nur eine Wohngemeinschaft.

Das SG hat am 19. Juni 2009 in der Wohnung der Antragstellerin mit den Beteiligten mündlich verhandelt, Lichtbilder von der Wohnung aufgenommen, den Zeugen vernommen, den Termin zur Verhandlung im SG fortgesetzt und durch Beschluss den Antrag abgelehnt. Wegen des Inhalts des Termins zur mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift nebst Anlagen hierzu verwiesen (Blatt 58ff der SG-Akte). Zur Begründung des Beschlusses wird ausgeführt, der Aufhebungsbescheid vom 27. Mai 2009 erscheine rechtmäßig, zumindest materiell-rechtlich. Die unterbliebene Anhörung könne nachgeholt werden. Nach Überzeugung der Kammer bilde die Antragstellerin mit dem Zeugen eine Bedarfsgemeinschaft. Deren Leben in häuslicher Gemeinschaft sei unbestritten. Ein wechselseitiger Wille, füreinander Verantwortung zu tragen und einzustehen, bestehe auch. Hierfür spreche bereits die Vermutung nach § 7 Abs. 3a Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II). Denn die Antragstellerin wohne gemeinsam mit ihrer Tochter und dem Zeugen. Diese Vermutung entfalle nicht durch die rechtliche Einbindung der Tochter in das Mietverhältnis und deren Volljährigkeit. Der Antragstellerin sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Zwar habe die Aufteilung der Zimmer und deren Einrichtung den Anschein einer Trennung der jeweiligen Wohn- und Lebensbereiche vermittelt. Auch erscheine die Trennung der Kontenführung, des Einkaufes und der Haushaltswirtschaft glaubhaft. Jedoch habe die Beweisaufnahme drei entscheidende Indizien hervorgebracht, die für eine Einstehensgemeinschaft typisch seien: Die Wohnungseinrichtung sei nur über den Zeugen versichert. Der Zeuge dürfe Sachen benutzen, denen die Antragstellerin einen höchstpersönlichen bzw. ideellen Wert beimesse, z.B. eine kürzlich von ihrer Tochter erhaltene Kaffeemaschine. Schließlich sei weder von der Antragstellerin noch dem Zeugen ein plausibler Grund für die mangelnde räumliche Trennung trotz angegebener innerer Trennung angegeben worden. Ausreichender Anlass hierzu bestehe. Denn die Lebens- und Wohnverhältnisse der Antragstellerin seien unwürdig. Dieses Beweisergebnis gehe bei Vorliegen der gesetzlichen Vermutung zu Lasten der Antragstellerin. Berechnungsfehler sei weder vorgetragen noch offensichtlich.

Der Beschluss wurde den Bevollmächtigten der Antragstellerin am 23. Juni 2009 zugestellt.

Am 1. Juli 2009 haben die Bevollmächtigten der Antragstellerin beim erkennenden Gericht Berufung und am 22. Juli 2009 - bei gleichzeitiger Rücknahme der Berufung - Beschwerde eingelegt.

Die Antragstellerin meint, eine Einstandsgemeinschaft zwischen ihr und dem Zeugen bestehe nicht. Denn ihre Tochter werde nicht gemeinsam versorgt. Eine gegenseitige Befugnis, über das Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen, bestehe nicht. Der Zeuge zahle die Aufwendungen für Gas, Miete und Strom anteilig. Nach seiner Aussage habe er eine Beziehung zu einer anderen Frau gehabt und die Hausratsversicherung bereits 1985 abgeschlossen. Die gemeinsame Nutzung von Einrichtungsgegenständen sei auch in Wohngemeinschaften üblich. Das Verfahren sei eilbedürftig, denn die Antragstellerin habe seit Juni 2009 keinen Krankenversicherungsschutz mehr und könne ihren Lebensunterhalt, einschließlich Mietzahlungen, nicht finanzieren. Ihre Tochter habe im August 2009 ihre Lehre beendet und erhalte bis dahin vom Zeugen 200,- EUR monatlich Unterhalt.

Die Bevollmächtigten der Antragstellerin beantragen: Unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Leipzig vom 19.06.2009, Az. S 20 AS 1897/09 ER, sowie unter Aussetzung des Aufhebungsbescheides vom 27.05.2009 ist die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab 01.06.2009 die zuletzt mit Änderungsbescheid vom 08.05.2009 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 473,73 Euro zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweise sie auf den Beschluss des SG. Die Antragstellerin habe die Vermutung nach § 7 Abs. 3a SGB II nicht widerlegt. Deswegen sei von einer Einstandsgemeinschaft auszugehen. Seit 30 Jahren lebe die Antragstellerin mit dem Zeugen zusammen. Daher könne nicht von einer Zweckgemeinschaft ausgegangen werden. Die gemeinsame Tochter lebe ebenfalls in der Wohnung. Demnach erfolge die Versorgung eines gemeinsamen Kindes im Haushalt. Weiterhin seien viele Ungereimtheiten aktenkundig. Die Antragstellerin habe 1997 als Zeitpunkt der Trennung angegeben und der Zeuge 1995. Eine plausible Darlegung für das gemeinsame Wohnen fehle. Die Wohnung biete nicht hinreichend Platz, um wie in einer Wohngemeinschaft leben und wirtschaften zu können. Zunächst habe die Antragstellerin das gemeinsame Wohnen mit dem Zeugen bestritten. Der Zeuge sei alleiniger Schuldner gegenüber den Energieversorgern und trage die Kosten der Versicherung für den gesamten Hausrat. Beim angekündigten Ortstermin habe die Einrichtung der Wohnung konstruiert gewirkt. Das Einkommen des Zeugen reiche aus, um die Beträge für die Kranken- und Pflegeversicherung der Antragstellerin zu decken, anderenfalls könne sie einen Zuschuss beantragen. Die Tochter der Antragstellerin sei ab September 2006 vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen und habe erst im August 2009 erneut Leistungen beantragt. Darüber sei noch nicht entschieden. Beim Zeugen seien nur tatsächliche Unterhaltszahlungen einkommensmindernd zu berücksichtigen. Die Antragstellerin habe sich hierzu weder erklärt noch Nachweise erbracht.

Auf Nachfrage des Senats hat der Vermieter mit Schreiben vom 18. August 2009 mitgeteilt, dass die Antragstellerin, der Zeuge und deren Tochter noch Mieter der o.g. Wohnung sind, die Miete seit April 2009 insgesamt 409,72 EUR beträgt und welche Zahlungen seit April 2009 bei ihm eingegangen sind. Wegen der Einzelheiten der Zahlungen wird auf die o.g. Stellungnahme des Vermieters verwiesen (Blatt 64 der Gerichtsakte).

Laut einer vom Senat angeforderten Auskunft aus dem kommunalen Melderegister vom 18. August 2009 ist die Tochter der Antragstellerin noch unter der Anschrift der Wohnung der Antragstellerin gemeldet.

Am 19. August 2009 haben die Bevollmächtigten der Antragstellerin eine Beschwerde gegen einen Beschluss des SG vom 31. Juli 2009 (S 13 SO 75/09 ER) eingelegt. Mit dieser Entscheidung hat das SG einen Antrag der Antragstellerin auf Leistungen bis zur Entscheidung des erkennenden Gerichts abgelehnt. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen L 7 SO 54/09 ER geführt. Ein weiteres entsprechendes Verfahren war beim SG unter dem Aktenzeichen S 25 AS 2473/09 ER anhängig.

Dem Senat liegen zu beiden Beschwerdeverfahren die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Leistungsakte der Antragsgegnerin (endend mit Blatt 740) vor. Sie waren Gegen-stand der Entscheidungsfindung.

II. Die statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet. Denn das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht abgelehnt.

1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist entgegen der nicht begründeten Auffassung des SG nur nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und nicht nach § 86b Abs. 1 SGG statthaft. Denn einstweiliger Rechtsschutz kann nicht durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG) des Widerspruches vom 5. Juni 2009 gegen den "Aufhebungsbescheid" vom 27. Mai 2009 erreicht werden. Der Bescheid vom 27. Mai 2009 enthält nach seinem objektiven Sinngehalt (vgl. zur Auslegung des Regelungsgehaltes von Verwaltungsakten z.B. Engelmann in: von Wulffen, SGB Zehntes Buch - X, 6. Auflage 2008, § 31 Rn 25f und § 33 Rn 4) mehrere Verfügungen (Verwaltungsakte im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 31 Satz 1 SGB X). Zum einen hebt er den Bescheid vom 18. März 2009 in der Fassung des sog. Änderungsbescheides vom 8. Mai 2009 mit Wirkung ab dem 1. Juni 2009 in vollem Umfang auf. Zum anderen enthält er die endgültige Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin vom 27. Februar 2009 auf Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab Juni 2009. Der letztgenannte Verfügungssatz ergibt sich mit noch hinreichender Bestimmtheit (§ 33 Abs. 1 SGB X) aus der Begründung des Bescheides einschließlich der Anlage ("Berechnungsbogen") hierzu. Danach sei die Antragstellerin ab Juni 2009 nicht bedürftig und bestehe kein Anspruch auf Leistungen. Die Annahme einer isolierten Aufhebung des Bescheides vom 18. März 2009 in der Fassung des Bescheides vom 8. Mai 2009 hätte zudem zur Folge, dass über den o.g. Antrag auf Weiterbewilligung für die Zeit ab Juni 2009 nicht - nicht einmal vorläufig - entschieden wäre. Dies widerspricht dem objektiv erkennbaren Willen der Antragsgegnerin. Denn sie wollte der Antragstellerin ab Juni 2009 endgültig keine Leistungen mehr erbringen.

Mit dem Erlass des Bescheides vom 27. Mai 2009 erledigte sich der Bescheid vom 18. März 2009 in der Fassung des Bescheides vom 8. Mai 2009. Denn damit entschied die Antragsgegnerin nach den jeweils als vorläufige Entscheidung (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II in der ab dem 1. Oktober 2005 geltenden Fassung i.V.m. § 328 SGB Drittes Buch - III) bezeichneten Bescheiden vom 18. März 2009 und 8. Mai 2009 endgültig über den o.g. Antrag auf Weiterbewilligung für die Zeit ab Juni 2009. Dem Rechtscharakter eines vorläufigen Verwaltungsaktes entsprechend wird dieser durch die endgültige Entscheidung ersetzt und erledigt sich im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise, ohne dass es einer Aufhebung der vorläufigen Entscheidung bedarf (insoweit allgemeine Auffassung: vgl. z.B. Conradis in: Münder, SGB II, 2. Auflage 2007, § 40 Rn 10; Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 40 Rn 12f und 68j f; derselbe in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 Rn 60; Leopold, info also, 2008, 104, 109; Pilz in: Gagel, SGB II und III, Stand Juni 2009, § 328 SGB III Rn 36 und 40; Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240, 247 und derselbe in: Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 2. Auflage 2004, § 328 Rn 5; jeweils m.w.N.). Eine dennoch - wie hier - zusammen mit der endgültigen Entscheidung erfolgte ausdrückliche Aufhebung der vorläufigen Entscheidung enthält nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur die Feststellung, dass der einstweilige Verwaltungsakt rechtsunwirksam wurde bzw. hat nur deklaratorische Bedeutung (vgl. Urteile vom 16. November 1995 - 4 RLw 4/94, Rn 29 und 16. Juni 1999 - B 9 V 4/99 R, Rn 16, m.w.N; a. A. hierzu z.B. Eicher in: Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 40 Rn 68k und in: Eicher/Schlegel, a.a.O., § 328 Rn 60).

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches (§ 86a Abs. 1 SGG) vom 5. Juni 2009 gegen den "Aufhebungsbescheid" vom 27. Mai 2009 hemmt nach der herrschenden Meinung nicht die Wirksamkeit dieses Bescheides, sondern nur dessen Vollziehung (vgl. umfassend zum Streitstand z.B. BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 6 KA 15/08 R, Rn 12 m.w.N.). Dem entsprechend bleibt der (vorläufige) Bescheid vom 18. März 2009 in der Fassung des Bescheides vom 8. Mai 2009 trotz des Widerspruches vom 5. Juni 2009 unwirksam im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X. Denn er wurde durch den (endgültigen) Bescheid vom 27. Mai 2009 ersetzt und erledigte sich damit. Da die gleichzeitig erfolgte Aufhebung des vorläufigen Bescheides allenfalls klarstellende Bedeutung hat, bedarf keiner Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung des o.g. Widerspruches nach § 39 Nr. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung) entfällt (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Denn selbst wenn der Widerspruch gegen den endgültigen Bescheid vom 27. Mai 2009 aufschiebende Wirkung hätte, würde sich daraus keine Verpflichtung der Antragsgegnerin ergeben, der Antragstellerin weiter Leistungen vorläufig zu erbringen. Die verfahrensrechtliche Situation ist vielmehr mit der nach Erlass einer Ablehnungsentscheidung ohne vorherige vorläufige Entscheidung zu vergleichen.

Somit liegt kein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vor (sog. Vorrang von Anfechtungssachen, vgl. z.B. Krodel, NZS 2002, 180, 184 m.w.N.; vgl. auch Eicher in: Eicher/Schlegel, a.a.O. § 328 Rn 93 zu einer auf Fortsetzung des vorläufigen Verfahrens gerichteten Anfechtungsklage gegen den endgültigen Bescheid).

2. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Die Anträge sind bereits vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG).

Die Antragstellerin begehrt (im Sinne des entsprechend anwendbaren § 123 SGG) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis zum 30. September 2009. Denn sie beantragte auch im Beschwerdeverfahren die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin, die zuletzt mit Bescheid vom 8. Mai 2009 bewilligten Leistungen zu gewähren. Hierfür ist die sog. Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft.

Für eine einstweilige Anordnung sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) Tatsachen für einen Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft zu machen (vgl. zur Glaubhaftmachung § 23 Abs. 1 SGB X, § 294 Abs. 1 ZPO und z.B. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 4 R 29/06 R, Rn 116). Für das Bestehen eines Anordnungsanspruches ist die Darlegung und Glaubhaftmachung von Tatsachen erforderlich, aus denen sich ein materiell-rechtlicher Anspruch ergibt. Der Anordnungsgrund erfordert das Bestehen einer besonderen Dringlichkeit. Die vorläufige Regelung muss "zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig" erscheinen. Entscheidend ist hierfür vor allem, ob es dem einstweiligen Rechtsschutz Begehrenden zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rn 28). Besondere Anforderungen gelten, wenn ohne die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. z.B. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05, Rn 24ff, und 25. Februar 2009 - 1 BvR 120/09, Rn 11). 3. Die Antragstellerin hat Tatsachen für ein Recht auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere ohne bedarfsmindernde Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Zeugen, und somit einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

a) Dieses Recht folgt nicht aus dem Bescheid vom 18. März 2009 in der Fassung des Bescheides vom 8. Mai 2009. Denn damit entschied die Antragsgegnerin nur über eine vorläufige Bewilligung für die Antragstellerin für April bis September 2009. Rechtsgrundlage hierfür ist § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II (in der ab dem 1. Oktober 2005 geltenden Fassung) i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III. Dabei hat sie Umfang und Grund der Vorläufigkeit (§ 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III) aus der Sicht eines objektiven, an Treu und Glauben orientierten Empfängers, dem die wesentlichen Umstände und Inhalte des Verwaltungsverfahrens bekannt sind (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 16. November 1995, a.a.O., Rn 30), hinreichend bestimmt genug angegeben (vgl. nur z.B. Leopold, a.a.O., 107, m.w.N. zur - auch - insoweit problematischen Gestaltung der Bescheide nach dem SGB II und zu den Folgen mangelnder oder unklaren Angaben).

Dies gilt ohne Einschränkung für den Bescheid vom 18. März 2009. Denn daraus ist ohne weiteres die vorläufige Bewilligung von Leistungen für die Antragstellerin u.a. ohne "Berechnung" des "in der Bedarfsgemeinschaft lebende(n)" Zeugen erkennbar. Für den sog. Änderungsbescheid vom 8. Mai 2009 gilt im Ergebnis nichts anderes. Zwar sollen dem die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu Grunde liegen, jedoch nur wie die Antragstellerin diese bei der Antragstellung angegeben und nachgewiesen habe. Die Antragstellerin hat den Zeugen noch nie als Mitglied ihrer Bedarfsgemeinschaft angegeben. Des Weiteren wird nur die Antragstellerin im Bescheid vom 8. Mai 2009 und in der Anlage ("Berechnungsbogen") hierzu als "Antragsteller" und Leistungsberechtigte angeführt. Somit hielt der sog. Änderungsbescheid vom 8. Mai 2009 die Vorläufigkeit der Bewilligung im Bescheid vom 18. März 2009 auch hinsichtlich des "noch nicht in die Berechnung aufgenommen" Zeugen aufrecht (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 16. Juni 1999 - a.a.O., Rn 17f m.w.N. zu "andersartigen Fallgestaltungen" bei sog. Anpassungsbescheiden). Aufgrund der nicht einheitlichen Bescheide ist die vorstehende Auslegung nicht ohne weiteres auf die anderen Entscheidungen der Antragsgegnerin seit den Bescheiden vom 23. November 2007 übertragbar. Schließlich hob die Antragsgegnerin mit dem - ebenfalls vorläufigen - Bescheid vom 8. Mai 2009 die vorläufige Bewilligung im Bescheid vom 18. März 2009 zugunsten der Antragstellerin nur teilweise auf, ohne sie endgültig zu ersetzen (vgl. z.B. Eicher: in Eicher/Schlegel, a.a.O., § 328 Rn 89f und Schmidt-De Caluwe in: Wissing u.a., a.a.O., Rn 42 zur Änderung vorläufiger Bescheide bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung).

b) Die Antragstellerin hat Tatsachen für ihre Berechtigung auf Leistungen nach dem SGB II (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 - in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung -, 19ff SGB II) glaubhaft gemacht. Danach ist sie insbesondere erwerbsfähig und hilfebedürftig (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2f, 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 SGB II). Denn sie kann vor allem ihren Lebensunterhalt mit dem Arbeitsentgelt aus ihren geringfügigen Beschäftigungen nicht ausreichend sichern und erhält die erforderliche Hilfe nicht von anderen.

Des Weiteren ist die Antragsgegnerin unter Würdigung der glaubhaft gemachten Tatsachen nicht berechtigt, das Recht der Antragstellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Zeugen einzuschränken. Denn weder der - insoweit nicht begründete - Bescheid vom 27. Mai 2009 noch der Beschluss vom 19. Juni 2009 sind aufgrund der glaubhaft gemachten Tatsachen mit dem geltenden Recht und der ständigen Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (Sächs. LSG) vereinbar.

Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II sogar jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R, Rn 15).

Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II (in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung) als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person, die mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Nach allgemeiner Auffassung ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG unter einer solchen eheähnlichen Beziehung eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (vgl. z.B. Urteil vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87, Leitsatz 1 und Rn 92 sowie Beschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04, Rn 6).

Die Änderungen des § 7 Abs. 3 SGB II durch Art. 1 Nr. 7a des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, 1706f) knüpfen an diese Beschreibung des BVerfG für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft ausdrücklich an (vgl. Gesetzesentwurf vom 9. Mai 2006, BT-Drucks. 16/410, 19). Denn nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II (in der ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung) gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person zur Bedarfsgemeinschaft, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird nach § 7 Abs. 3a SGB II (ebenso in der ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung) vermutet, wenn Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

Auch zu § 7 Abs. 3 Nr. 3c und Abs. 3a SGB II gibt es eine ständige und einheitliche Rechtsprechung der drei zuständigen Senate des Sächs. LSG (vgl. aus jüngerer Zeit z.B. Beschlüsse vom 18. Dezember 2008 - L 7 B 737/08 AS-ER und 9. Februar 2009 - L 2 B 831/08 AS-ER, jeweils m.w.N.). Danach ist an¬hand von Hilfstatsachen (Indizien) und einer Gesamtwürdigung festzustellen, ob eine Einstandsgemeinschaft im o.g. Sinne vorliegt und löst nicht jede Form des Zusammenlebens, sondern nur ein qualifiziertes Zusammenleben in einer Haushaltsgemeinschaft die Vermutung nach § 7 Abs. 3a SGB II aus. Für die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II müssen drei Voraussetzungen gegeben sein (vgl. ebenso z.B. Hänlein in: Gagel, SGB II und III, Stand: 1. Juni 2009, § 7 SGB II, Rn 46ff, und Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 7 Rn 44ff, jeweils m.w.N.): 1) auf Dauer angelegte eheähnliche oder nicht eingetragene gleichgeschlechtliche Gemeinschaft, 2) Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt im Sinne einer Wohn- und Wirtschaftgemeinschaft und 3) wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Für ein Zusammenleben ist ein auf Dauer angelegtes ge¬meinsames Wohnen not¬wendig (vgl. weiterhin z.B. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 - B 11a/7a AL 52/06 R, Rn 17ff - unter Hinweis auf § 7 Abs. 3 Nr. 3c und Abs. 3a SGB II - und Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, Band 1, K § 7 Rn 56a). Der Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft wird gegenüber der Wohngemeinschaft dadurch gekennzeichnet, dass ihre Mitglieder nicht nur vorübergehend in einer Wohnung leben, sondern einen gemeinsamen Haushalt in der Weise führen, dass sie aus einem "Topf" wirtschaften (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 68/07 R, Rn 13, m.w.N.). Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen daher über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitgliedern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 6/08 R, Rn 15).

Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3a SGB II kann der o.g. wechselseitige Wille vermutet werden, um den Leistungsträger von der Ausforschung im Bereich der privaten Lebenssphäre der Betroffenen zu entbinden, Eingriffe in deren Intimsphäre zu vermeiden und diese nicht zu nötigen, gegen ihren Willen auch allerpersönlichste, innerste Gedanken und Motive für das Zusammenleben mitzuteilen (vgl. BSG, Urteile vom 5. Mai 2009 - B 13 R 53/08 R und B 13 R 55/08 R, Rn 46 bzw. 22 zu § 46 Abs. 2a SGB Sechstes Buch - VI - unter Hinweis auf § 7 Abs 3a SGB II). Die Vermutung kann widerlegt werden (Beweis des Gegenteils, § 294 ZPO) und wirkt sich nur auf die Darlegungslast des Leistung begehrenden Hilfebedürftigen aus (vgl. z.B. Spellbrink, NZS 2007, 126f; derselbe in: Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 7 Rn 48; Valgolio, a.a.O., K § 7 Rn 57; Wenner, Soziale Sicherheit 2006, 146, 149 und Wündrich, SGb 2009, 206, 273), wobei an den Gegenbeweis keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind (vgl. z.B. Brühl/Schoch in: Münder, SGB II, 2. Auflage 2007, § 7 Rn 71 und Peters in: Estelmann, SGB II, Stand: Dezember 2008, § 7 Rn 46). Sie befreit weder den Leistungsträger noch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit von ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 20 SGB X, § 103 SGG).

Bei der Auslegung des § 7 Abs. 3 Nr. 3c und Abs. 3a SGB II sind ebenso die weiteren Ausführungen des BVerfG im o.g. Urteil vom 17. November 1992 (a.a.O., Rn 95) zu beachten (vgl. hierzu z.B. Wersig, info also 2006, 246, 247). Danach "war es von Verfassungs wegen nicht geboten, eine generelle Gleichstellung von eheähnlichen Gemeinschaften und Ehen ... vorzunehmen, um der ... festgestellten Benachteilung von Ehegatten gegenüber Partnern eheähnlicher Gemeinschaften abzuhelfen. Verfuhr der Gesetzgeber jedoch in dieser Weise, durfte er nur solche Gemeinschaften erfassen, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar." Des Weiteren könnte sich das Regelungskonzept des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II "tendenziell in Richtung Verfassungswidrigkeit verschieben, je weiter der Begriff der Bedarfsgemeinschaft gefasst und je unkritischer Personen zu Bedarfsgemeinschaften zwangsverklammert werden" (vgl. z.B. Spellbrink, NZS 2007, 121, 127).

Da die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen eines Partners die Hilfebedürftigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mindert oder sogar ausschließt (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II), trägt die objektive Beweislast (vgl. hierzu z.B. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 103 Rn 19c) für die Voraussetzungen hierfür der Leistungsträger, wenn die Tatsachen für die Bewertung, ob ein Partner im o.g. Sinne zur Bedarfsgemeinschaft gehört, nach Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht festgestellt werden können (vgl. ebenso bereits Sächs. LSG, Beschluss vom 18. Dezember 2008, a.a.O.).

Unter Würdigung dieser rechtlichen Kriterien sowie der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen hat die Auffassung der Antragstellerin und des Sozialgerichts, wonach zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II bestehe, keinen Bestand.

Zunächst enthält weder der vorläufige Bescheid vom 18. März 2009 noch der Bescheid vom 27. Mai 2009 eine Begründung (§ 35 Abs. 1 Satz 1f SGB X), aufgrund welcher Tatsachen von einer Bedarfsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen ausgegangen wurde. Dies wird lediglich unterstellt ("in der Bedarfsgemeinschaft lebende" und "Ihr Lebenspartner").

Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren meint, die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II sei nicht ausgeräumt, weswegen von einer Einstandsgemeinschaft auszugehen sei, verkennt sie das o.g. Erfordernis der Feststellung einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft als eine Grundvoraussetzung für den Tatbestand des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Insoweit sind auch die Ausführungen im Beschluss vom 19. Juni 2009 nicht überzeugend.

Denn die Antragstellerin und der Zeuge leben zwar "in häuslicher Gemeinschaft" (im Sinne einer Wohngemeinschaft). Denn sie leben in einer "Wohnung , wenn auch jeder dort sein eigenes Zimmer hat" und sie "jedenfalls Küche, Bad und Balkon gemeinsam nutzen". Das Beweisergebnis des SG trägt aber nicht die notwendige und ebenso unterlassene Feststellung einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, wenn "die Aufteilung der Zimmer und deren individuelle Einrichtung äußerlich schon den Anschein einer Trennung der jeweiligen Wohn- und Lebensbereiche vermittelte" sowie dem SG glaubhaft erschien, "wie die Antragstellerin und der Zeuge übereinstimmend angaben, dass getrennte Konten geführt werden und jeder für sich einkauft und im Haushalt wirtschaft".

Diese Voraussetzung kann ebenso mit den drei vom SG genannten "entscheidenden Indizien" nicht begründet werden. Zwar kann eine Versicherung des einen, deren Schutz sich auch auf die Person oder ggf. Sachen des anderen erstreckt, eine Hilfstatsache bei der Bewertung der tatsächlichen Umstände sein. Dies gilt insbesondere bei Lebensversicherungen (vgl. z.B. Valgolio, a.a.O., K § 7 Rn 49), jedoch nicht ohne weiteres bei einer Hausratversicherung, die zudem nach Angaben der Antragstellerin bereits beim erstmaligen Bezug der Wohnung im Jahre 1985 unter anderen gesellschaftlichen und persönlichen Verhältnissen abgeschlossen wurde. Weiterhin hat das SG keine Sachen benannt, denen die Antragstellerin "offensichtlich einen höchstpersönlichen bzw. ideellen Wert beimisst". Daher bedarf keiner Entscheidung, ob eine Nutzung derartiger Sachen durch einen anderen eine geeignete Hilfstatsache für die o.g. Bewertung sein kann. Schließlich haben sowohl die Antragstellerin als auch der Zeuge übereinstimmend angegeben, sich nicht nur "innerlich", sondern auch "räumlich" voneinander getrennt zu haben. Denn bereits nach der Niederschrift zum Termin zur mündlichen Verhandlung beim SG am 28. Juli 2008 im Verfahren S 19 AS 795/06 trugen sie übereinstimmend vor, die Nutzung der Zimmer in der Wohnung im Jahre 1997 nach dem Auszug des Sohnes der Antragstellerin und der Trennung voneinander geändert zu haben. Seitdem nutze der Zeuge das "separateste Zimmer" der Wohnung. Selbst Ehegatten können in einer gemeinsamen Wohnung dauernd getrennt leben (§ 1567 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Davon abgesehen bestehen nach Aktenlage Hinweise auf eine ausschließliche Nutzung der Wohnung durch die Antragstellerin und den Zeugen. Denn die Antragstellerin teilte im Antrag auf Fortzahlung vom 4. März 2008 tatsächliche Anhaltspunkte für den Auszug ihrer Tochter mit ("nicht mehr im Haushalt seit 01.11.07"). Ein entsprechender Eintrag ist in der sog. Kundenhistorie für die Tochter (Ausdruck vom 15. September 2008) enthalten. Damit ist ohne weitere Erklärung die Angabe der Antragstellerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2009 nicht zu vereinbaren, wonach ihre Tochter nach wie vor in der Wohnung lebe und nur am Wochenende gelegentlich bei ihrem Freund sei. Die Aufklärung dieses Widerspruches durch das SG wäre auch geeignet gewesen, um dessen Beurteilung der "vorgefundenen Lebens- und Wohnverhältnisse" als "unwürdig" zu hinterfragen. Entscheidend ist dies allerdings nicht. Denn wenn Hilfebedürftige mit anderen Personen zwar keine Wirtschafts- und Haushaltsgemeinschaft führen, aber in bescheidenen räumlichen Verhältnissen leben, dient auch dies dem Interesse der Antragsgegnerin nach Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Leistungserbringung (§ 3 Abs. 1 Satz 4 SGB II; vgl. insoweit ebenso BSG, Urteil vom 3. März 2009 - B 4 AS 37/08 R zu den Aufwendungen für Unterkunft bei Mietverträgen zwischen Verwandten). Die tatsächliche Nutzung der Wohnung der Antragstellerin durch ihre Tochter hat die Antragsgegnerin spätestens für die Entscheidung über deren Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom August 2009 weiter zu ermitteln und dabei festzustellen, ob die Tochter noch dem Haushalt der Antragstellerin angehört (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II in der ab dem 1. Juli 2006 geltenden Fassung). Eine Meldebescheinigung ist hierfür nur ein Indiz (vgl. Beschluss des Senats vom 3. November 2008 - L 7 B 154/07 AS-ER). Weitere Tatsachen, die für die Annahme einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch erkennbar. Denn nach den glaubhaft gemachten Angaben führen sie getrennte Konten und besteht weder Zugriff auf die Konten des jeweils anderen noch eine sonstige vermögens- oder versicherungsrechtliche Begünstigung oder Verflechtung. Weiterhin wirtschaften sie danach getrennt und tragen zumindest im Innenverhältnis jeweils nur einen bestimmten Anteil nach Kopfteilen an den Kosten für Unterkunft und Heizung. Die zuletzt genannte Tatsache wird durch die schriftliche Auskunft des Vermieters vom 18. August 2009 bestätigt, wonach seit Juni 2009 nur ein Mietanteil von 275,- EUR monatlich gezahlt wurde. Dies entspricht in etwa dem Betrag, den die Antragstellerin und der Zeuge als den von ihm getragenen Anteil für sich und die gemeinsame Tochter (jeweils 135,- EUR) angaben.

Nach den im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausreichend glaubhaft gemachten Tatsachen ist die Antragsgegnerin somit verpflichtet, der Antragstellerin auch ab Juni 2009 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erbringen, ohne das Einkommen und Vermögen des Zeugen bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Dabei hat der Senat die einstweilige Leistungserbringung auf die Höhe der zuletzt vorläufig bewilligten Leistungen und die Zeit bis September 2009 (Bescheid vom 8. Mai 2009) begrenzt. Denn zum einen entspricht dies dem Begehren der Antragstellerin in diesem Verfahren. Zum anderen können damit die Erkenntnisse aus den Ermittlungen der Antragsgegnerin zu den Lebens- und Wohnverhältnissen der Tochter zeitnah berücksichtigt werden. Angesichts der glaubhaft gemachten prekären finanziellen Situation und des Verlustes des Krankenversicherungsschutzes seit Juni 2009 waren weitere Ermittlungen in diesem Verfahren insoweit - z.B. durch Vernehmung der Tochter - nicht veranlasst.

Die Tatsachen für einen Anordnungsgrund sind ebenso glaubhaft gemacht. Denn der Antragstellerin ist das Abwarten des Vor- und Klageverfahrens nicht zuzumuten.

Von einer Beschränkung der einstweiligen Leistungserbringung ab dem 5. Juni 2009 (Antragseingang beim SG) wurde - ausnahmsweise - abgesehen. Denn der 1. Juni 2009 war ein gesetzlicher Feiertag (Pfingstmontag). Des Weiteren hat die Antragstellerin alles getan, um nach der Bekanntgabe des Bescheides vom 28. Mai 2009 umgehend ihre Rechte zu wahren, sind nur drei Werktage bis zum 5. Juni 2009 betroffen und besteht ein besonderer Nachholbedarf bei der Antragstellerin, der sich auch auf die Zeit vor dem 5. Juni 2009 erstreckt. Angesichts dieser besonderen Umstände des Einzelfalles ist darin kein Präjudiz für künftige Entscheidungen des Senats zu sehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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