L 7 AS 43/10 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 43 AS 6956/09 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 43/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei der Umweltprämie handelt es sich um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dient und darüber hinaus die Lage der Hilfebedürftigen nicht ohne Weiteres so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht gerechtfertigt wären.
2. An die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes infolge von fortbestehendem Nachholbedarf sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen.
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Dezember 2009 aufgehoben. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit vom 08.12.2009 bis 31.03.2010 zusätzlich 208,33 EUR monatlich Arbeitslosengeld II zu gewähren.

II. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner) zu Recht die Umweltprämie nach der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20.02.2009 als Einkommen auf den Bedarf der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) angerechnet hat.

Die 1980 geborene Antragstellerin ist alleinstehend und bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner. Für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.09.2009 wurden ihr Leistungen in Höhe von 551,00 EUR monatlich gewährt (359,00 EUR Regelleistung sowie 91,78 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung).

In ihrem Fortzahlungsantrag vom 08.09.2009 gab sie an, dass sie im letzten Bewilligungszeitraum ein Kraftfahrzeug erworben und hierfür die Umweltprämie in Anspruch genommen habe. Ausweislich des Ankaufscheins vom 05.03.2009 war ihr altes Fahrzeug (VW Golf, Baujahr 1997) zur staatlich geförderten Abwrackprämie von 2.500,00 EUR zur Verrechnung mit Neufahrzeug zu einem Preis von 0 EUR angekauft worden. Am 30.03.2009 wurde auf den Namen der Antragstellerin ein Fiat Grande Punto zugelassen. Nach dem Darlehensvertrag vom 31.03.2009 betrug der Fahrzeugpreis inklusive Nebenkosten 11.637,00 EUR. Abzüglich der Umweltprämie waren somit 9.137,00 EUR zu finanzieren.

Mit Bescheid vom 15.09.2009 bewilligte der Antragsgegner monatliche Leistungen für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 in Höhe von 272,00 EUR. Die Abwrackprämie sei eine einmalige Einnahme und gemäß § 11 SGB II Einkommen. Diese einmalige Einnahme werde auf einen angemessenen Zeitraum auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angerechnet. Da sie mit Zustimmung des Antragsgegners aus der gemeinsam mit ihrem Vater bewohnten Wohnung ausgezogen und zum 01.12.2009 einen Mietvertrag über eine eigene Wohnung abgeschlossen hatte, wurde der Bewilligungsbescheid vom 15.09.2009 mit Bescheid vom 25.11.2009 geändert und der Antragstellerin unter Berücksichtigung der geänderten Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.03.2010 monatliche Leistungen in Höhe von 454,00 EUR gewährt.

Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, weil zweckbestimmte Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Dies treffe auf die Abwrackprämie zu, da ihr das Geld nicht zur freien Verfügung gestanden habe, sondern ausschließlich zum Kauf eines PKW eingesetzt worden sei. Gleichzeitig fragte sie an, ob die Abwrackprämie nicht auf einen größeren Zeitraum aufgeteilt werden könne, da sie momentan ihren Lebensunterhalt mit den Leistungen nach dem SGB II nicht bestreiten könne.

Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 zurück. Die gewährte Umweltprämie sei mit einem monatlichen Betrag in Höhe von 208,33 EUR als Einkommen leistungsmindernd angerechnet. Nach § 11 Abs. 1 SGB II sei Einkommen alles, was der Leistungsempfänger während des Leistungsbezuges wertmäßig dazubekomme. Entweder erhalte er im Monat der Bewilligung eine Leistung in Höhe von 2.500,00 EUR oder der Kaufpreis werde um 2.500,00 EUR gemindert. Letzteres stelle gleichfalls einen wirtschaftlichen Vorteil dar. Die Zweckbestimmung der Umweltprämie allein reiche nicht aus, um sie von der Anrechnung freizustellen. Weitere und ebenso notwendige Voraussetzung sei, dass sie die Lage des Hilfebedürftigen nicht so günstig beeinflusse, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Die einmalige Einnahme in Höhe von 2.500,00 EUR entspreche mehr als der siebenfachen Regelleistung in Höhe von derzeit 359,00 EUR. Eine verschärfte Gerechtfertigkeitsprüfung sei bei zweckbestimmten Einnahmen ab einer halben Regelleistung vorzunehmen (siehe Hinweise der BA zu § 11). Bei einem derartigen Überschreiten des Schwellenwertes sei es nicht gerechtfertigt, trotz Zahlung der Umweltprämie ungekürzte Leistungen nach dem SGB II zu erbringen. Einmalige Einnahmen seien auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Im Fall der Antragstellerin sei der Betrag auf einen Zeitraum von zwölf Monaten aufgeteilt worden. Ihr verblieben somit 272,45 EUR für den Lebensunterhalt. Der Steuerzahler könne nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass sie eine nicht notwendige Schuldverpflichtung eingegangen sei, die sie wesentlich in ihren finanziellen Mitteln für ihren Lebensunterhalt einschränke. Da sie zurzeit keinen Arbeitsplatz habe und auch keine Arbeit zu erwarten sei und damit verbunden keine Notwendigkeit eines eigenen PKW, um den Arbeitsplatz aufsuchen zu können, bestehe auch aus diesem Grund keine dringende Notwendigkeit der Beschaffung eines eigenen, noch dazu neuwertigen PKW. Der Widerspruchsbescheid wurde der Antragstellerin am 26.11.2009 zugestellt. Klage hiergegen ist am 08.12.2009 erhoben worden (S 43 AS 7085/09).

Am 08.12.2009 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Chemnitz die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Da ihr VW Golf zuletzt gehäuft altersbedingte Reparaturanfälligkeiten gezeigt habe, die mit erheblichem Kostenaufwand verbunden gewesen seien, habe sie sich entschlossen, die Abwrackprämie in Anspruch zu nehmen und ein Fahrzeug auf Finanzierung zu erwerben. Fester Bestandteil der Finanzierung sei die Umweltprämie über 2.500,00 EUR gewesen. Auf Grund der Anrechnung verblieben ihr vom Regelsatz de facto 180,67 EUR. Sie verfüge weder über verwertbares Vermögen noch sei sie in der Lage, anderweitig ihren Lebensunterhalt bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu finanzieren. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei die Abwrackprämie eine privilegierte zweckbestimmte Einnahme gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, wobei die Lage des Hilfebedürftigen nicht derart günstig beeinflusst werde, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt erschienen. Bei der Abwrackprämie handele es sich nicht um eine Leistung, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts diene. Vielmehr sei sie ein einkommensteuerfreies Instrumentarium zur Belebung der Konjunktur und verfolge insoweit andere, außerhalb des SGB II liegende Ziele. Intendiert sei, die Verschrottung alter emmissionsintensiver PKW sowie den Absatz neuer Personenwagen zu fördern. Dies könne bei einem Alg-II-Berechtigten nur realisiert werden, wenn die Prämie nicht vorrangig vor den ansonsten nach dem SGB II gewährten Leistungen für die Bestreitung des Lebensunterhalts eingesetzt werden müsse. Anderenfalls käme der Prämienbetrag wirtschaftlich dem Träger der Grundsicherungsleistung zugute und nicht dem Hilfebedürftigen. Die Lage der Leistungsempfänger werde nicht in einem derartigen Maße günstig beeinflusst, dass daneben die Gewährung von Leistungen nicht gerechtfertigt erscheine. Dem Hilfebedürftigen flössen im Ergebnis keinerlei Mittel zu, die er für seinen Unterhalt verwenden könne, vielmehr flössen diese in die Bezahlung des Neufahrzeugs, ohne für andere, die grundlegend alltäglichen Bedarfe, zur Verfügung zu stehen. Es bestehe insoweit eine Vergleichbarkeit mit der Eigenheimzulage, die nach gefestigter Rechtsprechung anrechnungsfreies Einkommen darstelle, soweit sie zur Finanzierung von Wohneigentum verwendet werde. Mit Schreiben vom 18.12.2009 hat das Autohaus der Antragstellerin bestätigt, dass die Umweltprämie zur Finanzierung bei der F. Bank als Anzahlung eingegangen sei. Die Zahlung der Umweltprämie sei direkt vom Konto des Autohauses in die Finanzierung eingeflossen.

Der Antragsgegner ist dem Antrag unter Berufung auf entgegenstehende Rechtsprechung einiger Kammern des Sozialgerichts Chemnitz entgegengetreten. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Umweltprämie um eine zweckbestimmte Einnahme nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II handle, weil die Lage des Empfängers hierdurch jedenfalls so günstig beeinflusst werde, dass daneben Leistungen nicht gerechtfertigt seien. Dies deshalb, weil der Antragstellerin erhebliche Geldmittel in mehrfacher Höhe der monatlichen Regelleistung für ein Verbrauchsgut und damit zum Konsum (hier: Anschaffung eines unangemessenen PKW zum Fahrzeugpreis von 11.637,00 EUR) zur Verfügung gestellt würden, welche sie jedoch aus der Regelleistung zu bestreiten habe. Eine Vergleichbarkeit der nicht zuletzt einer Förderung der Nachfrage nach Kraftfahrzeugen dienenden Umweltprämie mit der einer Absicherung des Grundbedürfnisses Wohnen dienenden Eigenheimzulage sei nicht gegeben. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II ein angemessenes Fahrzeug nicht als Vermögen zu berücksichtigen sei, weil dies einen Schutz der zur Anschaffung bestimmten Mittel nicht einschließe.

Mit Beschluss vom 23.12.2009 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt, weil jedenfalls kein Anordnungsanspruch bestehe. Da weder Fehler bei der Bemessung des Bedarfs noch bei der Berechnung der Leistungen vorgetragen worden oder feststellbar seien, sei Gegen¬stand der Prüfung ausschließlich die Frage der Rechtsnatur der Umweltprämie und der erfolgten Anrechnung als Einkommen der Antragstellerin. Als Einkommen im Sinne des SGB II seien alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich bestimmter aufgezählter Abzüge und Ausgaben anzusehen, auch wenn die Zahlung, wie hier, an Dritte erfolge, um damit bestehende Verbindlichkeiten abzulösen. Die Umweltprämie gehöre auch nicht zu den in § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II ausdrücklich genannten nicht anzurechnenden Einnahmen, auch nicht nach der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-VO). Allerdings könne die Umweltprämie nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II nicht anzurechnen sein, wenn es sich dabei um eine zweckbestimmte Einnahme handele. Insgesamt überzeugten jedoch die für eine Anrechnung als Einkommen sprechenden Argumente in der bisherigen Rechtsprechung, sodass sich die Kammer dieser Ansicht anschließe. Es sei den zuständigen Ministerien jederzeit möglich gewesen, durch Änderung der Alg II-VO eine entsprechende Regelung für die Umweltprämie zu treffen, was nicht geschehen sei. Dass eine solche Umsetzung nicht gewollt, sondern schlichtweg vergessen worden sei, könne angesichts der über Monate andauernden öffentlichen Diskussion in den Medien ausgeschlossen werden, sodass davon auszugehen sei, dass gerade keine Regelungslücke, sondern eine bewusste Entscheidung gegen eine Privilegierung dieser der Stützung der Autoindustrie dienenden staatlichen Maßnahme vorliege. Die Richtlinie, unter denen die Umweltprämie gezahlt werde, sei kein geeigneter Maßstab, um daraus herzuleiten, dass es sich bei der Prämie um eine zweckgerichtete Leistung im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II handeln müsse. Auch der von mehreren Gerichten vorgenommene Vergleich mit der Wohnbauprämie (gemeint sei wohl die Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz) sei nicht überzeugend. Diese sei nur dann anzurechnendes Einkommen, wenn sie nachweislich zur Deckung der Finanzierungskosten einer nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II schutzwürdigen Immobilie verwendet werde. Mit der Nichtanrechnung der Eigenheimzulage werde somit ein auch mit dem SGB II verfolgter Zweck unterstützt, nämlich die dauerhafte Sicherung der Kosten der Unterkunft. Der Schutz von Wohnraum stehe darüber hinaus, anders als der Erwerb eines neuen Kraftfahrzeugs, unter dem besonderen Schultz des Art. 14 Grundgesetz (GG). Ob auch der Schutzbereich des Art. 13 GG gegeben sei, könne dahinstehen. Denn schließlich übersteige die Umweltprämie den Bedarf eines alleinstehenden volljährigen Leistungsempfängers um knapp das Siebenfache. Auch sei nicht zutreffend, dass die Mittel der Umweltprämie dem Leistungsberechtigten gerade nicht zur Verfügung stünden. Gegenteiliges sei der Fall, denn bei Zahlung der Umweltprämie stünden dem Leistungsberechtigten 2.500,00 EUR mehr zum Erwerb eines höherwertigen Fahrzeugs zur Verfügung, die er entweder weniger kreditieren oder seinem Schonvermögen entnehmen müsse. Mit der Umweltprämie würden Schulden des Leistungsempfängers getilgt, denn unabhängig von deren Zahlung müsse der Käufer eines Fahrzeuges den vollen Kaufpreis zahlen, wenn die Prämie aus irgendwelchen Gründen nicht zur Auszahlung komme. Damit sei sie schlichtweg Einkommen, denn sie führe zu einer erheblichen Vermehrung des Vermögens des Leistungsberechtigten. Das erkennende Gericht folge dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, wonach es sich bei der Umweltprämie nicht um ein Surrogat für ein nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II dem Schutzvermögen unterfallendes angemessenes Fahrzeug handele, da nach dieser Vorschrift der Leistungsempfänger zwar ein angemessenes Kraftfahrzeug behalten könne, was jedoch nicht bedeute, dass die mit der Anschaffung eines derartigen Fahrzeugs zufließenden Mittel ebenfalls geschützt seien. Die Schutzvorschrift des § 12 SGB II schütze ausschließlich einen bereits vorhandenen Vermögensbestand und solle diesen nicht verbessern, wie es beim Erwerb eines modernen Neufahrzeugs der Fall wäre. Es stehe außer Frage, dass ein neuwertiges Fahrzeug wesentlich weniger reparaturanfällig sei als ein älteres. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG sei nicht zu erkennen. Da die SGB-II-Berechtigten bereits erhebliche fürsorgliche Leistungen bezögen, für die die Allgemeinheit durch Steuern aufzukommen habe, sei dies gerechtfertigt. Auch sei die vorgenommene grundsätzlich zulässige Verteilung der Anrechnung der Prämie als Einkommen auf zwölf Monate unbedenklich, da die Antragstellerin nicht aus dem Leistungsbezug falle, sodass ihr Vorteile wie der Krankenversicherungsschutz erhalten bleiben. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass auch nach den anderslautenden Entscheidungen, wonach zu prüfen sei, ob sich das Vermögen des Leistungsberechtigten durch den Erwerb des Kraftfahrzeugs derart erhöhe, dass er zu dessen Verwertung verpflichtet wäre, vorliegend eine Anrechnung erfolgen dürfe. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben, denn der Wert des Fahrzeugs belaufe sich auf 11.637,00 EUR. Als angemessen gelte allgemein ein Kraftfahrzeug im Wert von ca. 7.500,00 EUR. Zugleich ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden.

Gegen den ihr am 29.12.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20.01.2010 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangene Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Gleichzeitig hat sie gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe Beschwerde eingelegt. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass es sich bei der Umweltprämie um eine zweckbestimmte Einnahme handele, die einem anderen Zweck diene als die zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährten SGB-II-Leistungen. Bezug nehmend auf den Beschluss des Sozialgerichts trägt sie vor, dass der erworbene PKW Fiat Grande Punto an den Darlehensgeber sicherungsübereignet worden sei, sodass es ihr nicht möglich gewesen wäre, das finanzierte Fahrzeug zu veräußern. Vielmehr habe sie lediglich eine Anwartschaft auf das Eigentum an dem PKW erworben. Der Wert dieser Anwartschaft belaufe sich auf die Umweltprämie zuzüglich der monatlich zu erbringenden Raten. Dabei sei jedoch ebenfalls mit einzustellen, dass das Fahrzeug einem erheblichen Wertverlust von über 50 % in drei Jahren unterliege, sodass mit Erwerb des Vollrechts der Wert des Fahrzeugs unter 7.500,00 EUR liegen werde.

Mit Schreiben vom 22.04.2010 hat sie noch mitgeteilt, sie habe ab Januar bis April 2010 keine Mietzahlungen für ihre Wohnung geleistet, da sie davon ausgegangen sei, dass der Antragsgegner die Miete direkt an die Vermieterin überweise. Mit Anwaltsschreiben vom 12.04.2010 sei ihr wegen des Zahlungsverzugs fristlos gekündigt worden, sie habe jedoch mit der Vermieterin eine Einigung dahin erzielen können, dass das Mietverhältnis fortgeführt und ab Mai 2010 monatlich 60,00 EUR auf die offenen Mieten erbracht würden. Über ihr Vermögen sei mit Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Von einer Freundin und deren Mutter habe sie insgesamt 800,00 EUR darlehensweise erhalten; diese Darlehen müsse sie schnellstmöglich zurückzahlen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 23.12.2009 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin ab 08.12.2009 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung der Umweltprämie als Einkommen zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt vor, die Antragstellerin übersehe, dass es sich bei dem von ihr angeschafften Fahrzeug um einen keinem Vermögensschutz unterliegenden unangemessenen PKW zum Fahrzeugpreis von 11.637,00 EUR handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge des Beschwerdeverfahrens L 7 AS 44/10 B PKH und die Verwaltungsakte des Antragsgegners (Bl. 1-177) verwiesen.

II.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf vorläufige Gewährung ungekürzter Leistungen nach dem SGB II zu Unrecht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf Antrag schon vor Klageerhebung (§ 86b Abs. 3 SGG) eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der geltend gemachte materielle Rechtsanspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert oder geregelt werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Außerdem kann das Gericht dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang – wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter dem Vorbehalte der Entscheidung in der Hauptsache – das gewähren, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen kann.

Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach summarischer Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und er deshalb im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren Erfolg haben würde. Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 16c), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt (Binder in: Hk-SGG, 2. Aufl. 2006, § 86b Rn. 42). Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter unzumutbar erscheinen lässt, ihn zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage 2008, Rdnr. 154-156 m. w. N.; ähnlich: Krodel, NZS 2002, 234 ff.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 86b Rdnr. 27a). Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg/Jank, a. a. O., Rdnr. 152, 338; jeweils m. w. N.).

Daran gemessen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin ist grundsätzlich leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Auf ihren – vom Antragsgegner unstreitig zutreffend ermittelten – Bedarf ist die Umweltprämie in Höhe von 2.500,00 EUR, die ihr infolge des Erwerbs eines neuen PKW der Marke Fiat am 31.03.2009 gewährt wurde, nicht bedarfsmindernd anzurechnen. Denn bei der Umweltprämie handelt es sich um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, die einem anderen Zweck als die Leistung nach dem SGB II dient und darüber hinaus die Lage der Antragstellerin nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht gerechtfertigt wären.

Die Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II soll einerseits verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird, und andererseits vermeiden, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden. Eine den Anforderungen dieser Vorschrift genügende Zweckbestimmung der betreffenden Leistung ist dann gegeben, wenn sich dieser Zweck aus der jeweiligen gesetzlichen Vorschrift eindeutig ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2007 – B 11b AS 15/06 R –Rdnr. 28). Daher ist eine Leistung immer dann zweckbestimmt im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, wenn ihr vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen ist, die im Fall der Anrechnung der Leistung auf das Arbeitslosengeld II Alg II zu einer Zweckvereitlung führen würde (vgl. BSG, Urteil vom 06.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 R – Rdnr. 16 m. w. N). Eine Leistung, die zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt wird, ist nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die SGB-II-Leistung im Einzelfall demselben Zweck dient (vgl. Urteil vom 06.12.2007 – B 14/7b AS 22/06 R, JURIS Rdnr. 20). Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber zweckidentische Doppelleistungen verhindern will, sodass im Rahmen der Berücksichtigung von Einkommen nach dem SGB II grundsätzlich sämtliche Zahlungen mit Entgeltfunktion erfasst werden sollen (vgl. Urteil vom 06.12.2007, a. a. O.). Bei einer Leistung, deren Zweck darin besteht, als Lohn oder Lohnersatz den allgemeinen Lebensunterhalt des Empfängers zu garantieren, handelt es sich im Regelfall nicht um eine privilegierte Einnahme (BSG, Urteil vom 27.02.2008 – B 14/7b AS 32/06 R, Rdnr. 48). Daher kommt es darauf an, ob die infrage stehende Leistung – hier die Umweltprämie – ebenso wie die Leistung nach dem SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten dient (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 19/07 R, Rdnr. 14).

Unter Berücksichtigung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ist das Argument des Sozialgerichts, dass die Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen kein geeigneter Maßstab sei, um daraus herzuleiten, dass es sich bei der Prämie um eine zweckgerichtete Leistung im Sinne des § 11 SGB II handle, nicht nachvollziehbar. Der Zweck einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelung ergibt sich in der Regel aus der Norm selbst oder ist durch Auslegung zu ermitteln. Unbestreitbar dient die Umweltprämie völlig anderen Zwecken als die existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II. Das Förderziel ergibt sich hier schon aus dem Wortlaut der Nummer 1.1 der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20.02.2009 (mit Änderungen der Richtlinie vom 17.03.2009; BAnz S. 835; im Folgenden: Förderrichtlinie) eindeutig, nämlich mit Hilfe einer Umweltprämie die Verschrottung alter und den Absatz neuer Personenkraftwagen zu fördern, um durch den Austausch emissionsträchtiger Altfahrzeuge durch neue, effizientere und sauberere Fahrzeuge einen Beitrag zur Schadstoffreduzierung in der Luft zu leisten bei gleichzeitiger Stärkung der Nachfrage. Diese beiden ausdrücklich formulierten Zielrichtungen der Förderrichtlinie decken sich nicht mit dem Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II erwerbsfähige Hilfebedürftige bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Beschäftigung unterstützen und den Lebensunterhalt sichern soll. Zudem sind Alg II-Empfänger nach dem in der Förderrichtlinie zum Ausdruck gebrachten Willen der Bundesregierung von der Förderung nicht ausgeschlossen, denn der Kreis der Antragsberechtigten ist insoweit nicht beschränkt: nach Nummer 2.2 der Förderrichtlinie können alle Privatpersonen, auf die ein Neufahrzeug zugelassen wird und die ein Altfahrzeug verschrotten, deren Halter sie waren, Zuwendungsempfänger sein.

Schließlich würde der besondere Zweck der Förderrichtlinie nicht im gewünschten Umfang erreicht, wenn die Umweltprämie bei Hilfebedürftigen als Einkommen berücksichtigt würde, da dann der Anreiz für den Kauf eines Neuwagens zunichte gemacht würde (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.10.2009, L 5 AS 265/09 B ER, Rdnr. 25, und Beschluss vom 22.09.2009 L 2 AS 315/09 B ER; ThürLSG, Beschluss vom 27.07.2009, L 7 AS 535/09 B ER). Zu Recht formuliert das Bayerische Landessozialgericht (Beschluss vom 21.12.2009, - L 7 AS 831/09 B ER, Rdnr. 26): "Die Umweltprämie ist ein Zuschuss zum Erwerb eines neuen PKW – dafür gibt es im SGB II keine Leistungen.".

Ferner wird durch die staatliche Umweltprämie die Lage des Hilfeempfängers nicht ohne Weiteres so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Soweit der Antragsgegner und das Sozialgericht in Übereinstimmung mit dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschluss vom 03.07.2009 – L 20 B 59/09 AS ER) einwenden, dass die Umweltprämie die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II um nahezu das Siebenfache übersteigt, lassen sie unberücksichtigt, dass die Zuwendung in Höhe von 2.500,00 EUR dem Leistungsempfänger zweckgebunden nur bei Verschrottung eines alten und Anschaffung eines neuen Fahrzeugs gewährt wird (vgl. auch HessLSG, Beschluss vom 15.01.2010 – L 6 AS 515/09 B ER, Juris Rdnr. 17). Zur Auszahlung kommt es nämlich erst, wenn ein Verwertungsnachweis ausgestellt wurde sowie die Außerbetriebsetzung des Altfahrzeugs und die Neuzulassung auf den Antragsteller nachgewiesen ist (vgl. Verwendungsnachweisführung vor Auszahlung gemäß Nummer 6.2 Abs. 5 der Förderrichtlinie). Das bedeutet, dass die Finanzierung des Neuwagens vom Zuwendungsempfänger in Höhe der Umweltprämie gewissermaßen "vorgestreckt" wird.

Die Gewährung einer Umweltprämie kommt nur für solche Alg II-Empfänger in Betracht, die ohnehin schon über einen (alten) Personenkraftwagen verfügen. Mit der Umweltprämie tauschen sie dieses Altfahrzeug gegen einen Neuwagen i. S. d. Förderrichtlinie aus, so dass sie tatsächlich nicht die Zuwendung in Höhe von 2.500,00 EUR als Mittel zur Deckung des Lebensunterhaltes verbrauchen, sondern diesen Geldbetrag nur im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Pkw verwenden können. Wegen dieser strikten Zweckbindung ist es unerheblich, ob wie im Falle der Antragstellerin – die vertragliche Gestaltung so erfolgt, dass die Umweltprämie schon nicht an den Hilfebedürftigen, sondern an einen Dritten ausbezahlt wird (so aber Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 26.08.2009 – S 12 AS 3516/09). Ebenso ist unerheblich, ob der Personenkraftwagen benötigt wird, um die Chancen des Hilfebedürftigen auf dem Arbeitsmarkt zu steigern. Es ist bleibt dem Hilfeempfänger auch nach den Vorschriften des SGB II grundsätzlich selbst überlassen, die für seinen Bedarf gewährten existenzsichernden Mittel im Rahmen seiner Möglichkeiten nach seinem Belieben zu verwenden. Es liegt auf der Hand, dass Altfahrzeuge reparaturanfälliger sind als Neuwagen. Aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Bürgers spricht alles für die subventionierte Anschaffung eines neuen Personenkraftwagens, wodurch zugleich kostenaufwändige Kfz-Reparaturen vermieden werden, die andernfalls ebenfalls aus der Regelleistung bestritten werden müssten.

Die gegenteilige Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (a. a. O.) überzeugt nicht. Zum einen bedarf es keines Vergleichs mit der Anrechenbarkeit der Eigenheimzulage, weil sich allein aus der Zweckbestimmung der konkreten Zuwendung ergibt, dass eine bedarfsmindernde Anrechnung als Einkommen nicht beabsichtigt war. Im Rahmen der Subventionierung zur Förderung politisch gewollter Maßnahmen hat es allein der Richtliniengeber in der Hand zu entscheiden, für wen und für was Steuermittel eingesetzt werden sollen. Ob dadurch die Lage von Hilfeempfängern so günstig beeinflusst wird, dass daneben SGB II-Leistungen nicht gerechtfertigt erscheinen, ist hingegen eine davon zu trennende Rechtsfrage, die uneingeschränkt der gerichtlichen Prüfung unterliegt. Hierbei abermals wertend die vorgegebene Zweckbestimmung der Zuwendung zu berücksichtigen, ist unangebracht, da Maßstab einer Gerechtfertigkeitsprüfung in erster Linie eine vergleichende Betrachtung der Lage der Hilfebedürftigen sein dürfte. Unrichtig ist im Übrigen die Überlegung des Sozialgerichts, dass nur Wohnraum unter dem besonderen Schutz des Eigentumsgrundrechtes in Art. 14 GG stehe.

Richtig ist, dass die Umweltprämie selbst nicht als Surrogat für ein dem Schonvermögen unterfallendes angemessenes Fahrzeug anzusehen ist (vgl. Sozialgericht Chemnitz, Beschluss vom 09.09.2009 S 44 AS 4501/09). Ein derartiges Surrogat kann allenfalls das mit der Umweltprämie erworbene Neufahrzeug sein. Dabei geht der Senat davon aus, dass das mit Hilfe der Umweltprämie erworbene Neufahrzeug als zu verwertendes Vermögen nur dann zu berücksichtigen ist, wenn bei Berücksichtigung des Wertes eines angemessenen Fahrzeugs i.S.d. § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zusätzlich der maßgebliche Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB II überschritten wird (so auch HessLSG, Beschluss vom 15.01.2010, a.a.O. Rdnr. 19; BayLSG, Beschluss vom 21.12.2009, a.a.O. Rdnr. 28). Im Falle der Antragstellerin, die über kein weiteres Vermögen verfügt, bleibt der Wert ihres neuen Pkw jedenfalls unter den maßgeblichen Freibeträgen. Der Senat kann daher hier offen lassen, welcher Wert eines Fahrzeugs anzusetzen wäre (z. B. Wert der Anwartschaft des sicherungsübereigneten Pkw, Kaufpreis, Verkehrswert nach Schwacke o.Ä.; vgl. z. B. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.10.2009, – L 5 AS 45/09, Rdnr. 31ff.).

Nach allgemeiner Auffassung setzt eine begehrte Regelungsanordnung "zur Abwendung wesentlicher Nachteile" (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) einen auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch glaubhaft gemachten Anordnungsgrund voraus (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung der für die SGB II-Verfahren zuständigen Senate des SächsLSG z.B. die Beschlüsse vom 22.04.2008 - L 2 B 111/08 AS-ER, vom 07.01.2009 - L 3 B 349/08 AS-ER und vom 24.08.2009 - L 7 B 735/08 AS-ER; so auch Berlit, info also 2005, 1, 10f; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn 333, 335, 429 und 431; Keller, a.a.O., § 86b Rn 42; Spellbrink, Sozialrecht aktuell 2007, 1, 2). Wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden, besteht - dem Grunde nach - nach allgemeiner Auffassung kein Anordnungsgrund, soweit nicht Tatsachen für einen besonderen Nachholbedarf glaubhaft gemacht wurden, d.h. wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart (und Zukunft) fortwirkt und noch eine gegenwärtige Dringlichkeit oder Notlage begründet (vgl. weiterhin z. B. Binder in: Lüdtke, SGG, 3. Aufl. 2009, § 86b Rdnr. 37; Conradis in: Münder, SGB II, 3. Aufl. 2009, Anhang Verfahren Rdnr. 123; Groth, NJW 2007, 2294, 2295; Krasney/¬Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl. 2008, V. Kapitel, Rdnr. 38b). Dies gilt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht nur für Zeiten vor dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht (z. B. Beschluss vom 06.08.2009 - L 7 AS 206/09 B ER), sondern ebenso für zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits vergangene und streitgegenständliche Bewilligungszeiten (vgl. z. B. Beschluss vom 24.08.2009 - L 7 B 735/08 AS-ER). Denn die geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigungen, die sich auf vergangene Zeiten beziehen, lassen sich grundsätzlich im Hauptsachverfahren klären (ebenso Finkelnburg/Dom¬bert/¬Külpmann, a.a.O., Rdnr. 335). An die Annahme eines Nachholbedarfs als Ausnahme hiervon sind - nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen und aufgrund der regelmäßig sechsmonatigen Bewilligungszeit – allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. hierzu z.B. SächsLSG, Beschlüsse 22.04.2008 - L 2 B 111/08 AS-ER und 18.12.2008 - L 7 B 737/08 AS-ER).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats war der streitgegenständliche Bewilligungszeitraum vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 bereits abgelaufen. Allerdings hat die Antragstellerin einen fortbestehenden Nachholbedarf ausreichend glaubhaft gemacht. Inzwischen wurde ihr von der Vermieterin das Mietverhältnis wegen seit Dezember 2009 rückständiger Miete fristlos gekündigt, über ihr Vermögen ist mit Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz – Insolvenzgericht – vom 13.01.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet worden und sie hat sich von Bekannten Geld geliehen, um die Raten für den Pkw bezahlen zu können.

Daher hat die Beschwerde insgesamt Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG,

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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