L 4 KR 68/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 439/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 68/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Familienhelfer nach dem SGB III können auch als freiberufliche Mitarbeiter bei den Landkreisen tätig sein.
I. Die Berufung der Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 3) gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. Januar 2008 werden zurückgewiesen.

II. Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner je zur Hälfte. Die Beigeladene zu 3) hat ihre Kosten selbst zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Gegenstandswert wird auf EUR 54.000,00 festgesetzt.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladenen zu 3) bis 5) als Familienhelfer im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) versicherungspflichtig beim Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe beschäftigt waren. Streitgegenständlich sind insoweit Beschäftigungsverhältnisse in den Zeiträumen ab 1999 bis 2000 bzw. 2006.

Der Kläger ist als Landkreis Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 69 Abs. 1 SGB VIII i. V. m. den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Kinder- und Jugendhilfegesetz - BayKJHG - vom 18.06.1993, gültig bis 31.12.2006; ab 01.01.2007: Art. 15 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze - AGSG -). Die SPFH stellt eine Maßnahme zur Erziehung nach den §§ 27 ff. SGB VIII dar, die zum Ziel hat, Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen durch intensive Betreuung und Begleitung zu unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe zu geben (§ 31 Satz 1 SGB VIII). Es handelt sich um eine intensive Form ambulanter Hilfe für Familien, die sowohl von öffentlichen als auch freien Trägern der Jugendhilfe erbracht werden kann (§ 3 SGB VIII), wobei die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben tragen (§ 79 Abs. 1 SGB VIII).

Für die Sicherstellung der SPFH in seinem Zuständigkeitsbereich hat sich der Kläger bereits in der Vergangenheit eigener festangestellter Fachkräfte und freier Mitarbeiter bedient sowie auch Einrichtungen der Jugendhilfe in freier Trägerschaft, die ihrerseits entweder mit festen oder freien Mitarbeitern tätig sind. Grundlage ist noch heute ein eigenes Konzept des Klägers (Konzept sozialpädagogische Familienhilfe des Landkreises A-Stadt-C-Stadt), das zur Durchführung der SPFH erstellt wurde. Dieses enthält u.a. eine Darstellung der Arbeitsweise der SPFH und der Aufgaben der Familienhelfer, einschließlich der methodischen Ansätze ihrer Arbeit und des Ablaufs einer SPFH. Nach einer dreimonatigen Probezeit und dann in jeweils sechsmonatigen Abständen habe der Familienhelfer Berichte für das Jugendamt zu erstellen. Hingewiesen wird im Konzept weiter auf die Bedeutung von Austausch und Reflexion mit Kollegen, der Teilnahme an Supervisionen, Fortbildungen und regionalen Arbeitskreisen sowie Fachtagungen.

Bei den Beigeladenen zu 3) bis 5) handelt es sich um Diplom-Sozialpädagogen, die ab 1997 bzw. 1998 auf Grundlage befristeter Honorarverträge als Familienhelfer für den Kläger tätig waren. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 3) für den Kläger dauerte dabei bis Mai 2006, während die Beschäftigung der Beigeladenen zu 4) bzw. zu 5) bereits am 22.10.2000 bzw. 30.11.2000 endete. Der Kläger schloss mit den Beigeladenen sogenannte "Vereinbarungen" über die Betreuung einer bestimmten Familie im Rahmen der SPFH. Darin wurde in § 1 geregelt, dass die Tätigkeit im Rahmen einer selbständigen Berufsausübung stattfinden solle. Die Betreuung und Begleitung der Familie habe im Sinne der Konzeption der SPFH des Landkreises zu erfolgen. Im Übrigen könnten die Arbeitsbedingungen frei gestaltet, insbesondere die Einsatzzeiten durch Absprache frei bestimmt werden. Es werde ein Bruttohonorar 60,00 DM pro abrechenbarer Stunde bei monatlicher Ausbezahlung geleistet (später 34,00 Euro). Festgelegt wurde auch, welche Tätigkeiten der Honorarrechnung zugrunde gelegt werden konnten bzw. welche Tätigkeiten nicht selbständig abrechenbar waren (z. B. schriftliche Arbeiten, Supervision und Praxisberatung und grundsätzlich Fahrzeiten). Pro Monat und Familie seien bis zu 60 Stunden abrechenbar (§ 2, später 100 Stunden). Es würden Gruppensupervisionen und interne Fortbildung als Serviceleistungen angeboten. Der hierfür entstehende Zeitaufwand werde nicht vergütet. Für die Versteuerung der Honorare habe die Honorarkraft selbständig Sorge zu tragen, Ansprüche auf Erholungsurlaub und Ansprüche im Krankheitsfall bestünden nicht. Auch übernehme der Landkreis keine Haftung für Unfälle während der Vertragserfüllung (§ 3). Eine Berichtspflicht wurde zunächst im halbjährlichen Abstand sowie zum Abschluss der Maßnahme in § 4 geregelt. Ab 2005 waren Berichte jeweils vor der Hilfeplanfortschreibung sowie zum Abschluss der Maßnahme zu erstellen. Darüber hinaus hatte die Honorarkraft bei Kindeswohlgefährdung nach eigener Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine erfahrene Fachkraft hinzuziehen und gegebenenfalls das Jugendamt zu informieren. Die Dauer des Betreuungsverhältnisses wurde in § 6 geregelt: Nach dreimonatiger Probezeit konnte es gegebenenfalls vom Kläger in Absprache mit der Honorarkraft nach Vorlage des Berichts verlängert werden. In der seit 2005 verwendeten Fassung wurde in § 8 dagegen ein fester halbjährlicher Zeitraum angegeben. Darüber hinaus konnte der Vertrag von den Parteien fortzeitig beendet werden, insbesondere dann, wenn das Betreuungsziel vor Ablauf erreicht wurde oder die Mitarbeit der Familie nicht mehr gegeben war.

Im Oktober 1999 beantragten die Beigeladenen zu 3) bis 5) bei der Beklagten als zuständiger Einzugstelle die Beurteilung ihrer Sozialversicherungspflicht. In den hierzu eingereichten Feststellungsbögen wurde von ihnen einheitlich angegeben, dass die Möglichkeit bestehe, bestimmte Aufträge abzulehnen und den Arbeitsort frei zu wählen. Regelmäßige Arbeits- oder Anwesenheitszeiten seien nicht einzuhalten, auch sei bei plötzlicher Verhinderung der Auftraggeber nicht zu informieren. Eine freie Preisgestaltung könne dagegen nicht erfolgen. Nicht einheitlich wurde beantwortet, ob regelmäßige Anwesenheitszeiten einzuhalten seien und ob auch festangestellte Mitarbeiter die gleichen Arbeiten ausführten. Hierzu gab die Beigeladene zu 3) an, dass Festangestellte zusätzliche Gruppenleiter- und Koordinationsaufgaben ausübten und Überprüfungen der Fälle vornehmen würden. Auch hinsichtlich der Erteilung von Weisungen gab es unterschiedliche Angaben. Der Beigeladene zu 5) verneinte dies. Die Beigeladene zu 4) führte Berichtspflichten und Teambesprechungen an, während die Beigeladene zu 3) angab, dass sich ihre Pflichten aus den Honorarverträgen und dem Hilfeplan ergäben. Die Beigeladene zu 4) gab noch die Ausübung eines weiteren (versicherungspflichtigen) Beschäftigungsverhältnisses an.
Der zeitliche Aufwand und durchschnittliche Gewinn wurde von der Beigeladenen zu 3) als variabel bezeichnet, wobei später eine Aufstellung für das Jahr 1999 übermittelt wurde, aus dem sich ein schwankender monatlicher Gewinn ergibt (zwischen 840,00 DM und ca. 4.000,00 DM). Die Beigeladene zu 4) gab einen durchschnittlichen Gewinn von 800,00 DM bis 1.000,00 DM monatlich, der Beigeladene zu 5) einen Betrag von 1.500,00 bis 2.000,00 DM monatlich an.

Mit hier streitgegenständlichen Bescheiden vom 11.10.1999 und 14.10.1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Beigeladenen als abhängig Beschäftigte angesehen würden. Als Arbeitgeber habe der Kläger daher alle versicherungs-, beitrags- und melderechtlichen Vorschriften des SGB zu erfüllen. Auch die Beigeladenen zu 3) bis 5) erhielten Bescheide der Beklagten, mit denen festgestellt wurde, dass bei ihnen aufgrund einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers und des Fehlens eines eigenen Unternehmerrisikos eine abhängige Beschäftigung vorliege.

Am 25.10.1999 erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2001 zurückwies. Aus den Regelungen des SGB VIII ergebe sich, dass ein Weisungsrecht des Maßnahmeträgers gegenüber den Familienhelfern bestehe. Dies habe auch das BAG mit Urteil vom 06.05.1998 (Az.: 5 AZR 347/98) bestätigt.

Hiergegen erhob der Kläger am 13.02.2001 Klage zum Sozialgericht München (SG) und beantragte die Aufhebung der Bescheide hinsichtlich der Beigeladenen zu 3) bis 5). Vorgetragen wurde, dass weder das SGB VIII noch der Hilfeplan des Landkreises ein fachliches Weisungsrecht der hauptamtlichen Mitarbeiter gegenüber den Familienhelfern beinhalteten. Auch die vertraglichen Berichtspflichten könnten kein Weisungsrecht begründen, da der halbjährige Berichtsturnus keine intensive Kontrollmöglichkeiten eröffne. Die Hilfeleistungen könnten auf dem freien Markt ausgeschrieben und freien Trägern übertragen werden, was im Landkreis in ca. 50 % aller Fälle geschehe. Diese Träger könnten eigenständig darüber entscheiden, mit welchen Kräften der Werkvertrag erfüllt werden solle. Die Honorarkräfte trügen ein eigenes unternehmerisches Risiko, da sie uneingeschränkt auch für andere Auftraggeber tätig sein könnten und dies auch täten. Sofern sie nicht als Kleinunternehmer gegen die Umsatzsteuer votiert hätten, seien sie in vollem Umfang umsatzsteuerpflichtig. Wie die Berufsfelder Rechtsanwalt, Journalist und ähnliches zeigten, gebe es eine Vielzahl von Tätigkeiten, die sowohl von Angestellten als auch von freien Mitarbeitern bzw. selbständigen Unternehmern wahrgenommen werden könnten. Auch verwies der Kläger auf Bescheide anderer Krankenkassen bzw. der BfA, mit denen eine selbständige Tätigkeit von Familienhelfern bejaht worden war. Eine pauschale Übertragbarkeit der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Az.: L 4 KR 263/01), bei der eine abhängige Beschäftigung von Familienhelfern festgestellt worden war, wurde in Abrede gestellt.

Die beklagte Kasse verwies insbesondere auf die ergangenen Entscheidungen des BAG und des LSG Baden-Württembergs, mit denen entschieden worden sei, dass Familienhelfer nach § 31 SGB VIII regelmäßig Arbeitnehmer seien. Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit schloss sich dieser Ansicht ebenso an wie die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Die Beigeladene zu 3) verwies auf den Hilfeplan der maßgeblich von der hauptamtlichen Fachkraft erstellt werde. Diese trage die Verantwortung und habe daher auch die Weisungsbefugnis. Die Mitarbeiter des Jugendamtes hätten auch jederzeit die Möglichkeit, Kontrollen und einen Besuch in der Familie vorzunehmen. Pro Monat fänden eine Supervision und zwei bis drei Teambesprechungen statt, an denen stets auch die hauptamtliche Mitarbeiterin teilnehme. Auch könne nicht von einer freien Einteilung der Arbeitszeit gesprochen werden, da diese durch den Hilfeplan und die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort vorgegeben worden sei.

Mit Urteil vom 30.01.2008 hob das SG die Bescheide der Beklagten auf. In seiner Begründung führte es aus, dass das Jugendamt im Rahmen seiner Gesamtverantwortung den Familienhelfern lediglich einen finanziellen und zeitlichen Rahmen für ihre Tätigkeit vorgegeben habe. Weisungen könnten insoweit nicht erteilt werden.

Mit ihrer Berufung vom 17.03. bzw. 25.03.2008 verfolgen die Beigeladene zu 3) und der nunmehr zuständige Rentenversicherungsträger Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) für die Beigeladenen zu 3) bis 5) ihr Begehren weiter, eine Einstufung der Familienhelfer als abhängig Beschäftigte zu erreichen. In der Berufungsverhandlung hat sich auch die Beklagte der Berufung angeschlossen. Ergänzend teilte die Beigeladene zu 3) mit, dass bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit streitig gewesen sei, ob es sich tatsächlich um eine selbständige Beschäftigung handle. Auch die Beklagte selbst sei sich diesbezüglich nicht sicher gewesen. Wohl aus finanziellen Gründen habe man auf die Beschäftigung freier Mitarbeiter nicht verzichten wollen. Sie selbst und die beiden anderen Beigeladenen seien früher zu keiner Zeit beim Kläger festangestellt gewesen. Die hauptamtliche Fachkraft habe damals auch Familienhilfe geleistet, auch sei der zeitliche Rahmen enger gewesen. Für die regelmäßig stattfindenden Supervisionen hätten die Familienhelfer einen von außen kommenden Supervisor selbst ausgewählt und bestimmt. Eine hauptamtliche Fachkraft des Klägers gab in der Berufungsverhandlung an, dass sie mit einer weiteren Kollegin im Landkreis den Einsatz der derzeit ca. 30 Familienhelfer koordiniere. Bei der Gestaltung der Hilfe hätten die Helfer freie Hand, auch seien Supervisionen und Teambesprechungen freiwillig, wobei das Angebot in der Regel von allen Helfern angenommen werde. Bei diesen Gelegenheiten könnten Probleme gemeinsam besprochen werden. Der Vertreter der Beklagten erklärte, dass die bislang noch nicht erhobenen Beitragsforderungen für alle drei Beigeladenen insgesamt einen Betrag in Höhe von ca. 54.000,00 Euro ergebe.

Der Vertreter der Beigeladenen zu 3) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 30.01.2008 aufzuheben und festzustellen, dass die Beschäftigung der Beigeladenen zu 3) in der Zeit vom 01.01.1999 bis Mai 2006 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgte.

Der Vertreter der Beklagten und der Beigeladenen zu 6) schließt sich dem Antrag des Vertreters der Beigeladenen zu 3) an und beantragt darüber hinaus,
die begehrte Feststellung auch für die Beigeladene zu 4) für den Zeitraum 01.01.1999 bis 22.10.2000 und den Beigeladenen zu 5) für den Zeitraum 01.01.9999 bis 30.11.2000.

Die Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsatz vom 25.03.2008 beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 30.01.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig (§ 151 SGG), jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die Beigeladenen zu 3) bis 5) in ihrer Tätigkeit als Familienhelfer für den Kläger nicht abhängig beschäftigt gewesen sind.

Entgegen der Auffassung der Berufungsführer bestand daher für die Beigeladenen zu 3) bis 5) in ihrer Tätigkeit als Familienhelfer ab dem 01.01.1999 bis zum Ende der jeweiligen Beschäftigung keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung.

Maßstab für die Beurteilung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 i. d. F. vom 23.12.1976, gültig bis 31.03.1999, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, i. d. F. vom 21.12.2000, gültig ab 01.04.1999). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. z. B. Urteil vom 24.01.2007, Az.: B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).

Ausgangspunkt ist dabei das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (Urteil des BSG vom 25.01.2006, Az.: B 12 KR 30/04 R, die Beiträge, Beilage 2006
S. 149).

Grundlage der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 3) bis 5) waren die Honorarvereinbarungen, die der Kläger als Träger der Jugendhilfe mit den von ihm beschäftigten Familienhelfern geschlossen hat. Diese Vereinbarungen bieten insgesamt nur wenige Anhaltspunkte für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Hinsichtlich einer Eingliederung in den Betrieb des Jugendamtes sieht § 1 ausdrücklich vor, dass die Arbeitsbedingungen frei gestaltet werden können, insbesondere die Einsatzzeiten. Die Familienhelfer hatten damit keine festen Anwesenheitszeiten im Jugendamt zu erfüllen und konnten sich die Termine bei denen von ihnen zu betreuenden Familien grundsätzlich frei einteilen. Auch aus dem Konzept der sozialpädagogischen Familienhilfe, das zum Inhalt der Vereinbarungen wurde (§ 1), ergaben sich keine konkreten Vorgaben, mit Ausnahme der nicht verpflichtenden, aber gewünschten Teilnahme an kollegialen Teamaustauschsitzungen und Supervisionen. Insgesamt sprechen diese Regelungen aber nicht für eine feste Eingliederung in den Betrieb des Klägers.

Auch aus den Angaben der Beigeladenen zu 3) bis 5) ergeben sich keine durchgreifenden zusätzlichen Anhaltspunkte, die für eine tatsächlich engere Einbindung in den Betriebsablauf des Jugendamtes sprechen könnten. Zwar hat die Beigeladene zu 3) vorgetragen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum engere zeitliche Vorgaben bestanden hatten, als dies heute der Fall ist, gleichwohl kann der Senat nicht erkennen, dass dadurch die grundsätzlich freie Zeiteinteilung der Familienhelfer maßgeblich beschränkt wurde; hiergegen spricht bereits der nachgewiesene relativ geringe zeitlichen Umfang, in dem die Beigeladenen für den Kläger tätig waren. Ein durchschnittlich monatlicher Gewinn von 1.500,00 DM entsprach 25 geleisteten Stunden, also rund sechs Stunden wöchentlich. Die Beigeladene zu 3) leistete teilweise erheblich mehr Stunden, dies aber nur sehr unregelmäßig und schwankend. Den Familienhelfern war es daher nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich möglich, ihre Arbeitskraft anderen Auftraggebern anzubieten, was ein Indiz für selbstständige Tätigkeit darstellt. Auch ist zu berücksichtigen, dass sich die Familienhelfer bei ihrer Tätigkeit selbstverständlich an den Tagesrhythmus ihrer Klienten anpassen mussten und bereits insoweit die Arbeitszeiten in einem gewissen Rahmen vorgegeben waren. Dies stellt aber auch im Vergleich zu anderen selbstständigen Berufen (z.B. Handwerkern) keine Besonderheit dar. Eine Eingliederung der Familienhelfer in den Betrieb des Klägers ist bei dieser Sachlage daher eher nicht anzunehmen

Auch ein umfassendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber den Familienhelfern ist nicht nachgewiesen. Ein solches Weisungsrecht ist weder in den Honorarvereinbarungen noch im Konzept der Familienhilfe schriftlich niedergelegt. Die Aufgaben der sozialpädagogischen Familienhilfe werden durch die Norm des § 31 SGB VIII und das vom Kläger erstellte Konzept der SPFH eher allgemein beschrieben. So sollen z. B. Nahziele und deren Umsetzung gemeinsam mit den Familien erarbeitet werden und Problembereiche, wie Erziehungskompetenz und Organisationsvermögen durch Beratung, Anleitung und praktische Unterstützung gefördert werden. Wie aber diese konkret zu erfolgen hat, ist konzeptionell nicht geregelt, sondern wird den sozialpädagogisch ausgebildeten Fachkräften grundsätzlich selbst überlassen. Aus den vorliegenden Unterlagen und Aussagen der Beteiligten ergeben sich darüber hinaus auch keinerlei Hinweise, dass in der Praxis umfassende Vorgaben über die Art der Durchführung der Familienhilfe erfolgten. Der Senat hat vielmehr den Eindruck gewonnen, dass den Familienhelfern ein großer Freiraum zustand, in dem sie aufgrund ihrer Erfahrung selbst entscheiden konnten, wie im Einzelfall weiter verfahren werden sollte. Zum gegenseitigen Austausch und Beratung standen Foren wie die Teambesprechungen und Supervisionen zur Verfügung, bei denen die Teilnahme freiwillig war; bei Supervisionen konnten die Familienhelfer durch Auswahl des Supervisors sogar direkten Einfluss auf die Gestaltung des Ablaufs nehmen.

Entgegen der Ansicht der Berufungsführer, die sich hierbei maßgeblich auf die Entscheidung des BAG im Urteil vom 06.05.1998 (Az.: 5 AZR 347/97, NZA 1998 S. 873) berufen, ergibt sich zumindest in den vorliegenden Fällen auch kein Weisungsrecht aus den Berichtspflichten der Familienhelfer gegenüber den Mitarbeitern des Jugendamtes. Hier lässt sich jedenfalls aus der Vorgabe grundsätzlich halbjährlich und bei Abschluss der Familienhilfe einen Bericht zu erstellen, keine umfassende Kontrollmöglichkeit ableiten; ein solcher Turnus dürfte kaum dazu geeignet sein, dem Auftraggeber jederzeit die Möglichkeit zu eröffnen, die Tätigkeit des Familienhelfers, die wöchentlich oder sogar täglich in der Familie stattfindet, zu überwachen und gegebenenfalls in seine Tätigkeit einzugreifen. Diese Berichte dienten daher weniger der Überprüfung der Arbeit der Familienhelfer als vielmehr der Planung hinsichtlich weiterer notwendiger Maßnahmen für die betroffenen Familien. Im Übrigen ist es nicht ungewöhnlich, dass auch eindeutig Selbständige - wie etwa Handwerker - ihrem Auftraggeber gegenüber verpflichtet sind Dokumentation zu erstellen, um ihren Vergütungsanspruch zu rechtfertigen. Auch fehlt es in den vorliegenden Fällen an einer Regelung - wie im vom BAG zu entscheidenden Fall - wonach die Verantwortung für den "Fall" in Händen der hauptamtlichen Fachkraft bleibt. Nicht entschieden werden muss daher, ob sich hieraus tatsächlich ein Weisungsrecht gegenüber den Familienhelfern ableiten ließe.

Ein solches Kontroll- und Weisungsrecht ergibt sich im übrigen auch nicht aus den ab 2005 geschlossenen Vereinbarungen (für die Beigeladene zu 3), bei denen in § 4 vorgegeben war, wie bei Kindswohlgefährdung zu verfahren ist. Die dort geregelte Pflicht der Honorarkraft, gegebenenfalls eine erfahrene Fachkraft hinzuzuziehen und das Jugendamt im Gefährdungsfall zu informieren, beinhaltet keine Ermächtigung des Jugendamts gegenüber den Familienhelferin, konkrete Anweisungen zu erteilen. Nach dem Verständnis des Senats ist die Behörde selbstverständlich jederzeit berechtigt und verpflichtet, im Gefährdungsfall selbst notwendige Maßnahmen zu ergreifen.

Schließlich ergibt sich eine solche Weisungsbefugnis auch nicht aus den Regelungen des SGB VIII, die in § 79 Abs. 1 eine Gesamtverantwortung der Träger der öffentlichen Jugendhilfe statuieren. Diese bedeutet, dass der öffentliche Träger für seinen Zuständigkeitsbereich umfassend sicher zustellen hat, dass die im Gesetz vorgesehenen Leistungen tatsächlich erbracht und die anderen Aufgaben tatsächlich erfüllt werden. Dies beinhaltet zum einen, dass der öffentliche Träger für eine entsprechende Infrastruktur an Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen zu sorgen hat. Zum anderen bedeutet dies, dass er auch die Gewähr dafür zu übernehmen hat, dass im Einzelfall eine Leistung entsprechend der jeweiligen Zielsetzung des Gesetzes und seinen fachlichen Vorgaben erfüllt wird - auch dann wenn er sie auf einen freien Träger überträgt (Mainberger in SGB VIII, Kommentar zur Kinder- und Jugendhilfe, Erich Schmidt Verlag § 79 Rdnr. 3). Der Senat teilt nicht die Ansicht, dass sich aus dieser Norm bereits die Unzulässigkeit der Beschäftigung von freien Mitarbeitern ergibt, weil eine dritte Variante neben hautamtlichen Kräften des öffentlichen Trägers und festangestellten Mitarbeitern freier Träger nicht vorgesehen ist. Das Gesetz hat hierzu keine Regelung getroffen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass eine solche Beschäftigung grundsätzlich möglich ist, solange die Aufgaben der Familienhilfe ordnungsgemäß erfüllt werden.

Hierfür ist auch nicht erforderlich, dass die freien Mitarbeiter weisungsabhängig sind. Selbst wenn man in der Gesamtverantwortung des öffentlichen Trägers auch eine Verantwortung über den Inhalt der einzelnen Jugendhilfemaßnahmen im Einzelfall sehen würde, handelt es sich doch nach Überzeugung des Senats nur um einen Rahmen, der vor Ort immer im Detail ausgefüllt werden muss. Die Aufgabe der Familienhelfer ist es hierbei, den Familien als Vertrauenspersonen beratend und anleitend zur Seite zu stehen. Eingriffsbefugnisse dürfen dagegen allein von der Behörde ausgeübt werden, so dass es oft sogar zweckdienlich ist, eine personelle und organisatorische Trennung zwischen Mitarbeitern des Jugendamtes und Familienhelfern herbeizuführen, um einem etwaig bestehendes Misstrauen bei den Familien entgegen zu wirken.

Aus der Tatsache, dass die Beigeladenen teilweise über viele Jahre hinweg für den Kläger tätig waren, kann ebenfalls nicht geschlossen werden, dass es sich um Dauerrechtsverhältnisse handelte. Für die einzelnen Familienhelfer bestand jederzeit die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen und damit die Entschließungsfreiheit neu zu betätigen. Anders als im vom Landessozialgericht Baden-Württemberg zu entscheidenden Fall handelt es sich im vorliegenden Fall auch nicht um eine sog. "Umetikettierung" eines bislang abhängigen Beschäftigungsverhältnisses in eine selbstständige Tätigkeit. Der Wertung, dass eine solche Umetikettierung grundsätzlich nicht stattfinden sollte, stimmt der Senat ausdrücklich zu. Hier steht allerdings fest, dass alle beigeladenen Familienhelfer zuvor gerade nicht ihre Tätigkeit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung für den Kläger ausgeübt hatten.

Schließlich ist auch ein sog. Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 3) bis 5) zu bejahen, das für eine selbstständige Tätigkeit spricht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes tatsächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (Urteil des BSG vom 13.07.1978, Az.: 12 RK 14/78 SozR 2200 § 1227 Nr. 17). Maßgeblich kommt es auch darauf an, ob mit der Übernahme der Tätigkeit nicht nur Risiken bei der Einkommenserzielung, sondern auch tatsächliche Chancen verbunden sind und zwar Hinblick auf weitere Spielräume für ein anderweitiges Tätigwerden am Markt auf eigene Rechnung (Urteil des BSG vom 11.03.2009 B 12 KR 21/07, Quelle juris). Wie sich bereits aus der Gewinnaufstellung der Beigeladenen zu 3) aus dem Jahr 1999 ergibt, konnte diese nicht mit einem annähernd gleich hohen Einkommen rechnen, sondern musste davon ausgehen, dass die Einnahmen äußerst schwankend waren oder sogar ganz ausblieben. Diesem Risiko stand andererseits die Möglichkeit gegenüber, die Dienste als Familienhelfer oder ähnliche Tätigkeiten anderen Trägern anzubieten.

Weitere Hinweise für eine selbstständige Tätigkeit sind im Übrigen das Fehlen von Ansprüchen der Beigeladenen auf Erholungsurlaub und Zahlungen im Krankheitsfall. Insgesamt wurden die Beigeladenen daher im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit vom Beklagten beschäftigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beklagten und Beigeladenen zu 1) fallen die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zur Last. Von einer Beteiligung an den Verfahrenskosten der Beigeladenen zu 3) hat der Senat abgesehen. Eine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten kommt allerdings nicht in Betracht (§ 193 SGG).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus der Summe der streitigen Beitragsforderungen der Beklagten gegenüber dem Kläger (§ 197 a SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 GVG).
Rechtskraft
Aus
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