L 8 SO 11/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 20 SO 15/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 11/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Einstweiliger Rechtsschutz-Barbetrag-Bekelidungsbeihilfe-Mehrbedarf-Grundsicherungsleistungen
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) neben den derzeit gewährten Leistungen zum notwendigen Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen, hilfsweise einen höheren Barbetrag und weitere Bekleidungsbeihilfe.

Der am X. April 19XX geborene Beschwerdeführer befand sich vom 12. September 2006 bis zum 19. August 2009 im Maßregelvollzug gemäß § 64 Strafgesetzbuch (StGB) im Landeskrankenhaus B. Bei ihm liegen ein Alkoholabhängigkeitssyndrom, eine Lernbehinderung, eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, eine Fasterblindung des linken Auges sowie ein Zustand nach Mundboden- und Rachenkarzinom im Jahr 2008 mit verbliebener erheblicher Einschränkung des Sprechvermögens vor.

Ab dem 4. Mai 2009 absolvierte er ein Probewohnen im Sozialtherapeutischen Zentrum, H. am W. , Gr. D. Str. 5X, 3. M. (im Folgenden: Sozialtherapeutisches Zentrum). Das Landgericht Magdeburg setzte mit Beschluss vom 29. Juli 2009 (50 StVK XX/09) die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus und wies den Beschwerdeführer an, seinen Wohnsitz die nächsten zwei Jahre "im betreuten Wohnen in der Gr. D. Straße 5X, 3. M. zu nehmen". Die Entlassung des Beschwerdeführers erfolgte ausweislich des Schreibens des Landeskrankenhauses Bernburg vom 9. Februar 2010 mit ausreichender Bekleidung und Überbrückungsgeld i.H.v. 800,00 EUR.

Der Beschwerdeführer bezieht von der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro eine Rente aus der Gesetzlichen Unfallversicherung i.H.v. zuletzt 340,12 EUR; seit Oktober 2009 erfolgt die Auszahlung an das Sozialamt. Ein Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung wurde von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen abgelehnt (Beschied vom 16. September 2009).

In seinem Formantrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII vom 4. Mai 2009 gab der Beschwerdeführer nicht an, einer kostenaufwändigen Ernährung zu bedürfen. Unter dem 19. August 2009 beantragte er ferner die Bewilligung eines Darlehens i.H.v. 800,00 EUR für die Beschaffung "grundlegender Ausstattung im Rahmen der Sicherung meines Lebensunterhalts" und schlug eine monatliche Ratenzahlung von 50,00 EUR vor.

Der Beschwerdegegner bewilligte mit bestandskräftigem Bescheid vom 1. September 2009 Leistungen nach dem SGB XII vom 19. August 2009 bis zum 18. August 2011 in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen i.H.v. 724,02 EUR/Monat, darin enthalten seien ein angemessener Barbetrag i.H.v. 96,93 EUR/Monat sowie eine Bekleidungshilfe i.H.v. 21,30 EUR/Monat. Ferner bewilligte er Eingliederungshilfe für behinderte Menschen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sozialtherapeutischen Zentrum i.H.v. 966,62 EUR/Monat. Zur Deckung der Kosten des Heimaufenthalts verlangte er einen Kostenbeitrag i.H.v. 340,12 EUR/Monat. Der in der stationären Einrichtung erbrachte Lebensunterhalt entspreche dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII. Der weitere notwendige Lebensunterhalt umfasse gemäß § 35 Abs. 2 SGB XII insbesondere Bekleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung.

Mit weiterem bestandskräftigem Bescheid vom 1. September 2009 bewilligte der Beschwerdegegner ein Darlehen i.H.v. 240,00 EUR zur Finanzierung von Kleidung, das mit Raten i.H.v. 40,00 EUR/Monat ab dem 1. Oktober 2009 zurückzuzahlen sei. Mit Bescheid vom 24. Februar 2010 hat der Beschwerdegegner für die Zeit von April bis Oktober 2010 eine Ratenzahlungsverpflichtung von 17,95 EUR/Monat (= 5% des Eckregelsatzes) sowie im November 2010 von 12,30 EUR festgelegt. Das Sozialamt der Stadt Halle hat ferner mit Bescheid vom 16. April 2010 ein Darlehen i.H.v. 43,08 EUR zur Finanzierung des Eigenanteils in der gesetzlichen Krankenversicherung bewilligt, das in monatlichen Raten von 5,50 EUR zurückzuzahlen ist.

Am 5. Oktober 2009 beantragte der Beschwerdeführer über die Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. In dem Formantrag gab er an, er bedürfe keiner krankheits- oder behinderungsbedingten kostenaufwändigen Ernährung.

In einem ersten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht Magdeburg vom 13. November 2009 (S 16 SO 96/95) begehrte der Beschwerdeführer den Verzicht auf die Anrechnung seiner Unfallrente sowie zusätzliche Leistungen wegen benötigter besonderer Lebensmittel infolge der Karzinomerkrankung. Ferner müsse er wegen der Krankheit immer ein Handy bei sich haben, wofür 60,00 EUR bis 70,00 EUR/Monat anfielen, und er benötige Kleidung. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 16. Februar 2010 lehnte das Sozialgericht den Antrag ab. Ein weiterer Anspruch auf Mehrbedarf sei nicht glaubhaft gemacht worden.

Am 19. Februar 2010 hat der Beschwerdeführer erneut beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Wegen seiner schweren Erkrankung sei ihm eine Grundsicherungsrente zu gewähren. Über seinen Antrag vom 5. Oktober 2009 sei noch nicht entschieden worden. Der ihm gezahlte Barbetrag sei nicht ausreichend.

Der Beschwerdegegner hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Bedarf sei vollumfänglich gedeckt. Neben den gewährten Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) bestehe kein Anspruch auf weitere Leistungen nach dem Vierten Kapitel (Grundsicherung). Für diese sei im Übrigen der örtliche Sozialhilfeträger zuständig.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 13. April 2010 den Antrag wiederum abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer erhalte in der Einrichtung sämtliche notwendigen Leistungen in Form von Unterkunft und Verpflegung. Für den darüber hinausgehenden Bedarf erhalte er ein Bekleidungsgeld und einen Barbetrag i.H.v. insgesamt 118,23 EUR, welche zur Deckung darüber hinausgehender Bedarfe ausreichend seien. Insbesondere habe er keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen für die im Verfahren S 16 AS 96/09 ER aufgeführten weiteren Bedarfe.

Dagegen hat der Beschwerdeführer am 22. April 2010 Beschwerde erhoben und wiederum die Verpflichtung des Beschwerdegegners zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung begehrt. Ergänzend hat er ausgeführt, ab August 2010 die Möglichkeit des Bezugs einer eigenen Wohnung zu haben. Um die Miete zahlen zu können, sei er auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen. Auch würde ihm die zustehende Unfallrente nicht mehr ausgezahlt.

Auf einen rechtlichen Hinweis des Berichterstatters hat der Beschwerdeführer ergänzend geltend gemacht: Er komme mit dem derzeitigen Taschengeld von 97,00 EUR/Monat nicht zurecht. Er könne keine Kleidung kaufen und sein Telefon nicht finanzieren. Dieses benötige er, da er wegen seiner Krebserkrankung auf schnelle medizinische Hilfe angewiesen sei. Zwar werde in der Einrichtung für seine Verpflegung gesorgt; er müsse sich aber bestimmte Lebensmittel zusätzlich kaufen. Er werde im August 2010 in eine Einrichtung des ambulant betreuten Wohnens umziehen. Auf eine Anfrage des Berichterstatters wegen des Abschlusses einer Haftpflichtversicherung sowie der Vorlage von Belegen für die Zahlung von Versicherungsbeiträgen vom 1. Juni 2010 hat der Beschwerdeführer trotz Erinnerung vom 18. Juni 2010 nicht reagiert.

Der Beschwerdeführer beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. April 2010 aufzuheben und den Beschwerdegegner zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, hilfsweise einen höheren Barbetrag sowie Bekleidungsbeihilfe, zu bewilligen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der angefochtene Beschluss sei nicht zu beanstanden. Es sei kein Antrag beim Landgericht auf Änderung der auf zwei Jahre festgesetzten Wohnzeit im betreuten Wohnen gestellt worden. Der Wunsch des Beschwerdeführers, ab August 2010 eine eigene Wohnung beziehen zu können, sei an das zuständige Sozialamt weitergeleitet worden. Die Leistungen der Eingliederungshilfe entsprächen den Leistungen der Grundsicherung und deckten den notwendigen Lebensunterhalt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass er weitere Geldmittel für Kleider benötige. Für die Notwendigkeit der Nutzung eines Handys infolge seiner Krebserkrankung fehle der Nachweis. Die Behauptung, er brauche wegen seiner Krebserkrankung andere Nahrungsmittel, sei nicht belegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Beschwerdegegners hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie ist auch statthaft i.S.v. § 172 Abs. 3 Ziff. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Der Beschwerdeführer begehrt die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 19. Februar 2010 (Antragseingang beim Sozialgericht) bis 18. August 2011 (Ende des Bewilligungszeitraums). Es handelt sich um einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegen-stand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Es ist unschädlich, dass der Beschwerdegegner den Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 5. Oktober 2009 weder beschieden noch unverzüglich an das zuständige Sozialamt weitergeleitet hat. Ausreichend ist insoweit, dass durch die Antragstellung ein Rechtsverhältnis begründet worden ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b, Rn. 25b, 26b).

3. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch unbegründet. Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf vorläufige Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder hilfsweise eines höheren Barbetrags sowie Bekleidungsbeihilfe.

Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg-genommen werden.

Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rn. 16b).

Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer hat keinen Anordnungsanspruch und -grund für die begehrten höheren Leistungen glaubhaft gemacht.

a. Ein Anordnungsanspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 41 Abs. 1 i.V.m. § 42 Satz 1 SGB XII besteht nicht mit der für die Glaubhaftmachung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Leistungsberechtigt sind danach neben älteren auch dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII beschaffen können.

1.1. Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf die begehrten Grundsicherungsleistungen neben den derzeit bewilligten Leistungen in Form des notwendigen Lebensunterhalts in stationären Einrichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Zu Recht weist der Beschwerdegegner darauf hin, dass die dem Beschwerdeführer bewilligten Leistungen anstelle von Leistungen gemäß § 42 Satz 1 Ziffern 1 bis 3 SGB XII (Regelsatz, Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, Mehrbedarfe u.a. für kostenaufwendige Ernährung) gewährt werden. Bei einer Unterbringung in vollstationären Einrichtungen werden vorgenannte Ansprüche durch die Erbringung von Komplexleistungen seitens des Leistungserbringers - hier des Sozialtherapeutischen Zentrums - erfüllt (Armborst in: LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 35, Rn. 1). Für Grundsicherungsleistungen i.S.v. § 42 Satz 1 Ziffern 1 bis 3 SGB XII besteht daher kein gesetzlicher Anspruch. Dies gilt auch für die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Mehrbedarfe für kostenaufwändige Ernährung, die gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 42 Satz 1 Ziffer 3 und § 30 Abs. 5 SGB XII vom Träger der stationären Einrichtung zu erbringen sind.

2.2. Darüber hinaus ist auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Beschwerdeführer als Folge der Karzinomerkrankung einer kostenaufwändigen Ernährung bedarf. In den beiden Anträgen auf Bewilligung von Sozialhilfe bzw. Grundsicherungsleistungen vom 4. Mai und 5. Oktober 2009 hat er jeweils keinen notwendigen Mehrbedarf angegeben. Auch aus der Ärztlichen Stellungnahme des Amtsarztes Dr. H. vom 3. Juni 2009 sowie der der Ärztlichen Bescheinigung der Chefärztin des Landeskrankenhauses B. Dipl.-Med. M. vom 20. März 2009 ergeben sich keine Hinweise für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf. Der Beschwerdeführer hat auch zu keinem Zeitpunkt ein ärztliches Attest über die Notwendigkeit eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs vorgelegt. Dazu hätte aber - zumindest seit dem Beschluss des Sozialgerichts vom 16. Februar 2010 - Anlass bestanden. Dort hatte das Sozialgericht angeführt, dass nach den medizinischen Feststellungen kein Hinweis für die Notwendigkeit eines Mehrbedarfs bestehe.

3.3. Soweit der Beschwerdeführer auf einen beabsichtigten Umzug in eine ambulant betreute Wohnform ab August 2010 verweist, ergibt sich nichts anderes.

Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes ist schon nicht überprüfbar, ob ein Umzug in die von dem Beschwerdeführer angestrebte Wohnform nach dem Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 29. Juli 2009 zulässig ist. Dies wäre Gegenstand des Strafvollstreckungsverfahrens.

Darüber hinaus bedarf es derzeit mangels Anordnungsgrunds keiner Entscheidung des Senats. Für die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen im Fall der Beendigung der stationären Unterbringung wäre das Sozialamt der Stadt Halle zuständig (§ 97 Abs. 1, 2 SGB XII i.V.m. §§ 3, 4 Abs. 2 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (AG SGB XII). Der Senat hat keinen Hinweis darauf, dass für den Fall der Zulässigkeit eines Umzugs in eine ambulant betreute Wohnform die dem Beschwerdeführer zustehenden Sozialleistungen nicht oder nur unvollständig ausgezahlt würden. Einer Beiladung des zuständigen Sozialamts gemäß § 75 Abs. 2 SGG bedurfte es daher nicht.

Der Senat kann daher offenlassen, ob der Beschwerdeführer dauerhaft voll erwerbsgemindert ist.

b. Auch hinsichtlich des von dem Beschwerdeführer gerügten unzureichenden Barbetrags ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden.

Nach § 35 Abs. 2 SGB XII umfasst der weitere - d.h. nicht von § 35 Abs. 1 SGB XII erfasste - notwendige Lebensunterhalt insbesondere Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung. Dabei erhalten Leistungsberechtigte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, einen Barbetrag i.H.v. mindestens 27 vom Hundert des Eckregelsatzes. Der dem Beschwerdeführer ausgezahlte Barbetrag i.H.v. 96,93 EUR entspricht 27 % des aktuellen Eckregelsatzes von 359,00 EUR (Verordnung über die Festsetzung von Regelsätzen im Land Sachsen-Anhalt vom 23. Juni 2009, GVBl. 11/2009, S. 325). Dabei handelt es sich um einen Mindestbetrag, für dessen Bestimmung der Gesetzgeber keine näheren Regeln festgelegt hat. Der zuständige Sozialhilfeträger hat gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII nach pflichtgemäßen Ermessen über das Maß der Leistung zu befinden und die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen (Armborst, a.a.O., § 35, Rn. 10).

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt eine Bewilligung höherer Leistungen bei Ermessensspielräumen des Leistungsträgers grundsätzlich nicht in Betracht. Nur ausnahmsweise kann bei einer so genannten Ermessensreduktion auf Null auch bei Ermessensleistungen vorläufig ein höherer Betrag zugesprochen werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86 b Rn. 30a). Hier hat der Senat keine Hinweise dafür, dass die Bestimmung des Barbetrags so fehlerhaft gewesen wäre, dass im Rahmen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nur eine höhere Summe rechtmäßig wäre. Es ist nicht erkennbar, dass der bewilligte Betrag von 96,93 EUR/Monat dem Verbrauchsverhalten einfacher Bevölkerungsgruppen nicht Rechnung trägt. Dabei ist zu beachten, dass wegen der Unterbringung in einer stationären Einrichtung keinerlei Kosten für Unterkunft und Heizung oder für Ernährung entstehen.

Nicht glaubhaft ist die Behauptung, dem Beschwerdeführer entstünden wegen seines Zustands nach Karzinomserkrankung monatlichen Kosten von 60,00 EUR bis 70,00 EUR für das Handy. Die jederzeitige Erreichbarkeit kann gewährleistet werden z.B. mit einem so genannten Pre-paid-Tarif. Dieser enthält keine Grundgebühren und demgemäß entstehen Kosten nur für einen anstehenden Bedarfsfall. Die dem Beschwerdeführer entstandenen Telefonkosten für September 2009 i.H.v. 195,33 EUR und im Oktober 2009 i.H.v. 162,88 EUR sind nach Dafürhalten des Senats offensichtlich nicht auf Notfalltelefonate in Folge der Krankheit zurückzuführen. Allein die Grundgebühr beträgt 37,73 EUR/Monat. Im September 2009 hat der Beschwerdeführer allein für 117,99 EUR Sonderrufnummern angewählt. Im Oktober 2009 waren dafür 38,32 EUR fällig. Bei einem wirtschaftlichen Telefonierverhalten wäre zur Überzeugung des Senats der dem Beschwerdeführer zur Verfügung gestellte Barbetrag ausreichend, um eine Erreichbarkeit wegen seines Zustands nach Krebserkrankung zu gewährleisten.

Der Senat kann offen lassen, ob bei Abschluss einer Haftpflichtversicherung und monatlicher Beitragszahlung ein Anspruch auf einen höheren Barbetrag entstehen kann. Denn der Beschwerdeführer hat eine solche finanzielle Verpflichtung nicht glaubhaft gemacht. Er hat zwar in dem Schreiben vom 13. November 2009 im Verfahren S 16 SO 36/09 ER angegeben, monatlich 7,28 EUR Beiträge für eine Haftpflichtversicherung zu zahlen. Er hat jedoch auf die Anfrage des Senats vom 1. Juni 2010 und auf die Erinnerung vom 18. Juni 2010 nicht reagiert und daher eine solche tatsächliche Belastung nicht glaubhaft gemacht.

Bei der Bemessung der Höhe des Barbetrags kann keine Berücksichtung finden, ob der Leistungsempfänger aufgrund einer Darlehensbewilligung zur ratenweisen Rückzahlung verpflichtet ist. Denn dies würde faktisch das Darlehen in einen Zuschuss umwandeln.

c. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er könne mit den ihm bewilligten Leistungen keine Kleidung kaufen, führt ebenfalls nicht zu einem Anspruch auf vorläufige Bewilligung höherer Leistungen. Der Senat kann offenlassen, nach welcher Bemessungsgrundlage der Beschwerdegegner die Bekleidungshilfe mit 21,30 EUR/Monat festgelegt hat. Denn es fehlt schon die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds. Derzeit ist nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer einen dringenden, unabweisbaren Bedarf auf Bekleidungsausstattung hat. Er ist aus dem Landeskrankenhaus Bernburg am 19. August 2009 mit ausreichender Kleidung und 800,00 EUR Überbrückungsgeld entlassen worden. Darüber hinaus hat ihm der Beschwerdegegner mit Bescheid vom 1. September 2009 ein Darlehen i.H.v. 240,00 EUR zum Kauf einer Grundausstattung bewilligt. Zusammen mit der seit September 2009 bis heute zur Auszahlung gekommenen Bekleidungshilfe von 234,30 EUR (11 x 21,30 EUR) muss der Beschwerdeführer über ausreichende Geldmittel verfügt haben, seinen - bei der Entlassung zunächst gedeckten - Kleiderbedarf zu befriedigen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved