L 3 AS 1173/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 2139/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1173/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Sozialgeheimnis nach § 35 Abs. 1 SGB I wird nicht verletzt, wenn die für die Leistungsbewilligung nach dem SGB II erforderlichen Daten nur bei Dritten erhoben werden können.
Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Beklagte unbefugt Sozialgeheimnisse offenbart hat, indem sie sich mit Schreiben vom 12.02.2008 sowie in mehreren nachfolgenden Telefonaten an die vormalige Vermieterin der Kläger gewandt hat, um u.a. aufzuklären, wann diese die Kaution an die Kläger auszahle.

Der 1957 geborene Kläger zu 1 und seine 1966 geborene Ehefrau (die Klägerin zu 2) bewohnten zusammen mit ihren in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern A. (geb. 28.01.1993; A.P.) und L. P. (geb. 17.12.1997; L.P.) sowie vier weiteren Familienangehörigen (siehe Bl. 92, 110 d. Bekl.-Akt.) ein 125 qm großes Haus in A im Landkreis E ... Die Kaution für dieses Haus hatten die Kläger selbst hinterlegt (Bl. 64 d. Bekl.-Akt.). Mit Schreiben vom 26.07.2007 (Bl. 14 d. Bekl.-Akt.) kündigte die Vermieterin W. F. (W.F.), vertreten durch den Haus- und Grundbesitzerverein E. e.V., mit Ablauf des 30.04.2008 das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Zu diesem Zeitpunkt wies das Kautionskonto einen Guthabenstand von 2611,78 EUR aus. Am 09.12.2007 unterzeichneten die Kläger einen Mietvertrag für ein aus sechs Zimmern, einem Garten und einer Garage bestehendes Haus zu einer Kaltmiete in Höhe von 850 EUR ab 15.02.2008 und vereinbarten eine Mietkaution in Höhe von 1.700 EUR (vgl. Bl. 17 d. Bekl.-Akt.).

Mit Schreiben vom 20.12.2007 (Bl. 39 d. SG-Akt.) bestätigte die Arbeitsgemeinschaft Landkreis E., bei der die Kläger im SGB II-Leistungsbezug standen, die Notwendigkeit des Auszugs aus der bisherigen Wohnung im Sinne des § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Auf den Antrag der Kläger vom 10.01.2008 (Bl. 1 d. Bekl.-Akt.) bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 29.01.2008 (Bl. 57 d. Bekl.-Akt.) den Klägern und den mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 15. bis 29.02.2008 in Höhe von 330,31 EUR und vom 01.03. bis 31.07.2008 in Höhe von monatlich 660,66 EUR.

Mit Bescheid vom 29.01.2008 (Bl. 65 d. Bekl.-Akt.) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers zu 1 vom 14.01.2008 (Bl. 52 d. Bekl.-Akt.) ab, darlehensweise die Mietkaution für das Haus im S.weg in Bad H. zu übernehmen. Zur Begründung führte sie aus, für das bisherige Mietverhältnis in A sei eine Kaution in Höhe von 2611,78 EUR hinterlegt. Diese könne zur Begleichung der neuen Kaution eingesetzt werden. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein und begründeten diesen u.a. damit, die für das bisherige Mietverhältnis in A hinterlegte Kaution stünde ihnen aller Voraussicht nach erst mit Ablauf der sechsmonatigen Prüfungsfrist der W.F., mithin weit nach Fälligkeit der Mietkaution für das Haus in Bad H. zur Verfügung (Bl. 79 d. Bekl.-Akt.).

Mit Schreiben vom 12.02.2008 (Bl. 68 d. Bekl.-Akt.) wandte sich die Beklagte an den Haus- und Grundbesitzerverein E. unter dem Betreff "Leistungen nach dem SGB II Mietverhältnis Einfamilienhaus L. Straße 23, A F. (Ihr Mitglied)/P." und teilte mit, sie gehe "davon aus, dass die hinterlegte Kaution unmittelbar nach Auszug an Familie P. zur Auszahlung" komme. Andernfalls bitte sie um Mitteilung unter Nennung der Gründe sowie des Auszahlungstermins. Sollte die Kaution nur teilweise an die Kläger ausbezahlt werden, bitte sie, ihr die Höhe des Betrags sowie die Gründe hierfür mitzuteilen.

Am 28.02.2008 beantragten die Kläger bei der Beklagten, die Kosten für je einen Schrank für A.P. und L.P. zu übernehmen, und führten aus, insoweit über keine Schränke zu verfügen, da sich im zuvor bewohnten Haus in A Einbauschränke befunden hätten; zudem bräuchten sie auch neue Vorhänge (Bl. 111 d. Bekl.-Akt.).

Am 29.02., 03.03. und 17.03.2008 rief die Beklagte den Haus- und Grundbesitzerverein E. e.V. an und erkundigte sich bezüglich ihres Schreibens vom 12.02.2008 nach dem Sachstand (Bl. 76 Rs., 77, 108 Rs. d. Bekl.-Akt.).

Mit Beschluss vom 13.03.2008 lehnte das Sozialgericht Freiburg (SG) einen Antrag der Kläger vom 27.02.2008 ab, die Beklagte zu verpflichten, die Mietkaution in Höhe von 1.700 EUR im Wege einer einstweiligen Anordnung darlehensweise zu übernehmen (Az: S 18 AS 998/08 ER).

Am 19.03.2008 (Bl. 110 Rs. d. Bekl.-Akt.) telefonierte die Beklagte mit dem Ehemann der Vermieterin. Dieser erklärte, am 14.03.2008 den Klägern die Kaution abzüglich offener Nebenkosten sowie Reparaturkosten in Höhe von rund 550 EUR in Höhe von ca. 2.000 EUR in bar ausbezahlt zu haben. Desweiteren teilte er mit, das Mietshaus in A sei mit drei Einbauschränken ausgestattet gewesen.

Mit Bescheid vom 19.03.2008 (Bl. 112 d. Bekl.-Akt.) bewilligte die Beklagte gemäß § 23 SGB II eine einmalige Leistung zur Anschaffung eines Kleiderschrankes für L.P. und A.P. im Rahmen der Erstausstattung in Höhe von insgesamt 102 EUR.

Am 28.03.2008 (Bl. 113 d. Bekl.-Akt.) teilten die Kläger der Beklagten u.a. mit, die direkte Kontaktaufnahme mit der Vermieterin sei "unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten höchst bedenklich und ehrverletzend".

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2008 (Bl. 115 d. Bekl.-Akt.) wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 29.01.2008 zurück. Zur Begründung führte sie aus, zum einen hätten die Kläger keine vorherige Zusicherung eingeholt, zum anderen stehe die vorherige Mietkaution zur Begleichung der neuen Mietkaution zur Verfügung.

Im Rahmen ihrer hiergegen am 29.04.2008 beim SG erhobenen Klage haben die Kläger unter anderem geltend gemacht, durch das Schreiben vom 12.02.2008 habe die Beklagte den Sozialdatenschutz verletzt. W.F. habe nämlich vom Leistungsbezug erst durch das Schreiben der Beklagten vom 12.02.2008 erfahren. Sie seien nunmehr dem "Hohn und Spott der Familie der ehemaligen Vermieter" ausgesetzt. Das SG habe "festzustellen, dass die Beklagte durch die Aufforderungen gegenüber Frau W. F., die für das Mietverhältnis in der L. Straße in A hinterlegte Mietkaution der Kläger abzurechnen, unbefugt Sozialgeheimnisse offenbart hat".

Mit Urteil vom 29.01.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kläger hätten keinen Anspruch auf darlehensweise Übernahme der Mietkaution. Der Feststellungsantrag sei zwar zulässig. Insbesondere stünde den Klägern ein Feststellungsinteresse zur Seite, da sich in absehbarer Zeit erneut die Notwendigkeit eines Umzuges ergeben könne, z.B. bei Veränderungen der Familiengröße und einer damit verbundenen Kürzung von übernommenen Kosten der Unterkunft oder bei einer Kündigung durch den jetzigen Vermieter. Der Feststellungsantrag sei aber nicht begründet. Die Beklagte habe nämlich mit Schreiben vom 12.02.2008 lediglich Daten, die sie im Rahmen ihrer Aufgaben nach dem SGB II erhoben habe, notwendig an den Haus- und Grundbesitzerverein E. und an W.F. herausgegeben, um eine nach § 67 a Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zulässige Erhebung anderer Daten durchzuführen. Hierzu habe keine zumutbare Alternative bestanden. Zwar hätten über die Höhe des Guthabens auch die Kläger hinreichend Auskunft geben können, voraussichtlich aber nicht darüber, wann die Kaution in welcher Höhe zurückgezahlt werde. Zudem sei die Angelegenheit aufgrund des zwischenzeitlich gestellten Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz eilbedürftig und das Verhältnis zu W.F. nach den Angaben der Kläger "gespannt" gewesen. Die Kontaktaufnahme sei auch wegen des Antrags der Kläger auf Übernahme von Kosten für Schränke erforderlich gewesen. Die Beklagte habe durch ihre Vorgehensweise "einfach und abschließend klären" können, dass im alten Haus Einbauschränke vorhanden und daher neue Schränke erforderlich gewesen seien. Insgesamt sei die von der Beklagten in Anspruch genommene Methode jene gewesen, mit der sie die Daten am einfachsten und schnellsten habe erheben können. Hiermit sei notwendigerweise verbunden gewesen, dass die Beklagte nach außen gegenüber W.F. und dem sie vertretenen Verein in Erscheinung habe treten müssen.

Gegen das am 11.02.2010 zugestellte Urteil wenden sich die Kläger mit der am 09.03.2010 eingelegten Berufung und begründen sie im Wesentlichen damit, der Ansicht des SG könne nicht gefolgt werden, weil die Beklagte vor Absendung des Schreibens vom 12.02.2008 nicht die Zustimmung der Kläger zur Offenbarung der darin mitgeteilten Tatsachen eingeholt habe. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Vermieterin anlässlich der beantragten Kostenübernahme für die Anschaffung eines Schrankes zu kontaktieren. Die Kläger hätten nämlich zu keinem Zeitpunkt Anlass gegeben, an ihren Aussagen und Einlassungen zu zweifeln. Es möge zwar sein, dass die Beklagte den direkten, unbürokratischen Weg genommen habe, um an die für sie wichtigen Informationen zu gelangen. Dem stehe allerdings das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Kläger entgegen, über das sie sich hinweggesetzt habe.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 27.07.2010 haben die Kläger die Berufung zurückgenommen, soweit sie die darlehensweise Übernahme der Mietkaution zum Gegenstand hat (Bl. 32 der LSG-Akt.).

Die Kläger beantragen (Bl. 13 d. LSG-Akt.),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Januar 2010 abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte mit ihren Aufforderungen gegenüber W. F., die für das Mietverhältnis in der L. Straße in A hinterlegte Mietkaution der Kläger abzurechnen, unbefugt Sozialgeheimnisse offenbart hat, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ihrer Meinung nach hat das SG zutreffend entschieden. Ihr Vorgehen sei nach § 67 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 SGB X zulässig gewesen. Im Übrigen bestreite sie, dass W.F. durch das Schreiben vom 12.02.2008 bzw. die nachfolgenden Telefongespräche Kenntnis vom Leistungsbezug der Kläger erlangt habe. Über einen möglichen Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sei nämlich weder mit dem Haus- und Grundbesitzerverein E. noch mit W.F. gesprochen worden.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten sowie die gleichfalls beigezogenen Akten des SG verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Sofern die Berufung die darlehensweise Übernahme der Mietkaution zum Gegenstand hat, haben die Kläger sie im Erörterungstermin vom 27.07.2010 zurückgenommen; insoweit hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§§ 102 Abs. 1 Satz 2, 153 Abs. 1 SGG). Soweit die Berufung die Feststellung zum Gegenstand hat, die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 12.02.2008 an den Haus- und Grundbesitzerverein E. und die nachfolgenden Telefongespräche mit diesem sowie mit dem Ehemann von W.F. unbefugt Sozialgeheimnisse offenbart, ist sie nicht begründet. Zur weiteren Darstellung wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft ist, weil mit ihr nicht nur ein Rechtsverhältnis im Ganzen gerichtlich festgestellt werden kann, sondern auch - wie hier - eine einzelne Beziehung oder Berechtigung aus diesem Rechtsverhältnis (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19.02.2009 - Az: B 4 AS 10/08 R -, Rdnr. 10 m.w.N., zit. nach juris). Dazu gehört die von den Klägern begehrte Feststellung, die Beklagte habe mit ihren Aufforderungen gegenüber W.F., die für das Mietverhältnis in der L. Straße in A hinterlegte Mietkaution abzurechnen, unbefugt Sozialgeheimnisse offenbart. Die Kläger haben zudem - wie das SG richtig erkannt hat - ein hinreichendes Feststellungsinteresse, also ein nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse rechtlicher Natur (vgl. BSG, a.a.O.), weil sie zu befürchten haben, dass sich die Beklagte bei weiteren Umzügen der Kläger erneut ohne deren Zustimmung an die jeweiligen Vermieter wendet. Ein Feststellungsinteresse ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil den Klägern daneben ein Anrufungsrecht nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB X an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz zusteht (vgl. Bieresborn in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 81 Rdnr. 5; Seewald, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 65. Erg.lfg. 2010, § 35 SGB I Rdnr. 26).

Die Feststellungsklage ist nicht begründet.

Nach § 35 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern (§§ 12 Satz 1, 18f. SGB I) nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis). Diese Norm begründet einen Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in das Sozialgeheimnis insoweit, als er sich gegen das unbefugte Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Sozialdaten richtet, sowie auf Wahrung des Sozialgeheimnisses (Seewald, a.a.O. Rdnrn. 8, 10), und bezweckt, den Bürger im Hinblick auf die Informationen, die im sozialrechtlichen Verfahren erhoben werden, zu schützen, und zwar sowohl vor unbefugter Übermittlung dieser Daten nach außen (z.B. gegenüber seinem Arbeitgeber) als auch vor unbefugter Weitergabe an andere Verwaltungsträger (Seewald, a.a.O. Rdnr. 2). Lässt sich ein Sozialgeheimnis mehreren Inhabern zuordnen, so kann jeder für sich die sich hieraus ergebenden Ansprüche geltend machen (Seewald, a.a.O. Rdnr. 12). Sozialdaten sind gemäß § 67 Abs. 1 S. 1 SGB X Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, die von einer in § 35 Abs. 1 SGB X genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Sozialgesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. "Einzelangaben" bedeutet nicht, dass diese Informationen von dem Betroffenen ausgehen müssen; es reicht aus, wenn sie sich auf ihn beziehen oder bezogen werden können (Seewald, a.a.O. Rdnr. 6 m.w.N.). Eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ist unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X (dort §§ 67 bis 85a) zulässig. Diese Regelungen gehen, wie sich aus § 37 Satz 3 SGB I ergibt, dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 SGB X vor (Hessisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 22.08.2005 - Az.: L 7 AS 32/05 ER -, zit. nach juris) und werden von § 51b Abs. 1 Satz 1 SGB II ergänzt, wonach die zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende laufend die für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende erforderlichen Daten erheben. § 35 SGB I steht in engem sachlichen Zusammenhang mit den §§ 60 ff. SGB I über die Mitwirkungspflichten; der umfassende sozialrechtliche Geheimhaltungsanspruch stellt gleichermaßen das Gegenstück zu diesen Mitwirkungspflichten dar (BSG, Urteil vom 25.10.1978 - Az.: S 1 RJ 32/78 -, Rdnr. 17 m.w.N., zit. nach juris). Insoweit ist zu beachten, dass nach Sinn und Zweck der Norm der in § 67a SGB X normierte Begriff der "Erforderlichkeit" mit demjenigen der Erheblichkeit im Sinne des § 60 Abs. 1 SGB I korrespondiert; dort, wo die Erhebung der Sozialdaten für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Sozialleistungsträger gemäß § 67 a Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderlich ist, obliegt es dem Hilfeempfänger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs. 1 SGB I, die für die Leistungen erheblichen Tatsachen anzugeben und auf Verlangen die erheblichen Beweismittel vorzulegen. Beide Begriffe sind Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, an dem sich die Maßnahme des Sozialleistungsträgers messen lassen muss (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2007 - Az.: L 13 AS 4282/07 -, Rdnr. 21 m.w.N., zitiert nach juris).

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Kriterien hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 12.02.2008 an den Haus- und Grundbesitzerverein E. e.V. und den nachfolgenden Telefongesprächen vom 29.02., 03., 17., und 19.03.2008 nicht unbefugt Sozialgeheimnisse offenbart. Das Erheben von Sozialdaten durch den Beklagten als in § 35 SGB I i.V.m. §§ 12 Satz 1, 19a Abs. 2 SGB I genannte Stelle war grundsätzlich zulässig, da ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich war (§ 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X), was von den Klägern auch nicht in Abrede gestellt wird. Sozialdaten sind allerdings grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben (§ 67a Abs. 2 Satz 1 SGB X) und dürfen ohne seine Mitwirkung nur erhoben werden bei anderen Personen oder Stellen als bei den in § 35 SGB I oder in § 69 Abs. 2 SGB X genannten Stellen, wenn eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt (§ 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB X), die Aufgaben nach diesem Gesetzbuch ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machen oder die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde (§ 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b SGB X) und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegend schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden. Die in § 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b SGB X genannte Alternative, dass die Aufgabe nach diesem Gesetzbuch ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich macht, ist vor allem bei schwieriger Sachverhaltsaufklärung relevant (Rombach in Hauk/Noftz, SGB X, K § 67 a Rdnr. 98, Berlin 2009). Indem sich die Beklagte mit Schreiben vom 12.02.2008 und in den nachfolgenden Telefonaten vom 29.02., 03., 17., und 19.03.2008 an W.F. und den sie vertretenden Haus- und Grundbesitzerverein E. e.V. gewandt und daraufhin die Information erhalten hat, den Klägern sei die Kaution abzüglich offener Nebenkosten sowie Reparaturkosten über rund 550 EUR in Höhe von ca. 2.000 EUR in bar am 14.03.2008 ausbezahlt worden, im Übrigen sei das betreffende Haus in A mit drei Einbauschränken ausgestattet gewesen, hat sie "bei anderen Personen oder Stellen" im Sinne des § 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X Daten über die Kläger beschafft, mithin Sozialdaten erhoben (vgl. § 67 Abs. 5 SGB X). Durch die Mitteilung in ihrem Schreiben vom 12.02.2008, dass die Kläger "Leistungen nach dem SGB II", wie sich aus dem Betreff schlüssig ergibt, bezogen haben, laufend beziehen oder die Gewährung dieser Leistungen zumindest beantragt haben, hat die Beklagte zum persönlichen Lebensbereich der Kläger gehörende Geheimnisse offenbart. Hierzu gehören sämtliche Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse (vgl. § 203 Abs. 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches) wie insbesondere die gegenwärtigen gesundheitlichen, wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse sowie Tatsachen aus dem bisherigen Leben des Schutzberechtigten (BSG, Urteil vom 25.10.1978 - Az.: S 1 RJ 32/78 -, Rdnr. 18 m.w.N., zit. nach juris). Die Beklagte hat befugt sowohl die betreffenden Sozialdaten erhoben als auch, damit notwendigerweise einhergehend, den Umstand offenbart, dass die Kläger Leistungen nach dem SGB II bezogen haben, laufend beziehen oder die Gewährung dieser Leistungen zumindest beantragt haben. Die Beklagte wandte sich nämlich mit ihrem Schreiben vom 12.02.2008 erst, nachdem die Kläger in ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.01.2008 erklärt hatten, die für das bisherige Mietverhältnis in A hinterlegte Kaution stünde ihnen aller Voraussicht nach nicht vor Ablauf der sechsmonatigen Prüfungsfrist der W.F., mithin weit nach Fälligkeit der Mietkaution für das Haus in Bad H. zur Verfügung, an den Haus- und Grundbesitzerverein E. (vgl. Bieresborn in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 67a Rdnr. 9 (zur Einholung einer Vermieterauskunft)). Aber auch selbst wenn sich die Beklagte zunächst unmittelbar an die Kläger gewandt hätte mit dem Ersuchen, binnen einer ggf. angesichts der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit knapp zu bemessenden Frist eine Bescheinigung des Vermieters vorzulegen, woraus sich ergibt, wann und in welcher Höhe dieser beabsichtigt, die Kaution auszuzahlen, wäre sie nicht umhin gekommen, sich unmittelbar an W.F. zu wenden, um aufzuklären, ob und inwieweit A.P. und L.P. einen oder mehrere Schränke in der Wohnung in Bad H. benötigen. Zwar wäre auch in Betracht kommen, im Rahmen der Amtsermittlungspflicht durch Inaugenscheinnahme des betreffenden Hauses in A die Angaben der Kläger hinsichtlich des Vorhandenseins von Einbauschränken zu überprüfen (vgl. SG Koblenz, Urteil vom 30.05.2007 - Az.: S 2 AS 595/06 - mit Anm. Luthe in jurisPR-SozR 14/2007, zit. nach juris). Allerdings waren die Kläger bei Antragsstellung (29.02.2008) bereits aus dem Haus in A ausgezogen, so dass in jedem Fall eine Datenerhebung bei W.F. unumgänglich gewesen wäre. Dass die Kläger auf ein entsprechendes Ersuchen der Beklagten hin eine Bescheinigung von W.F. über das Vorhandensein von Einbauschränken in der bisherigen Wohnung in A hätten vorlegen können, haben sie weder behauptet noch ergeben sich hierfür irgendwelche Anhaltspunkte, zumal das Verhältnis zu W.F. nach den Angaben der Kläger schon seinerzeit "gespannt" gewesen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved