L 20 AY 1/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AY 7/08
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 1/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.
Die Regelung über Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 und 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG (im konkreten Fall: für ein sechs- bzw. siebenjähriges Kind, § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG) verstößt gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Anschluss an Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Senats vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09; anhängig insoweit BVerfG 1 BvL 10/10).
2.
Diese Grundleistungen sind bereits evident unzureichend, ein menschenwürdiges Existenzminimum sicherzustellen. Das Abweichen der Leistungen nach dem AsylbLG für ein Kind bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres von den funktional entsprechenden Leistungen nach dem SGB II um etwa 31 % (Stand: 2007) ist mit einem grundsätzlich niedrigeren Bedarf des vom AsylbLG erfassten Personenkreises von vornherein nicht mehr zu erklären.
3.
Auch das Abweichen der Leistungen für ein Kind ab dem 8. Lebensjahr um ca. 7,4 % führt zu einem evidenten Unzureichen der Leistungen nach § 3 AsylbLG. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sich bereits die Leistungen nach dem SGB II (2007) für entsprechend alte Kinder über die allgemeine verfassungsrechtliche Problematik der Leistungsbemessung im SGB II hinaus besonderen verfassungsrechtlichen Einwänden ausgesetzt sehen.
Das Verfahren wird nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 sowie § 3 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Asylbewerberleistungsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 05.08.1997 (BGBl. I 1997, S. 2022) mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin im Zeitraum März bis August sowie Oktober und November 2007 anstelle der von der Beklagten gewährten Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) höhere sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in entsprechender Anwendung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) zu gewähren sind.

Die am 00.00 in B geborene Klägerin war wie ihre Mutter Staatsangehörige Liberias. Ihre Mutter hält sich seit 1993 in Deutschland auf. Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin besaß sie bereits eine Aufenthaltserlaubnis. Die Klägerin war im streitigen Zeitraum im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 i.V.m. § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Mit Einbürgerungsurkunde vom 15.03.2010 erhielt die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Mutter der Klägerin bezog vom 01.12.1995 bis zum 31.05.1999 Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, anschließend bis zum 31.12.2002 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Von Dezember 2002 bis Dezember 2005 war sie erwerbstätig und sicherte auf diese Weise den Lebensunterhalt für sich und die Klägerin. Von Januar bis Dezember 2006 bezog sie Arbeitslosengeld I und erzielte ein Nebeneinkommen. Anschließend bezog sie wiederum Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Rückwirkend ab dem 01.01.2007 bezog die Mutter (aufgrund einer Klaglosstellung im zunächst mit der Klägerin gemeinsam geführten erstinstanzlichen Klageverfahren) Leistungen nach § 2 AsylbLG.

Die Klägerin erhielt seit ihrer Geburt bis Ende Dezember 2002 Leistungen nach dem BSHG. Anschließend wurde ihr Lebensunterhalt bis Dezember 2006 durch Erwerbseinkommen ihrer Mutter sichergestellt. Erstmals seit dem 01.01.2007 bezog die Klägerin Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Für die Monate Januar, Februar und September 2007 wurden Leistungen jeweils durch Bescheid bewilligt (Bewilligungsbescheide vom 16.01. und 14.02.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.02. und 23.08.2007, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird). Für die (im vorliegenden Verfahren einzig streitigen) Monate März bis August sowie Oktober und November 2007 erfolgte die Leistungsbewilligung durch faktische Auszahlung. Neben bedarfsdeckenden Unterkunfts- und Heizungskosten für die gemeinsam mit ihrer Mutter bewohnte Wohnung wurden für die Klägerin dabei folgende Leistungen ausgezahlt:

März bis August 2007:

132,93 EUR, bestehend aus 112,48 EUR (= 220,00 DM; monatliche Geldleistung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AsylbLG für Haushaltsangehörige bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres), sowie 20,45 EUR (= 40,00 DM; monatlicher Geldbetrag nach § 3 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG),

Oktober und November 2007:

178,95 EUR, bestehend aus 158,50 EUR (= 310,00 DM; monatliche Geldleistung nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylbLG für Haushaltsangehörige von Beginn des achten Le- bensjahres an), sowie 20,45 EUR (= 40,00 DM; monatlicher Geldbetrag nach § 3 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG).

Die Versorgung der Klägerin bei Krankheit war im streitigen Zeitraum über eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung ihrer Mutter sichergestellt, für deren Beiträge die Beklagte der Mutter Leistungen nach § 6 AsylbLG erbrachte.

Am 27.11.2007 legte die Klägerin, soweit ihr in den vorangegangenen zwölf Monaten Leistungen durch faktische Auszahlung bewilligt worden waren, Widerspruch ein. Ihr stünden anstelle der erbrachten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG unter Anrechnung der bisher erbrachten Leistungen die höheren Analogleistungen nach § 2 AsylbLG zu. Der nach § 3 AsylbLG notwendige Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG für 36 Monate sei auch durch den Vorbezug von Leistungen nach dem BSHG bzw. durch die Erzielung von Erwerbseinkommen erfüllt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Leistungen nach § 2 AsylbLG setzten für eine Dauer von 36 Monaten - nach der ab dem 28.08.2007 geltenden Gesetzesfassung von 48 Monaten - u.a. einen Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG voraus. Die Klägerin erfülle bei einem erst seit Januar 2007 bestehenden Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG diese Voraussetzung nicht. Da nach dem Gesetzeswortlaut der tatsächliche Erhalt von Leistungen nach § 3 AsylbLG erforderlich sei, seien der Bezug von Sozialhilfe durch die Klägerin nach dem BSHG oder Zeiten der Erwerbstätigkeit bzw. des Arbeitslosengeldbezugs ihrer Mutter nicht auf die Vorbezugsfrist anrechenbar. Zwar möge diese Regelung für seit vielen Jahren in Deutschland lebende oder hier geborene Leistungsberechtigte wenig sinnvoll erscheinen. Der Gesetzgeber habe jedoch aus Anlass von Änderungen des AsylbLG keinen Anlass gesehen, § 2 AsylbLG entsprechend zu ändern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Hiergegen hat die Klägerin am 25.02.2008 Klage zum Sozialgericht Aachen erhoben. Sie hat vorgetragen, zwar habe sie noch nicht für eine Dauer von 36 bzw. 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Zeiten von Sozialhilfebezug, Erwerbstätigkeit oder des Bezuges von Arbeitslosengeld seien jedoch auf die Vorbezugsfrist anzurechnen. Unter Berücksichtigung dieser Zeiten erfülle sie die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG. Im Übrigen sei nicht einzusehen, dass Kinder, deren Eltern bereits Leistungen nach § 2 AsylbLG bezögen, weiterhin auf niedrigere Leistungen nach § 3 AsylbLG verwiesen werden sollten. Schließlich werde sie zudem in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt mit solchen Ausländern, die sich zwar noch im Asylverfahren befänden und nicht einmal über einen Aufenthaltstitel verfügten, jedoch die Vorbezugsfrist schon erfüllt hätten und deshalb Leistungen nach § 2 AsylbLG erhielten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Abänderung ihrer Verwaltungsentscheidungen über die Gewährung von Leistungen für die Monate März, April, Mai, Juni, Juli, August, Oktober und November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2008 zu verurteilen, der Klägerin für diese Monate Leistungen nach § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII unter Anrechnung der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, Zeiten des Sozialhilfebezugs, der Sicherstellung des Lebensunterhalts aus Erwerbseinkommen oder des Arbeitslosengeldbezuges seien auf die Vorbezugsfrist des § 2 AsylbLG nicht anrechenbar. Der Wortlaut der Vorschrift verlange zwingend einen tatsächlichen Vorbezug gerade von Leistungen nach § 3 AsylbLG für die im Gesetz vorgesehene Dauer. Eine analoge Anwendung des § 2 AsylbLG scheide mangels Regelungslücke aus. Verfassungsrechtlich sei es nicht zu beanstanden, bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG von einem lediglich vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland auszugehen und deshalb nur die abgesenkten Leistungen nach dem AsylbLG zu gewähren, für die auf die Bedürfnisse eines in aller Regel nur kurzen oder vorübergehenden Aufenthalts abzustellen sei. Der Gesetzgeber dürfe zwar Ausländer, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an einer Ausreise gehindert seien, nicht durch Vorenthaltung von Leistungen, die das absolute Existenzminimum sicherten, in eine ausweglose Lage bringen. Er könne jedoch bei der Höhe der Leistungen berücksichtigen, dass es sich um einen Personenkreis handele, für den er nach der deutschen Rechtsordnung keine Verantwortung übernehmen wolle, weil es sich um im Grunde ausreisepflichtige Personen handele.

Mit Urteil vom 11.11.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf die höheren Analogleistungen bestehe nicht. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R mit ausführlicher (vom Sozialgericht wörtlich zitierter) Begründung dargelegt, dass § 2 AsylbLG hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzung eines Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG über einen Zeitraum von insgesamt 48 (vormals 36) Monaten einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sei. Dem schließe sich das Gericht an. Die Klägerin erfülle diese Voraussetzung bei ununterbrochenem Bezug von Grundleistungen ab dem 01.01.2011, nicht aber schon für die streitigen Zeiträume. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.

Gegen das am 19.11.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.12.2008 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, die Ansicht des BSG (a.a.O.), dass nur der tatsächliche Bezug von Grundleistungen die in § 2 Abs. 1 AsylbLG geforderte Vorbezugszeit auffüllen könne, entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Wollte man die Ansicht des BSG teilen, wäre die Vorschrift verfassungswidrig.

Kerngedanke des am 01.01.1993 in Kraft getretenen AsylbLG sei es gewesen, Asylbewerber und ihnen gleichgestellte Personen angesichts ihres naturgemäß nur vorübergehenden Aufenthalts von einem Sozialhilfeanspruch auszuschließen und den Umfang der Leistungen zu beschränken. Die leistungsberechtigten Personen seien durch typologische Gruppenbildung bestimmt worden; Zuordnungsmerkmal sei der ausländerrechtliche oder asylrechtliche Status. Der Gesetzgeber habe jedoch anerkannt, dass bei längerem Aufenthalt von zugleich ungewisser weiterer Dauer nicht mehr auf einen Bedarf abgestellt werden könne, der in der Regel bei nur kurzem, vorübergehendem Aufenthalt entstehe. Insbesondere seien dann Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf eine bessere Integration gerichtet seien (BT-Drucks. 12/5008, S. 15). Die deshalb zunächst auf zwölf Monate begrenzte Gewährung geringerer Leistungen sei mit Wirkung ab dem 01.06.1997 auf 36 Monate ausgedehnt worden. Mit der ab dem 01.01.2005 geltenden weiteren Neuregelung sollten Leistungsberechtigte von Analogleistungen ausgeschlossen werden, wenn sie die Dauer ihres Aufenthalts rechtmissbräuchlich beeinflusst hätten. Mit Wirkung ab dem 28.08.2007 sei schließlich die Vorbezugszeit nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auf 48 Monate ausgedehnt worden.

Eine Beschränkung auf das Grundleistungsniveau sei verfassungsrechtlich jedoch nur dann zulässig, wenn sie zeitlich begrenzt und zugleich durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei. Sachlicher Grund sei die an den Aufenthaltsstatus anknüpfende Annahme eines nur vorübergehenden Aufenthalts. Die Grenze verfassungsrechtlicher Unbedenklichkeit sei überschritten, wenn sich der Aufenthalt infolge seiner Dauer bereits verfestigt habe und zugleich die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst worden sei. Mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei jedoch nicht mehr von einem nur vorübergehenden Aufenthalt auszugehen. Ein sachlicher Grund für einen Ausschluss von den höheren Analogleistungen bestehe nicht etwa, nur weil früher Leistungen nach dem BSHG bezogen worden seien oder der Lebensunterhalt durch Einkommen sichergestellt gewesen sei. Nehme man das BSG beim Wort, würden Betroffene selbst nach jahrelangem Aufenthalt in Deutschland aufgrund des von ihnen nicht zu beeinflussenden und auch nicht zu kalkulierenden Umstandes des Bezugs höherer Leistungen in willkürlicher Weise herabgestuft u.a. mit der Folge, dass ihnen mancherorts auch lediglich Sachleistungen gewährt würden.

So begegne auch die Ausklammerung ihrer bisherigen Aufenthaltsdauer durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein Wirtschaften unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums (Sozialhilfeniveau) könne nach entsprechend langem Einleben in die hiesigen Verhältnisse zumindest dann nicht zugemutet werden, wenn die Ausreisehinderung unverschuldet sei. Gerade das nach so langem Aufenthalt anzuerkennende Integrationsbedürfnis bestehe unabhängig davon, ob für 36 bzw. 48 Monate Grundleistungen gewährt seien, oder ob der Lebensunterhalt durch höhere Sozialleistungen oder durch Erwerbstätigkeit bestritten worden sei.

Aufgrund der weiteren Leistungsvoraussetzung einer nicht rechtsmissbräuchlichen Aufenthaltsverlängerung sowie mit der Möglichkeit von Leistungseinschränkungen nach § 1a AsylbLG biete das Gesetz ausreichend Gewähr dafür, den Kreis der nach § 2 AsylbLG Berechtigten hinreichend einzuschränken. Ein darüber hinausgehender Verweis auf Grundleistungen sei unverhältnismäßig; er sei zur Erreichung des gesetzlichen Zieles weder angemessen noch erforderlich. Dem BSG zufolge habe mit dem Verweis auf das Grundleistungsniveau für einen Zeitraum von 36 Monaten sichergestellt werden sollen, den Anreiz für Einreise und Verbleib im Bundesgebiet zu nehmen; mit der Verlängerung auf 48 Monate habe der Leistungsberechtigte auch ermutigt werden sollen, seinen Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit zu sichern. Damit folgere das BSG, dass die drohende Absenkung auf Grundleistungsniveau für die gesamte Dauer der Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG gleichsam wie ein Damoklesschwert über dem Betroffenen hängen solle. Dies lasse sich allerdings den Gesetzesmaterialien so nicht entnehmen.

Richtig sei zwar, dass nunmehr Leistungsberechtigte auch ermutigt werden sollten, den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu sichern (BT-Drucks. 16/5065, S. 155). Darüber hinausgehende Schlussfolgerungen ließen sich hieraus jedoch nicht ziehen. Es lasse sich insbesondere nicht folgern, ein Leistungsempfänger sei etwa nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes auch über eine Dauer von vier Jahren hinaus noch auf Grundleistungen zu verweisen, ohne dass die Zeiten seiner Berufstätigkeit auf die Vorbezugsfrist anrechenbar seien.

Wenn das BSG die ursprüngliche Integrationskomponente als im Zuge der Gesetzesänderungen gänzlich verloren ansehe, so treffe dies nicht zu; die Materialien sprächen selbst von einer "besseren sozialen Integration", die bei einer nach einem Voraufenthalt von vier Jahren entstandenen Aufenhaltsperspektive geboten sei (BT-Drucks. 16/5065, S. 232). Nicht durch den Bezug von Grundleistungen erwachse ein anzuerkennendes Integrationsbedürfnis, sondern durch den nicht rechtsmissbräuchlich beeinflussten Aufenthalt in Deutschland; insoweit beginne der maßgebliche Zeitraum mit der Einreise und nicht mit dem Bezug von Grundleistungen.

Das BSG setze sich im Übrigen in Widerspruch zu seinen Ausführungen im gleichen Urteil, dem Ausländer könne die Inanspruchnahme einer Duldung in Fällen, in denen eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sei, nicht als rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer vorgeworfen werden. Wenn der Staat die Ausreisepflicht nicht durchsetzen wolle oder dürfe, so sei das vom BSG in den Vordergrund gestellte staatliche Interesse, dem Ausländer durch Verweis auf Grundleistungen den Anreiz für einen weiteren Verbleib zu nehmen, nicht zu rechtfertigen.

Es sei ohnehin zu fragen, ob ihr - der Klägerin - nicht bereits nach § 2 Abs. 3 AsylbLG Analogleistungen deshalb zustünden, weil ihre Mutter für den streitigen Zeitraum Analogleistungen erhalten habe. Zwar werde auch dies vom BSG (a.a.O.) verneint; das BSG setze sich jedoch mit der verfassungsrechtlichen Problematik nicht hinreichend auseinander. Es sei mit Blick auf Art. 1 und Art. 3 Grundgesetz (GG) sowie auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fraglich, ob auch bereits in Deutschland geborene Kinder, deren Eltern bei der Geburt des Kindes nach dem BSHG leistungsberechtigt gewesen seien, die Vorbezugszeiten nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen müssten, wenn sich weder am elterlichen noch am eigenen Aufenthaltsrecht etwas geändert habe und die Eltern aktuell analogleistungsberechtigt seien.

Wollte man sie - die Klägerin - auf Grundleistungen verweisen, stellte sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 3 AsylbLG auch vor dem Hintergrund, dass die Grundleistungen seit 1993 nicht angehoben worden seien. Sie seien unter Beachtung des Anstiegs der Lebenshaltungskosten nicht mehr als verfassungsrechtlich gebotene Mindestsicherung anzusehen. 1993 sei die Höhe der Grundleistungen im Wege einer Kostenschätzung festgelegt worden; geeignete Anknüpfungspunkte für die Festlegung seien nicht ersichtlich. Die Beurteilung des Gesetzgebers, dass die 1993 gewährten Grundleistungen auch heute noch bedarfsdeckend seien, sei schlicht willkürlich. Heute betrügen die Grundleistungen etwa 65 % der Leistungen nach dem SGB XII bzw. nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Der nicht gedeckte Bedarf für elementarste Grundbedürfnisse lasse sich auch nicht über § 6 AsylbLG ausgleichen, da nach dieser Vorschrift keine Leistungen für Bedarfe gewährt würden, die unter § 3 AsylbLG fielen. Es werde mit den Grundleistungen nach dem AsylbLG gegen die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip verstoßen.

Im Übrigen habe sie seit ihrer Geburt einen Aufenthaltstitel besessen und sei damit nach § 50 AufenthG nicht ausreisepflichtig gewesen. Ein nur vorübergehender Aufenthalt in Deutschland könne deshalb als sachlicher Grund für eine im Vergleich zu Deutschen geringere Erbringung von Sozialleistungen von vornherein nicht herangezogen werden. Der Leistungsausschluss von Berechtigten nach dem AsylbLG für Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII verstoße bei einem rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers in Deutschland mit bereits verfestigtem Aufenthalt gegen Art. 8 i.V.m. Art. 14 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 11.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Verwaltungsentscheidungen über die Gewährung von Leistungen für die Monate März, April, Mai, Juni, Juli, August, Oktober und November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2008 zu verurteilen, ihr für diese Monate Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG unter Anrechnung der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren.

Hilfsweise regt sie sinngemäß an, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der leistungsrechtlichen Normen des AsylbLG.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Sie ist der Ansicht, § 25 Abs. 5 AufenthG vermittle keineswegs die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten. Eine Anwendung von § 2 Abs. 1 AsylbLG entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift hält sie für verfassungsrechtlich bedenklich. Es stehe auch im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Asylbewerber und ihnen gleichgestellte Ausländer - wie mit dem AsylbLG geschehen - ein eigenes Konzept zur Sicherung des Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei vom Recht der Sozialhilfe abweichende Regelungen über die Leistungsgewährung zu treffen. § 2 Abs. 3 AsylbLG sei lediglich eine Einschränkung des Anspruchs aus § 2 Abs. 1 AsylbLG, begründe aber keine uneingeschränkte Akzessorietät der Ansprüche leistungsberechtigter Kinder zu denjenigen ihrer Eltern; § 2 Abs. 3 AsylbLG bilde auch keine eigenständige Anspruchsgrundlage. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin teile sie - die Beklagte - nicht.

In einem Erörterungstermin vom 10.09.2010 ist mit den Beteiligten der Beschluss des Senats vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09 (Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG; Aktenzeichen des BVerfG: 1 BvL 10/10) erörtert worden. Gleiches gilt für die mündliche Verhandlung vom 22.11.2010, in der für die Klägerin allerdings niemand erschienen ist (die Bevollmächtigte hatte sich am Terminstag krankgemeldet, sich dabei jedoch mit einer einseitigen mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt). Auf diesen Beschluss - insbesondere auch auf die dort detailliert wiedergegebenen Ermittlungen des Senats (Anfragen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS] zu Fragen der Leistungsbemessung im AsylbLG), ferner auf die dort ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegebenen Bundestagsdrucksachen 17/745 und 17/979 - wird Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten (Verwaltungsakten der Beklagten sowie Ausländerakte der StädteRegion B) Bezug genommen. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

A. Richtige Beklagte ist die Stadt B. Das Rubrum ist nicht etwa dahingehend umzustellen, dass der Oberbürgermeister der Stadt B beklagt wäre. Im Sozialgerichtsgesetz (SGG) gilt das Rechtsträgerprinzip (vgl. Urteil des Senats vom 25.02.2008 - L 20 SO 31/07). Soweit das BSG demgegenüber die Behörde (im Falle der Stadt B: deren Oberbürgermeister) als richtigen Klagegegner ansieht (vgl. etwa BSG, Urteil v. 16.10.2007 - B 8/9b SO 8/06 R), folgt der Senat dieser Rechtsprechung nicht (vgl. ausführlich hierzu Vorlagebeschluss des Senats vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09; siehe auch Urteil des Senats vom 22.02.2010 - L 20 SO 75/07).

B. Der Senat hat nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG das Verfahren auszusetzen und unmittelbar die Entscheidung des Bundesverfassungssgerichts (BVerfG) einzuholen (§ 80 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz [BVerfGG]). Denn hinsichtlich der der Klägerin im streitigen Zeitraum zu erbringenden Leistungen ist § 3 Abs. 2 AsylbLG (nicht § 2 Abs. 1 AsylbLG) die anzuwendende bundesgesetzliche Norm (s.u. I.), welche den Umfang der der Klägerin zu gewährenden Leistungen bestimmt. Diese Norm hält der Senat zugleich für verfassungswidrig, weil sie das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) verletzt (s.u. II.).

I. In Anwendung des "einfachen" bundesgesetzlichen Rechts wäre die Klage der Klägerin unbegründet; ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts müsste deshalb nach alleiniger Maßgabe der entscheidungserheblichen Normen des AsylbLG zurückgewiesen werden.

1. Die Klägerin, die im streitigen Zeitraum als Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG gehört, hat für die streitigen Monate März bis August sowie Oktober und November 2007 Anspruch auf Leistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG. Diese Leistungen wurden ihr auch gewährt. Neben Leistungen für Unterkunft und Heizung in bedarfsdeckender Höhe (ferner neben einer Sicherstellung ihrer Versorgung bei Krankheit über die ihrer Mutter gewährten Leistungen für eine freiwillige Krankenversicherung) erhielt sie nach § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylbLG wertgleiche Geldleistungen für den notwendigen Bedarf an Ernährung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG. Dementsprechend erhielt sie für ihren notwendigen Bedarf i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG für März bis August 2007 den in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AsylbLG gesetzlich bestimmten Geldbetrag von (220,00 DM =) 112,48 EUR, für Oktober und November 2007 den in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AsylbLG vorgesehenen Betrag von (310,00 DM =) 158,50 EUR. Darüber hinaus erhielt sie in sämtlichen streitigen Monaten den nach § 3 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG gesetzlich bestimmten Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens von (40,00 DM =) 20,45 EUR. Eine höhere als die sich daraus ergebende Gesamtleistung von (260,00 DM =) 132,93 EUR (März bis August 2007) bzw. (350,00 DM =) 178,95 EUR (Oktober und November 2007) ist als Grundleistung außerhalb von Leistungen für Unterkunft, Heizung und Hausrat gesetzlich nicht vorgesehen (dass in den streitigen Monaten für die Klägerin ein konkreter, durch weitere Sachleistung zu deckender Bedarf an Hausrat angefallen wäre, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich).

2. Ein Anspruch der Klägerin auf - höhere - Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG besteht nicht.

Nach dieser Vorschrift in der seit dem 28.08.2007 geltenden Fassung (des Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union; BGBl. I, S. 1970) ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten - bzw. nach der bis zum 27.08.2007 geltenden Normfassung von 36 Monaten - Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Für die Klägerin würde dies nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. der aufgrund der Ermächtigung in § 40 SGB XII erlassenen, jeweiligen sog. Regelsatzverordnung ([RSV] Verordnung zur Durchführung des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; BGBl. I 2004, 1067, in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Regesatzverordnung, BGBl. I 2006, 2657) insbesondere eine Geldleistung entsprechend dem sozialhilferechtlichen Regelsatz i.H.v. 207,00 EUR für die Monate März bis Juni 2007 und von 208,00 EUR für die Juli, August, Oktober und November 2007 bedeuten (Differenz zu den tatsächlich erhaltenen Leistungen: März bis Juni 2007 jeweils [207,00./. 132,93 =] 74,07 EUR, Juli und August 2007 jeweils [208,00./. 132,93 =] 75,07 EUR sowie Oktober und November 2007 jeweils [208,00./. 178,95 =] 29,05 EUR).

a) Eine rechtsmissbräuchliche Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer in Deutschland (also ein auf die Aufenthaltsverlängerung zielendes vorsätzliches, sozialwidriges Verhalten, welches bei typisierender Betrachtung für eine Verlängerung der Aufenthaltsdauer als kausal anzusehen ist; vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R, Rn. 33 ff. und Rn. 43 f.) ist der Klägerin nicht anzulasten. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Die Ausländerbehörde hat eine Abschiebung nicht in die Wege geleitet; die Klägerin konnte vielmehr wegen rechtlicher oder tatsächlicher Gründe i.S.d. § 25 Abs. 5 AufenthG auf nicht absehbare Zeit nicht in das Herkunftsland ihrer Mutter (Liberia) ausreisen.

b) Die weitere, kumulative Voraussetzung eines Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten erfüllt die Klägerin jedoch nicht.

Denn sie bezog Leistungen nach § 3 AsylbLG erst seit dem 01.01.2007. Zugleich sind die vor 2007 bezogenen Leistungen nach dem BSHG (seit ihrer Geburt im September 2000 bis Ende 2002) wie auch die Zeiten, in denen der Lebensunterhalt der Klägerin durch Einkünfte ihrer Mutter in Form von Erwerbseinkommen oder Arbeitslosengeld (2003 bis 2006) sichergestellt war, nicht auf die Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG anrechenbar.

Denn die Vorbezugszeit in § 2 Abs. 1 AsylbLG ist keine Wartefrist, innerhalb derer es unerheblich wäre, ob und welche (Sozial-) Leistungen der Ausländer bezogen hat (Hohm, in: Kommentar zum Asylbewerberleistungsgesetz [GK-AsylbLG], Loseblatt, § 2 Rn. 39, Stand der konkret kommentierten Stelle: März 2007; ders., in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 2 AsylbLG Rn. 7, für Unterbrechungen durch Erhalt von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII; vgl. auch Herbst, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 2 AsylbLG Rn. 12, Stand Mai 2009, zu sonstigen Sozialleistungen; a.A. Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010 [SGB XII], § 2 AsylbLG Rn. 8, und Birk, in: Lehr- und Praxiskommentar [LPK] SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 2 AsylbLG Rn. 3; vgl. zum Streitstand auch Hachmann/Hohm, Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher EU-Richtlinien, in: NVwZ 2008, S. 33, 35 m.w.N.).

Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist insoweit zwingend und einer erweiternden Auslegung etwa dahin, dass auch Zeiten des Bezugs von Leistungen nach dem BSHG oder der Unterhaltssicherung aus (eigenen oder elterlichen) Einkünften die Vorbezugszeit auffüllen können, nicht fähig (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R, Rn. 19 - 23; dem BSG folgend auch der Senat im Vorlagebeschluss vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09):

Zwar schreibt die Verfassung eine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation nicht vor. Vielmehr gehören eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut sogar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (BVerfG, Beschluss vom 07.04.1997 - 1 BvL 11/96). Eine solche vom Wortlaut abweichende Auslegung kann zulässig sein, wenn die in den Gesetzesmaterialien oder der Gesetzessystematik zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht eine analoge oder einschränkende Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte gebietet und deswegen sowie wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage auch der nicht geregelte Fall hätte einbezogen werden müssen (BSG, Urteil vom 24.10.1984 - 6 RKa 36/83). Allerdings darf dabei dem Gesetz kein entgegenstehender Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.

Einer den Wortlaut erweiternden Auslegung des § 2 Abs. 1 AsylbLG, nach der Bezugszeiten anderer Leistungen als derjenigen nach § 3 AsylbLG (etwa solcher nach dem BSHG) oder Zeiten ohne irgendeinen Sozialleistungsbezug gleichgestellt würden, stehen jedoch Sinn und Zweck der Regelung und deren Gesetzesentwicklung entgegen:

§ 2 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen für Asylbewerber vom 30. Juni 1993 (BGBl. I, S. 1074) normierte für geduldete Ausländer überhaupt keine Vorbezugszeit und für Asylbewerber eine reine Wartefrist von zwölf Monaten nach Asylantragstellung. Auch der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 24.10.1995 (BT-Drucks. 13/2746) sah zunächst ebenfalls keinen Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG vor, sondern eine reine Wartefrist von 24 Monaten nach dem Erteilen einer Duldung; er verzichtete zudem bei Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, deren Abschiebung wegen des Krieges in ihrem Heimatland ausgesetzt war, sogar gänzlich auf die Wartefrist (BT-Drucks. 13/2746, S. 5). Die im Vergleich zur Vorgängerregelung vorgesehene Verschärfung des Zugangs zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG stand dabei im engen Zusammenhang mit der Erweiterung des leistungsberechtigten Personenkreises in § 1 Abs. 1 AsylbLG insbesondere um geduldete Ausländer sowie mit der Beseitigung der vormals ungleichen Behandlung von Ausländern mit Duldung, die nicht Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge waren, und Asylbewerbern (BT-Drucks. 13/2746, S. 11). Vom Grundsatz her sollten alle Ausländer, die sich typischerweise nur vorübergehend im Bundesgebiet aufhielten, die gleichen, niedrigeren Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG erhalten (BT-Drucks. 13/2746, S. 12). Der Gesetzentwurf war (noch) von dem Gedanken getragen, dass der Status der Duldung nur ein schnell vorübergehender ist. Bei längerer Aufenthaltsdauer und einer damit verbundenen Verfestigung des Aufenthaltsstatus (die Zweijahresfrist korrespondierte mit dem damaligen § 30 Abs. 4 Ausländergesetz [AuslG], der nach Ablauf dieser Frist die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vorsah) sollte dem Ausländer durch die Gewährung von Analogleistungen eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch entsprechende Gewährung öffentlicher Mittel ermöglicht werden (BT-Drucks. 13/2746, S. 15).

Allerdings verlor sich diese Integrationskomponente in der endgültigen Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl. I, S. 1130). Erstmals stellte das Gesetz jetzt auf den Bezug ("erhalten haben") von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab; es verlangte diesen Bezug für eine Dauer von 36 Monaten ab dem 01.06.1997. In den Vordergrund trat der Gedanke der Kosteneinsparung (vgl. auch Ausschussbericht vom 07.02.1996, BT-Drucks. 13/3728, S. 3). Dieser fand seinen Ausdruck darin, dass der Zeitraum von 36 Monaten am 01.06.1997 zu laufen begann und damit alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG ohne Rücksicht darauf erfasste, ob sie zuvor bereits Analogleistungen erhalten hatten. Hierin wird deutlich, dass der Gesetzgeber schon 1997 bewusst allein auf den tatsächlichen Bezug von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abstellen und sonstige Vorbezugszeiten - auch solche nach § 2 AsylbLG (in der Zeit vor dem 01.06.1997) - sowie Zeiten ohne jeglichen Leistungsbezug ausklammern wollte. Er beabsichtigte, die höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG davon abhängig zu machen, dass das Existenzminimum zuvor für einen festen Zeitraum von drei Jahren nur auf einem niedrigeren Niveau sichergestellt wurde.

Mit der ab dem 01.01.2005 geltenden Neuregelung sollten schließlich, abweichend vom bis zum 31.12.2004 geltenden Recht, Leistungsberechtigte von Analogleistungen ausgeschlossen werden, denen bezogen auf die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland rechtsmissbräuchliches Verhalten (Tun oder Unterlassen) vorgeworfen werden kann. Neben der damit beabsichtigten Sanktion sollte durch die zusätzliche Notwendigkeit des Vorbezugs von Grundleistungen für die Dauer von 36 Monaten aber zugleich für Ausländer der Anreiz für die Einreise und ihren weiteren Verbleib in Deutschland genommen werden (Hohm, GK-AsylbLG, § 2 Rn. 86, Stand März 2007). Dieses Ziel würde jedoch verfehlt, wenn andere Sozialleistungen (auch Analogleistungen oder weiter eingeschränkte Leistungen nach § 1a AsylbLG) oder gar Zeiten, in denen der Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG seinen Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken konnte, die erforderlichen Zeiten des Vorbezugs erfüllten. Die Gegenauffassung, die eine § 2 AsylbLG innewohnende Integrationskomponente betont (vgl. etwa Wahrendorf, SGB XII, § 2 AsylbLG Rn. 8; Birk, a.a.O., § 2 AsylbLG Rn. 3; i.E. wohl auch Hachmann/Hohm, a.a.O., S. 36; vgl. hierzu auch den Beschluss des Senats vom 28.01.2008 - L 20 B 85/07 AY ER, der jedoch die vorgenannten Erwägungen noch außer Acht ließ), vernachlässigt diese Rechtsentwicklung und interpretiert die Vorbezugszeit im Ergebnis zu Unrecht als reine Wartefrist, für die es auf einen Vorbezug gerade der in § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten Grundleistungen nicht ankäme.

Die hier für die Zeit ab dem 01.01.2005 vorgenommene Auslegung wird durch die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 2 AsylbLG mit Wirkung ab dem 28.08.2007 (Anhebung der Vorbezugszeit von 36 auf 48 Monaten; Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 - BGBl. I, S. 1970) gestützt. Zwar wird die Anhebung auf 48 Monate begründet mit einer Angleichung zu Regelungen im AufenthG (§ 104a) und einer Änderung der Beschäftigungsverfahrensverordnung, deren § 10 Satz 3 nach Ablauf von vier Jahren einen gleichrangigen Arbeitsmarktzugang für Geduldete gewährt. Für den Zeitpunkt der Gewährung von Leistungen auf Sozialhilfeniveau wird dabei auf den Grad der zeitlichen Verfestigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland abgestellt. Nach einem Voraufenthalt von vier Jahren sei davon auszugehen, dass eine Aufenthaltsperspektive entstanden sei, die es gebiete, Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine "bessere soziale Integration" gerichtet seien (vgl. BT-Drucks. 16/5065, S. 232 zu Nummer 2 [§ 2]; vgl. auch Adolph, in: Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 2 AsylbLG Rn. 12, Stand September 2009). Wurde die Erforderlichkeit des Vorbezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG gleichwohl beibehalten, bestehen jedoch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber die mit der Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG (neben der Integrationskomponente) verbundene Intention, den Bezug von Analogleistungen an eine bestimmte Dauer des Vorbezugs von Grundleistungen zu koppeln, aufgeben wollte. Nach der Gesetzesbegründung sollten mit der Verlängerung der Vorbezugszeit Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG vielmehr (auch) ermutigt werden, ihren Lebensunterhalt möglichst durch eigene Arbeit und nicht durch Leistungen des Sozialsystems zu sichern (BT-Drucks. 16/5065, S. 155). Niedrige Leistungen sollten also als Anreiz für die Aufnahme einer Beschäftigung dienen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Aufnahme einer Beschäftigung durch Asylbewerber bzw. geduldete Ausländer mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sogar schon nach einem Jahr des gestatteten oder geduldeten Aufenthalts in Deutschland möglich ist (§ 61 Abs. 2 Asylverfahrensgesetz, § 1 Beschäftigungsverfahrensverordnung).

c) Auch aus § 2 Abs. 3 AsylbLG folgt kein Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Nach dieser Vorschrift erhalten minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Abs. 1 erhält. Mit § 2 Abs. 3 AsylbLG sollte zwar erreicht werden, dass innerhalb einer Familie minderjährigen Kindern (grundsätzlich) keine anderen Leistungen gewährt werden als ihren Eltern, mit denen sie in einer Haushaltsgemeinschaft leben (BT-Drucks. 13/2746, S. 16 zu § 2 Abs. 3). Die gewollte leistungsrechtliche Gleichbehandlung bezweckt aber keine an einem Familienmitglied orientierte Besserstellung anderer Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft, sondern normiert nur eine zusätzliche leistungseinschränkende Voraussetzung bei Analogleistungen für den von § 2 Abs. 3 AsylbLG erfassten Personenkreis. Das zeigen schon Systematik ("erhalten Leistungen nach Abs. 1") und Wortlaut ("nur") der Norm. Eine entsprechende Lesart ergibt sich überdies aus der Rechtsentwicklung: Der ursprüngliche Gesetzentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 24.10.1995 (BT-Drucks. 13/2746) sah Analogleistungen ohne Wartefrist nur für geduldete Ausländer vor; ohne die dem jetzigen Abs. 3 inhaltlich entsprechende damalige Regelung des Abs. 2 hatte es zu unterschiedlichen Leistungen innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft kommen können, wenn beide Elternteile lediglich für sich einen Asylantrag gestellt hatten, während die Kinder eine Duldung besaßen und so früher in den Genuss von Analogleistungen gekommen wären (BT-Drucks. 13/2746, S. 16 zu § 2 Abs. 3). Allein dieser Situation sollte mit § 2 Abs. 3 AsylbLG begegnet werden. Auf das Erfüllen (auch) der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG in der Person der minderjährigen Kinder, die in einer Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern oder einem Elternteil leben, sollte hingegen nicht verzichtet werden. Ein Abweichen von der zwingenden Regelung der Vorbezugszeit für Kinder, die - wie die Klägerin - erst in Deutschland geboren wurden, ist damit nicht vereinbar. Ob der Gesetzgeber insoweit eine sinnvollere oder bessere Lösung hätte wählen können, obliegt nicht der gerichtlichen, sondern allein der rechtspolitischen Beurteilung (siehe zum Ganzen BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R, Rn. 25 f. m.w.N.).

3. Der Klägerin stehen die für die Monate März bis August sowie Oktober und November 2007 begehrten höheren Leistungen in Höhe des sozialhilferechtlichen Regelsatzes schließlich auch nicht nach § 6 Abs. 1 AsylbLG zu.

Allerdings ist grundsätzlich denkbar, dass sich ein Anspruch auf höhere Leistungen nach dem AsylbLG, auch wenn er vergeblich auf § 2 AsylbLG gestützt wird, ganz oder teilweise aus anderen Normen des AsylbLG ergibt. So handelt es sich bei einem Streit um Analog- statt Grundleistungen (§ 2 statt § 3 AsylbLG) zwar nicht um einen typischen sog. Höhenstreit. Denn Analogleistungen werden in der Regel als Geldleistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII erbracht, Grundleistungen (abgesehen vom Geldbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG) jedenfalls nach dem gesetzlichen Regelfall als Sachleistung. Gleichwohl sind Grundleistungen einerseits und Analogleistungen andererseits nicht unterschiedliche, nach Voraussetzungen, Inhalt und Umfang selbständige Ansprüche, sondern wesensgleiche Leistungen. Entscheidend für die Charakterisierung eines Streits wie desjenigen der Klägerin als Höhenstreit ist, dass es sich jeweils um Leistungen nach dem AsylbLG handelt, der Kreis der Leistungsberechtigten sich aus § 1 AsylbLG ergibt und die Leistungen identischen Zwecken, nämlich der Deckung der notwendigen allgemeinen, grundlegenden und stetig wiederkehrenden Bedarfe, dienen. Es handelt sich mithin bei Grundleistungen nach § 3 AsylbLG im Vergleich zu Analogleistungen nach § 2 AsylbLG nicht um "andere" Leistungen. § 2 AsylbLG will vielmehr allein bestimmte Berechtigte nach Leistungshöhe und ggf. auch nach Leistungsform besserstellen. Ohnehin können nach § 3 Abs. 2 AsylLG - wie im Falle der Klägerin geschehen - auch die Grundleistungen unter bestimmten Voraussetzungen in Form von Geldleistungen gewährt werden (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R, Rn. 14, das sich allerdings nicht zu § 6 AsylbLG verhält).

Gleichwohl kommt § 6 Abs. 1 AsylbLG für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf (nicht sonderbedarfsbezogene, sondern allgemein) höhere Leistungen von vornherein nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind (Satz 1). Die Leistungen sind als Sachleistung, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren (Satz 2).

Die in § 6 Abs. 1 AsylbLG vorgesehenen Leistungen sind mit den Grund- bzw. Analogleistungen nach § 2 bzw. § 3 AsylbLG keineswegs wesensgleich. Bereits die gesetzliche Bezeichnung als "sonstige" Leistungen "im Einzelfall" macht deutlich, dass es sich insoweit nicht um (Grund-) Leistungen zur Erfüllung der in § 3 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AsylbLG berücksichtigten, laufend wiederkehrenden Grundbedarfe des Leistungsberechtigten handeln kann. Dementsprechend werden unter die Einzelfallbedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts etwa ergänzende Leistungen bei Schwangerschaft, Krankheit und Behinderung (z.B. Krankenkost, Sonderbedarf für Kleidung), Säuglingserstausstattung oder Bestattungskosten (Birk, a.a.O., § 6 AsylbLG Rn. 3) gerechnet, ferner ggf. religiöse Sonderbedarfe (a.a.O., Rn. 7). Als Einzelfallbedarfe zur Sicherung der Gesundheit werden etwa Hilfsmittel, Prothesen, Pflegesachleistungen bzw. Eingliederungshilfeleistungen in Betracht gezogen (a.a.O., Rn. 4). Bereits die Begründung zum Gesetzentwurf vom 02.03.1993 (BT-Drucks. 12/4451, S. 10 zu § 5 des Entwurfs) spricht ausdrücklich von "andere(n) als den in §§ 2 und 3 (des Entwurfs [Grundleistungen und Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt]) genannten Leistungen", die sich nach den Umständen des Einzelfalls richteten. Die leistungsrechtliche Auffangvorschrift sei notwendig, weil die vorangehenden Regelungen - insbesondere die der Grundleistungen - Pauschalleistungen auf niedrigem Niveau vorsähen, die auf den typischen Regelfall abgestellt seien. Da ergänzende Leistungen nach dem BSHG nicht in Betracht kämen, müsse "daher die Möglichkeit und in bestimmten Fällen der genannten Art eine gewisse Verpflichtung bestehen, weitergehende Leistungen in beschränktem Umfange zu gewähren". Als Beispiel nennt die Entwurfsbegründung einzig "Hygienemittel für Wöchnerinnen". Die spätere Begründung zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG und anderer Gesetze vom 24.10.1995 (BT-Drucks. 13/2746, S. 16) führt aus, die bisherige Regelung habe die Gewährung sonstiger Leistungen nur in bestimmten, klar umrissenen Fällen vorgesehen; die Praxis habe jedoch die Notwendigkeit einer Öffnungsklausel ("können insbesondere" statt bisher "dürfen nur") gezeigt, da den zuständigen Behörden sonst kaum Spielraum bleibe, "besonderen Bedarfen im Einzelfall" gerecht zu werden. Zu denken sei etwa an außergewöhnliche Umstände wie einen Todesfall, einen besonderen Hygienebedarf oder körperliche Beeinträchtigungen.

Dementsprechend kommt § 6 AsylbLG zwar die Bedeutung einer Öffnungsklausel zu, um zur Leistungsgerechtigkeit im Einzelfall beizutragen; eine darüber hinausreichende Anwendung dergestalt, die beschränkten Leistungen des § 3 AsylbLG generell denjenigen nach dem SGB XII anzunähern, ist jedoch nicht möglich (Wahrendorf, SGB XII, § 6 AsylbLG Rn. 1; siehe auch Janda/Wilksch, Das Asylbewerberleistungsgesetz nach dem "Regelsatz-Urteil" des BVerfG, in: SGb 2010, S. 565, 568). § 6 AsylbLG ist vielmehr restriktiv auszulegen (Hohm, GK-AsylbLG, § 6 Rn. 15, Stand dort Dezember 2003). Erfasst werden allein atypische Bedarfslagen, die von den auf den Regelfall abstellenden Vorschriften der §§ 3 und 4 AsylbLG nicht erfasst werden (Hohm, Menschenwürdiges Existenzminimum für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz - Auswirkungen des BVerfG-Urteils vom 9.2.2010 [1 BvL 1/09 u.a.] auf die Bemessung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG -, in: ZFSH SGB 2010, S. 269, 277). Für die Klägerin, die für die streitigen Monate höhere allgemeine Leistungen in Höhe des sozialhilferechtlichen Regelsatzes anstelle der niedriger liegenden Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG begehrt, jedoch keine allein einzelfallbedingten besonderen Bedarfe geltend macht, bedeutet dies, dass sie auch über § 6 Abs. 1 AsylbLG keine höheren Leistungen erlangen kann. Geht es ihr um höhere Leistungen für die allgemeinen Bedarfe, so kommen solche insbesondere auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt eines kindlichen Sonderbedarfs in Betracht; denn auch ein solcher müsste sich im Rahmen des § 6 Abs. 1 AsylbLG als ein auf einen Einzelfall bezogener und nicht als ein allgemein höherer Bedarf darstellen.

Anderes ergibt sich auch nicht etwa aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ([BVerwG] Beschluss vom 29.09.1998 - 5 B 82/97) bzw. der ihm im Wesentlichen folgenden Gerichte (jüngst etwa Sozialgericht [SG] Bremen, Urteil vom 31.03.2010 - S 24 AY 44/09; zuvor etwa Oberverwaltungsgericht [OVG] Bremen, Urteil vom 25.09.2009 - S 3 A 272/07). Soweit das BVerwG zu § 6 AsylbLG (einzig) ausgeführt hat, nach dieser Vorschrift dürften sonstige Leistungen gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich seien, so hat es damit ersichtlich nicht zum Ausdruck bringen wollen, § 6 Abs. 1 AsylbLG könne allgemein unzureichende Leistungen nach § 3 AsylbLG gleichsam aufstocken. Denn das BVerwG hat in jenem Beschluss zuvor die vom dortigen Kläger beantragte Zulassung der Revision mit der Begründung abgelehnt, es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 1, 3, 6 und 9 AsylbLG; der Kläger habe nicht dargelegt, dass ihm die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben fehlten. Es hat § 6 AsylbLG damit - wie auch der im vorliegenden Fall erkennende Senat - gerade als Anspruchsgrundlage für nur im Einzelfall bestehende Bedarfe, nicht aber für "Regelbedarfe", wie sie nach § 3 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AsylbLG zu decken sind, angesehen.

II. Ist danach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG für die Leistungsbemessung in der von der Beklagten vorgenommenen Weise einfach-rechtlich anzuwenden, so hält der Senat diese Regelung jedoch für verfassungswidrig (1.). Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des asylbewerberleistungsrechtlichen Regelungsgefüges abweichend von der zu I. vorgenommenen Auslegung besteht nicht (2.). Ist zugleich § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht verfassungswidrig (3.), so kommt es i.S.v. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auf die Gültigkeit des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG an. Der Senat hat deshalb nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG das Verfahren auszusetzen und nach § 80 Abs. 1 BVerfGG unmittelbar die Entscheidung des BVerfG einzuholen (4.).

1. Nach Ansicht des Senats verstößt die für die Klägerin maßgebliche Leistungsregelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

a) Das BVerfG hat dieses Grundrecht im Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG erkannt (Rn. 132 der Entscheidung). Dieses Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Erkenntnisstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat; dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu (Rn. 133). Fehlen einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel, weil er sie aus Erwerb, Vermögen oder Zuwendungen Dritter nicht erhalten kann, hat der Staat im Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags dafür Sorge zu tragen, dass die dafür notwendigen materiellen Voraussetzungen diesem Menschen zur Verfügung stehen. Damit korrespondiert ein Leistungsanspruch des Grundrechtsträgers, dessen Menschenwürde in solchen Notlagen nur durch materielle Unterstützung gesichert werden kann (Rn. 134.). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie. Diese umfasst nicht nur die physische Existenz des Menschen (also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit), sondern auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (Rn. 135). Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein (Rn. 136), der so ausgestaltet sein muss, dass er stets den existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt. Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkommt, ist das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig (Rn. 137).

Der dem Grunde nach von der Verfassung vorgegebene Leistungsanspruch kann seinem Umfange nach im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel jedoch nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. Er hängt von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, von der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie von den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und ist danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG hält den Gesetzgeber an, die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht im Hinblick auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums zu erfassen. Die hierbei erforderlichen Wertungen kommen dem parlamentarischen Gesetzgeber zu. Ihm obliegt es, den Leistungsanspruch in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren. Dabei besitzt er einen Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums. Dieser umfasst die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs. Er ist zudem enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (Rn. 138).

Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen. Hierbei hat er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. In der Auswahl der Methode ist der Gesetzgeber dabei im Rahmen von Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit frei; Abweichungen von der gewählten Methode bedürfen der sachlichen Rechtfertigung (Rn. 139). Das so gefundene Ergebnis ist zudem fortwährend zu überprüfen und weiter zu entwickeln, weil der elementare Lebensbedarf grundsätzlich nur im Augenblick seines Bestehens befriedigt werden kann. Der Gesetzgeber hat daher Vorkehrungen zu treffen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (z.B. Preissteigerungen, Erhöhungen von Verbrauchssteuern) zeitnah zu reagieren, um zu jeder Zeit die aktuelle Bedarfserfüllung sicherzustellen. Das gilt insbesondere dann, wenn er einen Festbetrag vorsieht (Rn. 140).

Das BVerfG beschränkt, korrespondierend zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums und mangels Ableitbarkeit einer exakten Bezifferung aus dem Grundgesetz, seine materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (Rn. 141). Innerhalb der Bandbreite, welche diese Evidenzkontrolle belässt, kann das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums keine quantifizierbaren Vorgaben liefern. Es erfordert jedoch eine Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung darauf hin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich auch auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums, weil eine Ergebniskontrolle am Maßstab dieses Grundrechts nur begrenzt möglich ist. Um eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs der gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, müssen die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen sein (Rn. 142). Verfassungsgerichtlich geprüft wird deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt hat und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat (Rn. 143). Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (Rn. 144).

Andere Grundrechte, etwa Art. 3 Abs. 1 oder Art. 6 Abs. 1 GG, vermögen für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht keine weiteren Maßstäbe zu setzen. Entscheidend ist von Verfassungs wegen allein, dass für jede individuell hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ausreichend erfasst wird; eines Rückgriffs auf weitere Grundrechte bedarf es nicht (Rn. 145).

Dieses vom BVerfG erkannte, unverfügbare und staatlich einzulösende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums hängt in seiner Geltung nicht davon ab, ob der Betroffene die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland lebt. Die Klägerin war deshalb auch im streitigen Zeitraum, als sie noch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatte und auch kein Daueraufenthaltsrecht besaß, ohne Weiteres Trägerin dieses Grundrechts. Dies folgt unmittelbar aus der Verortung des Grundrechts in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG; die Menschenwürde ist kein sog. "Deutschengrundrecht", sondern ein Menschenrecht mit universaler Geltung. Damit muss sich die einfach-gesetzliche Leistungsregelung des § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG an ihrer Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums messen lassen (Hohm, ZFSH SGB 2010, S. 274; Janda/Wilksch, a.a.O., S. 570; vgl. auch Vogt, Das neue Grundrecht – was bringt es tatsächlich?, in: Sozialrecht aktuell 2010, S. 93, 95; siehe ferner Haedrich, Das Asylbewerberleistungsgesetz, das Existenzminimum und die Standards der EU-Aufnahmerichtlinie, in: ZAR 2010, S. 227, 230).

b) Der Senat hält die der Klägerin im streitigen Zeitraum März bis August sowie Oktober und November 2007 gewährte Leistung i.H.v. monatlich 132,93 EUR bzw. 178,95 EUR bereits für evident unzureichend, ihren Bedarf für ein menschenwürdiges Existenzminimum - außerhalb von Unterkunft, Heizung und Hausrat (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 a.E. AsylbLG) - zu decken. Die Klägerin ist deshalb in ihrem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzt.

Das BVerfG hat sich bisher nicht zu der durch die Verfassung gebotenen Mindesthöhe von Grundleistungen nach dem AsylbLG zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums geäußert (vgl. Rothkegel, Ein Danaergeschenk für den Gesetzgeber. Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1, 3, 4/09, in: ZFSH SGB 2010, S. 135, 142). Dass die der Klägerin gewährten Leistungen evident unzureichend sind, ergibt sich jedoch aus den folgenden Überlegungen:

aa) Allein das menschenwürdige Existenzminimum wird (in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zum SGB II und SGB XII als soziokulturelles Existenzminimum bezeichnet [vgl. - insoweit allerdings unsicher, ob es sich nicht doch um eine inhaltlich relevante Abgrenzung handeln könne - Rixen, Verfassungsrecht ersetzt Sozialpolitik? "Hartz IV" auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts, in: Sozialrecht aktuell 2010, S. 81, 83]) auch im Rahmen von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII sichergestellt. Regelmäßig erst mit diesen Grundsicherungsleistungen wird der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums (vgl. dazu auch Horrer, Das Asylbewerberleistungsgesetz, die Verfassung und das Existenzminimum, 2001, S. 145 ff.) eingelöst (vgl. Armborst, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 1 Rn. 5). Dort entspricht den von der Klägerin bezogenen Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AsylbLG (für März bis August 2007 132,93 EUR, nach Vollendung des siebten Lebensjahres für Oktober und November 2007 178,95 EUR) funktional die sog. Regelleistung des § 20 SGB II, das Sozialgeld des § 28 SGB II bzw. der Regelsatz des § 28 SGB XII.

Allerdings ist aus den dortigen Regelbeträgen zusätzlich der Hausrat sicherzustellen, welcher im Rahmen von § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG zusätzlich zu den gewährten Geldleistungen zur Verfügung zu stellen ist (ein - ungedeckt gebliebener - Sachleistungsbedarf der Klägerin an Hausrat gerade im streitigen Zeitraum ist allerdings weder geltend gemacht noch ersichtlich). Das Sozialgeld nach dem SGB II bzw. der Regelsatz nach dem SGB XII betrug im streitigen Zeitraum für die vorliegend streitigen Monate März bis Juni 2007 für ein Kind bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres monatlich 207,00 EUR, ab Juli 2007 sodann 208,00 EUR; eingerechnet darin waren etwa 7,1 % für Möbel und andere Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte und Instandhaltungskosten (vgl. Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 20 Rn. 24), mithin für den Hausrat ein Betrag von 14,70 EUR bzw. (ab Juli 2007) 14,77 EUR.

Rechnet man diese Leistungen für Hausrat heraus, wurden mit den Regelbeträgen nach dem SGB II bzw. SGB XII für die Zeit von März bis Juni 2007 192,30, EUR (= 207,00./. 14,70) bzw. für Juli und August 2007 193,23 EUR (208,00./. 14,77 EUR) zur Verfügung eines vergleichbaren Hilfebedürftigen gestellt, mithin 59,37 EUR (192,30./. 132,93) bzw. 60,30 EUR (193,23./. 132,93) mehr als derjenige Betrag, welcher der Klägerin (seinerzeit vor Vollendung ihres siebten Lebensjahres) für funktional entsprechende Bedarfe gewährt wurde. Die Klägerin erhielt dementsprechend vor Vollendung ihres siebten Lebensjahres einen Betrag von etwa 31 % unterhalb des - um die Leistungen für Hausrat bereinigten - Leistungsbetrages nach dem SGB XII bzw. SGB II für funktional entsprechende Bedarfe. Nach Vollendung ihres siebten Lebensjahres erhielt die Klägerin in den insoweit streitigen Monaten Oktober und November 2007 noch 14,28 EUR (= 193,23./. 178,95), mithin etwa 7,4 % weniger als entsprechende Leistungsberechtigte nach dem SGB II bzw. SGB XII.

Die Regelleistung nach dem SGB II - Entsprechendes gilt für die gleich hohe Leistung nach dem SGB XII - ist freilich nicht evident unzureichend (BVerfG, a.a.O., Rn. 151 ff.). Allerdings wurde die Ermittlung der durch sie zu deckenden Bedarfe nicht verfassungsgemäß vorgenommen (Rn. 173 i.V.m. Rn. 199). Hat sich jedoch der Gesetzgeber bei der sie betreffenden Bedarfsermittlung eines jedenfalls im Grundsatz geeigneten Verfahrens bedient, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen realitätsgerecht zu bemessen (Rn. 159), so geben die - bis zum 31.12.2010 vom Gesetzgeber in einem verfassungsgemäßen Verfahren zur realitätsgerechten Bemessung der Leistungen neu festzusetzenden (Rn. 216), bis dahin aber weiterhin anzuwendenden (Rn. 219) - Leistungsbeträge nach dem SGB II (und dem SGB XII) einen mangels anderer Erkenntnismöglichkeiten als Anlehnungswert heranziehbaren Anhalt, welcher finanzielle Bedarf für die Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums eines nach dem SGB II oder dem SGB XII Leistungsberechtigten jedenfalls in etwa notwendig erscheint.

Das - für Leistungsempfänger bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AsylbLG) und damit für die Klägerin in den streitigen Monaten März bis August 2007 erhebliche - Unterschreiten der Leistungen nach dem SGB II (bzw. dem SGB XII) zur Sicherstellung dieses Existenzminimums um etwa 31 % führt, da es um die Absicherung grundlegender, nicht mehr unterschreitungsfähiger Bedürfnisse geht, zu evident unzureichenden Leistungen für das Existenzminimum der unter das Leistungsregime der §§ 3 bis 7 AsylbLG fallenden Klägerin.

Der Senat hält darüber hinaus auch die Leistungen von Beginn des achten Lebensjahres an (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AsylbLG) - bei der Klägerin in den weiter streitigen Monaten Oktober und November 2007- bereits für evident unzureichend. Zwar weichen diese Leistungen von den funktionsgleichen Leistungen nach dem SGB II nicht ebenfalls um ein knappes Drittel ab, sondern um deutlich geringere 7,4 %. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich bereits die Leistungen nach dem SGB II für entsprechend alte Kinder über die allgemeine verfassungsrechtliche Problematik der Leistungsbemessung im SGB II (bzw. SGB XII) hinaus besonderen verfassungsrechtlichen Einwänden ausgesetzt sehen: Zwar hält das BVerfG (a.a.O., Rn. 155 und Rn. 157) auch die Regelbeträge nach dem SGB II für Kinder bis 14 Jahre nicht für evident unzureichend. Allerdings ist mit Schaffung des SGB II (und des SGB XII) das Leistungsniveau im Vergleich zur Rechtslage nach dem BSHG bereits gesunken; bei entsprechender Fortschreibung, zudem bei nunmehriger Einrechnung der früheren Sozialhilfe-Einmalleistungen in die Regelbeträge nach dem SGB II (und dem SGB XII) zum Zwecke der Rücklagenbildung, hätte sich ein Leistungssatz von etwa 232,00 EUR (statt 207,00 EUR) ergeben (Rn. 156). Ohnehin ist die schlichte Ableitung dieser Regelbeträge nach dem SGB II (bzw. dem SGB XII) für Kinder bis 14 Jahre als 60 % der Regelleistung für einen alleinstehenden Erwachsenen als Methode der Bedarfsermittlung schon für sich genommen (ohne Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Problematik der Bedarfsermittlung bei Erwachsenen) als freihändige Schätzung ohne jede empirische oder methodische Fundierung unvertretbar (Rn. 190 ff.). Richtet man sich etwa nicht an kindlichen Entwicklungsphasen und den Bedürfnissen mit Blick auf die kindliche Persönlichkeitsentwicklung aus (Rn. 191), und wird ein - erwartbarer - besonderer Bedarf schulpflichtiger Kinder nicht berücksichtigt (Rn. 192 und Rn. 197), so verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bemessung sämtlicher Leistungssätze des SGB II (bzw. des SGB XII) beim Leistungssatz für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres noch einmal (vgl. hierzu auch Janda/Wilksch, a.a.O., S. 571, die im Zusammenhang mit der Vorbezugsfrist von 48 Monaten in § 2 Abs. 1 AsylbLG darauf hinweisen, dass in der kindlichen Entwicklung vier Jahre ein beachtlicher Zeitraum seien, in dem maßgebliche Sozialisierungserfahrungen gemacht würden, so dass die geltende Regelung mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG oder auf die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention [Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989, BGBl. II, S. 990; ein zuvor erklärter Vorbehalt wurde am 03.05.2010 von der Bundesrepublik Deutschland zurückgenommen] Bedenken begegne). Die aktuelle Diskussion um die Neubemessung der Leistungssätze des SGB II ab dem 01.01.2011 hinsichtlich der besonderen Leistungen im Bereich der Bildung von Kindern und Jugendlichen zeigt denn auch, dass der Gesetzgeber in Umsetzung der Entscheidung des BVerfG (a.a.O) zu den Regelleistungen nach dem SGB II insoweit besonderen Nachbesserungsbedarf sieht.

Insgesamt wird damit deutlich, dass die der Klägerin in sämtlichen streitigen Monaten gewährten Leistungen nach dem AsylbLG ersichtlich unzureichend waren, um ihr ein menschenwürdiges Existenzminimum - zu dem nach der Einschulung u.a. auch ihre besonderen Bedürfnisse als Grundschülerin beitrugen - zu gewährleisten.

bb) Dem steht auch nicht entgegen, dass der Bedarf für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG anders und - möglicherweise - auch geringer zu bemessen sein mag als derjenige für die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums nach dem SGB II oder SGB XII. Nach der Rechtsprechung des BVerfG steht es insoweit im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Asylbewerber - wie im AsylbLG geschehen - ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen; insbesondere ist es danach dem Gesetzgeber nicht verwehrt, Art und Umfang von Sozialleistungen an Ausländer grundsätzlich von der voraussichtlichen Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland abhängig zu machen (so - mit knapper Begründung - Beschluss vom 11.07.2006 - 1 BvR 293/05, Rn. 39 nach JURIS). Damit ist auch das Unterfallen der Klägerin unter das im Ansatz ungünstigere Leistungsregime des AsylbLG statt unter dasjenige des SGB XII bzw. des SGB II nicht bereits grundsätzlich zu beanstanden. Dies gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass im streitigen Zeitraum im Jahre 2007 nicht absehbar erschien, ob bzw. wann die Klägerin nach dem Herkunftsland ihrer Mutter verziehen würde. Denn bei den nach § 1 Abs. 1 AsylbLG dem Leistungsregime des AsylbLG zugeordneten Personengruppen ist maßgebend, dass sie sämtlich über kein verfestigtes Bleiberecht verfügen (Hohm, ZFSH SGB 2010, S. 273). Ein verfestigtes Bleiberecht bestand seinerzeit für die Klägerin auch nicht etwa deshalb, weil ein Ende ihres geduldeten Aufenthalts in Deutschland nicht prognostiziert werden konnte. Anknüpfend an das fehlende Dauerbleiberecht ist es jedenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Leistungen für den betroffenen Personenkreis nach dem AsylbLG von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII abweichen; allein das Vorsehen von Grundleistungen wie nach § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG begegnet deshalb für sich genommen (unbeschadet der Frage, ob sie zureichend bemessen sind) nicht grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken (Hohm, ZFSH SGB 2010, S. 274).

cc) Daraus ergibt sich jedoch keine Rechtfertigung, das soziokulturelle Existenzminimum nach dem SGB II bzw. dem SGB XII erheblich zu unterschreiten. Denn Gründe für einen jedenfalls in diesem Ausmaß vom Bedarf eines Grundsicherungsberechtigten nach dem SGB II bzw. dem SGB XII abweichenden Bedarf der Klägerin sind nicht ersichtlich:

Unter den Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bzw. dem SGB XII liegende Grundleistungen nach § 3 AsylbLG können, wie schon angedeutet, allenfalls mit der besonderen, regelmäßig nur auf absehbare Dauer angelegten Aufenthaltssituation und einem aus diesem Grund abweichenden Bedarf gerechtfertigt werden (vgl. hierzu etwa Schulte-Trux, in: Rothkegel, Sozialhilferecht, 2005, S. 420 Rn. 27 und S. 423 Rn. 39; vgl. ferner Horrer, a.a.O., S. 179 ff., insbes. S. 195 ff., der allerdings von vornherein Leistungen unterhalb des Sozialhilfeniveaus nur bis zur Dauer eines Jahres für verfassungsgemäß hält. Insoweit formuliert der Titel eines Leitfadens und einer Dokumentation zum Asylbewerberleistungsgesetz, 2. Aufl. 2000, von Classen pointiert: Menschenwürde mit Rabatt).

Den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 12/4451, dort insbes. S. 5 f., und 12/5008, S. 14 ff.) ist jedoch keinerlei Hinweis zu entnehmen, wie die Leistungen des § 3 AsylbLG - unter Berücksichtigung des nicht verfestigten Aufenthalts der Betroffenen - konkret erfasst worden sind. Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 12/4451, S. 6) beschränkt sich auf die nicht weiter substanziierte Behauptung, der vorgesehene Leistungsumfang sei im Hinblick auf die Ziele der Neuregelung für eine vorübergehende Zeit zumutbar und ermögliche ein Leben, das durch die Sicherung eines Mindestunterhalts dem Grundsatz der Menschenwürde gerecht werden solle. Die Betroffenen erhielten die notwendige Ernährung und Kleidung und würden für die Deckung notwendiger persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens mit Geld ausgestattet. Gegenüber den bisherigen Sozialhilfeausgaben werde im Wege der Schätzung, für die nur grobe Anhaltswerte vorhanden seien, ein Einsparbetrag von rund zwei Mrd. DM jährlich angenommen. Die Leistungen könnten gegenüber der Sozialhilfe vereinfacht und auf die Bedürfnisse eines hier in aller Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthalts abgestellt werden, wobei fürsorgerische Gesichtspunkte gewahrt blieben (S. 5). Eine Aussage allerdings, welche Bedürfnisse bei einem regelmäßig nur vorübergehenden Aufenthalt konkret bestehen und wie sie sich im Einzelnen ggf. von Bedürfnissen von Sozialhilfebeziehern unterscheiden, bleibt die Entwurfsbegründung schuldig.

Eine spätere Antwort der Bundesregierung vom 30.04.2008 auf die Große Anfrage von Mitgliedern der Fraktion DIE LINKE zur sozialen Existenzsicherung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Anfrage BT-Drucks. 16/7213, Antwort BT-Drucks. 16/9018) führt in diesem Zusammenhang aus (S. 6), die Bestimmung der Höhe der Grundleistungen im AsylbLG sei 1993 auf der Grundlage von Kostenschätzungen erfolgt. Durch die Ergebnisse der Verhandlungen zu Asyl und Zuwanderung vom 06.12.1992 sei u.a. vorgegeben gewesen, dass der Mindestunterhalt während des Asylverfahrens deutlich abgesenkt zu den Leistungen nach dem damaligen BSHG habe bestimmt werden sollen. Aus dem Vorstehenden ergeben sich mithin keinerlei Erkenntnisse zu der Frage, wie sich der Bedarf eines Leistungsberechtigten nach § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG konkret von demjenigen eines Sozialhilfeempfängers (oder eines Grundsicherungsempfängers nach dem SGB II) unterscheidet. Deutlich wird allein das Ziel, Kosten im Vergleich zu Aufwendungen nach dem BSHG in erheblicher Höhe einzusparen, indem an ihre Stelle freihändig und damit willkürlich bemessene Leistungen traten.

Fehlen deshalb nachvollziehbare Aussagen aus dem Gesetzgebungsverfahren und seitens der Bundesregierung auf die genannte Anfrage zur sozialen Existenzsicherung nach dem AsylbLG, so erschließen sich dem Senat auch ohne dies keine Umstände, welche ein Abweichen der der Klägerin im Jahre 2007 gewährten Grundleistungen von den funktional gleichen Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bzw. dem SGB XII jedenfalls um mehr als einen nur marginalen Anteil rechtfertigen könnten. Hierbei ist zu beachten, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sich nicht nur auf die Sicherung der physischen Existenz erstreckt, sondern auch auf die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Dass Personen wie die Klägerin etwa keinerlei Bedarf zur Beziehungspflege hätten, kann nicht angenommen werden; die bisherigen Leistungen blenden - im Gegenteil - vielmehr denkbare besondere Bedarfe, die bei Ausländern auch und gerade mit ungesichertem Aufenthaltsstatus entstehen können (z.B. Aufwendungen zur Kontaktpflege), von vornherein aus (Schulte-Trux, a.a.O., S. 423 f. Rn. 42; vgl. auch Janda/Wilksch, a.a.O., S. 571). Dass eine Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben nicht notwendig sei, lässt sich jedenfalls nicht annehmen; allenfalls können solche Teilhabehandlungen wegen der besonderen Herkunfts-, Aufenthalts- und Unterbringungssituation einen anderen, jedoch nicht notwendig weniger bedarfsverursachenden Inhalt haben, als es typischerweise bei Grundsicherungsempfängern nach dem SGB II oder dem SGB XII der Fall ist. Selbst wenn das Fehlen eines sozialen Integrationsbedarfs in die deutsche Gesellschaft anzunehmen sein sollte (was bei der Klägerin angesichts ihres ununterbrochenen Aufenthalts in Deutschland seit ihrer Geburt und eines ungewissen Wegzugs ins Herkunftsland ihrer Mutter allerdings bereits seinerzeit fraglich erschien), besteht jedenfalls ein sozialer Kommunikations- und Integrationsbedarf innerhalb des eigenen Umfeldes, bei dem nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, dass er den Bedarf für gesellschaftlich-integrative Handlungen von Grundsicherungsempfängern unterschreitet.

Auch, wenn man sich vor Augen führt, welche Bedarfsanteile bei den Regelleistungen nach dem SGB II bzw. den Regelsätzen nach dem SGB XII berücksichtigt werden (siehe dazu die Aufstellung bei Spellbrink, a.a.O., § 20 Rn. 24), lässt sich ein Unterschreiten des Bedarfs der Klägerin gegenüber demjenigen eines Grundsicherungsempfängers nach dem SGB II bzw. dem SGB XII in einem mehr als nur marginalen Umfang nicht plausibilisieren. Im Rahmen der dem SGB II und dem SGB XII zu Grunde liegenden Festlegungen sind die unterschiedlichen Bedarfe in elf Abteilungen einer vom Statistischen Bundesamt erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) erfasst (Abt. 01 bis 12 ohne die nicht regelsatzrelevante Abt. 10). Für den größten Einzelanteil (Abt. 01 und 02 der EVS), der vor allem Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren betrifft und einen Regelsatzanteil von 37 % ausmacht, lässt sich kaum erkennen, aus welchem Grund für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG ein grundsätzlich geringerer Bedarf bestehen soll als für Sozialhilfebedürftige. Gleiches gilt für Bekleidung und Schuhe (Abt. 03; Regelsatzanteil 10 %), für Gesundheitspflege (Abt. 06; 3,7 %), Nachrichtenübermittlung (Abt. 08; 8,8 %), Freizeit, Unterhaltung und Kultur (Abt. 09; 11,4 %) sowie andere Waren und Dienstleistungen (Abt. 12; 7,8 %). Zwar ist denkbar und wahrscheinlich, dass Grundleistungsbezieher gerade außerhalb der Abteilungen 01 und 02 mangels Gewährung von das menschenwürdige Existenzminimum gewährleistenden Leistungen deutlich weniger für sonstigen Abteilungen zuzuordnende Bedarfe (für die im Übrigen auch bei Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII nur geringere Beträge zur Verfügung stehen) aufwenden als Empfänger von Sozialhilfe oder Grundsicherung für Arbeitsuchende; das aber gründet nicht auf entsprechend geringeren Bedarfen, sondern allein auf der fehlenden finanziellen Möglichkeit, diese Bedarfe zu decken. Bedarfe für Einrichtungsgegenstände, Möbel, Apparate, Geräte und Ausrüstungen für den Haushalt (Abt. 05; 7,1 %) haben für die vorliegende Betrachtung außer Ansatz zu bleiben; sie werden dem Grundleistungsberechtigten nach dem AsylbLG in der Regel als Sachleistung gewährt (§ 3 Abs. 2 Satz 2 a.E. AsylbLG: Hausrat), und für den hier vorgenommenen Vergleich sind sie bereits vom finanziellen Regelbedarf nach SGB II und SGB XII abgesetzt worden (vgl. oben zu aa). Ein geminderter Bedarf erscheint zwar für Verkehr (Abt. 07; 4,5 %) und für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen (Abt. 11; 2,4 %) grundsätzlich denkbar; allerdings ist auch dort fraglich, weshalb sich diese - hier auch nach der Leistungsgestaltung im SGB II und im SGB XII nur spärlich bemessenen - Bedarfe unter dem Gesichtspunkt eines menschenwürdigen Existenzminimums, das auch kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe erfasst, bei Grundleistungsberechtigten nach dem AsylbLG nicht ebenfalls einstellen sollen. Ein begründeter Minderbedarf besteht hingegen ersichtlich hinsichtlich der Reparatur und Instandhaltung der Wohnung (Abt. 04; 7,5 %; dort wird allerdings auch Strom erfasst, bei dem wiederum kein verringerter Bedarf im Vergleich zu Berechtigten nach dem SGB II oder SGB XII plausibel erscheint); bei einer regelmäßig als Sachleistung zur Verfügung gestellten Wohnung mit Hausrat dürften insoweit in der Regel Reparatur- und Instandhaltungskosten vom Leistungsträger getragen werden. Machen die Abt. 04, 07 und 11 bei den Regelleistungen nach dem SGB II bzw. dem SGB XII insgesamt nur einen Anteil von 14,4 % aus und ist selbst bei diesen Abteilungen eine Minderung des Bedarfs entweder (Abt. 07 und 11) bereits im Ansatz fraglich oder jedenfalls dem Umfang nach, so dass der Bedarf innerhalb dieser Abteilung nicht vollständig entfällt (Abt. 04, dortiger Anteil für Stromkosten), so ist evident, dass eine Leistung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 und Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG, die deutlich unterhalb der funktional gleichen Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII liegt, das menschenwürdige Existenzminimum nicht decken kann (von einer evident unzureichenden Höhe der Leistungen nach § 3 AsylbLG geht auch Kingreen, Schätzungen "ins Blaue hinein": Zu den Auswirkungen des Hartz IV-Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf das Asylbewerberleistungsgesetz, in: NVwZ 2010, S. 558, 559, aus; ebenso Wahrendorf, BVerfG 9.2.2010: Gibt es ein Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums?, in: Sozialrecht aktuell 2010, S. 90, 92 f.).

dd) Dem lässt sich auch nicht mit der bloßen Behauptung entgegentreten, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Absenkung des (Grund-) Leistungsniveaus des AsylbLG gegenüber demjenigen der Sozialhilfe griffen letztlich (noch) nicht durch, da die existenzsichernde Bedarfsdeckung der (Grund-) Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG nach überwiegender Auffassung gewährleistet bleibe und die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers hinsichtlich des Mindestbedarfs sowie der vorübergehende Charakter der Grundleistungen zu beachten seien (so aber etwa - für den Stand im Jahre 2005 - Schulte-Trux, a.a.O., S. 422 Rn. 39). Diese Ansicht übersieht, dass weder der Gesetzgeber (siehe dazu sogleich auch noch unten zu c) noch die "überwiegende Auffassung" irgendwelche konkreten Erwägungen zur Bemessung der über die Grundleistungen zu deckenden Bedarfe erkennen lassen; auch eine gesetzgeberische Einschätzungsprärogative berechtigt nicht zu willkürlichen Festlegungen des Bedarfs und dementsprechend der Leistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums (diesem Einwand setzt sich auch noch das Urteil des erkennenden Senats vom 28.07.2008 - L 20 AY 20/08 aus, an dem der Senat in diesem Punkte nicht weiter festhält).

ee) Schon angesichts dieser evident unzureichenden Leistungen ist im Übrigen in diesem Zusammenhang nicht zu verlangen, dass der Grundleistungsberechtigte im Einzelnen die nicht gedeckten Bedarfe und die Gründe dafür darlegt, weshalb das Existenzminimum unterschritten werde (so aber OVG Bremen, Urteil vom 25.09.2009 - S 3 A 272/07). Nicht zu überzeugen vermag darüber hinaus, wenn in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung (auch nach Verkündung des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) die deutlich geringere Höhe der Grundleistung nach dem AsylbLG im Vergleich zu dem Regelsatz nach dem SGB XII bzw. der Regelleistung nach dem SGB II mit der Begründung für unbedenklich erachtet wird, sie folge im Wesentlichen aus der fehlenden Berücksichtigung vieler unregelmäßig wiederkehrender Bedarfe sowie solcher Bedarfe, die der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dienen (so aber SG Bremen, Urteil vom 31.03.2010 - S 24 AY 44/09). Es ist vielmehr evident, dass jedenfalls das bestehende deutliche Abweichen der Leistungen keine Deckung der für ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichernden Bedarfe mehr ermöglicht, mag auch ein Abweichen beim Bedarf für Grundleistungsberechtigte nach dem AsylbLG in einem geringeren Umfang grundsätzlich denkbar erscheinen.

ff) Die mit Blick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums evident unzureichenden Leistungen lassen sich schließlich auch nicht damit rechtfertigen, dass durch abgesenkte Leistungen nach dem AsylbLG Anreize zu einer missbräuchlichen Nutzung des Asylrechts aus wirtschaftlichen Gründen vermieden würden (schon der Entwurf eines Gesetzes über Leistungen der Sozialhilfe an Ausländer vom 10.11.1992 der Fraktionen der CDU/CSU und FDP im Vorfeld des AsylbLG - BT-Drucks. 12/3686 [neu], S. 4, betonte "Anreize", welche Sozialhilfeleistungen nach dem BSHG für Ausländer lieferten, nach Deutschland zu kommen; ähnlich BT-Drucks. 12/5008, S. 2 und 13), bzw. dass durch geringe Leistungen kein Geld zur Verfügung stehe, welches etwa Schlepperorganisationen zur Verfügung gestellt werden könnte (Letzteres führt die Entwurfsbegründung, BT-Drucks. 12/4451, S. 8, ausdrücklich als Grund für den geringen Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG an). Eine entsprechende "Mithaftung" (Kingreen, a.a.O., S. 561) sich bereits in Deutschland aufhaltender Leistungsberechtigter für mögliche asylrechtlich nicht akzeptable Motive potenzieller Asylantragsteller, die sich noch nicht hier aufhalten, verbietet sich, wenn es um die grundrechtswahrende Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums geht, von selbst. Gleiches gilt für eine etwa im Einzelfall stattfindende zweckwidrige Leistungsverwendung des Geldbetrages nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG. Im Übrigen hat die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 30.04.2008 auf die Große Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE zur sozialen Existenzsicherung nach dem Asylberwerberleistungsgesetz (Anfrage BT-Drucks. 16/7213, Antwort BT-Drucks. 16/9018, S. 23) noch im Jahre 2008 ausgeführt, wissenschaftliche Untersuchungen darüber, welche Motivationen jenseits von Furcht vor politischer Verfolgung zur Antragstellung von Asylsuchenden führten, seien ihr nicht bekannt.

c) Doch selbst, wenn man die Leistungen an die Klägerin nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG nicht als evident unzureichend betrachten wollte, könnten diese Normen bereits aus anderen Gründen wegen Verfassungswidrigkeit keine Anwendung finden. Denn es fehlt jedenfalls eine ihnen zugrunde liegende verfassungsgemäße Methode der Bedarfsermittlung.

Ein transparentes und sachgerechtes Verfahren, durch welches der tatsächliche Bedarf realitätsgerecht bemessen wird (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09, Rn. 139), ist im Falle der Bemessung der Leistungen nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylbLG nicht angewandt worden. Auch eine sachgerechte fortwährende Überprüfung und Weiterentwicklung der Bedarfsbemessung und Leistungsregelung (a.a.O., Rn. 140) ist nicht feststellbar. Seiner gesetzgeberischen (im Nichtgenügensfall bereits einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG begründenden) Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen (a.a.O., Rn. 144), konnte der Gesetzgeber schon deshalb nicht genügen, weil er entsprechende Methoden und Berechnungsschritte ersichtlich nicht herangezogen hat.

aa) Bereits bei Schaffung des AsylbLG im Jahre 1993 haben keinerlei diesen prozeduralen Anforderungen auch nur ansatzweise entsprechende Ermittlungen des nach § 3 AsylbLG zu deckenden Bedarfs unter Anwendung einer tauglichen Methode stattgefunden. Der ursprünglichen Gesetzesbegründung sind, wie schon ausgeführt (s.o. b. cc), Hinweise auf das gewählte Verfahren zur Bemessung der Grundleistungen nicht zu entnehmen. Es handelt sich angesichts dessen, dass offenkundig - auch hinsichtlich der bestehenden Bedarfe - lediglich eine Kostenschätzung vorgenommen wurde (vgl. BT-Drucks. 16/9018, S. 6), die sich auf Einsparungen im Vergleich zu Leistungen nach dem BSHG bezog (BT-Drucks. 12/4451, S. 6), allein um eine freihändige Schätzung "ins Blaue hinein", die einem Verfahren realitätsgerechter Ermittlung zuwiderläuft und deshalb gegen Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG verstößt (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 171). Sie kann den verfassungsrechtlichen Verfahrensanforderungen der Folgerichtigkeit, Transparenz und Sachgerechtigkeit nicht genügen; die geltende Regelung nach § 3 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 AsylbLG ist dementsprechend bereits aus diesem Grunde verfassungswidrig (so auch Hohm, ZFSH SGB 2010, S. 276 f.; siehe auch Kingreen, a.a.O., S. 560; Rothkegel, a.a.O., S. 142; Vogt, a.a.O., S. 95; Wahrendorf, Sozialrecht aktuell 2010, S. 92 f.; Haedrich, a.a.O., S. 231; Janda/Wilksch, a.a.O., S. 569 f.).

bb) Auch nach Inkrafttreten des AsylbLG am 01.11.1993 hat keine den Anforderungen an ein realitätsgerechtes, sachgerechtes und transparentes Verfahren genügende Überprüfung der Bedarfsbemessung nach § 3 AsylbLG stattgefunden, welche deren ursprüngliche verfassungsrechltiche Unzulänglichkeit jedenfalls ab einem späteren Zeitpunkt hätte aufheben können.

Zwar sieht § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG vor, dass das BMAS im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Beträge nach Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 AsylbLG jeweils zum 1. Januar eines Jahres neu festsetzt, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten zur Deckung des in Abs. 1 genannten Bedarfs erforderlich ist.

Eine solche Neufestsetzung hat jedoch bis heute zu keiner Zeit stattgefunden.

Eine Überprüfung der Bedarfe und damit der Leistungssätze, welche etwa hätte ergeben können, dass sich die Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 AsylbLG gleichsam im Nachhinein unter Anwendung eines verfassungsrechtlich haltbaren Bemessungsverfahrens als zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums hinreichend herausgestellt hätten, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Dies ergibt sich bereits aus den Antworten des - ggf. insoweit nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG federführenden - BMAS vom 17.12.2009 und 31.03.2010 auf entsprechende Anfragen des Senats vom 20.11.2009 und 26.01.2010 im Verfahren L 20 AY 13/09 (siehe hierzu den Tatbestand des dortigen Vorlagebeschlusses des Senats vom 26.07.2010). Dort (Antwort des BMAS vom 17.12.2009) wird für Beratungen im Rahmen eines Verordnungsentwurfs aus dem Jahre 2002, der erstmals seit 1993 eine Leistungserhöhung um 1,4 % vorgesehen habe (vgl. hierzu BR-Drucks. 956/01 vom 09.11.2001 [Verordnung]), ausgeführt, der Bundesrat sei der Ansicht gewesen, die Leistungssätze nach § 3 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 AsylbLG hätten sich als "auskömmlich" erwiesen (dies wurde ausweislich BR-Drucks. 956/01 [Beschluss] vom 20.12.2001, S. 1, nicht weiter begründet, sondern lediglich mit der weiteren Bemerkung versehen, eine Mehrkostenbelastung der Länder und Kommunen durch die vorgeschlagene Erhöhung erscheine "auch unter Berücksichtigung der aktuellen politischen Diskussion und unter Berücksichtigung der im Entwurf des Zuwanderungsgesetzes vorgesehenen Einschränkungen im Leistungsbereich unvertretbar"). Eine Begründung hierfür ist nicht ersichtlich (ebensowenig wie schon für die Ermittlung des im Entwurf vorgesehenen Erhöhungsbetrages von 1,4 %; vgl. dazu im Tatbestand des Senatsbeschlusses vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09 das im dort zitierten Schreiben des BMAS vom 17.12.2009 wiedergegebene Zitat aus S. 2 des Verordnungsentwurfs). Die weitere Nachfrage des Senats im Verfahren L 20 AY 13/09 nach konkreten Prüfungsvorgängen für den Verordnungsgeber wird vom BMAS (Antwort vom 31.03.2010) mit dem schlichten Hinweis beantwortet, es sei den Akten nicht zu entnehmen, welche konkreten Prüfungen vorgenommen worden seien. Zum weiter mitgeteilten Umstand (Antwort vom 17.12.2009), die Bundesregierung habe letztmals im Dezember 2007 eine Absicht zu einer Änderung der Leistungsbeträge verneint, wird zwar ergänzend ausgeführt, im allgemeinen Verbraucherpreisanstieg von 1993 bis 2006 (22,5 %) seien auch für die Bedarfsbemessung nach dem AsylbLG nicht relevante Gütergruppen berücksichtigt bzw. erfolge eine Bedarfsdeckung in Höhe der tatsächlichen Kosten, wie z.B. bei den Kosten der Unterkunft, Benzin und Heizöl (so auch die Antwort der Bundesregierung vom 14.12.2007 auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur sozialrechtlichen Schlechterstellung von Flüchtlingen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz [Anfrage BT-Drucks. 16/7365, Antwort BT-Drucks. 16/7574, S. 5]). Dass und aus welchem Grund dies ein generelles Zureichen der Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 AsylbLG begründen könne, wird daraus allerdings nicht einmal im Ansatz ersichtlich. Denn ggf. bei Grundleistungen nach dem AsylbLG im Vergleich zur Grundsicherung nach dem SGB II oder dem SGB XII möglicherweise anders zu bemessende Bedarfe änderten jedenfalls nichts daran, dass eine Bemessung überhaupt erst einmal in einem Verfahren hätte erfolgen müssen, welches verfassungsrechtlich einwandfrei wäre. Hieran ändern auch nichts die ergänzenden Angaben des BMAS (Antwort vom 31.03.2010), bei Grundleistungsberechtigten fielen (eigene) Ausgaben für die Unterkunft ebenso wenig an wie für weitere quantitativ wichtige Konsumgüter (z.B. Kauf oder Unterhalt von KFZ, Urlaubsreisen); der monatlich vom Statistischen Bundesamt ermittelte Preisindex könne deshalb für Grundleistungsberechtigte nicht relevant sein. Denn selbst, wenn dies zutreffen sollte, entbindet es den Gesetzgeber nicht davon, den stattdessen für Grundleistungsberechtigte relevanten Bedarf zu ermitteln, ihn zudem mit Blick auf ggf. relevante Preissteigerungen ständig zu beobachten und erforderlichenfalls die Leistungen bei geändertem Bedarf neu festzusetzen.

Der formelhafte Hinweis auf abweichende Bedarfe bei Asylbewerbern kann ohnehin nicht darüber hinwegsehen lassen, dass sich gerade die bei ihnen berücksichtigten basalen Bedarfe (Ernährung, Kleidung, Haushaltsenergie, Ausgaben des täglichen Lebens) ersichtlich nicht auf weniger preissteigerungsaffine oder gar preissteigerungsfeste Bedarfsgruppen reduzieren lassen. So führen etwa die nordrhein-westfälischen Hinweise zur Durchführung des AsylbLG (Stand: 21.03.2003, abgedruckt in GK-AsylbLG, Teil IV.10.4) unter 3.6 zum Grundleistungsbetrag nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG (184,07 EUR) aus, hiervon entfielen auf die Leistungsanteile Ernährung 130,38 EUR, Kleidung 20,45 EUR und Haushaltsenergie 20,45 EUR; auf den verbleibenden Leistungsanteil Gesundheits- und Körperpflege entfielen noch 5,11 EUR, auf Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts ohne Hausrat und Energie 7,67 EUR (Summe danach - um einen Cent vom Leistungsbetrag nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 abweichend - 184,06 EUR); darüber hinaus seien lediglich Unterkunft, Hausrat und Heizung zu gewähren. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens, für die nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG monatlich 20,45 EUR zur Verfügung stehen, gehören nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 12/4451, S. 8) "die notwendigen Ausgaben, z.B. für Verkehrsmittel, Telefon, Porto, Schreibmittel, Lesestoff, Werkmaterial oder kleine Mengen von Genussmitteln."

Die auf Anfragen des Senats vom BMAS im Verfahren L 20 AY 13/09 gegebenen Antworten weisen deshalb allein darauf hin, dass die spätere Verneinung eines Anpassungsbedarfs bei den Grundleistungen ebenso willkürlich erfolgte wie bereits 1993 die erstmalige Bemessung der entsprechenden Bedarfe. Der Gesetzgeber verstieß deshalb auch nach 1993 und bis heute fortgesetzt gegen seine unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG folgende prozedurale Verpflichtung einer empirisch nachvollziehbaren Festsetzung und einer fortlaufenden Überprüfung der Grundleistungsbeträge für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG (so auch Kingreen, a.a.O., S. 560).

cc) Daran kann von vornherein nichts ändern, dass bisher hinsichtlich des Bedarfs von Grundleistungsberechtigten nach dem AsylbLG keine eigenen statistischen Erhebungen durchgeführt wurden (die Antwort der Bundesregierung vom 10.03.2010 auf die Kleine Anfrage von Mitgliedern der Frakton DIE LINKE zu den Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 9. Februar 2010 auf das Asylbewerberleistungsgesetz [Anfrage BT-Drucks. 17/745, Antwort BT-Drucks. 17/979, S. 9] verweist darauf, dass spezielle Preisindizes für den Verbrauch von Leistungsbeziehern nach dem AsylbLG vom Statistischen Bundesamt nicht erhoben werden). Jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber in der Bedarfsbemessung bzgl. der Grundleistungen nach dem AsylbLG von derjenigen für existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII abweichen will, weil er das Abweichen der Bedarfe für wahrscheinlich hält, hat er sicherzustellen, dass die Bedarfsermittlung bei Grundleistungsberechtigten - ebenso wie bei den nach dem SGB II oder SGB XII Berechtigten - nach einem verfassungsgemäßen Verfahren erfolgt, welches die Wahrung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch für diesen Personenkreis sicherstellt.

dd) Wenn die Bundesregierung im Übrigen geäußert hat, eine Überprüfung nach § 3 Abs. 3 AsylbLG habe jeweils stattgefunden, so dass entsprechende Versäumnisse nicht vorlägen (so die Antwort der Bundesregierung vom 27.01.2000 auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion PDS zur Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Erhöhung der Grundleistungen gemäß § 3 Abs. 3 Asylbewerberleistungsgesetz [Anfrage BT-Drucks. 14/2492, Antwort BT-Drucks. 14/2605, S. 2]), so ist sie nachvollziehbare Ausführungen hinsichtlich dieser vorgeblichen Überprüfungen schuldig geblieben; erst recht lässt sich nicht erkennen, dass entsprechende Prüfungen mit einem verfassungsrechtlich zureichenden Verfahren der Bedarfsfestlegung einhergegangen wären. Mittlerweile räumt im Übrigen die derzeitige Bundesregierung selbst ein, dass die Bemessung der Leistungssätze nach dem AsylbLG nicht den Anforderungen genügt, die das BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 an eine verfassungsmäßige Bemessung der existenznotwendigen Aufwendungen stellt (Antwort der Bundesregierung vom 10.11.2010 auf die Große Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE [Anfrage BT-Drucks 17/2404, Antwort BT-Drucks. 17/3660, S. 4]).

2. Eine dem Ziel der Klägerin entgegenkommende, von der unter B. dargelegten Lesart des Senats abweichende Auslegung des "einfachen" Rechts, welche dieses in verfassungskonformer Auslegung noch als mit dem GG vereinbar erscheinen ließe, ist nach Ansicht des Senats nicht möglich:

a) § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG weist für die Geldleistungen zur Deckung des Bedarfs i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gesetzlich fixierte Leistungsbeträge aus. Gleiches gilt für den Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse nach § 3 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AsylbLG. Eine Auslegung, die diese gesetzlich fixierten Beträge erhöhte, widerspräche dem zwingenden Gesetzeswortlaut. Sie übersähe zudem, dass mit § 3 Abs. 3 AsylbLG gesetzlich gerade ein Verfahren vorgesehen ist, mit dem (will nicht der Gesetzgeber durch Gesetzesänderung in § 3 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 AsylbLG selbst eine Erhöhung der Leistungsbeträge herbeiführen) nach der gesetzlichen Konzeption einzig eine Erhöhung der Leistungsbeträge nach Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift erreicht werden kann. Eine Erhöhung dieser gesetzlich festgelegten (in Euro umzurechnenden) Leistungsbeträge im Wege der Gesetzesauslegung durch das Gericht scheidet aus; die gesetzlich eindeutig bestimmten Beträge verbieten jede - diese Fixierung ggf. nur leugnende - Heraufsetzung der Leistungsbeträge durch die Rechtsprechung.

b) § 6 Abs. 1 AsylbLG ist ebenfalls nicht einer dem Klageziel ganz oder teilweise entsprechenden verfassungskonformen Auslegung zugänglich.

aa) Wie bereits (zu I.3.) näher ausgeführt, handelt es sich bei den Leistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG um solche für atypische Bedarfslagen, die gerade nicht die "typischen", regelmäßig anfallenden, von § 3 AsylbLG berücksichtigten Bedarfe erfassen. Die Leistungen nach dieser Vorschrift sind dementsprechend im Vergleich zu denjenigen nach § 3 AsylbLG ein "aliud". Schon der Gesetzeswortlaut ("Sonstige Leistungen ... im Einzelfall") macht dies deutlich. Auch die gesetzliche Regelungssystematik unterscheidet zwischen den Grundleistungen des § 3 AsylbLG und den davon getrennt in § 6 AsylbLG geregelten sonstigen Leistungen. Beides entspricht dem auch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 AsylbLG, als bloße "leistungsrechtliche Auffangvorschrift" Leistungen zu ermöglichen, die mit den pauschalen, auf den "typischen Regelfall" zielenden Leistungen des § 3 AsylbLG nicht erbracht werden (BT-Drucks. 12/4451, S. 10). Eine schlichte "Korrektur" des § 3 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 AsylbLG, welche die dort doch fixierte Leistungshöhe durch höhere allgemeine, funktional Grundleistungen gleichkommende Leistungen gerade gegenstandslos machen würde, ist über § 6 Abs. 1 AsylbLG deshalb nicht möglich. § 6 Abs. 1 AsylbLG bietet aus diesem Grund von vornherein in keiner Weise "die Gewähr dafür ..., dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz trotz der teilweise gegenüber dem Sozialhilferecht erheblichen Leistungseinschränkungen die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Einzelfall erfüllen" (so aber, den Unterschied von Grundleistungen und sonstigen Leistungen negierend, Adolph, a.a.O., § 6 AsylbLG Rn. 2, Stand April 2005); die Vorschrift bietet vielmehr keinen Ansatzpunkt, die (für sich genommen) verfassungswidrige Leistungsbemessung in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 und Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG durch eine letztlich in der Gesamtschau doch verfassungskonforme, ineinander greifende Anwendung des Leistungsgefüges der §§ 3 bis 7 AsylbLG im Ergebnis noch verfassungsgemäß zu handhaben.

Im Übrigen sind Leistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG zudem als Ermessensleistung ausgestaltet. Soweit es jedoch um "Grundleistungen" zur Sicherung elementarer, regelmäßig und ständig bestehender Grundbedürfnisse geht, reicht es nicht aus, einen mit an den Einzelfall gebundenen Prüfungs- und Entscheidungserfordernissen versehenen Anspruch vorzusehen, der nicht als gesetzlich feststehender, mithin "gebundener" Anspruch ausgestaltet ist, sondern nur auf ermessenfehlerfreie Entscheidung zielen kann (vgl. hierzu auch Janda/Wilksch, a.a.O., S. 570, die darauf verweisen, dass es nach dem sog. Wesentlichkeitsprinzip dem Gesetzgeber obliege, das Existenzminimum auszuformen). Ihm fehlt die Rechtssicherheit eines gebundenen, der Leistungshöhe nach festgelegten Anspruchs, welcher im Versagungsfall etwa im Verfahren auf Gewährung einstweiligen (und mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch im tatsächlichen Ablauf effektiven) Rechtsschutzes sehr schnell und ohne langwierige Ermittlungen zum Bedarf selbst durchsetzbar wäre und nur so seiner Funktion als rechtlicher Sicherung elementarer Bedürfnisse gerecht werden könnte.

bb) Aus diesem Grunde scheidet auch eine bisweilen erwogene "extensive Nutzung" des § 6 AsylbLG (so Schulte-Trux, a.a.O., S. 424 Rn. 42, mit Blick auf die dort ebenfalls gesehenen Bedenken gegen das Leistungsniveau des § 3 AsylbLG, allerdings ohne eine Auseinandersetzung mit der Frage, dass es sich von vornherein um Leistungen für von § 3 AsylbLG nicht erfasste Bedarfe sowie zumal um Ermessensleistungen handelt) jedenfalls in dem Sinne aus, dass über § 6 Abs. 1 AsylbLG die Leistungen für "regelmäßige", an sich von § 3 AsylbLG erfasste Bedarfe faktisch auf ein den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügendes Maß gehoben würden. Eine solche Handhabung würde die eindeutige gesetzliche Verortung der Grundleistungen allein in § 3 AsylbLG leugnen und zugleich den eindeutigen Willen des Gesetzgebers bezüglich der betragsmäßig exakt begrenzten Höhe der Grundleistungen gerade unterlaufen.

Eine "extensive Nutzung" von "sonstigen" Leistungen im "Einzelfall" könnte darüber hinaus auch nicht etwa den Bedarf an Grundleistungen selbst auf ein Niveau zurückführen, welches die Grundleistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 AsylbLG doch noch als ersichtlich ausreichend erscheinen ließe. Denn es handelt sich bei diesen sonstigen Leistungen im Einzelfall allein um solche für atypische Bedarfe, die als ein aliud neben einen typischen, regelmäßigen Grundbedarf treten.

§ 6 Abs. 1 AsylbLG kommt deshalb nur die Funktion einer Härtefallregelung für den Einzelfall zu (vgl. Hohm, ZFSH SGB 2010, S. 277). Ob eine Anwendung des § 6 Abs. 1 AsylbLG in Frage kommt, wenn (ähnlich wie nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) ein Bedarf im Einzelfall, jedoch regelmäßig wiederkehrend, abweichend von § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG bemessen würde, kann dahinstehen. Denn ein vom Regelfall abweichender Grundleistungsbedarf (z.B. wegen eines krankheitsbedingten besonderen, gleichwohl regelmäßig wiederkehrenden Bedarfs) ist von der Klägerin weder geltend gemacht noch bei ihr erkennbar. Eine Auslegung des § 6 Abs. 1 AsylbLG, die zu einer allgemein und für alle Fälle angehobenen Leistungserbringung für Grundbedarfe abweichend von § 3 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 AsylbLG führte, ginge damit ohnehin nicht einher; sie bleibt den Gerichten verschlossen.

c) Auch eine andere Auslegung des § 2 Abs. 1 AsylbLG, die der Klägerin - ohne dass es auf eine Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 4 AsylbLG noch ankäme - im streitigen Zeitraum bereits Zugang zu Analogleistungen entsprechend den Vorschriften des SGB XII geboten hätte, scheidet aus. Der Wortlaut der Vorschrift, der ohne Ausnahmen einen Vorbezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG über eine Gesamtdauer von 48 Monaten verlangt, ist insoweit zwingend und kann nicht unter Heranziehung anderer Auslegungskriterien etwa - für den Fall der Klägerin - dahin reduziert werden, dass auch der Vorbezug von Leistungen nach dem BSHG oder Zeiten der Unterhaltssicherung durch elterliches Einkommen zum Auffüllen der 48-Monats-Frist geeignet wäre. Der Senat nimmt hierzu auf seine zu I.2.b) gemachten näheren Ausführungen Bezug. Eine andere als die dort getroffene Auslegung des § 2 Abs. 1 AsylbLG mit dem Ziel, jedenfalls im Einzelfall der Klägerin eine Anwendbarkeit des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG und damit ein verfassungswidriges "einfach-rechtliches" Ergebnisses zu vermeiden, erscheint aus den dort genannten Gründen nicht möglich. Entsprechendes gilt für § 2 Abs. 3 AsylbLG (s.o. I.2.c).

3. Der Senat merkt in diesem Zusammenhang an, dass nach seiner Ansicht - anders als nach der Auffassung der Klägerin, die ihrem Vortrag im Wesentlichen auf die Frage fokussiert, ob sie im streitigen Zeitraum bereits nach § 2 AsylbLG anspruchsberechtigt war - keine verfassungsrechtlichen Bedenken bereits gegen § 2 Abs. 1 AsylbLG bestehen. Wenn die Vorschrift eine Vorbezugsdauer von Leistungen nach § 3 AsylbLG von insgesamt 48 Monaten als (eine) zwingende Voraussetzung für den Bezug von Leistungen entsprechend dem SGB XII vorsieht, so ist daran wegen der dem Gesetzgeber offenstehenden Möglichkeit, mit dem AsylbLG ein eigenes, mögliche andersartige Bedarfslagen von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG im Vergleich zu Hilfebedürftigen nach dem SGB XII berücksichtigendes Leistungssystem vorzuhalten (1.b.bb), grundsätzlich verfassungsrechtlich kein Anstoß zu nehmen. Die weitere Frage, ob diese Leistungen für den vom AsylbLG betroffenen Personenkreis (vor Erreichen eines Anspruchs nach § 2 AsylbLG) jedoch den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen, verortet sich allein in den Regelungen des AsylbLG über die Deckung der zu sichernden Bedarfe anhand der Leistungsvorschriften außerhalb des § 2 AsylbLG (insofern tritt der Senat insbesondere der Ansicht, aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei unmittelbar abzuleiten, dass ein eigenes Leistungssystem für Ausländer ohne dauerhaftes Bleiberecht zeitlich eng begrenzt sein müsse - so z.B. wohl Hohm, ZFSH SGB 2010, S. 274 f. -, in dieser Allgemeinheit nicht bei). Denn verfassungsrechtliche Unzulänglichkeiten der die Bedarfsdeckung regelnden Vorschriften machen sich nicht in erster Linie an der Frage fest, wann der Wechsel vom Leistungsregime der §§ 3 bis 7 AsylbLG zu den Analogleistungen nach § 2 AsylbLG vollzogen werden kann, wann also letztlich das eigenständige Leistungsregime für Ausländer trotz eines nach wie vor nicht zuerkannten dauerhaften Bleiberechts zugunsten einer entsprechenden Anwendung des Leistungsregimes des SGB XII faktisch weitgehend verlassen wird (denkbare Ausnahme: § 2 Abs. 2 AsylbLG). Es kommt vielmehr einzig darauf an, ob - je im Einzelfall - die nach dem Leistungsregime des AsylbLG (außerhalb von dessen § 2) gewährten Leistungen grundrechtswahrend sind. Dass sich die der Klägerin zu gewährenden Leistungen nach § 3 AsylbLG und nicht nach § 2 AsylbLG richten, ist deshalb für sich genommen nicht zu beanstanden. Verfassungsrechtlich zwingend erscheint nicht einmal, dass überhaupt ein Verlassen des Leistungsregimes der §§ 3 bis 7 AsylbLG etwa über eine Regelung wie in § 2 AsylbLG ermöglicht wird. Verfassungswidrig sind allein die auf die Klägerin angewandten Vorschriften des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG, da sie die ihr zustehenden Leistungen nicht in einer ihrem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums entsprechenden Weise bemessen.

Auch die umfassendere Frage, ob § 3 AsylbLG differenziert genug ist, um alle denkbaren Lebensumstände, welche in der Vielzahl der Leistungsfälle nach dem AsylbLG als bedarfsbeeinflussend in Frage kommen können, zu erfassen (insbesondere die Dauer des bisherigen Aufenthalts in Deutschland, eine bereits hiesige Geburt und eine je nach Einzelfall ggf. unterschiedliche Aussicht auf Wegzug ins Herkunftsland mit jeweils entsprechend möglichen Auswirkungen auf den Integrationsbedarf in die deutsche Gesellschaft), oder ob innerhalb des § 3 AsylbLG eine größere Differenzierung und insbesondere eine etwa je nach Aufenthaltsdauer und -prognose ggf. schnellere Annäherung an die sich nach § 2 AsylbLG ergebende Leistungshöhe notwendig ist, stellt sich in dieser Allgemeinheit nicht im Rahmen des vorliegend zu entscheidenden Einzelfalles (wenn auch eine nicht einzelfallbezogene abstrakte verfassungsrechtliche Bewertung diese Frage aufwerfen mag). Für den Einzelfall der Klägerin kommt es allein darauf an, ob die ihr individuell in zutreffender Anwendung des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG in den streitigen Monaten des Jahres 2007 gewährten Leistungen in Würdigung ihrer konkreten Lebenssituation (Aufenthalt in Deutschland seit ihrer Geburt im Jahre 2000, bereits langjähriger hiesiger Aufenthalt der Mutter, keine erkennbare Aussicht des Wegzugs ins Herkunftsland der Mutter, etc.) ihr Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wahren.

4. Verneint der Senat aus den genannten Gründen eine Wahrung des Grundrechts der Klägerin auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, so kommt es i.S.v. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auf die Gültigkeit des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 und Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG an. Der Senat hat deshalb nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG das Verfahren auszusetzen und nach § 80 Abs. 1 BVerfGG unmittelbar die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Einer "Zwischenschaltung" des im sozialgerichtlichen Instanzenzug höheren Fachgerichts (BSG) bedarf es nicht (vgl. Dollinger, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 80 Rn. 28).

C. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (Dollinger, a.a.O., § 80 Rn. 83, allgemein für Aussetzungsbeschlüsse nach Art. 100 Abs. 1 GG; ohnehin für landessozialgerichtliche Beschlüsse § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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