S 163 U 562/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
163
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 163 U 562/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 25. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2009 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 16. Dezember 2008 um einen Arbeitsunfall handelt. Die Beklagte erstattet der Klägerin deren außergerichtliche Kosten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls am 16. Dezember 2008.

Die am ... 1953 geborene Klägerin ist als Assistentin in der Eingangszone des Jobcenters L beschäftigt. Die Leitung des Jobcenters L obliegt einem Geschäftsführer, dem die fachspezifischen Bereiche unterstellt sind, welche jeweils von einem Bereichsleiter geführt werden. Im Jahre 2008 gliederte sich das Jobcenter L in die drei Bereiche Markt und Integration, Bearbeitungsservice und der sonstige Bereich. Bereichsleiter des sonstigen Bereichs war Herr A.

Die Bereiche sind in Teams unterteilt, denen jeweils ein Teamleiter vorsteht. Dem sonstigen Bereich sind die Teams Unterhalt, Trägerteam, Ordnungswidrigkeiten und Eingangszone zugeordnet. Im Jahre 2008 gab es zwei Teams für die Eingangszone, Team 711 und 712. In jedem der beiden Teams der Eingangszone arbeiteten ungefähr 18 bis 20 Mitarbeiter. Während die Mitarbeiter des Teams 711 im back-office im Erdgeschoss arbeiteten, befanden sich die back-office Arbeitsplätze der Mitarbeiter des Teams 712 in der 1. Etage des Jobcenters. In den back-offices arbeiteten alle Assistenten, sofern sie nicht in der Kundenbetreuung am Schalter im Eingangsbereich eingesetzt waren.

Die Klägerin arbeitete am Unfalltag im Team 712. Teamleiterin war die Zeugin F. Am 16. Dezember 2008 hielt das Team 712 des Jobcenters L seine Weihnachtsfeier im Bowlingcenter "B B", B straße in B-L ab. Auch die anderen Teams des Jobcenters L führten im Jahr 2008 Weihnachtsfeiern durch.

An der Weihnachtsfeier am 16. Dezember 2008, die gegen 15.00 Uhr begann, nahmen ungefähr 15 bis 17 Mitarbeiter des Teams 712 teil, darunter die Klägerin. Die Zeugin F nahm selbst an der Veranstaltung nicht teil, da sie kurzfristig verhindert war.

Gegen 17.00 Uhr verunfallte die Klägerin in den Räumen des B B. Als sie von der Bowling-Bahn zum Tisch zurückging, übersah sie eine Stufe und stolperte. Dabei fiel sie auf ihre linke Hüfte und zog sich eine mediale Schenkelhalsfraktur links und eine Prellung des linken Ellenbogens mit Schürfwunden zu. Die Klägerin wurde zunächst bis zum 23. Dezember 2008 stationär behandelt, operative Eingriffe erfolgten am 16. Dezember 2008 und 3. Februar 2009, denen sich eine Rehabilitationsmaßnahme anschloss.

Am 28. Januar 2009 ging bei der Beklagten die betriebliche Anzeige des Unfalls der Klägerin ein. Auf Nachfrage der Beklagten teilte ein Sachbearbeiter der Personalabteilung des Bezirksamtes L mit, dass es sich bei der Veranstaltung am 16. Dezember 2008 um eine betriebliche Weihnachtsfeier gehandelt habe, die von den Teammitgliedern selbst organisiert und nur von Betriebsangehörigen wahrgenommen worden sei. Von dem Unternehmen sei ein Beauftragter anwesend gewesen und zwar der stellvertretende Teamleiter.

Mit Bescheid vom 25. März 2009 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis vom 16. Dezember 2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Es handele sich bei der Weihnachtsfeier um eine privat organisierte, da die Dienststelle keine Veranlassung zu der Veranstaltung gegeben und diese außerhalb der Dienstzeit stattgefunden habe, zudem seien die Kosten privat getragen worden. Wegen des überwiegenden privaten Charakters der Feier könne diese nicht als Betriebsweihnachtsfeier im Sinne des Gesetzes der Unfallversicherung gewertet werden.

Den hiergegen am 9. April 2009 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass andere Veranstaltungen wie beispielsweise der Teamtag auch außerhalb der Dienstzeit stattfinden, von einzelnen Kollegen organisiert, aber privat bezahlt werden würden und dennoch als dienstliche Veranstaltung gelten würden. Die Beklagte wies am 19. August 2009 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie an, dass die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung der versicherten Betriebstätigkeit gleichzusetzen sei, wenn ein angemessener Gemeinschaftszweck wie die Förderung der Betriebsverbundenheit verfolgt werde, die Unternehmensleitung die Veranstaltung selbst veranstaltet oder gebilligt bzw. gefördert habe, das Unternehmen durch einen Beauftragten vertreten und allen Betriebsangehörigen die Teilnahme möglich gewesen sei. Dies sei bei der Weihnachtsfeier am 16. Dezember 2008 nicht der Fall gewesen. Bei einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen der Zahl der Betriebsangehörigen und der Anzahl der Teilnehmer fehle es an dem Zweck, die Betriebsgemeinschaft zu fördern. Auch habe die Teilnahme an der Weihnachtsfeier lediglich den 18 Mitarbeitern des Teams 712 nicht jedoch allen Mitarbeitern der insgesamt 22 Teams des Jobcenters Lichtenberg offengestanden.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. August 2009 erhob die Klägerin am 16. September 2009 Klage vor dem Sozialgericht Berlin.

Sie trägt vor, dass es wegen der Größe des Jobcenters sinnvoll sei, für sämtliche Mitarbeiter nicht eine einzige betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung stattfinden zu lassen, da die Pflege der betrieblichen Verbundenheit auch gegeben sei könne, wenn eine Weihnachtsfeier nur für eine Abteilung veranstaltet wird. Unerheblich sei jedenfalls, wenn die Teilnehmer die Verzehrkosten selbst zu tragen hätten, da der Zweck des betrieblichen Beisammenseins dadurch nicht beeinträchtigt werde. Das Bundessozialgericht habe gefordert, dass die Veranstaltung der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie den Beschäftigten untereinander dienen und dass sie von der Unternehmensleitung gebilligt oder gefördert werden müsse. Es genüge, wenn Organisator eine Gruppe von einzelnen Beschäftigten sei. So sei es im Fall der Klägerin. Die Teamleiterin habe die Feier initiiert und getragen und damit gefördert.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 25. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.08.2009 festzustellen, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 16. Dezember 2008 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid.

Das Gericht hat zu der Feststellung einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung am 16. Dezember 2008 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin D F. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll, auf das Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Kammer vorlagen und Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobene Klage ist zulässig (vgl. BSG Urteil v. 15. Februar 2005, B 2 U 1/04 R). Das Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bestreitet.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Das Unfallereignis vom 16. Dezember 2008 ist als Arbeitsunfall anzuerkennen, da die Teilnahme der Klägerin an der betrieblichen Weihnachtsfeier eine unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende Tätigkeit ist.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG Urteil v. 9. Dezember 2003, B 2 U 52/02 R).

Die Klägerin gehört als Beschäftigte des Bezirksamtes L gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zum unfallversicherten Personenkreis. Der Sturz der Klägerin über eine Stufe in den Räumlichkeiten des Bowlingcenters stellt zudem ein Unfallereignis im Sinne des Gesetzes dar, da es zeitlich begrenzt von außen auf den Körper der Klägerin einwirkte und zu Gesundheitsverletzungen führte. Der Unfall am 16. Dezember 2008 ereignete sich auch während einer versicherten Tätigkeit. Dem Versicherungsschutz gemäß § 8 SGB VII unterliegen nicht nur die betrieblichen Verrichtungen auf der Arbeitsstelle, sondern auch die mit den betrieblichen Aufgaben in innerem, also sachlichem Zusammenhang stehenden Tätigkeiten. In einem solchen Sachzusammenhang stehen die betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass die Weihnachtsfeier am 16. Dezember 2008 als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu bewerten ist. Entsprechend der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung kann die Teilnahme von Beschäftigten etwa an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Das Bundessozialgericht stellt hierfür die Voraussetzung auf, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander dient. Die Veranstaltung muss deshalb allen Beschäftigten des Unternehmens - bei Großbetrieben mindestens allen Beschäftigten einzelner Abteilungen oder anderer betrieblicher Einheiten - offen stehen und von der Unternehmensleitung selbst veranstaltet oder zumindest gebilligt oder gefördert und von ihrer Autorität getragen werden (BSG Urteil v. 9. Dezember 2003, B 2 U 52/02 R und BSG Urteil v. 26. Oktober 2004, B 2 U 16/04 R).

Das BSG hält für die Beurteilung, ob eine Veranstaltung diese Voraussetzungen erfüllt, eine Gesamtbetrachtung für erforderlich und formuliert folgende Grundsätze:

Eine Veranstaltung ist dann von der Autorität der Unternehmensleitung getragen, wenn der Veranstalter dabei nicht oder nicht nur aus eigenem Antrieb und freier Entschließung, sondern im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung oder für diese handelt (BSG Urteil v. 9. Dezember 2003 m.w.N.) Die Unternehmensleitung muss nicht selbst Veranstalter sein; es genügt, dass sie die Veranstaltung billigt und fördert. Veranstalter - im Auftrag der Unternehmensleitung - kann auch der Betriebsrat oder eine Gruppe bzw einzelne Beschäftigte des Unternehmens sein. Die Billigung der Unternehmensleitung muss sich nicht nur auf die wegen der Durchführung einer Veranstaltung erforderlichen betrieblichen Änderungen (zB der Arbeitszeit, das Benutzen betrieblicher Räume) erstrecken, sondern die Durchführung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss von ihr gewollt sein, zumal mögliche Unfälle bei solchen Veranstaltungen Auswirkungen auf die von dem Unternehmen zu zahlenden Beiträge haben können (vgl § 162 Abs 1 SGB VII). Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen, die in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens erfolgen, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder wie vorliegend Filialen verfügt, genügt es, wenn die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit oder zum Beispiel Filiale als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert.

Diese Voraussetzungen liegen bei der streitbefangenen Weihnachtsfeier vom 16. Dezember 2008 vor. Die Unternehmens- bzw. Verwaltungsleitung hat die Weihnachtsfeier gefördert, da die Zeugin F die Weihnachtsfeier initiiert und dann einer Mitarbeiterin im Rahmen ihrer Weisungsbefugnis als übergeordnete Führungskraft die Aufgabe der Organisation übertragen hat. Die Zeugin F hat glaubhaft bekundet, dass sie die Initiative hatte, zum Ende des Jahres 2008 eine Weihnachtsfeier ihres Teams durchzuführen. Sie hatte dazu alle Mitarbeiter aufgefordert, Vorschläge zu einer entsprechenden Gestaltung zu unterbreiten. Weiter bezeugte sie, dass sie nach einer Einigung der Mitarbeiter über die Art der Veranstaltung eine Mitarbeiterin mit deren Organisation betraute. Diese Initiative der Zeugin F ist als Förderung zu qualifizieren, da es ohne diesen Anstoß und die Einleitung der ersten Planungsschritte diese konkrete Veranstaltung in dieser Form nicht gegeben hätte. Die Zeugin F verkörpert aus Sicht der Kammer einen Teil der Verwaltungsleitung. Unter Berücksichtigung der hierarchischen Gliederung des Jobcenters L bekleidete die Zeugin eine Position in der mittleren Führungsebene. Sie entschied über die tägliche Arbeitsaufteilung und genehmigte Arbeitszeitveränderungen wie auch an dem Tag der Weihnachtsfeier. Hierzu bezeugte sie, allen Mitarbeitern ihres Teams am 16. Dezember 2008 genehmigt zu haben, die Arbeit gegebenenfalls früher zu beenden, damit sie an der Feier teilnehmen können.

Die von der Kammer vertretene Auffassung steht auch in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Bundessozialgerichts, wonach es genügt, dass als Veranstalter (lediglich) die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit tätig wird. Die organisatorische Einheit, in die die Klägerin eingebunden war, war das Team 712. Die Leitungskraft dieses Teams, mithin die Zeugin F, war Veranstalter. Die von der Zeugin F vorgenommene Aufgabendelegation ändert an dieser Bewertung nichts, da es der Aufgabe von Leitungs- und Führungspersonen entspricht, Tätigkeiten zu delegieren und zu überwachen.

Die Weihnachtsfeier des Teams 712 war darüber hinaus auch von der Autorität der Verwaltungsleitung getragen, da sie einerseits von der Teamleitung, der Zeugin F, und andererseits von dem Bereichsleiter Herr A gewollt war. Beide begrüßten im Vorfeld die Teilnahme aller Mitarbeiter des Teams an der Veranstaltung; der Bereichsleiter in schriftlicher Form durch die hausinterne email vom 16. Dezember 2008, in der er den Verdienst der Kollegen hervorhob und viel Spaß bei der Veranstaltung wünschte.

Die Kammer kommt auch nicht deshalb zu einer anderen rechtlichen Bewertung, da die Unternehmensleitung an der Weihnachtsfeier selbst nicht zugegen war. Nicht gefolgt werden kann dem Vortrag der Klägerin, die Teamleitung sei durch die stellvertretende Teamleiterin Frau P bei der Weihnachtsfeier vertreten gewesen. Nach der glaubhaften Bekundung der Zeugin F handelte es sich bei der Mitarbeiterin P um eine Beschäftigte, die lediglich aufgrund interner Teamabsprachen und offensichtlich aus Praktikabilitätsgründen heraus, im Falle der Abwesenheit der Teamleiterin Vertretungsaufgaben wahrgenommen hat. Sie war allerdings von der Verwaltungsleitung nicht dazu berufen worden und hatte auch keine Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Mitarbeitern.

Das Bundessozialgericht formuliert weiter den Grundsatz, dass die Unternehmensleitung oder Teile von ihr an der Veranstaltung teilnehmen müssen, damit die betriebliche Verbundenheit zwischen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten erreicht werden kann. Indes handelt es sich bereits dem Wortlaut nach nicht um eine zwingende Voraussetzung, sondern um eine lediglich grundsätzliche, die im besonderen Einzelfall Ausnahmen zulässt. So ist es hier der Fall. Die Klägerin trug glaubhaft vor, dass die Zeugin F kurzfristig am 16. Dezember 2008 wegen ihres Kindes nicht mitkommen konnte. Die Zeugin F bekundete eine kurzfristige Verhinderung, dass sie aber an der Feier hatte teilnehmen wollen. Die Zeugin F beabsichtigte folglich von Anfang an, an der Weihnachtsfeier teilzunehmen. Jedoch aufgrund der plötzlichen Erkrankung ihres Kindes war ihr die Teilnahme letztlich nicht möglich. Dies stellte sich auch erst am Tag der Weihnachtsfeier heraus, so dass eine Terminsverlegung der Feier nicht mehr in Betracht kam. Allein die Abwesenheit des ganz unvorhergesehen verhinderten Leitungsteils kann jedoch nicht dazu führen, dass eine betriebliche Weihnachtsfeier den Charakter der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung verliert. Dies hätte zur Konsequenz, dass sich der versicherte Beschäftigte unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung stets vergewissern müsste, ob die Unternehmensleitung tatsächlich anwesend ist, um zu wissen, ob er versichert ist.

Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass der Fall, in dem die Unternehmensleitung zu der betrieblichen Veranstaltung kommt und kurz nach deren Beginn wegen eines plötzlichen Vorfalls diese wieder verlassen muss, versicherungsrechtlich anders zu behandeln ist als der Fall, in dem die Unternehmensleitung wegen einer plötzlichen Verhinderung am selben Tag gar nicht erst zu der Veranstaltung anreist. Hier wäre jedenfalls ein Versicherungsschutz auf der Grundlage des Vertrauensschutzes gegeben. Die Kammer greift insoweit den Rechtsgedanken des 2. Senats auf, der einen Unfallversicherungsschutz für gegeben hält, wenn wegen der geringen Teilnahme der Beschäftigten, die sich erst bei Beginn der Veranstaltung herausstellt, der Gemeinschaftscharakter der Veranstalter fraglich wird (BSG Urteil vom 9. Dezember 2003).

Die Veranstaltung am 16. Dezember 2008 stand auch allen Beschäftigten offen. Nach den Bekundungen der Zeugin F und dem Vortrag der Klägerin konnten alle Mitarbeiter des Teams 712 an der Weihnachtsfeier teilnehmen. Es war kein Mitarbeiter ausgeschlossen. Von den ungefähr 20 Mitarbeitern des Teams waren dann auch bis auf zwei oder drei Mitarbeiter alle anwesend, so dass eine etwaige Mindestbeteiligung nicht in Frage steht.

Die Kammer folgt jedoch nicht der Rechtsauffassung der Beklagten, dass eine betriebliche Weihnachtsfeier deshalb nicht gegeben wäre, weil lediglich die Mitarbeiter des Teams 712 zu der Feier eingeladen waren. Es hält es ebenso nicht für angezeigt, dass wenigstens die Teams 711 und 712 gemeinsam eine Weihnachtsfeier hätten durchführen müssen, um die Grundsätze der betrieblichen Weihnachtsfeier zu erfüllen. Das Bundessozialgericht verlangt in den Fällen von Großbetrieben ausdrücklich nicht, dass die Veranstaltung allen Beschäftigten des Unternehmens offen stehen muss, sondern rekurriert auf die einzelnen organisatorischen Einheiten wie beispielsweise eine Filiale.

Zunächst ist zu konstatieren, dass es der Verwaltung selbst obliegt, ihre Struktur und Organisationseinheiten festzulegen, um den Anforderungen an eine leistungsgerechte Verwaltung entsprechen zu können. Das Jobcenter L (Mischverwaltung) stellt aufgrund der Anzahl seiner Mitarbeiter und der vielen Aufgabenbereiche quasi ein Großunternehmen dar. Es hat die Verwaltung in drei Bereiche und diese wiederum in Teams strukturiert. Dabei hat es die in der Eingangszone arbeitenden Mitarbeiter in zwei Teams unterteilt und hat bei seiner Entscheidung offenbar die Anzahl der ca. 40 Beschäftigten und die Koordinationsmöglichkeit berücksichtigt. Zudem legt es auch die räumliche Trennung der Arbeitsplätze, zum einen im Erdgeschoss, zum anderen in der 1. Etage, nahe, die Mitarbeiter in zwei eigenständigen Organisationseinheiten zu führen. Ob sich die Verwaltungsleitung bei der Einteilung in zwei Teams auch von dem Ziel, wettbewerbsähnliche Wirkungen zu erzielen, hat leiten lassen, erschließt sich der Kammer nicht, ist aber auch nicht entscheidend.

Die einzelne Organisationseinheit bestand vorliegend in einem Team. Die Teams haben nach der Bezeugung der Zeugin F stets eigene Weihnachtsfeiern durchgeführt. Bei der Durchführung betrieblicher Gemeinschaftsveranstaltungen ist der Verwaltungsleitung zuzugestehen, selbst einzuschätzen, ob das Ziel der Pflege der Verbundenheit zwischen den Mitarbeitern besser durch eine Großveranstaltung, das heißt vorliegend eine Weihnachtsfeier der Mitarbeiter aller Teams des Jobcenters L, oder durch Veranstaltungen in jedem Team erreicht werden kann. Dass die Entscheidung zugunsten der einzelnen Feiern der Teams ausgefallen ist, ist aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden, da die Verbundenheit derjenigen Mitarbeiter, die täglich beruflich zusammenarbeiten, gefördert werden soll. Insbesondere wegen der – gerichtsbekannt - hohen Fluktuation der Mitarbeiter im Jobcenter war eine Weihnachtsfeier des einzelnen Teams 712 angezeigt, um den Teamgeist zu fördern und ein Gefühl der betrieblichen Zugehörigkeit und Verbundenheit zu stärken.

Die Beklage hat jedenfalls sowohl die Entscheidung der Verwaltung über die Durchführung von Weihnachtsfeiern in den einzelnen Organisationseinheiten als auch die Entscheidung der Gliederung des Unternehmens hinzunehmen, anderenfalls hätten die Unfallversicherungsträger es in der Hand, durch eine hypothetische Einteilung der Organisationseinheiten eines Unternehmens ihre Leistungspflichten bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen zu begrenzen.

Schließlich steht entgegen der Ansicht der Beklagten eine Feier außerhalb der regulären Dienstzeit einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nicht entgegen. Der Zeitpunkt der Gemeinschaftsveranstaltung ist für den Versicherungsschutz unerheblich. Kann sie sogar an einem Sonntag stattfinden (vgl. BSG Urteil v. 9. Dezember 2003) muss dies erst recht für einen Werktag in der Zeit von 15.00 bis 18.00 Uhr gelten, in der jedenfalls donnerstags sogar wegen der regulären Öffnungszeiten des Jobcenters L Dienstzeit war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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