L 2 SO 2078/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 3504/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 2078/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Überschneidungskosten, die bis zur Beendigung des Mietverhältnisses über eine Wohnung nach vorzeitig notwendig gewordenen Umzug in eine stationäre Einrichtung noch entstanden sind, sind zwar keine Kosten des notwendigen Lebensunterhaltes in einer Einrichtung gem. § 35 SGB XII. Sie sind jedoch vom Sozialhilfeträger als notwendiger Unterkunftsbedarf gem. § 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 29 SGB XII zu übernehmen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig sind Überschneidungskosten für Miete nach Umzug ins Pflegeheim bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der früheren Wohnung im Rahmen von Sozialhilfe.

Der am 1955 geborene Kläger wohnte seit 1994 in 7. in einer Mietwohnung. Er leidet unter Encephalomyelitis disseminata (MS) im fortgeschrittenen Stadium und stand wegen der Folgen seit 1999 unter beruflicher Betreuung von Dipl. Rechtspflegerin (FH) D.-H., deren Aufgabenkreis auch die Entscheidung über die Wohnungsauflösung umfasste. Der Beklagte gewährte ihm unter Berücksichtigung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich 630,48 EUR aufstockende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -Sozialhilfe- (SGB XII). Die Miete von monatlich 429,49 EUR warm wurde dabei als angemessene Kosten der Unterkunft (KdU) berücksichtigt. Der Kläger wurde nach Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und Krankenhausaufenthalt kurzfristig vollstationär pflegebedürftig und ab dem 26.04.2007 dauerhaft im Pflegeheim St. U. in Ü. aufgenommen.

Die Betreuerin teilte dies mit Schreiben vom 25.04.2007 dem Vormundschaftsgericht (jetzt Betreuungsgericht) S. mit und bat um Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zur Wohnungsauflösung und Kündigung der Wohnung. Ebenfalls mit Schreiben vom 25.04.2007 unterrichtete sie den Beklagten und teilte hinsichtlich der Wohnung in L. mit, dass sie diese nach Eingang der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung kündigen werde. Sie bat um Übernahme der ungedeckten Heimkosten, die der Beklagte in der Folge als Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII übernahm und dem Kläger zusätzlich einen Barbetrag nach § 35 SGB XII bewilligte (Bescheid vom 30.05.2007, Bl. 215 VA); die Leistung nach dem Vierten Kapitel SGB XII stellte er mit Wirkung vom 01.05.2007 ein (Bescheid vom 30.04.2007, Bl. 59 VA).

Das Amtsgericht S. bestellte im Genehmigungsverfahren zur Wohnungsauflösung mit Beschluss vom 04.05.2007 Rechtsanwalt H. B. zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen zum Pfleger (§ 67 FGG bis § 70b FGG); von der persönlichen Anhörung des Betroffenen sollte abgesehen werden, da er nach dem Eindruck des Gerichts offensichtlich nicht in der Lage war, seinen Willen kundzutun. Am 11.05.2007 wurde der Kläger vom Direktor des Amtsgerichts S., Dr. B., in anderer Sache - wegen Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts - aufgesucht und befragt. Am 25.06.2007 besuchte Rechtsanwalt B. den Kläger wegen der Wohnungsauflösung und regte im Schreiben vom 26.06.2007 an das Amtsgericht S. die Zustimmung an. Mit Beschluss vom 29.06.2007 erteilte das Amtsgericht S. der Betreuerin die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zur Kündigung des Mietverhältnisses, die am 02.07.2007 abgesandt wurde.

Mit Schreiben vom 02.05.2007 teilte der Beklagte der Betreuerin mit, dass die Kosten für die bisherige Wohnung nicht als Bedarf anerkannt und auch nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden könnten. Die Betreuerin teilte unter dem 04.05.2007 mit, dass die Vermieterin auf einer ordentlichen Beendigung des Mietverhältnisses unter Einhaltung der Kündigungsfrist, Räumung und Renovierung der Wohnung bestehe. Nach § 2 des Mietvertrags betrug die Kündigungsfrist 3 Monate, die sich für beide Vertragsparteien nach 10-jähriger Mietdauer auf 12 Monate zum Schluss eines Kalendermonats verlängert hatte.

Mit Bescheid vom 10.05.2007 lehnte der Beklagte die Übernahme der Mietzahlungen bis zum Ende der Kündigungsfrist der bisherigen Wohnung und die Übernahme der Kosten im Zusammenhang mit der Wohnungsauflösung ab. Diese könnten nicht als notwendiger Lebensunterhalt im Sinne von § 35 SGB XII übernommen werden, da sie nicht vom notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen erfasst seien. Auch könnten sie nicht als besondere Belastung nach § 87 SGB XII einkommensmindernd berücksichtigt werden, da der Kläger über kein Einkommen über der Einkommensgrenze verfüge. Da die Mietzahlung für Mai 2007 noch vom Girokonto überwiesen worden sei, obwohl sich der Kläger bereits zur dauerhaften Pflege im Pflegeheim befunden habe, sei insoweit eine Sozialhilfeüberzahlung entstanden.

Mit Schreiben vom 11.05.2007 legte die Betreuerin nur dem Beklagten die Nebenkostenabrechnung (Zahlbetrag 145,29 EUR) sowie einen von der Vermieterin unterzeichneten Aufhebungsvertrag zum Mietvertrag vom 10.05.2007 vor, wonach der Mietvertrag im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst werde und die Wohnung bis zum 25.05.2007 vom Mieter besenrein unter Freistellung von der Renovierungspflicht und Einbehalt der Kaution zu übergeben sei. Die Betreuerin wies den Beklagten darauf hin, dass der Wohnungsauflösung bis zum 25.05.2007 die fehlende Genehmigung des Vormundschaftsgerichts entgegenstehe. Gegen den Bescheid vom 10.05.2007 legte sie fristwahrend Widerspruch ein (Schreiben vom 12.05.2007), der am 02.08.2007 von der beauftragten Bevollmächtigten dahingehend begründet wurde, dass die entstehenden Kosten als Hilfe in anderen Lebenslagen nach §§ 70 ff SGB XII zu erstatten seien.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2007 zurückgewiesen. Es bestünde keine Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Kosten im Zusammenhang mit dem Verlassen der bis zur Heimaufnahme bewohnten Unterkunft, insbesondere seien diese nach dem für den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen einschlägigen § 35 SGB XII nicht mitumfasst. Die Kosten könnten auch nicht nach § 73 SGB XII übernommen werden, da diese Bestimmung Hilfe in sonstigen Lebenslagen umfasse, eine solche hier aber nicht vorliege. Auch die anderen im Neunten Kapitel des SGB XII aufgeführten Hilfearten kämen nach ihrer Zielrichtung von vornherein nicht in Betracht. Die Übernahme der Kosten sei auch unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) schon zweifelhaft gewesen. Sozialhilfe solle eine aktuelle Notlage auf der Grundlage eines notwendigen Bedarfs beheben. Kosten der Unterkunft fielen bei Heimbewohnern außerhalb der bewohnten Einrichtung nicht an. Sie seien nicht dem notwendigen Lebensunterhalt zuzurechnen. Gleiches gelte für andere im Zusammenhang mit dem Auszug aus der Wohnung angefallene Kosten. Sozialpolitische Zwecke seien über die gesetzlichen Bestimmungen hinweg nicht zu erfüllen. Die Kosten hätten durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages zum 25.05.2007 vermieden werden können. Es sei unerfindlich, warum eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts zur Erteilung der Genehmigung nicht herbeigeführt werden konnte. Dies könne nicht zum Nachteil des Sozialhilfeträgers gehen.

Dagegen hat die Bevollmächtigte des Klägers am 20.12.2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben, die vom neuen Betreuer E. B. genehmigt wurde. Er hat nur noch die Übernahme der Mietzahlungen für die Zeit vom 01.06. bis 31.10.2007 geltend gemacht und hierzu im Wesentlichen die Rechtsauffassung wie im Widerspruchsverfahren vertreten. Auf Grund des zeitlichen Ablaufs sei die Verzögerung zur Erlangung der Genehmigung zur Wohnungskündigung nicht der Betreuerin, sondern allein dem Amtsgericht S. (AG) anzulasten. Die Betreuerin habe am 25.04.2007 sowohl den Beklagten wie auch das AG informiert und bei letzterem um Erteilung der Genehmigung gebeten. Am 04.05.2007 sei ein Verfahrenspfleger bestellt und am 29.06.2007 die Genehmigung erteilt worden. Nach Eingang der Genehmigung am 03.07.2007 sei sofort die Kündigung erfolgt, die vom Vermieter zum 31.10.2007 bestätigt worden sei. Zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens sei auch der Beklagte zur Mitwirkung verpflichtet gewesen.

Der Beklagte blieb bei seiner Rechtsauffassung, wonach für die beanspruchten Kosten keine Rechtsgrundlage bestehe. Insbesondere sei der Kläger von Leistungen nach dem Dritten Kapitel ausgeschlossen, nachdem er Hilfe zur Pflege, den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 35 SGB XII und Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel erhalte. § 42 SGB XII verweise nicht auf §§ 27 ff SGB XII, sondern nur auf § 29 SGB XII zur Höhe der Leistungen für eine Unterkunft. Seit dem 26.04.2007 habe der Kläger seine Unterkunft in einem Pflegeheim, weitere Unterkünfte seien nicht notwendig gewesen. Es sei das unternehmerische Risiko des Vermieters, wenn er die Miete nicht bekomme, das nicht von der Sozialhilfe zu übernehmen sei. Im Übrigen seien Schadensersatzansprüche wegen der Verzögerung der Genehmigung vorrangig geltend zu machen und die geltend gemachten Kosten nicht gänzlich nachzuvollziehen.

Das SG hat den Beklagten im Urteil vom 24.02.2010 (unter Aufhebung des Bescheids vom 10.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2007) verurteilt, für den Zeitraum vom 01.06.2007 bis 31.10.2007 die KdU in Höhe von monatlich 429,49 EUR zu gewähren. Als Rechtsgrundlage hat es § 19 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2, § 29 SGB XII gesehen. Insbesondere schließe § 35 SGB XII die Gewährung von Leistungen nach § 29 SGB XII nicht aus, sofern auch die Gewährung von Leistungen außerhalb der genannten Einrichtungen erforderlich sei um einen entsprechenden Bedarf des Hilfesuchenden zu decken (Hinweis auf VG Düsseldorf, Urteil vom 21.2.2003 Az. 20 K 7946/01). So sei es vorliegend. Der tatsächliche Unterkunftsbedarf des Klägers sei zunächst durch die notwendige Aufnahme im Pflegeheim gedeckt gewesen. Ein weiterer Bedarf in Form ungedeckter Mietkosten habe aber für die Wohnung in B.-L. bestanden. Bei den vom Kläger auch nach seinem Umzug laut Mietvertrag noch zu erbringenden Mietzinsen habe es sich um Kosten der Unterkunft im Sinne von §§ 27 i.V.m. 29 SGB XII gehandelt. Grundsätzlich bestehe zwar ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Unterkunft nicht mehr, wenn Mietzinsen für eine Mietwohnung begehrt werden, die nicht mehr bewohnt werde und der maßgebliche Unterkunftsbedarf durch eine neue Unterkunft gedeckt sei. Vorliegend sei hiervon jedoch eine Ausnahme zu machen, da der Auszug aus der bisherigen Wohnung nach sozialhilferechtlichen Maßstäben notwendig war und ohne den Wohnungswechsel vor Ablauf der Kündigungsfrist die Sicherstellung eines bestehenden Unterkunftsbedarfs nicht rechtzeitig zu decken gewesen wäre. Wenn der Hilfebedürftige zur Vermeidung von Obdachlosigkeit oder von anderen, vergleichbar schweren Nachteilen gezwungen war, die neue Wohnung bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist anstelle der alten Wohnung anzumieten und er auch nicht in der Lage war, die Unterkunftskosten für die alte Wohnung - etwa durch die Stellung eines zumutbaren Nachmieters - zu vermeiden, seien ausnahmsweise vom Leistungsträger die noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu zahlenden Mieten zu übernehmen. Hierbei komme es insbesondere darauf an, ob der Hilfebedürftige alles ihm Mögliche und Zumutbare getan habe, um die Aufwendungen für die frühere Wohnung so gering wie möglich zu halten. Eine solche Lage habe für den Kläger bestanden, da die Mietwohnung nicht mehr geeignet gewesen sei seinen Unterkunftsbedarf im sozialhilferechtlich angemessener Art und Weise zu decken, er nämlich auf die Inanspruchnahme stationärer Pflege in einem Pflegeheim angewiesen gewesen, der sofortige Umzug mithin notwendig gewesen sei. Eine schnellere Kündigung des Mietverhältnisses als zum 31.10.2007 sei nicht möglich gewesen. Diese habe der Einholung einer Genehmigung beim Vormundschaftsgericht gem. § 1907 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bedurft, die nicht in so kurzer Zeit zu erlangen gewesen sei. Solche Mietzinsverpflichtungen, die durch die Verzögerung der Wohnungsaufgabe durch das erforderliche vormundschaftliche Genehmigungsverfahren entstehen, entstünden aus Anlass des Hilfefalles, ohne dass sich der Hilfebedürftige diesen Kosten entziehen könne (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 30.12.1997, Az. 5 B 21/97). Aus den beigezogenen Akten des Vormundschaftsgerichts seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es im Genehmigungsverfahren zu Verzögerungen gekommen sei, die der Kläger bzw. seine damalige Betreuerin zu verantworten gehabt hätte. Der Kläger habe damit keine Möglichkeit gehabt seinen Unterkunftsbedarf auf eine kostengünstigere Weise zu decken und habe insbesondere nicht vermeiden können, dass weiterhin noch Zahlungsverpflichtungen für die Wohnung in Bodman-L. entstanden seien.

Gegen das dem Beklagten am 14.04.2010 zugestellte Urteil hat dieser am 19.04.2010 schriftlich beim SG Berufung eingelegt und diese damit begründet, dass der Kläger seit seinem Heimaufenthalt keinen darüber hinausgehenden Unterkunftsbedarf gehabt habe. Hiervon seien nur Kosten gedeckt, die als Gegenleistung für ein Wohnrecht und dessen Erhaltung entstehen. Die vom Kläger verlassene Wohnung sei nicht erhaltenswert und die damit zusammenhängenden Kosten sozialhilferechtlich irrelevant. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gehabt, wie die Berechnung für den Monat Juni 2007 beispielhaft zeige. Sein Renteneinkommen von 632,54 EUR habe über seinem Grundsicherungsbedarf von 575,88 EUR, der sich aus dem Regelsatz für eine Person ohne eigenen Haushalt und den pauschalen Unterkunftskosten im Heim zusammensetzte, gelegen. Die vom SG zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts unterscheide sich im Sachverhalt dadurch, dass dem Kläger keine Einkommensanteile über der Einkommensgrenze, die als besondere Belastungen für die Mietzahlungen hätten freigelassen werden können, zur Verfügung standen. Zudem sei die Entscheidung unter der Geltung des BSHG ergangen und eine dem § 35 SGB XII vergleichbare Bestimmung habe seinerzeit nicht existiert. Vor allem aber seien die Mietkosten nicht notwendigerweise durch die Verzögerung im vormundschaftlichen Verfahren entstanden, sondern durch die unterlassene Mitteilung der Betreuerin gegenüber dem Vormundschaftsgericht über das Auflösungsangebot der Vermieterin zum 25.05.2007. Für den Fall, dass die Betreuerin die Eilbedürftigkeit dem Vormundschaftsgericht mitgeteilt hätte, könne mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Genehmigung zeitgerecht hätte erteilt und das Vermieterangebot angenommen werden können. Dies stelle eine Pflichtverletzung der rechtlichen Betreuerin dar, die dem Kläger einen Schaden von über 2000 EUR beschert habe, für den der Beklagte nicht einstandspflichtig sei. Die Mieten von Juni bis Oktober stellten somit keinen notwendigen Lebensbedarf dar, sondern einen Schaden für dessen Ersatz sich der Kläger an seine Betreuerin oder den Verfahrenspfleger halten möge. Zur Vorleistung sei der Beklagte nicht verpflichtet, weil kein akuter Bedarf bestehe und der Kläger ohnehin rund eine halbe Million Euro Schulden habe.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 24. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die beigezogenen Akten des Amtsgerichts Überlingen (Az. XVII 7/2008) einschließlich der Akten des Amtsgerichts S. (Az. XVII 20/99) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- Euro übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG die Beklagte verurteilt, für den Zeitraum vom 01.06.2007 bis 31.10.2007 die KdU in Höhe von monatlich 429,49 EUR zu gewähren. Hierbei nimmt der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG Bezug und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten für den geltend gemachten Anspruch eine Rechtsgrundlage besteht. Die Überschneidungskosten, die auf dem bis zur Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigung zum 31.10.2007 noch fortbestehenden Mietverhältnis für die Wohnung in L. beruhen, sind zwar keine Kosten des notwendigen Lebensunterhalt in einer Einrichtung iS von § 35 SGB XII. Der Anspruch findet seine Rechtsgrundlage jedoch weiterhin in § 42 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 29 SGB XII. Die Voraussetzungen hierfür liegen auch vor. Unter Berücksichtigung der Miete für die alte Wohnung ist der Kläger hilfebedürftig. Das vom Beklagten zum Beleg des Gegenteils benannte Berechnungsbeispiel für den Monat Juni 2007 greift insofern nicht, als die Mietkosten als zusätzlicher Bedarf darin eben nicht enthalten sind, unter deren Berücksichtigung der Kläger jedoch nicht mehr mit seinem Renteneinkommen in der Lage ist, seinen sozialhilferechtlichen Bedarf zu decken.

Im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung hat der Kläger gemäß §§ 41, 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII Anspruch auf die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entsprechend § 29 SGB XII. Als Unterkunftskosten in diesem Sinne sind ausnahmsweise doppelte Mietaufwendungen als sozialhilferechtlicher Bedarf zu übernehmen, wenn der Auszug aus der bisherigen Wohnung notwendig war und deswegen die Mietzeiträume wegen der Kündigungsfrist nicht nahtlos aufeinander abgestimmt werden konnten. Die Unterkunftskosten für die alte Wohnung sind neben den Kosten für die neue Unterkunft dann zu übernehmen, wenn es notwendig gewesen ist, dass der Hilfeempfänger die neue Wohnung zu diesem Zeitpunkt gemietet und bezogen hat. Zudem muss der Hilfeempfänger alles ihm Mögliche und Zumutbare getan haben, die Aufwendungen für die frühere Wohnung so gering wie möglich zu halten, wozu etwa die Suche nach einem Nachmieter gehört (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen Urteil vom 18.02.2010 - L 9 SO 6/08 mit Hinweis auf VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.1999, Az.: 7 S 458/99; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25.10.2001, Az.: 4 MA 2598/01; s.a. hinsichtlich der Kosten einer Auszugsrenovierung bei notwendig gewordenem Umzug LSG Baden-Württemberg Urteil vom 23.11.2006 - L 7 SO 4415/05). Somit handelt es sich auch in Bezug auf die Miete für die alte Wohnung um eine aktuelle Notlage und einen notwendigen Unterkunftsbedarf. Der Beklagte sieht sich zu Unrecht durch die gesetzliche Neuregelung ab 1. Januar 2005 im Hinblick auf § 35 SGB XII an einer Übernahme der Mietaufwendungen für die alte Wohnung gehindert. Nichts anderes gilt für den Wechsel von einer Mietwohnung in ein Pflegeheim (so auch im Fall des LSG Nordrhein-Westfalen aaO), auch wenn der Unterkunftsbedarf im Heim über § 35 SGB XII, der sich aber auch im Leistungsumfang an den Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nr. 1 bis 3 orientiert (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), gewährt wird. Bereits das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall von Mietzinsverpflichtungen, die dadurch entstanden sind, dass die Kündigung der bisherigen Wohnung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte und das Genehmigungsverfahren nach § 1907 BGB nicht früher abgeschlossen werden konnte, entschieden, dass dem Sozialhilferecht kein Strukturprinzip zu entnehmen ist, das es rechtfertigen könnte, das wirtschaftliche Risiko für die aus dieser staatlichen Inschutznahme resultierenden Mietbelastungen auf den Vermieter abzuwälzen (BVerwG, Beschluss vom 30.12.1997 - 5 B 21/97 - in FEVS 48, 241). Hierdurch ist die wirtschaftliche Risikozuordnung allgemein für Fälle der vorliegenden Art höchstrichterlich festgelegt worden, weshalb der Verweis des Beklagten auf auch mögliche andere Mietausfallrisiken eines Vermieters, z.B. durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit des Mieters, nicht greift. Unerheblich ist daher auch, dass das BVerwG die Problematik unter dem rechtlichen Aspekt der besonderen Belastung und der Freilassung von Einkommen geprüft hat. Auch der Senat sieht - wie bereits das VG Düsseldorf (Urteil vom 21.02.2003 - 20 K 7946/01) keinen sachlichen Grund einen Hilfebedürftigen mit ausreichendem Einkommen anders zu behandeln als einen ohne Einkommen.

Die og Voraussetzungen, unter denen die Unterkunftskosten für die alte Wohnung zu übernehmen sind, sind erfüllt. Der Kläger war in einer Zwangslage. Unstreitig konnte er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst versorgen und war auf Pflege angewiesen, so dass er am 26.04.2007 nach Entlassung aus dem Krankenhaus nicht mehr in seine Wohnung zurückkehren konnte. Sein sozialhiferechtlich angemessener Unterkunftsbedarf konnte nur noch im Pflegeheim gewährleistet werden.

Andererseits war der Betreuerin auf Grund der nach § 1907 BGB zunächst einzuholenden Genehmigung des Vormundschaftsgerichts die sofortige Kündigung des Mietvertrages und Wohnungsauflösung nicht möglich. So konnte der Kläger nicht vermeiden, dass über den 26.04.2007 hinaus Mietzinsverpflichtungen entstanden sind. Der Kläger - vertreten durch seine Betreuerin (§ 1902 BGB) - hat alles ihm Mögliche und zumutbare unternommen, um die Kostenlast soweit als möglich zu vermeiden. Die Betreuerin hat unverzüglich noch vor der Aufnahme ins Heim den Antrag beim Vormundschaftsgericht gestellt und unverzüglich nach Erteilung der Genehmigung zur Wohnungsauflösung den Mietvertrag mit der kürzest möglichen Kündigungsfrist von 3 Monaten gekündigt. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nicht ersichtlich, zu welchen vermeidbaren Kostensteigerungen es dabei gekommen sein soll. Die Betreuerin hat zunächst am 10.05.2007 ein Einvernehmen über eine vorzeitige Aufhebung des Mietvertrags zum 25.05.2007 erzielen können. Es ist ihr nicht anzulasten, dass der Aufhebungsvertrag letztlich nicht zustande kam, weil die Vermieterin ihre Ansicht geändert hat und nach dem 25.05.2007 sich nicht mehr auf einen früheren Kündigungszeitpunkt eingelassen hat. Vom zeitlichen Rahmen her war es der Betreuerin auch bis zum 25.05.2007 nicht möglich, die Vereinbarung mit dem Vermieter zu schließen, weil ihr die erforderliche Genehmigung noch nicht erteilt war. Es ist nicht ersichtlich, dass die Betreuerin das Genehmigungsverfahren hätte beschleunigen können. Kein Versäumnis ihrerseits ist es insbesondere, dass sie das Vormundschaftsgericht S. nicht von der Vereinbarung in Kenntnis gesetzt hat. Dies hätte den Verfahrensablauf bei dem vorgegebenen Rahmen nicht derart beschleunigen können, dass ihr die Genehmigung noch so rechtzeitig hätte erteilt werden können, als dass bis zum 25.05.2007 eine besenreine Übergabe der Wohnung möglich gewesen wäre. Die Erteilung der Genehmigung richtet sich nach dem Wohl des Betroffenen (§&8201;1901 Abs. 2 Satz 1 BGB); auf seine Wünsche ist Rücksicht zu nehmen (§&8201;1901 Abs. 3 Satz 1 BGB). Da der Kläger nach seinem Gesundheitszustand nicht in der Lage war, seinen Willen kundzutun, war für ihn ein Verfahrenspfleger zu bestellen, der in dem Genehmigungsverfahren somit zwischengeschaltet war. Der Beschluss über die Bestellung wurde am 07.05.2007 an Rechtsanwalt Beck abgesandt. Selbst wenn er zeitnah zum 10.05.2007 von der Möglichkeit der Aufhebungsvereinbarung Kenntnis erlangt hätte, wäre es ihm nicht möglich gewesen, sich einen Überblick über die Sachlage durch Einsichtnahme in die Akten, Beschaffung der notwendigen Informationen und ein Gespräch mit dem Kläger zu verschaffen sowie dem Vormundschaftsgericht seine Stellungnahme binnen ca. 14 Tagen zu übermitteln. Zudem hatte die Betreuerin keinen Einfluss auf dessen Termingestaltung. Ebenso wenig, wie es Aufgabe des Betreuers ist, selbst die Räumung der Wohnung durchzuführen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16.07.2007 - L 13 SO 26/07 ER), ist er verpflichtet einen Nachmieter zu suchen, da er den Betreuten nur gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 1902 BGB).

Da nach alledem der sofortige Einzug in das Pflegeheim erforderlich und die noch bis 31.10.2007 angefallenen Unterkunftskosten unvermeidbar waren, sind diese vom Beklagten zu übernehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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