L 5 R 2/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 333/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 2/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 196/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 28. November 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander in beiden Rechtszügen keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Hörgeräteversorgung des Klägers.

Der 1965 geborene Kläger ist seit 15 Jahren Hörgeräte-Träger und durch die Beigeladene beidseits mit den Hörgeräten "HörG1 Typ xxxxx" versorgt. Der Kläger ist gelernter Speditionskaufmann und hat mehr als 15 Jahre Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Derzeit ist er halbtags versicherungspflichtig als Angestellter im Schreibdienst der Wirtschaftsverwaltung im Fachbereich Chemie der XY. in ZT. mit Schreibarbeiten und fernmündlichen Gesprächen sowie Gesprächen im direkten Personenkontakt beschäftigt.

Am 3. Mai 2005 beantragte er bei der Agentur für Arbeit in C. als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben eine neue Hörgeräteversorgung unter Vorlage eines Kostenvoranschlags für beidseitige Hörgeräte "Savia 22 ITC" zu einem Gesamtpreis in Höhe von 4.864,71 EUR. Diesen Antrag leitete die Agentur für Arbeit mit Schreiben vom 10. Mai 2005 an die Beklagte weiter. Mit Bescheid vom 31. Mai 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil ein besonderer Bedarf wegen spezieller beruflicher Anforderungen nicht gegeben sei. In dem sich anschließenden Widerspruchsverfahren legte der Kläger ein Attest des ihn behandelnden HNO-Arztes Dr. D. vom 10. März 2005 vor, wonach die beantragte Hörgeräteversorgung wegen der häufigen Telefongespräche am Arbeitsplatz erforderlich sei. Die Beklagte holte hierauf noch eine Arbeitsplatzbeschreibung beim Arbeitgeber des Klägers ein, wonach 70 % der Arbeitsvorgänge auf Schreibarbeiten entfielen. Wegen weiterer Einzelheiten wird insoweit auf Bl. 36 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, weil keine speziellen beruflichen Anforderungen an sein Hörvermögen gestellt würden, die eine über die durch die gesetzliche Krankenversicherung zu leistende medizinische Grundversorgung hinausgehende Hörgeräteversorgung erforderten.

Hiergegen hat der Kläger am 12. Dezember 2005 beim Sozialgericht Marburg mit dem Ziel der Gewährung der beantragten Hörgeräteversorgung Klage erhoben. Zur Begründung hat er u. a. eine schriftliche Erklärung des Dekans der ZT., Fachbereich Chemie vorgelegt, wonach er häufig telefonische Auskünfte zu erteilen habe, was ein einwandfreies Hören voraussetze. Seine Einstellung sei unter dem Vorbehalt erfolgt, dass seine Schwerhörigkeit durch technisches Gerät ausgeglichen werden könne. Ferner hat das Sozialgericht zur Frage der beruflichen Notwendigkeit der angestrebten Hörgeräteversorgung ein schriftliches Gutachten bei der Sachverständigen Prof. Dr. E., Direktorin der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie am Universitätsklinikum ZR. und ZT. vom 12. Juli 2007 eingeholt. Die Sachverständige hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers folgende Diagnosen gestellt: - Mittelgradiger Hörverlust durch Schallempfindungsschwerhörigkeit - deutliches Rekruitment. Die beantragte Hörgeräteversorgung führe zu einer deutlich besseren Verständlichkeit der Sprache bei Alltagslautstärke, weshalb sich der Kläger sowohl in Alltagssituationen als auch am Arbeitsplatz bei Benutzung des beantragten Gerätes sicherer fühlen könne. Eine deutlich bessere Einsilberverständlichkeit sei allerdings auch mit einem "HörG2 Gerät" zu erzielen. Die bisherige Hörgeräteversorgung sei auch für den privaten Alltagsgebrauch nicht ausreichend.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2007 sagte die Beigeladene als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung auf Antrag des Klägers die Kostenübernahme für neue beidseitige Hörgeräte zum Vertragspreis von 1.212,80 EUR zu. Eine weitergehende Förderung lehnte die Beigeladene mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2008 ab. Die dagegen beim Sozialgericht Marburg erhobene Klage (S 6 KR 63/08) hat der Kläger zurückgenommen. Einen im Hinblick auf das anhängige Berufungsverfahren gestellten Überprüfungsantrag lehnte die Beigeladene mit Bescheid vom 12. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2009 ab. Das beim Sozialgericht Marburg insoweit anhängige Verfahren (S 6 KR 82/09) ruht.

Mit Urteil vom 28. November 2008 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, die Kosten für die beantragte Hörgeräteversorgung zu übernehmen, soweit sie den von der Beigeladenen bewilligten Anteil übersteigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Attest des HNO-Arztes Dr. D. vom 10. März 2005 sei das beantragte Gerät aus beruflichen Gründen notwendig. Außerdem hat sich das Sozialgericht auf das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. E. vom 12. Juli 2007 berufen.

Gegen das ihr am 12. Dezember 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. Januar 2009 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, nach dem Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. E. sei die Versorgung mit einem höherwertigen Hörgerät auch für die Alltagssituationen des Klägers notwendig und damit von der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten. Ein besonderer zusätzlicher Bedarf wegen der beruflichen Situation sei gerade nicht nachgewiesen. Ferner hat die Beklagte eine schriftliche Stellungnahme ihres Rehabilitations-Beraters vom 27. Mai 2010 zur Situation am Arbeitsplatz des Klägers eingeholt. Danach sei der Kläger seinerzeit mit einem ausgeliehenen Hörgerät ohne Eigenanteil ausgestattet gewesen. Am Arbeitsplatz verfüge er über ein eigenes Büro, das erst nach Durchschreiten zwei weiterer Büros zu betreten sei. Im Büro herrsche eine niedrigere Geräuschkulisse. Persönliche Vorsprachen und Telefonate erfolgten unterschiedlich in hoher oder auch niedriger Häufigkeit. Gelegentliche Verständigungsprobleme seien beim Telefonieren aufgetreten. Einen Telefonverstärker benutze der Kläger nicht. Besondere Anforderungen an das Hörvermögen würden am Arbeitsplatz nicht gestellt.

In ihrer Stellungnahme vom 21. Juni 2010 hat die Beigeladene vorgetragen, den Kläger zum Vertragspreis von 1.212,80 EUR mit neuen Hörgeräten ausreichend und zweckmäßig versorgt zu haben. Zu diesem Zweck hätten die Krankenkassen mit den Leistungserbringern Verträge geschlossen, in denen Versorgungspauschalen vereinbart worden seien. Danach seien die Leistungserbringer verpflichtet, den Versicherten mit zwei Hörsystemen zum vereinbarten Vertragspreis zu versorgen. Diese Hörsysteme müssten geeignet sein, den individuellen Hörverlust auszugleichen. Mit der Zahlung des Vertragspreises habe die Beigeladene ihren Ermessensspielraum zu Gunsten des Klägers bereits ausgeschöpft und ihre Leistungspflicht voll erfüllt. Eine darüber hinausgehende Kostenübernahme durch die Beigeladene sei nicht möglich. Aufgrund des Vertrages mit den Leistungserbringern sei zum Vertragspreis bereits die gesetzlich geschuldete Versorgung vom Leistungserbringer zu gewährleisten.

Zur Frage der sowohl aus Sicht der Krankenversicherung als auch der Rentenversicherung erforderlichen Versorgung mit Hörgeräten hat der Senat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens von der Sachverständigen F., öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für das Hörgeräteakustikerhandwerk, die nach ambulanter Untersuchung und Testung verschiedener Hörgeräte zum Vertrags-/bzw. Festpreis und eines Gerätes, das dem vom Kläger beantragten und nur individuell anzufertigenden Gerät weitestgehend entspricht (HörG3), zu dem Ergebnis gekommen ist, eine eigenanteilsfreie Versorgung, wie sie von der Beigeladenen bereits bewilligt wurde, sei sowohl für die Bedürfnisse des Alltagslebens als auch für die beruflichen Bedürfnisse des Klägers ausreichend. Zwar sei eine weitere Besserung im Sinne einer optimalen Versorgung durch die Verwendung des beantragten Hörgeräts zu erreichen, diese biete aber weder im allgemeinen Alltagsleben noch im beruflichen Bereich einen erheblichen Gebrauchsvorteil gegenüber anderen Hörgeräten, die zum Festbetrag oder zum Vertragspreis abzugeben seien. Wegen näherer Einzelheiten des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 27. Dezember 2010 ergänzend Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 28. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf das angegriffene Urteil.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die zulässige Berufung ist auch sachlich begründet. Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 28. November 2008 war aufzuheben und die Klage abzuweisen, denn weder die Beklagte noch die Beigeladene sind verpflichtet, die vom Kläger begehrte Versorgung mit zwei bestimmten Hörgeräten zu gewähren, die von den Leistungserbringern nicht zum Vertragspreis abgegeben werden.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2005 ist rechtmäßig, denn die Beklagte ist weder unter dem Gesichtspunkt der beantragten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 9, 10, 11, 16 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) i. V. m. § 33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 6, Abs. 8 S. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) noch im Rahmen der vorrangigen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB VI i. V. m. §§ 26, 31 SGB IX (siehe hierzu: Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 21. August 2008, B 13 R 33/07 R) verpflichtet, die vom Kläger beantragte Leistung zu erbringen, noch hat sie in diesem Zusammenhang ihr Ermessen fehlerhaft gebraucht, weil schon die persönlichen Voraussetzungen für eine Ermessensbetätigung der Beklagten zu Gunsten des Klägers nach § 10 SGB VI nicht vorliegen, denn die vom Kläger beantragte Versorgung mit besonderen Hörgeräten ist nicht erforderlich, um behinderungsbedingte Nachteile besonders bei der Berufsausübung auszugleichen. In der Sache ist der Anspruch des Klägers auf Versorgung mit digitalen Hörgeräten nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für Teilhabeleistungen, d.h. § 26 Abs. 1 und 2 Nr. 6 i. V. m. § 33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 6, Abs. 8 Nr. 4, § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 1 SGB IX unter Beachtung der besonderen persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgesetze – z. B. §§ 10, 11, 12 SGB VI - zu prüfen (so BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009, B 5 R 5/07 R, Juris Rdnr. 22). Schon aus dem im ersten Rechtszug eingeholten Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. E. vom 12. Juli 2007 ist ein berufsbedingter Mehrbedarf nicht zu erkennen, denn danach würde der Kläger in die beantragte Hörgeräteversorgung gleichermaßen für den allgemeinen Alltagsbedarf als auch für berufliche Zwecke benötigen. In dem von den Beteiligten nicht angegriffenen und auch für den Senat nachvollziehbar und überzeugend begründeten schriftlichen Gutachten vom 27. Dezember 2010 hat die Sachverständige F. nach ambulanter Untersuchung unter eingehender Testung fünf verschiedener Hörgerätetechniken im Vergleich zu der vom Kläger beantragten Hörgeräteversorgung und unter Würdigung der am Arbeitsplatz des Klägers bestehenden Situation, wie sie sich aus der Arbeitsplatzbeschreibung durch den Arbeitgeber (Bl. 36 Verwaltungsakte der Beklagten) und dem Bericht des Rehabilitationsberaters der Beklagten vom 27. Mai 2010 ergibt, überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Versorgung des Klägers mit eigenanteilsfreien Hörgeräten durch die Beigeladene auch für die besonderen beruflichen Bedingungen am Arbeitsplatz des Klägers völlig ausreichend ist. Ein besseres Verstehen bei Benutzung des Telefongeräts lässt sich danach bereits durch Einsatz der vorhandenen Freisprechanlage erreichen. Ein darüber hinausgehender Nutzen kommt der angestrebten Hörgeräteversorgung am Arbeitsplatz nicht zu. Nach dem bisherigen Trageverhalten nutzt der Kläger vorwiegend das Grundprogramm für ruhige Umgebung, obwohl schon die bisherigen Hörgeräte ein Programm speziell für besseres Verstehen in geräuschvoller Umgebung bieten. Demgemäß ist ein berufsbedingter Mehrbedarf, der über die allgemeine Hörgeräteversorgung hinausgeht, nicht zu erkennen. Lässt sich aber die berufliche Eingliederung des Klägers durch die angestrebte Hörgeräteversorgung nicht verbessern, so liegen bereits die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe aus der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI hinsichtlich der vom Kläger begehrten Leistung nicht vor, weil hierdurch weder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewendet oder die bereits geminderte Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt bzw. eine wesentliche Verschlechterung abgewendet oder der Arbeitsplatz durch diese Leistungen erhalten werden könnte. Die Beklagte hat daher den Antrag des Klägers mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. Mai 2005 aus rentenversicherungsrechtlicher Sicht zutreffend abgelehnt.

Darüber hinaus war die Beklagte als zweitangegangener Rehabilitationsträger gegenüber dem Kläger auch zuständig für eine Entscheidung über seinen Antrag aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht (siehe BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009, B 5 R 5/07 R). Gleichwohl hat die Beigeladene insoweit mit Bescheid vom 26. Oktober 2007 eine eigene Entscheidung getroffen, die aber – entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung - ebenfalls Gegenstand des bereits anhängigen Gerichtsverfahrens gemäß § 96 Abs. 1 SGG geworden ist, weil sie den angefochtenen Bescheid der Beklagten ergänzt hat. Ebenso ist der ablehnende Überprüfungsbescheid der Beigeladenen vom 12. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2009 Gegenstand des bereits beim erkennenden Senat anhängigen Verfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG geworden.

Unabhängig von der Frage der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten als zweitangegangener Träger gemäß § 14 Abs. 2 S. 3 SGB IX , deren Verletzung hier jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Bescheids vom 26. Oktober 2007 gemäß § 40 SGB X führt, weil die getroffene Entscheidung zum originären Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen gehört (vgl. Roos in: v. Wulffen, SGB X, § 40 Rdnr. 9 m. w. N.) und die nach Beiladung des Krankenversicherungsträgers in der zweiten Tatsacheninstanz infolge rügeloser Einlassung der Beklagten gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 5 SGB X geheilt ist, ist die Ablehnung des Antrags des Klägers auch aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht sachlich zu Recht erfolgt, weil die beantragte Hörgeräteversorgung über das Maß dessen hinausgeht, was gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) erforderlich ist, weil es nach dem Stand der Medizintechnik die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt und damit im allgemeinen Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil gegenüber anderen Hörhilfen bietet. Begrenzt ist der so umrissene Anspruch nämlich durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist; Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist eine kostenaufwendige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten nach ärztlicher Einschätzung in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen. Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (so: BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R, Juris, Rdnr. 21 m. w. N.). Die Sachverständige F. hat in ihrem schriftlichen Gutachten vom 27. Dezember 2010 nach ambulanter Untersuchung unter eingehender Testung fünf verschiedener Hörgerätetechniken im Vergleich zu der vom Kläger beantragten Hörgeräteversorgung überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass die vom Kläger begehrte Technik weder medizinisch erforderlich ist, um die Hörbehinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen noch im allgemeinen Alltagsleben einen erheblichen funktionalen Gebrauchsvorteil gegenüber der Versorgung mit anderen - funktionell ebenfalls geeigneten - Hörgeräten, insbesondere mit Hörgeräten zum Festbetrag oder zum Vertragspreis der Beigeladenen bietet. Zwar besitzt es vier verschiedene, nicht abschaltbare, Hörprogramme, die sich je nach Umgebung automatisch umschalten, darunter ein spezielles Musikprogramm und ein Programm für angenehmes Hören in stark lärmvoller Umgebung, bei dem aber der Schwerpunkt nicht auf gutem Sprachverstehen liegt. Aus dem Trageverhalten des Klägers mit den bisherigen Hörgeräten ist festzustellen, dass er das für besseres Verstehen in geräuschvoller Umgebung vorgesehene spezielle Programm nur selten verwendet hat, obwohl durch dieses Programm ein besseres Sprachverstehen in geräuschvoller Umgebung möglich ist. Hieraus wird deutlich, dass sich aus der vom Kläger angestrebten Hörgeräteversorgung - wenn überhaupt - jedenfalls keine erheblichen funktionalen Gebrauchsvorteile gegenüber solchen Hörgeräten ergeben, die zum Vertragspreis oder zum Festpreis abgegeben werden. Ein erheblicher Gebrauchsvorteil im allgemeinen Alltagsleben aufgrund der vom Kläger angestrebten Hörgeräteversorgung ist somit nicht festzustellen. Auch insoweit schließt sich der Senat dem von den Beteiligten nicht angegriffenen überzeugenden Gutachten der Sachverständigen F. an, auf dessen schriftliche Begründung ergänzend Bezug genommen wird. Die Einschätzung der im ersten Rechtszug beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. E., dass das bis dahin benutzte alte analoge Hörgerät weder den allgemeinen noch den beruflichen Anforderungen des Klägers genügt hatte, steht dem nicht entgegen, denn inzwischen hat die Beigeladene die Versorgung mit neuen Hörgeräten zum Vertragspreis bewilligt und der Kläger hat auch zum Zeitpunkt der Untersuchung durch die Sachverständige F. neue Hörgerätetechnik benutzt. Dass eine Versorgung mit den vom Kläger gewünschten Hörgeräten insoweit zu einer wesentlichen Verbesserung gegenüber den alten analogen Hörgeräten führen würde, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Zu der hier entscheidenden Frage, ob die Benutzung der angestrebten Hörgerätetechnik zumindest einen erheblichen funktionalen Gebrauchsvorteil gegenüber der von der Beigeladenen eigenanteilsfrei bewilligten Hörgerätetechnik bietet, hat er sich die Sachverständige Prof. Dr. E. entsprechend ihrem Gutachtensauftrag nicht geäußert.

Nach allem konnte das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Marburg nicht aufrechterhalten werden. Der eingeklagte Anspruch des Klägers besteht weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber der Beigeladenen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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