S 12 KR 107/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 107/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Aufrechnung gegen eine Krankenhausrechnung mit einem (bestrittenen) öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen der Behandlung eines anderen Patienten. Keine wirksame Aufrechnung wegen fehlender Fälligkeit der Gegenforderung aufgrund einer Regelung in der Pflegesatzvereinbarung des Krankenhauses.
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 469,96 EUR zuzüglich Zinsen hier-aus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 30. Oktober 2008 zu zahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Berufung wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 469,96 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist eine von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung in Höhe von 469,96 EUR.

Der Kläger betreibt u.a. das Krankenhaus A-Stadt. Der bei der Beklagten krankenversicherte Patient (S.) wurde am 12.04.2008 um 3.36 Uhr im Krankenhaus A-Stadt aufgenommen. Er war alkoholisiert und wurde um 10.35 Uhr entlassen, nachdem er etwas ausgenüchtert war und sich bei der Überwachung keine neurologischen Auffälligkeiten gezeigt hatten. Das Krankenhaus erstellte am 15.04.2008 eine Rechnung über 469,96 EUR, die per Datensatz am 15.04.2008 übermittelt und von der Beklagten vollständig beglichen wurde. Die Hauptdiagnose nach ICD lautete auf F10.0 (Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Akute Intoxikation – akuter Rausch). Die Rechnung führt nach DRG die Fallpauschale V60C (Alkoholintoxikation und -entzug oder Störungen durch Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit ohne psychotisches Syndrom, ohne qualifizierten Entzug, ohne Entzugssyndrom) auf. Gleichzeitig wurde ein Fallpauschalenabschlag bei Nichterreichen der mittleren Verweildauer vorgenommen. Unter Berücksichtigung verschiedener Systemzuschläge ergab sich der Rechnungsbetrag von 469,96 EUR.
Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 07.08.2008 die Zahlung zurück. Im Hinblick auf die Verweildauer werde die Auffassung vertreten, dass die Behandlung nicht unter vollstationären Bedingungen erfolgt sei. Es werde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verwiesen und um Neuberechnung als vollstationäre Pauschale, Abklärungsuntersuchung oder im Rahmen der Ambulanzabrechnung gebeten. Rückzahlung des bereits überwiesenen Betrages wurde bis 02.10.2008 verlangt.
Das Krankenhaus vertrat mit Schreiben vom 12.08.2008 die Auffassung, dass gemäß § 275 Abs. 1c Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) von der Beklagten nach Rechnungseingang eine 6-wöchige Frist einzuhalten sei. Eine Bearbeitung sei daher nicht möglich. Mit einer Verrechnung bestehe kein Einverständnis.
Die Beklagte teilte dann mit Schreiben vom 21.10.2008 mit, dass mangels Rückerstattung vom Recht der Verrechnung Gebrauch gemacht worden sei. Die Verrechnung sei erfolgt gegen den Fall des Patienten C. (J.).

Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 07.04.2009 Klage auf vollständige Bezahlung der Rechnung für den Patienten J. erhoben. Ein Rückzahlungsanspruch im Fall R. werde bestritten. Eine stationäre Behandlung liege vor. Zudem stünden sich die Forderungen nicht aufrechenbar gegenüber, da der behauptete Rückzahlungsanspruch jedenfalls noch nicht zur Zahlung fällig gewesen sei. Denn nach den Zahlungs- und Abrechnungsbestimmungen der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2008 setze der Rückzahlungsanspruch zu seiner Fälligkeit entweder eine geänderte Abrechnung durch das Krankenhaus oder eine rechtskräftige Entscheidung über den Rückzahlungsanspruch voraus.
Die Beklagte teilte mit, dass die Abrechnung im Fall J. nicht beanstandet werde. Im Fall S. hätten nach nochmaliger, leistungsrechtlicher Prüfung aufgrund der lediglich 7-stündigen Behandlungsdauer Bedenken bestanden, dass es sich bei der in Rechnung gestellten Behandlung tatsächlich um eine vollstationäre Maßnahme gehandelt habe. Laut Datenträgeraustausch sei die Behandlung lediglich bis zum 12.04.2008 geplant gewesen. Dass der Versicherte ein Bett auf der Station belegt habe, reiche zur Annahme einer vollstationären Behandlung nicht aus, vor allem dann nicht, wenn die durchgeführte Behandlung auch in einer Arztpraxis hätte stattfinden können. Es komme entscheidend darauf an, ob der Patient physisch und organisatorisch in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses eingebunden war. Da bereits zu Beginn der Behandlung festgestanden habe, dass der Patient nicht in diesem Krankenhaus verbleiben werde, sei die medizinische Versorgung ausschließlich auf eine Erstversorgung im Sinne einer Notfallbehandlung ausgerichtet gewesen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass es im Krankenhaus A-Stadt überhaupt nicht zu einer stationären Aufnahme gekommen sei. Das Krankenhaus sei zur Erstattung eines zu Unrecht erhaltenen Betrages verpflichtet. Daher sei die Beklagte auch berechtigt gewesen, eine Aufrechnung durchzuführen. Es werde Akteneinsicht gemäß § 120 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in die Behandlungsdokumentation beantragt. Das Gericht werde gebeten, die entsprechende Dokumentation beizuziehen und der Beklagten sodann zugänglich zu machen, da diese beabsichtige, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Auswertung zu beauftragen. Eine Übersendung der Dokumentation in verschlossenem Umschlag zur Weiterleitung an den MDK werde akzeptiert. Die Einbeziehung des MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sei nicht erforderlich gewesen, da sich die Prüfung durch die Beklagte nicht an medizinischen Sachverhalten, sondern ausschließlich an den vom Kläger mitgeteilten Behandlungsdaten orientiert habe. Die Verpflichtung des Klägers zur Mitwirkung bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Leistung ergebe sich aus § 276 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Diese Mitwirkung habe der Kläger unter Berufung auf die Verfristung zur Einleitung des Prüfverfahrens verweigert. Dies stelle eine Obliegenheitsverletzung dar und verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Die Klägerbevollmächtigten haben am 20.08.2009 weitere Einzelheiten zur Behandlung des Versicherten S. vorgetragen. Der Anregung des Gerichts, den MDK anhand der Behandlungsdaten zu befragen, ob die Argumentation des Klägers plausibel sei, ist die Beklagte nicht nachgekommen. Sie hat dies vielmehr mit Schreiben vom 04.09.2009 als nicht zielführend erachtet, da für die Beurteilung in erster Linie eine Auswertung der Behandlungsdokumentation erforderlich sei. Es werde weiterhin Akteneinsicht in die Behandlungsdokumentation beantragt. Das Recht auf Akteneinsicht ergebe sich aus §§ 62, 120 SGG und gehöre zum Anspruch auf rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren. Dies stelle keine Umgehung der Frist des § 275 Abs. 1c SGB V dar. Eine Abrechnung als ambulante Notfallbehandlung durch den Kläger werde akzeptiert.
Nach gerichtlichem Hinweis, dass die Behandlungsdokumentation nicht von Amts wegen beigezogen werde, hat die Beklagte mit Schreiben vom 19.10.2008 nochmals auf ihrem Recht auf Akteneinsicht beharrt. Das Gericht hat der Beklagten daraufhin am 23.10.2008 mitgeteilt, dass bei Gericht Akteneinsicht in die vorhandenen Akten genommen werden könne. Die Beklagte hat dann am 04.12.2009 nochmals ihre Rechtsansicht dargelegt. Den Krankenkassen sei zur Klärung des leistungsrechtlichen Anspruchs ein eigenständiges Überprüfungsrecht eingeräumt. In erweiternder Auslegung des Wortlautes des § 275 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V sei den Krankenkassen das Recht zuzubilligen, eine Krankenhausabrechnung auch rechnerisch bzw. sachlich zu überprüfen. Außer Frage stehe, dass bei Zweifeln an der medizinischen Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung der MDK einzuschalten sei, jedoch gebe es weder rechtliche noch vertragliche Vorgaben, wann dies zu geschehen habe. Das Beschleunigungsgesetz sei laut BSG nicht verletzt, wenn die Krankenkasse vor Einschaltung des MDK eigene Recherchen anstelle, sofern diese zur Klärung des Leistungsanspruchs erforderlich seien. Weder die enumerative Aufzählung der Datenübermittlung nach § 301 SGB V noch gesetzliche Einschränkungen wie z. B. § 203 StGB stünden einer solchen Auskunftserteilung entgegen. Die Beklagte sei dazu berechtigt gewesen, den Kläger zu einer Begründung aufzufordern, da sie hierdurch gegebenenfalls erst die Voraussetzungen für eine medizinische Würdigung durch den MDK schaffen könne. Die Beweislast liege beim Kläger. Zudem habe das Gericht die Behandlungsakten des Klägers beizuziehen, da ohne diese Akten eine Klärung der leistungsrechtlichen Ansprüche nicht möglich sei. Das Recht des Patienten auf informationelle Selbstbestimmung beschränke dies nicht. Eine Umgehung der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c SGB V liege nicht vor, da es um eine Einbeziehung des MDK als so genannter "medizinischer Sachverstand" der Beklagten im Rechtsstreit gehe.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 469,96 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 30.10.2008 zu zahlen.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das angerufene Gericht ist gemäß §§ 57 Abs. 1, 51 Abs. 1, 8 SGG zur Entscheidung des Rechtsstreits örtlich und sachlich zuständig. Die formgerecht erhobene Leistungsklage ist zulässig und auch begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die stationäre Behandlung von J. in Höhe von noch 469,96 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 % über dem Basiszinssatz ab 30.10.2008, da die Forderung in dieser Höhe nicht durch Aufrechnung erloschen ist.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruches eines zugelassenen Krankenhauses für die stationäre Behandlung ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung 2008, da wegen der Vertragskündigung für Bayern ein Vertrag gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V zur Regelung der allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung einschließlich Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte, Berichte und Bescheinigungen nicht mehr existiert. Die Abrechnung des Krankenhausaufenthaltes des Versicherten J. erfolgte als stationäre Leistung im Sinne von § 39 SGB V. Zwischen den Beteiligten unstreitig sind die Höhe der Rechnung an sich, der Zeitpunkt der Fälligkeit sowie Höhe und Beginn der Verzinsung. Fälligkeit und Verzinsung ergeben sich dabei aus der Pflegesatzvereinbarung 2008. Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob die Forderung in Höhe von 469,96 EUR durch Aufrechnung einer Rückforderung im Fall des Patienten S. erloschen ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rückforderung im Fall S. begründet ist oder nicht, da bereits die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nicht vollständig erfüllt sind.

Eine Aufrechnung ist im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse grundsätzlich zulässig. Sie richtet sich gemäß § 69 Satz 3 SGB V nach den Vorschriften der §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Die Aufrechnung setzt danach Gegenseitigkeit voraus sowie Gleichartigkeit der Forderungen, Erfüllbarkeit der Hauptforderung und Fälligkeit der Gegenforderung (Palandt, BGB, 61. Auflage, § 387 Rzn. 4 bis 12).

Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Erfüllbarkeit der Hauptforderung (Fall J.) sind gegeben. Es fehlt jedoch an der Fälligkeit der Gegenforderung (Fall S.).

Die Fälligkeit von Forderungen im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ergibt sich aus § 11 (Zahlungs- und andere Abrechnungsbestimmungen) der Vereinbarung für den Pflegesatzzeitraum 2008 nach § 11 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Dessen Abs. 2 lautet:
"Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Begleichung der Rechnung geltend gemacht werden. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass durch das Krankenhaus eine unberechtigte Rechnungslegung erfolgte, storniert das Krankenhaus die ursprüngliche Rechnung, stellt eine neue Rechnung aus und zahlt den zu viel erhaltenen Betrag innerhalb von drei Wochen zurück. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung beträgt die Rückzahlungsfrist des zu viel erhaltenen Betrages drei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung. Ab Überschreitung der Zahlungsfrist sind Verzugszinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu entrichten."

Aus diesen Sätzen ist zu schließen, dass bei Beanstandungen, und zwar selbst dann, wenn sie unbestritten sind, die Rückforderung nicht schon mit Beanstandung und Fristsetzung fällig wird, sondern erst, nachdem das Krankenhaus von sich aus die Rechnung storniert hat. Auch wenn eine Forderung bestritten ist, tritt keine sofortige Fälligkeit ein. Dies ist aus dem Satz zu schließen, wonach im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Rückzahlungsfrist drei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung beträgt. Träte die Fälligkeit bereits unmittelbar durch Fristsetzung nach einer Beanstandung ein, hätte dieser Satz keinen Sinn.
Der Auffassung der Beklagten, eine Forderung sei schon dann fällig und eine Aufrechnung daher möglich, wenn von der Krankenkasse begründet beanstandet wird und (bei Fristsetzung) das Krankenhaus nicht mit einer Stornierung reagiert, kann daher nicht gefolgt werden.

Da die Aufrechnung mangels fälliger Gegenforderung nicht zulässig war, war der Klage schon deshalb stattzugeben.

Da eine Widerklage (auf Zahlung beziehungsweise Feststellung der Gegenforderung) nicht erhoben wurde, war vom Gericht auch nicht zu prüfen, ob der von der Beklagten behauptete Rückforderungsanspruch in Höhe von 469,96 EUR tatsächlich besteht.

Lediglich hilfsweise wird daher noch ausgeführt, dass zur Überzeugung des Gerichts der behauptete Rückforderungsanspruch nicht besteht.

Die Beklagte bestreitet hinsichtlich der Rechnung vom 15.04.2008 über 469,96 EUR im Fall des Versicherten S. für den Krankenhausaufenthalt vom 12.04.2008 grundsätzlich die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung. Dass bei Nachweis einer stationären Krankenhausbehandlung die Rechnung fehlerhaft wäre, wird hingegen nicht behauptet. Bei unstrittiger Diagnose (Alkoholintoxikation) und hieraus folgender DRG sieht das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln an der Rechnungshöhe.

Grundsätzlich entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung (u.a. Urteil v. 17.05.2000 - B 3 KR 33/99 R - in SozR 3-2500 § 112 Nr. 1) entschieden hat, unabhängig von einer Kostenzusage der Krankenkasse unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung entscheidet dabei zunächst der Krankenhausarzt bei Aufnahme. Dabei hat das BSG im Beschluss des Großen Senats vom 25.09.2007 (GS 1/06) klargestellt, dass die Entscheidung darüber, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht und darin eingeschlossen die Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, nicht dem Krankenhaus sondern der Krankenkasse obliegt. Für eine Einschränkung der Kontrollbefugnisse der Krankenkasse in der Weise, dass von der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung auszugehen wäre, wenn der Krankenhausarzt sie bejaht und seine Einschätzung fachlich vertretbar ist, bietet das Gesetz keine Grundlage. Ein Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative im Sinne eines Entscheidungsfreiraumes mit verminderter Kontrolldichte kann dem Krankenhausarzt schon deshalb nicht zukommen, weil nicht er, sondern die Krankenkasse über den Anspruch auf Krankenhausbehandlung entscheidet. Auch im Innenverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse gibt es keinen Beurteilungsvorrang des behandelnden Arztes, der die Krankenkasse bei ihrer Entscheidung bindet. Im Streitfall hat daher das Gericht grundsätzlich uneingeschränkt zu überprüfen, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig war. Es hat dabei jedoch von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhauses auszugehen, wenn die Krankenkasse im Nachhinein beanstandet, die stationäre Behandlung des Patienten sei nicht gerechtfertigt gewesen.

Die objektive Beweislast dafür, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung notwendig war, trägt grundsätzlich das Krankenhaus. Denn § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V ordnet das Risiko der Erforderlichkeitsprüfung gerade dem Krankenhaus zu.
Wird jedoch von der Krankenkasse ein Erstattungsanspruch gegen das Krankenhaus wegen zu viel gezahlter Vergütung erhoben, dann trägt grundsätzlich die Krankenkasse die materielle Beweislast. Es gilt insoweit der Grundsatz, dass jede im Rahmen des anzuwendenden Rechts die Beweislast für diejenigen Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 103 Rz. 19a m.w.N.). Dieser Grundsatz wird jedoch von Ausnahmen durchbrochen. So bleibt es bei der Beweislast des Krankenhauses für die Erfüllung der Voraussetzungen seines Vergütungsanspruches trotz Zahlung der Krankenkasse, wenn die Zahlung unter einem die Beweislast wahrenden Vorbehalt erfolgt. Die Krankenkasse leistet dabei unter dem Vorbehalt, dass dem Leistungsempfänger für einen späteren Rückforderungsstreit die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs auferlegt werden soll (BSG v. 30.06.2009
- B 1 KR 24/08 R).

Dass die Beklagte auf die Rechnung im Fall S. vom 15.04.2008 nur unter Vorbehalt geleistet hätte, ist aus den Akten der Beklagten nicht ersichtlich. Bei fehlendem Nachweis, dass die Zahlung unter Vorbehalt geleistet wurde, trägt die beklagte Krankenkasse die objektive Beweislast für das Bestehen des Rückforderungsanspruches. Aber auch für den Fall, dass die Zahlung unter Vorbehalt geleistet wurde, und das klagende Krankenhaus die objektive Beweislast für die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung im Fall S. trägt, ist der Klage nicht stattzugeben.

In der Regel wäre wegen des Untersuchungsgrundsatzes (§ 103 SGG) vom Gericht mittels Sachverständigengutachten unter Auswertung der Krankenakte nachprüfbar, ob tatsächlich ein notwendiger vollstationärer Aufenthalt gegeben war oder nicht. Vorliegend war jedoch eine weitere gerichtliche Sachaufklärung nicht durchzuführen, da das zur Überprüfung der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung vorgesehene Verfahren von der Krankenkasse nicht eingehalten wurde und dieses Versäumnis nicht durch eine gerichtliche Sachaufklärung ersetzt werden muss.

Die Beklagte argumentiert unter Bezug auf das Urteil des BSG v. 04.03.2004 (B 3 KR 4/03 R in SozR 4-2500 § 39 Nr. 1) sinngemäß, dass ein Aufenthalt der Versicherten im Krankenhaus von weniger als 24 Stunden den Tatbestand eines stationären Aufenthaltes im Sinne von § 39 SGB V nicht erfüllt. Dies sei offensichtlich mit der Folge, dass eine Überprüfung durch den MDK zur Frage, ob ein stationärer Aufenthalt notwendig gewesen sei oder nicht, von ihr nicht einzuleiten gewesen sei.

Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (Urteil v. 17.03.2005 - B 3 KR 11/04 R - in SozR 4-2500 § 39 Nr. 5 unter Bezug auf das oben genannte Urteil v. 04.03.2004) die Auffassung vertreten, dass eine Abgrenzungsschwierigkeiten weitgehend vermeidende Definition von vollstationärer, teilstationärer und ambulanter Krankenhausbehandlung nur vom Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer ausgehen könne. Eine vollstationäre Behandlung im Sinne einer physischen und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses ist danach dann gegeben, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Entscheidend ist dabei zunächst der Behandlungsplan. Die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht wird in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, kann im Einzelfall aber auch noch später erfolgen. Eine ambulante Behandlung kann in eine vollstationäre Krankenhausbehandlung übergehen. Auf der anderen Seite entfällt aber eine stationäre Behandlung nicht, wenn der Patient nach Durchführung eines Eingriffes oder einer sonstigen Behandlungsmaßnahme über Nacht verbleiben sollte, aber gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt. Dann handelt es sich um eine "abgebrochene" stationäre Behandlung.
Eine Regel dergestalt, dass nur dann eine stationäre Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 SGB V vorliegt, wenn sich ein Versicherter mindestens einen Tag und eine Nacht, das heißt mindestens 24 Stunden, im Krankenhaus zur Behandlung befunden hat, existiert also nicht, anders als die Beklagte (auch in am hiesigen Gericht anhängigen Parallelfällen) offensichtlich meint. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus den Gründen des BSG-Urteils vom 04.03.2004, a.a.O. Vielmehr betonte das BSG in dieser Entscheidung, die mit weiterer Rechtsprechung fortgeführt wurde, dass die Abgrenzung der stationären Krankenhausbehandlung von ambulanter oder teilstationärer Behandlung vom Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer und der tatsächlichen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses auszugehen hat.

Dass sich der Versicherte S. nur ca. sieben Stunden im Krankenhaus A-Stadt aufgehalten hat und danach entlassen wurde, schließt einen stationären Aufenthalt nicht aus. Dass der Aufenthalt weniger als 24 Stunden andauerte, ist per se kein Beweis dafür, dass keine notwendige stationäre Behandlung im Krankenhaus A-Stadt vorgelegen hat. Denn in aller Regel wird bereits bei der Aufnahme durch den aufnehmenden Krankenhausarzt die Entscheidung für eine stationäre Krankenhausaufnahme und Eingliederung in das Versorgungssystem des Krankenhauses getroffen. Da S. stark alkoholisiert mit Angabe eines Sturzes aufgenommen und neurologisch und kreislaufmäßig überwacht wurde, ist bei mehrstündigem Aufenthalt eine stationäre Aufnahme zur Überzeugung des Gerichts durchaus glaubhaft und keineswegs – wie die Beklagte offenbar meint – von vorneherein unglaubwürdig.
Der Nachweis, ob der Versicherte S. im Krankenhaus A-Stadt bereits in das Versorgungssystem des Krankenhauses aufgenommen war und damit eine stationäre Krankenhausbehandlung vorgelegen hat, ist jedoch letztlich nur durch Auswertung der Behandlungsdokumentation zu führen.

Vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens kann diese Auswertung der Behandlungsdokumentation durch den MDK erfolgen.
§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gibt den Krankenkassen die Verpflichtung auf, in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ist aber eine Prüfung zeitnah durchzuführen. Die Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (§ 275 Abs. 1c Sätze 1 und 2 SGB V).
Diese 6-Wochen-Frist zur Einleitung einer Prüfung durch den MDK wurde im vorliegenden Fall von der Beklagten nicht eingehalten.

Eine andere Möglichkeit, die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung vorgerichtlich zu überprüfen, als die Überprüfung durch den MDK, haben weder das Krankenhaus noch die Krankenkasse. Denn aufgrund datenschutzrechtlicher Regelungen können keine medizinischen Daten des Versicherten unmittelbar an die Krankenkasse weitergegeben werden. § 301 SGB V sieht nur eine eingeschränkte Datenübermittlung vor. Lediglich im Rahmen der Überprüfung durch den MDK hat der MDK, nicht aber die Krankenkasse die Möglichkeit, die Behandlungsdokumentation einzusehen, die allein den Nachweis für die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung erbringen kann. Das Krankenhaus als Leistungserbringer ist verpflichtet, die zur Prüfung notwendigen Unterlagen an den MDK zu übermitteln (§ 276 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V). Dabei hat das Krankenhaus selbst nicht die Befugnis, einen Begutachtungsauftrag an den MDK zu vergeben, vielmehr muss der MDK durch die Krankenkasse eingeschaltet werden. Schaltet also die Krankenkasse den MDK nicht ein, dann nimmt sie dem Krankenhaus auch jegliche Möglichkeit, die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung vorgerichtlich nachzuweisen.

Die Beklagte hat den MDK vorgerichtlich nicht mit einem Prüfverfahren beauftragt.
Die Beklagte hat dazu die Auffassung vertreten, dass eine Einschaltung des MDK nicht notwendig gewesen sei, da unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG festgestanden habe, dass eine stationäre Behandlung nicht vorgelegen habe.
Dieses Verhalten ist jedoch nicht von § 275 Abs. 1c Sätze 1 und 2 SGB V gedeckt. Da es der Kasse vor Einschaltung des MDK in der Regel an medizinischem Sachverstand fehlt, kommt zunächst nur eine einfache Plausibilitätskontrolle in Betracht, etwa bei offenbaren Diskrepanzen zwischen Aufnahmediagnose und Verweildauer, der stationären Aufnahme in Behandlungsfällen, die üblicherweise ambulant durchgeführt werden, oder etwa einer Diskrepanz zwischen Aufnahmediagnose und Fallpauschale nach der DRG. Stehen jedoch Zweifel an der Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung inmitten, dann muss sich die Krankenkasse zur Prüfung dieser Zweifel des MDK bedienen. Die Frage der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung ist eine medizinisch zu beantwortende Frage, so dass sich die Beklagte nicht darauf zurückziehen kann, sie habe auf der Grundlage sachlicher Feststellungen anhand der vom Krankenhaus mitgeteilten Daten im Rahmen einer vergütungsrechtlichen Prüfung eine Kostenübernahme zu Recht abgelehnt.

Überdies widerspricht sich die Beklagte insofern selbst, als sie einerseits die Notwendigkeit einer vorgerichtlichen Einschaltung des MDK bestreitet, andererseits aber im Klageverfahren die Beiziehung der Behandlungsdokumentation durch das Gericht fordert, damit diese durch den MDK ausgewertet werden kann.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass vorgerichtlich eine Überprüfung durch das Krankenhaus in treuwidriger Weise vereitelt worden wäre. Die Beklagte argumentiert, dass es eine Obliegenheitsverletzung darstelle und eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben, dass sich die Klägerin auf eine Verfristung zur Einleitung des Prüfverfahrens berufen habe.
Die Beklagte ist unter Berufung auf ein Urteil des BSG vom 16.12.2008 (B 1 KR 2/08 KR R) der Auffassung, dass es weder rechtliche noch vertragliche Vorgaben gäbe, wann eine Einschaltung des MDK zu erfolgen habe. Das Gesetz sehe lediglich eine Frist vor, bis zu welchem Zeitpunkt ein Prüfverfahren möglich sei. Das Beschleunigungsgebot werde nicht verletzt, wenn die Krankenkasse vor Einschaltung des MDK Eigenrecherchen anstelle, sofern sie zur Klärung des Leistungsanspruchs erforderlich seien.
Bei dieser Argumentation übersieht die Beklagte, dass sie selbst keine eigenen Recherchen durchgeführt hat. Sie hat lediglich am 07.08.2008 den Kläger zur Rückzahlung aufgefordert unter Hinweis auf vermeintlich einschlägige Rechtsprechung des BSG, ohne dem Krankenhaus irgend eine Gelegenheit zur Erklärung der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung zu geben.
Zum anderen sind eigenständige Ermittlungen der Krankenkasse nur zulässig, soweit datenschutzrechtliche Belange des Versicherten und dessen Recht auf Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht nicht verletzt werden. Wie bereits ausgeführt, hat das Krankenhaus grundsätzlich nur dem MDK gegenüber medizinische Unterlagen zu offenbaren. Daneben hat die Krankenkasse kein eigenständiges Recht, vom Krankenhaus Einzelheiten über medizinische Befunde zu erfahren, die die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung begründen. Die Krankenkasse kann sich hierzu auch nicht auf den Vertrag gemäß § 112 Abs. 1 SGB V zu § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung berufen, der zwischen der Bayer. Krankenhausgesellschaft und u.a. dem Landesverband der Innungskrankenkassen in Bayern geschlossen worden war. Denn dieser Vertrag wurde am 03.11.2006 durch die Bayer. Krankenhausgesellschaft gekündigt, und war bei einer Kündigungsfrist von einem Jahr daher auf die Überprüfung der stationären Behandlungsnotwendigkeit des S. am 12.04.2008 nicht mehr anwendbar.

Die Beklagte argumentiert, dass nicht geregelt sei, wann ein Prüfverfahren durch den MDK einzuleiten sei, und macht damit sinngemäß geltend, dass eine derartige Überprüfung auch noch während eines Gerichtsverfahrens eingeleitet werden könnte.
Zum einen aber hat die Beklagte bis heute kein Prüfverfahren durch den MDK eingeleitet, das heißt einen Prüfauftrag an den MDK vergeben.
Zum anderen ignoriert die Beklagte damit die 6-Wochen-Frist zur Anzeige des Prüfverfahrens durch den MDK gegenüber dem Krankenhaus in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V. Sämtliche Urteile des BSG, auf die sich die Beklagte hinsichtlich einer späteren Einleitung des Prüfverfahrens beruft, beziehen sich auf Krankenhausaufenthalte vor dem 01.04.2007, d.h. dem Zeitpunkt, zu dem die 6-Wochen-Frist in Kraft getreten ist. Der Gesetzgeber hat, wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, bewusst eine Ausschlussfrist für den Beginn eines Prüfverfahrens gesetzt. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3100, S. 171, Nr. 185) führt dazu aus: "Durch Satz 2 wird nach Eingang des Rechnungsdatensatzes bei der Krankenkasse eine Ausschlussfrist von sechs Wochen eingeführt, innerhalb derer die Krankenkasse die Prüfung einzuleiten und der Medizinische Dienst dem Krankenhaus die Prüfung anzuzeigen hat. Prüfungen, die nach Ablauf dieses Zeitraums dem Krankenhaus angezeigt werden, sind nicht zulässig."

Mit dem Hinweis vom 12.08.2008 auf die 6-Wochen-Frist hat sich der Kläger gesetzeskonform verhalten. Ein treuwidriges Verhalten kann ihm in keiner Weise vorgeworfen werden. Es ist vielmehr die Beklagte, die gegen ihre Mitwirkungslast vorgerichtlich verstoßen hat, indem sie der ihr obliegenden Verpflichtung zur Einleitung des Prüfverfahrens durch den MDK nicht nachgekommen ist, und damit dem Kläger die vorgerichtlich vorgesehene Möglichkeit zum Nachweis der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung genommen hat. Dies kann vom Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 128 Rdz. 5).

Das Gericht sah sich nicht dazu verpflichtet, die Patientenakte des S. vom Kläger beizu-ziehen und der Beklagten zur Auswertung durch den MDK zur Verfügung zu stellen im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs.
Nach § 106 Abs. 1 und 2 SGG hat der Vorsitzende bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen und kann zu diesem Zweck insbesondere Krankenpapiere und Krankengeschichten beiziehen. Diese Beiziehung von Unterlagen erfolgt jedoch nur insoweit, als dies für eine Entscheidung erforderlich ist. Im vorliegenden Fall war dies jedoch zur Überzeugung des Gerichts nicht erforderlich.

Zwar ist vom Gericht grundsätzlich festzustellen, ob die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung vorlag, egal ob die objektive Beweislast beim Kläger oder bei der Beklagten liegt, und hierzu sind die notwendigen Ermittlungen durchzuführen. Das Gericht sieht sich jedoch deshalb nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet, weil die Beklagte ihrer vorgerichtlichen Obliegenheit zur Einschaltung des MDK nicht nachgekommen ist.
Die Weigerung eines Vertragspartners (hier der Beklagten), die gesetzlich vorgesehene Form der Überprüfung einzuhalten, führt zwar nicht zum sofortigen Verlust der Rechtsposition, solange eine Nachholung möglich ist. Die Überprüfung kann aber nur nachgeholt werden, solange sich der andere Vertragspartner hierauf einstellen kann und muss. Die Einleitung des Verfahrens unter Einschaltung des MDK ist deshalb dann notwendig, wenn die Krankenkasse Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterlässt sie die Einschaltung des MDK, so ist sie mit solchen Einwendungen ausgeschlossen, die vorrangig einer Nachprüfung durch den MDK zugänglich sind (vgl. BSG v. 13.12.2001 - B 3 KR 11/01 R in SozR 3-2500 § 112 Nr. 2). Die Beklagte kann die notwendige Einschaltung des MDK inzwischen auch nicht mehr nachholen. Denn § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V setzt für die Einleitung der Überprüfung ausdrücklich eine Frist von sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung. Diese Frist war bereits bei erstmaliger Erhebung der Einwendungen am 06.08.2008 abgelaufen.

Zur Überzeugung des Gerichts ist die Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten S. auch nachgewiesen. Da über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung grundsätzlich zunächst der Krankenhausarzt entscheidet und die Beklagte mangels Einschaltung des MDK keine substantiierten Einwendungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Krankenhausaufnahme vorbringen kann, spricht für das Vorliegen einer stationären Behandlung nach wie vor der durch den aufnehmenden Krankenhausarzt begründete Anscheinsbeweis, so dass sich kein Anlass für weitergehende gerichtliche Ermittlungen ergibt. Daher war vom Gericht weder die Behandlungsdokumentation beizuziehen, noch ein Sachverständigengutachten zum Nachweis der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung einzuholen. Wenn die Krankenkasse es versäumt, unter Ausschöpfung ihrer eigenen vorgerichtlichen Ermittlungs- und Überprüfungsmöglichkeiten ihre Einwendungen spezifiziert darzustellen, dann ist über die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung vom Gericht kein Beweis mehr zu erheben (Umkehrschluss aus BSG v. 22.07.2004 - B 3 KR 20/03 - in SozR 4-2500 § 112 Nr. 3).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Berufung wurde vom Gericht zugelassen, da es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt (§ 144 Abs. 2 SGG). Zu klären ist angesichts weiterer beim Sozialgericht Augsburg gegen die Beklagte anhängiger Klageverfahren mit ähnlichem Sachverhalt, inwieweit eine Aufrechnung zulässig ist, und ob im Gerichtsverfahren die innerhalb der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c SGB V von einer Krankenkasse versäumte Einschaltung des MDK durch die Beiziehung der Behandlungsdokumentation durch das Gericht und deren Auswertung durch den MDK nachgeholt werden kann.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klagantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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