S 18 KR 576/09

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 576/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 347/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 57/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kosten einer Krankenhausbehandlung, insbesondere darum, ob von dem Krankhaus der Klägerin ein Verlegungsabschlag gem. § 3 Abs. 2 der Fallpauschalenvereinbarung 2008 (FPV) vorzunehmen war, obwohl das verlegende Krankenhaus ein ausländisches Krankenhaus ist.

Streitgegenständlich ist die Behandlung der bei der Beklagten versicherten Patientin Z. im Zeitraum vom 19.10. bis 28.10.2008. Die Patientin wurde zunächst wegen einer Legionellose mit Pneumonie in einem türkischen Krankenhaus stationär behandelt und dann von dort in das Krankenhaus der Klägerin verlegt.

Die in Höhe von 6.235,97 EUR an die Beklagte gestellte Rechnung wurde zunächst in voller Höhe ausgeglichen. Am 16.12.2009 verrechnet die Beklagte aber einen Teilbetrag in Höhe von 2.609,29 EUR. Aufgrund der Verlegung aus einem anderen Krankenhaus, sei ein Verlegungsabschlag in dieser Höhe vom Rechnungsbetrag abzuziehen.

Am 23.12.2009 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Sie meint, ein Verlegungsabschlag sei nur dann vorzunehmen, wenn sowohl das verlegende als auch das aufnehmende Krankenhaus in den räumlichen Geltungsbereich des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) fielen. § 3 Abs. 2 FPV könne nicht losgelöst von § 3 Abs. 1 FPV gesehen werden. Beide Vorschriften bildeten einen Regelungskomplex, der auf § 17b KHG beruhe. Diese Norm gelte aber für das verlegende türkische Krankenhaus nicht. Eine Anwendung der Abschlagsregelung sei daher systemwidrig.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.609,29 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie meint, in den Abrechnungsbestimmungen sei der Krankenhausbegriff nicht näher definiert. Der streitgegenständlichen Vorschrift sei nicht zu entnehmen, dass sie nur für inländische Krankenhäuser Geltung erlangen solle. Die Interessenlage sei bei einer deutschen verlegenden Klinik aber dieselbe, wie bei einem Verlegungsfall aus dem Ausland; in beiden Fällen sei ein Teil der Behandlung in dem verlegenden Krankenhaus durchgeführt worden. Das verlegende Krankenhaus erhalte hierfür eine Vergütung. Der Verlegungsabschlag bilde pauschal ab, dass das aufnehmende Krankenhaus mit dem medizinischen Sachverhalt nur noch einen geringeren Aufwand zu bewältigen habe.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruch der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 2, 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit dem Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gem. § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V, der Pflegesatzvereinbarung des Krankenhauses der Klägerin und der genehmigten Entscheidung der Schiedsstelle. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkassen entsteht unabhängig von einer Kostenzusage der Krankenkasse unmittelbar mit einer Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in den §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträgern festgelegt wird. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen, wobei unter Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ein Krankheitszustand zu verstehen ist, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Eine Krankenkasse ist nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung verpflichtet, die vereinbarten Entgelte zu zahlen, wenn die Versorgung im Krankenhaus im Sinne von § 39 SGB V erforderlich ist (BSG, Urteile vom 13. Mai 2004 und 28. September 2006).

Die medizinische Notwendigkeit der Krankenhausversorgung steht im vorliegenden Fall nicht im Streit. Hinweise darauf, dass diese hier nicht vorliegen würde, hat die Kammer nicht.

Ein Verlegungsabschlag war gem. § 3 Abs. 2 FPV vorzunehmen. Nach dieser Regelung ist im Falle einer Verlegung aus einem anderen Krankenhaus von dem aufnehmenden Krankenhaus ein Abschlag entsprechend den Vorgaben des Absatzes 1 vorzunehmen, wenn die im Fallpauschalenkatalog ausgewiesene mittlere Verweildauer im aufnehmenden Krankenhaus unterschritten wird.

Im vorliegenden Fall wurde die mittlere Verweildauer im Krankenhaus der Klägerin unstreitig unterschritten.

§ 3 Abs. 2 FPV ist auch anwendbar, obwohl das verlegende Krankenhaus nicht dem Geltungsbereich des KHG unterfällt. § 3 Abs. 2 FPV lässt bereits seinem Wortlaut nach keine Beschränkung in diesem Sinne erkennen. Der Krankenhausbegriff wird vielmehr nicht näher definiert. Systematisch geht die FPV zwar auf § 17b KHG zurück. Ein zwingender systematischer Grund, warum dieser Zusammenhang dazu führen soll, unter den Begriff des verlegenden Krankenhauses nur solche Kliniken zu subsumieren, die dem KHG unterliegen, vermag die Kammer nicht zu erkennen.

Zu Recht zieht die Beklagte daher den Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Abs. 2 FPV für die Auslegung heran. Das Erfordernis, dass der Abschlag nur dann vorzunehmen ist, wenn die mittlere Verweildauer unterschritten ist, zeigt, dass der Grund für den Verlegungsabschlag darin zu sehen ist, dass in diesen Fällen das aufnehmende Krankenhaus von der Vorbehandlung im verlegenden Krankenhaus profitiert und die Behandlung einen geringeren medizinischen Aufwand nach sich zieht. In diesen Fällen wäre es nicht gerechtfertigt, dem aufnehmenden Krankenhaus die ungekürzte Fallpauschale zuzubilligen, weil diese für die vollständige Krankenhausbehandlung errechnet wurde und nicht nur für die Durchführung nur eines (abschließenden) Behandlungsabschnitts.

Zwar sieht die Kammer schon, dass es je nach Güte und Standard der ausländischen Behandlung auch der Fall sein kann, dass das aufnehmende Krankenhaus nicht von einer vorangegangen Behandlung profitiert oder wegen der Notwendigkeit der Übersetzung von Vorbefunden oder einer erneut notwendigen Diagnosestellung evtl. sogar einen höheren oder zumindest gleichen Aufwand hat. Diese Fälle, die sich in der Praxis auf Einzelfälle reduzieren dürften, werden jedoch dadurch ausgefiltert, dass dann auch die mittlere Verweildauer regelmäßig nicht unterschritten wird.

In den übrigen Fällen besteht vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks des § 3 Abs. 2 FPV kein Unterschied, ob das verlegende Krankenhaus dem KHG unterfällt oder nicht.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Rechtskraft
Aus
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