L 20 AS 22/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 2/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AS 22/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 103/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Auf Revision des Bekl. wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an LSG zurückverwiesen! Neues Az =
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 03.02.2009 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen des Zuflusses von Zinseinkünften aus angelegten Schmerzensgeldzahlungen teilweise aufgehoben und von ihnen die Erstattung überzahlter Leistungen gefordert hat.

Die am 00.00.1967 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1) ist die Mutter des am 00.00.1989 geborenen Klägers zu 3) und des am 00.00.1991 geborenen Klägers zu 4). Die Klägerin ist mit dem am 00.00.1968 geborenen, erwerbsfähigen Kläger zu 2), dem Stiefvater der Kläger zu 3) und 4) verheiratet. Der Kindesvater leistete keinen Unterhalt.

Die Kläger wohnen zur Miete in einem 1972 fertiggestellten Haus mit einer Wohnfläche von 120 m². Die Miete beträgt 660,00 EUR netto-kalt zuzüglich 100,00 EUR Nebenkosten. Die Heizung wird mit Heizöl betrieben. Die Warmwasserversorgung im Haus erfolgt über die Heizungsanlage. Das Haus befindet sich in X. Für diese Gemeinde besteht kein Mietspiegel. Für die Kinder wurde im streitigen Zeitraum Kindergeld von jeweils 154,00 EUR gezahlt. Der Kläger zu 2) ist selbständig tätig. Ausweislich der Gewinnermittlung des Klägers zu 2) erzielte er im Jahr 2004 einen Gewinn von 3.727,02 EUR (= 310,58 EUR pro Monat). Im Jahr 2005 erzielte er einen monatlichen Gewinn von 318,21 EUR. Der Kläger zu 2) erhielt in der Zeit vom 19.06.2005 bis 18.06.2006 einen Existenzgründungszuschuss in Höhe von 360,00 EUR (Bescheid vom 11.07.2006) und ab 19.06.2006 in Höhe von 240,00 EUR monatlich. Aufgrund des Existenzgründungszuschusses zahlt der Kläger zu 2) Rentenbeiträge in Höhe von 78,00 EUR monatlich.

Wegen der bei einem Kirmesunfall am 00.09.2002 von den Klägern zu 3) und 4) davongetragenen Verletzungen erhielten diese sowie die Klägerin zu 1) ein Schmerzensgeld in Höhe eines von 132.500,00 EUR auf der Grundlage eines Abfindungsvergleiches vom 05.10.2004. Die Auszahlung eines Betrages in Höhe von 102.500,00 EUR (132.500,00 EUR abzüglich eines zuvor geleisteten Vorschusses von 30.000,00 EUR) erfolgte am 15.10.2004. Nach Eröffnung entsprechender Aktiendepots legte die Klägerin zu 1) einen Teilbetrag von jeweils 39.349,75 EUR auf die Namen der Kläger zu 3) und 4) sowie in Höhe eines Betrages von 19.674,88 EUR auf ihren Namen an.

Hieraus wurden dem Konto der Klägerin zu 1) Zinsen in Höhe von 51,48 EUR am 12.01.2005 sowie in Höhe von 420,00 EUR am 04.10.2005 gutgeschrieben. Entsprechende Zinsgutschriften erfolgten zugunsten des Kontos des Klägers zu 3) am 04.10.2005 in Höhe von 1.200,00 EUR und am 22.12.2005 in Höhe von 214,52 EUR sowie zugunsten des Kontos des Klägers zu 4) am 04.10.2005 in Höhe von 1.200,00 EUR sowie am 22.12.2005 in Höhe von 286,03 EUR.

Aufgrund eines (Erst-) Antrags vom 22.12.2004 bezogen die Kläger seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II. Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) bewilligte der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 10.01.2005 für den Monat Januar 2005 Gesamtleistungen von 764,60 EUR, für den Monat Februar 2005 von 1.170,10 EUR, für die Monate März bis Mai 2005 von 1.221,10 EUR und für den Monat Juni 2005 von 1.385,27 EUR. Mit Bescheid vom 05.08.2005 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum 01.09.2005 bis 28.02.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 1.333,66 EUR. Den Bescheid vom 05.08.2005 änderte er mit Bescheid vom 18.08.2005 wegen eines "Wegfalls der Versicherungspauschale" ab und gewährte für den gesamten Bewilligungszeitraum monatliche Leistungen von 1.363,66 EUR. Mit Bescheid vom 01.03.2006 gewährte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Monate März bis Mai 2006 Leistungen in Höhe von 825,00 EUR, für den Monat Juni 2006 Leistungen in Höhe von 949,20 EUR und für die Monate Juli und August 2006 in Höhe von 1.165,20 EUR. Mit (vorläufigem) Änderungsbescheid vom 12.06.2006 berechnete der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum Juli und August 2006 unter Berücksichtigung gekürzter Kosten der Unterkunft und Heizung neu und bewilligte den Klägern Leistungen in Höhe von monatlich 965,51 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 21.08.2006 berechnete der Beklagte die Leistungen für den Bewilligungszeitraum März 2006 bis August 2006 wegen geänderten Einkommens des Klägers zu 2) neu. Nunmehr bewilligte er für die Monate März bis Mai 2006 Leistungen in Höhe von 887,45 EUR, für den Monat Juni 2006 in Höhe von 935,45 EUR und für die Monate Juli und August 2006 in Höhe von 979,45 EUR. Ein wegen des Bewilligungszeitraumes März 2006 bis August 2006 geführtes weiteres Berufungsverfahren (L 20 AS 35/08) ist durch gerichtlichen Vergleich vom 14.01.2010 beendet worden.

Auf Grund eines Datenabgleichs erlangte die Beklagte im Oktober 2006 Kenntnis von den Zinseinkünften der Kläger. Die Kläger teilten auf Befragen mit, sie hätten von den Zinseinkünften Kosten für Heizung und Strom getragen. Nach Auswertung der in diesem Zusammenhang angeforderten Unterlagen hob der Beklagte mit einem an die Klägerin zu 1) adressierten Bescheid vom 10.01.2007 die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2005 in Höhe eines Betrages von 1.926,35 EUR teilweise auf. Gleichzeitig setzte sie die zu erstattenden Leistungen auf einen Betrag in Höhe von 1.926,35 EUR (dabei wurde der Betrag wie folgt erklärt: überzahlte Regelleistung in Höhe von 991,87 EUR zzgl. Sozialgeld in Höhe von 244,00 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 690,48 EUR) fest. Eine weitere Aufschlüsselung nach den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft erfolgte nicht. Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei Einkommen erzielt worden, das zum Wegfall oder zur Minderung des Leistungsanspruchs geführt habe. Es erfolge eine Aufrechnung in Höhe einer monatlichen Rate von 435,00 EUR gegen die laufenden Leistungen. Bei der Entscheidung habe er von dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs führte die Klägerin zu 1) aus, sie habe keine Leistungen zu Unrecht erhalten. Die Zinseinkünfte seien vielmehr zur Deckung der Heizkosten, welche der Beklagte nicht berücksichtigt habe, verwendet worden.

Mit Schreiben vom 30.10.2007 hörte der Beklagte die nunmehr jeweils als Adressaten benannten Kläger "nachträglich" zu dem Bescheid vom 10.02.2007 an sowie zu einer weitergehenden Aufhebung und Rückforderung. Dabei wurde bereits im Anhörungsschreiben für jeden der Kläger gesondert dargestellt, in welchem Umfang jeweils eine Aufhebung und Rückforderung beabsichtigt sei. Der jeweilige Betrag wurde ausgeworfen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Anhörungsschreiben vom 30.10.2007 verwiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2007, zugestellt am 06.12.2007, nahm der Beklagte den Bescheid vom 23.11.2007 insoweit gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zurück, als nur ein Betrag von 1.926,35 EUR geltend gemacht worden sei. Er hob den Bescheid vom 10.01.2005 für Januar 2005 auf der Grundlage von § 45 SGB X, vom 05.08.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.08.2005 für Oktober 2005 bis Februar 2006 auf der Grundlage von § 48 SGB X sowie den Bescheid vom 01.03.2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21.08.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2006 wiederum auf der Grundlage von § 45 SGB X für März 2006 bis Mai 2006 teilweise auf und setzte den von der Klägerin zu 1) zu erstattenden Betrag auf 244,96 EUR, für den Kläger zu 2) auf 244,95 EUR, für den Kläger zu 3) auf 1.519,38 EUR sowie für den Kläger zu 4) auf 1.333,02 EUR, insgesamt auf einen Betrag in Höhe von 3.342,31 EUR fest. Im Übrigen wies er den Widerspruch mit der Begründung zurück, die der Klägerin zu 1) und den Klägern zu 3) und 4) zugeflossenen Zinseinkünfte seien als einmaliges Einkommen im Rahmen der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen und auf einen angemessenen Zeitraum - von sechs Monaten - zu verteilen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

Hiergegen haben die Kläger am 07.01.2008, einem Montag, Klage beim Sozialgericht Aachen erhoben. Zu deren Begründung haben die Kläger ausgeführt, die Zinseinkünfte seien aus dem anlässlich des Unfalls gezahlten Schmerzensgeld zugeflossen und daher weder als Einkommen noch als Vermögen bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Der Kläger zu 4) sei schwerbehindert und müsse eine kostenpflichtige Privatschule besuchen. An die Heinrich-Corsten-Schule in Simmerath sei am 04.12.2006 ein Betrag von 3.682,38 EUR gezahlt worden.

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid vom 10.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2007 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er in Ergänzung der angefochtenen Bescheide ausgeführt, die Zinseinkünfte seien als Einkommen zu berücksichtigen. Diese seien insbesondere nicht durch die Vorschrift des § 11 Abs. 3 SGB II geschützt. Aufwendungen für eine Privatschule könnten nicht berücksichtigt werden.

Mit Urteil vom 03.02.2007 hat das Sozialgericht Aachen die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt:

"Nach § 11 Abs. 1 SGB II sind Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Ausgenommen sind kraft Gesetzes jedoch die in § 11 Abs. 1 SGB II sowie in § 11 Abs. 3 SGB II und § 1 Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld Il/Sozialgeld (Alg ll-V) genannten Leistungen und Zuflüsse. Demgegenüber sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Da das Gesetz eine weitergehende Definition der Begriffe Einkommen und Vermögen nicht enthält, erfolgt die Abgrenzung nach der bereits zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entwickelten sog. Zuflusstheorie (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.03.2006, Az.: L 20 B 72/06 AS, www.sozialgerichtsbarkeit.de; Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rn. 21 m.w.N.; zum BSHG: BVerwG, Urteil vom 18.02.1999, Az.: 5 C 35/97, www.juris.de; Urteil vom 19.02.2001, Az.: 5 C 4/00, www.juris.de). Danach ist Einkommen alles, was dem Leistungsberechtigten während eines Bedarfszeitraums zufließt. Demgegenüber ist als Vermögen im Sinne eines Bestandes von Sachen und Rechten alles anzusehen, was der Hilfebedürftige bei Beginn des Leistungsbezuges bereits hat oder was er nach Beginn des Leistungsbezugs aus der Verwertung eines Vermögensgegenstandes erhält (BVerwG, Urteil vom 18.02.1999, a.a.O.). Eine ähnliche Abgrenzung nimmt auch das BSG im Arbeitsförderungsrecht vor, indem es als Einkommen all das ansieht, was zufließt, während als Vermögen ein Bestand von Sachen und Rechten (mit Geld oder Geldeswert) in der Hand des Berechtigten anzusehen ist (BSG, Urteil vom 11.02.1976, Az.: 7 RAr 159/74, BSGE 41, 187 ff., 188; Urteil vom 20.06.1978, Az.: 7 RAr 47/77, SozR 4100 § 138 Nr. 3). Dieser Differenzierung ist auch für den Anwendungsbereich des SGB II zu folgen. Entscheidend ist somit einzig, ob der Wert bereits vor Leistungsbezug vorhanden war - dann ist dieser als Vermögen einzuordnen - oder ob er erst während des Leistungsbezugs erlangt worden ist, dann handelt es sich um Einkommen (BSG, Urteil vom 30.09.2008, Az.: B 4 AS 29/07 R, www.bundessozialgericht.de m.w.N.; LSG NRW, Urteil vom 20.08.2007, Az.: L 20 AS 99/06). Da die Schmerzensgeldforderung spätestens im Oktober 2004 und damit vor erstmaliger Beantragung der Leistungen der Klägerin zu 1) und den Klägern zu 3) und 4) zugeflossen ist, handelt es sich hierbei, soweit diese bei Beginn des Leistungsbezugs noch vorhanden ist, nach der Zuflusstheorie um Vermögen. Demgegenüber sind die aus der Schmerzensgeldforderung nach erstmaliger Antragstellung erzielten Zinsen grundsätzlich als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II einzuordnen und teilen damit im Ergebnis grundsätzlich nicht das rechtliche Schicksal des Vermögens (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008, Az.: B 4 AS 57/07 R, Rn. 17 f., www.bundessozialgericht.de).

Soweit danach während des Leistungsbezugs ausgezahlte Zinsen grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen sind, ist deren Berücksichtigung im Falle von Zinseinkünften aus Schmerzensgeld dennoch ausgeschlossen. Dies folgt zwar nicht bereits aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 1 Nr. 1 ALG ll-V, da die der Klägerin zu 1) im Januar 2005 zugeflossenen Zinseinkünfte in Höhe von 51,78 EUR bereits für sich genommen einen Betrag von 50,00 EUR im Kalenderjahr übersteigen. Zinsen aus Schmerzensgeld werden jedoch durch die Regelung des § 11 Abs. 3. Nr. 2 SGB II geschützt. Hiernach sind als Einkommen solche Entschädigungen nicht zu berücksichtigen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geleistet werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dem steht nicht entgegen, dass § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II seinem Wortlaut nach nur die Entschädigung selbst, also das der Klägerin zu 1) und den Klägern zu 3) und 4) im Oktober 2004 zugeflossene Schmerzensgeld, nennt. Die Regelung ist jedoch dahingehend auszulegen, dass auch die aus der Entschädigung gezogenen Früchte, so insbesondere Kapitalzinsen, von der Berücksichtigung als Einkommen ausgeschlossen sind. Dies folgt insbesondere aus dem Zweck des gewährten Schmerzensgeldes selbst sowie den damit untrennbar verbundenen rechtlichen Folgen im Rahmen der Berücksichtigung des Schmerzensgeldes als Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11 und 12 SGB II.

Das Schmerzensgeld dient dem Zweck, einen angemessenen Ausgleich für einen erlittenen immateriellen Schaden sowie eine Genugtuung für das erlittene Unrecht zu gewähren. Da dieser Ausgleich gerade nicht von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erfasst wird und der Zweck des Schmerzensgeldes als solcher im Falle einer Berücksichtigung vereitelt würde, ist ein gezahltes Schmerzensgeld selbst im Rahmen der §§ 11, 12 SGB II umfassend geschützt. Handelt es sich hierbei um Einkommen, folgt der Schutz bereits aus § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Soweit demgegenüber eine Berücksichtigung als Vermögen in Betracht kommt, enthält zwar § 12 SGB II eine dem § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II entsprechende ausdrückliche Regelung nicht. Die Verwertung des Vermögens aus einer Schmerzensgeldzahlung stellt jedoch eine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II dar, welche zur Unverwertbarkeit dieses Vermögens führt (BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14/7b AS 6/07 R, Rz. 16, www.bundessozialgericht.de; Bayerisches LSG, Urteil vom 31.08.2006, Az.: L 7 AS 3/06, www.sozialgerichtsbarkeit.de; zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG): BVerwG, Urteil vom 18.05.1995, Az.: 5 C 22/93, NJW 1995, S. 3001). Hierfür spricht neben dem Zweck des Schmerzensgeldes insbesondere, dass anderenfalls ein Schmerzensgeld, welches im Monat seines Zuflusses als Einkommen nicht zu berücksichtigen wäre, ab dem Folgemonat gleichwohl der vollen Verwertung als Vermögen unterliegen würde. Dies würde jedoch dem Schutzgedanken des § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II und dem bereits dargelegten Zweck des Schmerzensgeldes widersprechen (Bayerisches LSG, Urteil vom 31.08.2006, a.a.O.) Dabei ist der sich aus den gesetzlichen Vorschriften ergebende Schutz nicht auf bestimmte Vermögensteile oder Freibeträge beschränkt. Vielmehr greift ein umfassender Schutz ein mit der Folge, dass das Schmerzensgeld jeweils in seiner gesamten noch vorhandenen Höhe nicht zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 15.04.2008, a.a.O., Rz. 19), wobei eine Unterscheidung zwischen Entschädigungsleistung und vor Leistungsbezug zugeflossenen Zinsen nicht zu erfolgen hat. Hierfür spricht, dass sich die Höhe der Entschädigung allein nach der Schwere der Schädigung und dem Gewicht des erlittenen Unrechts bestimmt mit der Folge, dass eine Beschränkung der freien Verfügbarkeit nicht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil vom 18.05.1995, a.a.O.; VG Münster, Urteil vom 07.03.2006, Az.: 5 K 2547/04, www.beck-online.de). Unerheblich ist daher insbesondere, ob das Schmerzensgeld zeitnah zugeflossen ist oder der Betroffene dieses über einen längeren Zeitraum nicht verbraucht hat, da es grundsätzlich der Dispositionsfreiheit des Geschädigten obliegt, wie er mit den zum Ausgleich immaterieller Schäden gezahlten Beträgen umgeht (BSG, Urteil vom 15.04.2008, a.a.O., Rz. 19).

Ist jedoch das Schmerzensgeld im Zeitpunkt seines Zuflusses als Einkommen unmittelbar durch § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II geschützt und setzt sich dieser Schutz im Rahmen der Prüfung der Verwertbarkeit des aus diesem Zufluss folgenden Vermögens fort, so sind auch die aus dem Schmerzensgeld gewonnenen Früchte in diesen Schutz mit einzubeziehen (VG Münster, Urteil vom 07.03.2006, a.a.O.). Das Schmerzensgeld kann grundsätzlich nicht losgelöst von den hieraus gezogenen Zinsen gesehen werden. Dem steht nicht entgegen, dass grundsätzlich auch Zinseinkünfte aus Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 SGB II zu berücksichtigende Einnahmen im Sinne des § 11 SGB II sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30.09.2008, a.a.O.). Vielmehr besteht zwischen dem erworbenen Kapital und den hieraus gezogenen Zinsen ein untrennbarer Zusammenhang, welcher den Schutz dieser Einnahmen rechtfertigt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass eine Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB grundsätzlich sowohl als Festbetrag als auch als laufende Rentenleistung gezahlt werden kann. Dabei ist ungeachtet der Auszahlungsvariante unter Ausübung eines entsprechenden Schätzungsermessens die Entschädigung der Höhe nach so zu bestimmen, dass diese ihre Funktion als "billiger" Schadensausgleich erfüllen kann (BGH, Urteil 15.05.2007, Az.: VI ZR 150/06, Rz. 9, www.juris.de). Erfolgt die Auszahlung einer Entschädigung als Rente, so ist der monatliche Zahlbetrag ausgehend von einem festen Kapitalbetrag unter Berücksichtigung einer angemessenen Verzinsung dieses Betrages auf der Grundlage der voraussichtlichen Lebenserwartung des Geschädigten sowie entsprechender Kapitalisierungstabellen zu errechnen. Auf diese Weise wird die fehlende Möglichkeit des Geschädigten, den Entschädigungsbetrag gewinnbringend anzulegen, ausgeglichen. Dadurch wird zugleich eine Benachteiligung gegenüber denjenigen Geschädigten vermieden, die wegen der Auszahlung des Festbetrages gerade die Möglichkeit zur Anlage haben (BGH, Urteil vom 15.05.2007, a.a.O., Rz. 15). Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang auch, dass ein Geschädigter bei Gewährung einer entsprechenden Rentenzahlung, anders als bei Zahlung des Festbetrages, grundsätzlich die Möglichkeit hat, eine Anpassung der Rentenhöhe durch Erhebung einer Abänderungsklage nach § 323 Zivilprozessordnung (ZPO) zu erreichen. Diese ist zwar an strenge Voraussetzungen gebunden, jedoch auch bei einer Änderung der Lebenshaltungskosten nicht von vornherein ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 15.05.2007, a.a.O., Rz. 11). Demgegenüber trägt das Risiko geänderter Verhältnisse im Falle der Zahlung eines Festbetrages der Geschädigte, der zum Ausgleich auf die Möglichkeit der gewinnbringenden Anlage angewiesen ist (VG Karlsruhe, Urteil vom 17.01.2006, Az.: 5 K 4146/04, www.beck-online.de). Der Bedeutung der Zinsen im Rahmen der Bestimmung der angemessenen Entschädigungsleistung würde jedoch nicht in hinreichendem Umfang Rechnung getragen, wenn diese als Bestandteil einer monatlichen Rentenzahlung bereits nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II unberücksichtigt blieben, demgegenüber aber bei selbständiger Auszahlung nach Gewährung eines Festbetrages als Einkommen anzurechnen wären."

Gegen das dem Beklagten am 09.03.2009 zugestellte Urteil richtet sich dessen Berufung vom 06.04.2009. Er führt aus: Zwar sei das Schmerzensgeld selbst unstreitig als Vermögen gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II geschützt. Auch bei einem Zufluss während des Leistungsbezuges wäre es als Einkommen wegen § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II geschützt gewesen. Bei den Zinseinkünften handele es sich um Einkünfte, was auch das Sozialgericht anerkenne. Jedoch bestehe entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Schmerzensgeld und den daraus erwirtschafteten Einkünften. Der Zweck des Schmerzensgelds sei mit Zahlung einer "billigen" Summe im Sinne des § 253 BGB erfüllt. Der Geschädigte habe keinen Anspruch darauf, erst einen angemessenen Ausgleich für die erlittenen Schäden zu erwirtschaften. Der Vergleich mit einer Entschädigung durch laufende Rentenzahlung gehe fehl.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 03.02.2009 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten an ihrer Auffassung fest, dass auch Zinsen aus Schmerzensgeldzahlungen im Rahmen der Leistungsbewilligung nach dem SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien, und mithin die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Die Beteiligten haben überdies in der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2011 übereinstimmend erklärt, dass hinsichtlich der Leistungsbewilligung in den Jahren 2005 und 2006 kein Streit mehr hinsichtlich der Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung und hinsichtlich der Anrechnung von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Vorprozessakte L 20 AS 35/08 sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung sein wird.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Beklagten ist statthaft (§§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig.

Insbesondere ist das beklagte Jobcenter gemäß § 70 Nr. 1 SGG kraft Gesetzes mit Wirkung vom 01.01.2011 als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis beteiligtenfähig. Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist das Jobcenter an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE) getreten. Auch im Berufungsverfahren begründet der kraft Gesetzes eingetretene Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II keine unzulässige Klageänderung. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 03.08.2010 (BGBl. I 1112) bestehen nicht (vgl. zu alledem BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 90/10 R).

Das Passivrubrum ist entsprechend von Amts wegen zu berichtigen gewesen.

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

1. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 10.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2007, mit dem der Beklagte die Leistungsbewilligungen an die Kläger mit Bescheiden vom 10.01.2005, vom 05.08.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.08.2005 sowie vom 01.03.2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 21.08.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2006 wegen des Zuflusses von Zinseinkünften geändert und die Kläger zur Erstattung eines Betrages von 3.342,31 EUR aufgefordert hat.

2. Das Sozialgericht hat der insoweit statthaften (§ 54 Abs. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässigen Anfechtungsklage zu Recht stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der Bescheid vom 10.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2007 hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand und beschwert die Kläger daher im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG.

a) Die durch die streitgegenständlichen Bescheide (teilweise) aufgehobenen Leistungsbewilligungen sind nicht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X wegen einer wesentlichen Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse rechtswidrig geworden. Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitslosenförderung (SGB III) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt insoweit in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Der Beginn des Anrechnungszeitraumes einmaliger Einnahmen im SGB II ist nach § 13 SGB II i. V. m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Alg II-V i. d. F. vom 22.8.2005 (BGBl. I 2499) der Beginn des Monats, in dem sie zufließen (vgl. auch hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 18.01.2011 a. a. O.).

Auch der Betrag von 51,48 EUR wurde dem Konto der Klägerin zu 1) erst am 12.01.2005 und damit evtl. nach Erlass des Bescheides vom 10.01.2005, gutgeschrieben, so dass auch insoweit die Aufhebung (allenfalls) auf § 48 SGB X gestützt werden könnte. Jedenfalls aber liegen mangels Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide aufgrund des Zuflusses der Zinseinkünfte auch die Voraussetzungen für eine (teilweise) Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 10.01.2005 gemäß § 45 SGB X nicht vor.

b) Grundsätzlich stellen die Zinseinkünfte, die nach Antragstellung zugeflossen sind, auch Einkommen im Sinne des § 11 Abs.1 Satz 1 SGB II dar. Denn danach sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem BVG oder nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG.

Das BSG hat insoweit für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu Recht bereits entscheiden, dass Zinsgutschriften etwa aus Sparguthaben Einnahmen in Geld und als Einkommen des Hilfebedürftigen zu berücksichtigen sind, wenn der Zufluss nach Antragstellung erfolgt (BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R = FEVS 60, 392). Zinseinkünfte aus Schmerzensgeld unterfallen den § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II genannten Ausnahmen nicht. Unproblematisch dürfte insoweit - eine Ausnahme von der Berücksichtigungsfähigkeit der Zinseinkünfte als Einkommen unterstellt - auch eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X anzunehmen sein, da die Kläger infolge des Einkommenszuflusses in die Lage versetzt gewesen wären, einen Teil ihres Lebensunterhalts in den jeweiligen Bewilligungszeiträumen zu decken. Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wäre in Höhe des zu berücksichtigenden Zuflusses entfallen.

Die aus Schmerzensgeld erwirtschafteten Zinseinkünfte sind jedoch gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II als Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 BGB geleistet werden, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Der Senat nimmt insoweit zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der Senat schließt sich insoweit der bisher in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - einhellig und überzeugend vertretenen Auffassung an, dass zwischen dem Schmerzensgeld selbst und den aus ihm erzielten Zinsen ein untrennbarer Zusammenhang bestehe (Verwaltungsgericht (VG) Münster, Urteil vom 07.03.2006 - 5 K 2547/04; Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.04.2006 - L 8 SO 50/05; SG Karlsruhe, Urteil vom 27.01.2010 - S 4 SO 1302/09).

Auch in der (Kommentar-) Literatur wird - soweit diese Problematik behandelt wird - auf die vorstehend zitierte Rechtsprechung Bezug genommen (Brühl in: LPK-SGB II, § 11 Rn. 71) bzw. sich - weit überwiegend - dieser explizit angeschlossen (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, 32. Erg.-Lfg. VI/2010, § 11 Rn. 690; Hohm in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2011, § 82 SGB XII Rn. 22 zu der § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII inhaltlich entsprechenden Regelung des § 83 Abs. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII); ebenso Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage 2010, § 83 SGB XII Rn. 16; Schmidt in: jurisPK-SGB XII, § 83 SGB XII Rn. 17; Decker in: Oestreicher, SGB II, SGB XII, § 83 SGB XII Rn. 22; Wolf in: Fichtner/wenzel, SGB XII, 4. Auflage 2009, § 83 SGB XII Rn. 7; a. A. soweit ersichtlich nur Steimer in: Mergler/Zink, SGB XII, Stand August 2008, § 83 Rn. 34 unter Verweis auf ein Gutachten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge vom 23.10.2002 - G 33/02 in: NDV 2003, 35 zu § 847 BGB a. F.).

Höchstrichterliche Rechtsprechung zu der hier streitigen Rechtsfrage existiert weder für das SGB II noch für das SGB XII. Die auf das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen (a. a. O.) beim BSG anhängig gemachte Revision wurde zurückgenommen.

Die in Bezug auf (sonstiges) Schonvermögen bzw. (verwertungs-) geschütztes Vermögen ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Regelungen des SGB II bzw. SGB XII wird den die Natur des Schmerzensgeldes Rechnung tragenden Regelungen des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II und § 83 Abs. 2 SGB XII nicht gerecht. Das gilt zum einen für die Rechtsprechung des BSG, wonach Zinsgutschriften aus Sparguthaben bei Zufluss nach Antragstellung auch dann als Einnahmen in Geld und als Einkommen des Hilfebedürftigen zu berücksichtigen sind, wenn es sich beim verzinsten Kapital um Schonvermögen handelt (BSG, Urteil vom 30.09.2008 a. a. O.), zum anderen auch für die Ausführungen des BSG (Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 2/09 R) im Zusammenhang mit geschütztem Vermögen aus einer Rente der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" (Verweis auf BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 - 5 C 2/88 = FEVS 43, 353). Soweit der Sozialhilfesenat des BSG in diesem Zusammenhang darauf abstellt, Zinseinkünfte selbst würden vom Schutzzweck des maßgeblichen Stiftungsgesetzes nicht erfasst, weil sie auf Leistungen Dritter - der Bank - und mit diesen abgeschlossenen Rechtsgeschäften beruhten, liegt zur Überzeugung des Senats von vornherein eine vergleichbare Fallgestaltung (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.04.2006 a. a. O.) nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat im Zusammenhang mit der Frage des Einsatzes von aus einer Beschädigtengrundrente angespartem Vermögen mit Blick auf Gewährung von Eingliederungshilfe für eine Heimerziehung zuletzt ohnehin ausdrücklich offen gelassen, inwieweit "Zinseinkünfte aus verwertungsgeschütztem Vermögen ihrerseits ausnahmsweise von der Anrechnung freizustellen wären" (BVerwG, Urteil vom 27.05.2010 - 5 C 7/09).

Der Senat ist der Auffassung, dass grundsicherungsrechtlich wie sozialhilferechtlich (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage 2010, § 83 SGB XII Rn. 16 unter Verweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, a. a. O.; ebenso Schmidt in jurisPK-SGB XII, 1. Auflage 2010 Stand 01.03.2011, § 83 Rn. 17) die Herkunft der Zinseinkünfte aus den Schmerzensgeldzahlungen und deren Zweck eine Auslegung der Vorschrift des § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II im hier vertretenen Sinn geradezu zwingend erscheinen lassen. Der Wortlaut der Vorschrift steht dem nicht entgegen. Vielmehr können auch Zinseinkünfte den durch § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II ausdrücklich privilegierten Entschädigungszahlungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 BGB geleistet werden, zugerechnet werden. Nur dieses weite Verständnis der Vorschrift garantiert, dass die freie Verfügbarkeit des zum Ausgleich der erlittenen Schädigung erhaltenen Schmerzensgeldes nicht dessen Zielsetzung widersprechend in unangemessener Weise eingeschränkt wird (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Urteil vom 18.05.1995 a. a. O.).

Hingegen verliert die Argumentation des Beklagten bereits den Zweck der Schmerzensgeldzahlung aus den Augen, wenn er davon ausgeht, die Zinszahlung sei nicht Teil der zu gewährenden "billigen Entschädigung" im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB. Diese rein punktuelle Betrachtung (vgl. auch Gutachten des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge vom 23.10.2002 - G 33/02 in: NDV 2003, 35 zu § 847 BGB a. F.) wird der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes (vgl. hierzu etwa zuletzt BVerfG Beschluss vom 16.03.2011 - 1 BvR 591/08 und Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003, § 253 Rn. 10 f.) nicht gerecht. Den Hilfebedürftigen muss es dieserhalb vielmehr möglich sein, auch "die Früchte der Schmerzensgeldzahlung" zu ziehen (so VG Münster a. a. O.). Insoweit ist die Annahme eines untrennbaren Zusammenhangs von Schmerzensgeld einerseits und den daraus erwirtschafteten Zinsen vorgezeichnet.

Die entsprechende Schlussfolgerung erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil die Form der Auszahlung des Schmerzensgeldes nicht entscheidend für die Frage der Berücksichtigung der Zinseinkünfte als Einkommen sein kann (ebenso etwa, Decker a. a. O.). Die Privilegierung des § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II greift vielmehr unabhängig davon, ob das Schmerzensgeld als Geldrente oder Kapitalbetrag zugebilligt wird (so auch Hengelhaupt a. a. O.). Dies ergibt sich, wenn man die verschiedenen Auszahlungsformen des Schmerzensgeldes vergleicht. Die Bemessung eines monatlichen Rentenbetrages ist (auch in Fällen der Kombination mit der Gewährung eines Kapital-(teil)-betrages so zu bemessen, dass er kapitalisiert der Größenordnung nach einem (ausschließlich) in Kapitalform zuerkannten Betrag zumindest annähernd entspricht (vgl. zuletzt Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 15.05.2007 - VI ZR 150/06). Dabei wird in die Vergleichsberechnung regelhaft eine Verzinsung des Kapitalbetrages eingestellt (vgl. etwa BGH a. a. O.: Zinssatz von 5 %). Trägt diese Art der Berechnung der Tatsache Rechnung, dass der Geschädigte, soweit ihm Schmerzensgeldrente statt des Kapitalbetrages zuerkannt wird, gehindert ist, das Kapital gewinnbringend anzulegen, wohingegen der Schädiger die Möglichkeit hat, die Renten aufgrund einer gewinnbringenden Anlage des Kapitals zu bedienen (BGH a. a. O.), so wird deutlich, dass nur die Einbeziehung der Zinseinkünfte eine nicht sachgerechte Ungleichbehandlung der verschiedenen Formen der Entschädigung zu vermeiden (vgl. auch Hengelhaupt a.a.O.).

Der Senat verweist ergänzend auf durchaus vergleichbare Überlegungen des BSG zum Recht der Arbeitslosenhilfe (Urteil vom 20.02.1991 - 11 RAr 109/89) betreffend die Abfindung einer Schadenersatzrente gemäß § 847 und § 843 BGB a.F.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

4. Der Senat misst der Frage, ob Zinseinkünfte aus Schmerzensgeld im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II als Einkommen zu berücksichtigen sind, grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zu.
Rechtskraft
Aus
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