L 8 SO 29/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 28 SO 91/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 29/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 14. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast.) begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes von dem Antragsgegner (Ag.) die vorläufige Bewilligung von laufenden Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) als Persönliches Budget.

Der am 15. August 1985 geborene Ast. ist gehörlos. Anerkannt ist sein Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit den Merkzeichen "RF" und "GL".

Der Ast. besuchte die Hauptschule bis zur 9. Klasse und durchlief von 2002 bis 2003 eine Berufsvorbereitung und von 2004 bis 2005 eine Maßnahme im Berufsbildungswerk. Er nahm vom 18. August 2008 bis zum 17. Juli 2009 und vom 31. August 2009 bis zum 10. Januar 2011 an von der Bundesagentur für Arbeit geförderten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen teil. Die zweite Maßnahme erfolgte im Berufsbildungswerk für Hörbehinderte in M ... Der Ast. wohnte während dieser Maßnahme im Jugendwohnheim M., zu dessen Konzeption auf Bl. 114 bis 118 Bd. I der Gerichtsakten verwiesen wird. Von der Bundesagentur für Arbeit wurde für beide Maßnahmen neben den Lehrgangskosten ein monatliches Ausbildungsgeld in Höhe von 102 EUR, zuletzt in Höhe von 103 EUR gewährt. Der Ast. bezieht laufend Gehörlosengeld (41 EUR monatlich) und Kindergeld (184 EUR monatlich).

In einer amtsärztlichen Stellungnahme der Ärztin im Sozialmedizinischen Dienst Dipl.-Med. S. vom 10. Juni 2008 wird ausgeführt, die Kommunikation des Ast. sei durch das nicht entwickelte Sprachvermögen erschwert. Er äußere sich mittels Gebärdensprache. Ein Sprachverständnis sei vorhanden; er lese vom Mund ab. Auf Grund der angeborenen Gehörlosigkeit sei es dem Ast. nicht ausreichend möglich, eigenständig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Er benötige Hilfe, Anleitung und Kontrolle bei vielen Verrichtungen. Es werde Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets empfohlen mit dem Ziel der Sicherstellung der Kommunikation mittels eines Gebärdensprachdolmetschers, der Hilfe bei Arztbesuchen, Behördengängen, Verträgen und wichtigen Veranstaltungen sowie der Unterstützung bei Freizeitaktivitäten und Nachhilfeunterricht zur Erlangung weiterer Kenntnisse, persönlicher Selbstständigkeit und eines Selbstwertgefühls.

Auf den Erst- bzw. Folgeantrag des Ast. bewilligte ihm der Landkreis S. im Namen des Ag., des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe, mit Bescheiden vom 14. August 2008 und 10. März 2009 für den Gesamtzeitraum vom 1. April 2008 bis zum 31. März 2010 Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Form eines Persönlichen Budgets in Höhe von monatlich 107,50 EUR. Umfasst wurde nach den jeweils vom Ast. unterzeichneten Zielvereinbarungen im Sinne der Budgetverordnung der Bedarf des Ast. in den Lebensbereichen "Lebenspraktische Anleitung", "Bildung" und "Freizeit". Von den Eltern des Ast. wurde eine darauf anzurechnende monatliche Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 26 EUR, ab dem 1. Juni 2009 in Höhe von 27,69 EUR und ab dem 1. Februar 2010 in Höhe von 31,06 EUR anerkannt.

Im Rahmen eines am 15. September 2009 bei dem Landkreis S. eingegangenen Schreibens verwies der Ast. auf die mit seinem Aufenthalt in M. verbundenen höheren Kosten, insbesondere für die Inanspruchnahme eines Gebärdensprachdolmetschers. Er beantragte, das Persönliche Budget der veränderten Situation anzupassen und dieses angemessen zu erhöhen.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 teilte der Landkreis Saalekreis dem Ast. die Weitergewährung eines Persönlichen Budgets ab dem 1. November 2010 (nur) in Höhe von 107,50 EUR monatlich mit. Mit der neuen Bildungsmaßnahme seien dem Ast. viele Aktivitäten zugänglich. Soziale Kontakte habe er zahlreich geknüpft. Der Hilfebedarf des Ast. entspreche der Hilfebedarfsgruppe 2 und damit der Höhe der bewilligten Leistung. Höhere Lebenshaltungskosten könnten nicht durch das Persönliche Budget finanziert werden. Die Kosten eines Gebärdensprachdolmetschers könnten bei der Krankenkasse bzw. der Bundesagentur für Arbeit als dem für die Ausbildung des Ast. zuständigen Rehabilitationsträger beantragt werden. Der Ast. legte am 26. November 2009 Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Mit dem Persönlichen Budget in der bewilligten Höhe könne er die zur Beseitigung bzw. Milderung der Folgen seiner Behinderung erforderlichen Aufwendungen nicht decken. Um annähernd am Leben der hörenden Gesellschaft teilhaben zu können, sei er auch im privaten Bereich auf einen Gebärdensprachdolmetscher angewiesen. Dieser stelle durchschnittlich 55 EUR pro Stunde zzgl. der Fahrtkosten und einer eventuellen Vorbereitungszeit in Rechnung, sodass die bewilligten Leistungen nicht einmal die Beauftragung für zwei Stunden monatlich ermöglichten. Z.B. die Teilnahme am Fahrschulunterricht sei ihm ohne einen Gebärdensprachdolmetscher nicht möglich. Diesen müsse er auch für Behördengänge, Bankgeschäfte und das Aufsuchen von Fachgeschäften hinzuziehen. Mit dem Persönlichen Budget müsse er auch technische Kommunikationsmittel finanzieren.

Der Ast. beantragte am 16. April 2010 die Weitergewährung eines Persönlichen Budgets. Mit Schreiben vom 19. April 2010 übersandte der Landkreis S. dem Ast. eine Zielvereinbarung über Leistungen im Rahmen eines Persönlichen Budgets vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2011, die denjenigen für die vorausgegangenen Bewilligungszeiträume entspricht. Der Ast. lehnte die Unterzeichnung dieser Zielvereinbarung mit der Begründung ab, er wolle nicht mit seiner Unterschrift die seiner Auffassung nach zu gering bemessenen Leistungen bestätigen. Der Landkreis Saalekreis teilte dem Ast. darauf mit Schreiben vom 19. Mai 2010 mit, die Zielvereinbarung sei Voraussetzungen für einen Bewilligungsbescheid. Er lehnte den Weitergewährungsantrag des Ast. mit Bescheid vom 28. Mai 2010 mit dieser Begründung unter Hinweis auf § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Budgetverordnung) ab. Der Ast. legte hiergegen am 30. Juni 2010 Widerspruch ein.

Der Ast. hat am 22. Juli 2010 bei dem Sozialgericht Halle einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel gestellt, den Ag. zu verpflichten, an ihn, den Ast., vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets in Höhe von monatlich 107,50 EUR zu zahlen. Er sei grundsätzlich bereit, eine Zielvereinbarung abzuschließen. Soweit sich die Parteien über die Leistungshöhe bzw. den individuellen Leistungsbedarf nicht einig seien, könne der Abschluss einer solchen Vereinbarung indes nicht verlangt werden, weil sich andernfalls Nachteile für ihn daraus ableiten ließen. Dem Ag. dürfe eine Zielvereinbarung nicht als Druckmittel an die Hand gegeben werden. Im Übrigen hat er seinen Antrag im Wesentlichen mit seinem Vorbringen im Widerspruchsverfahren begründet. Derzeit würden die erforderlichen Kommunikationsleistungen unter Inanspruchnahme von Freunden erbracht. Bisher habe er aus dem Persönlichen Budget die Kosten für den elektronischen Schriftverkehr (Telefax, Internet, SMS) bestritten. Aus diesen Mitteln habe er bisher auch spezielle Gehörlosenzeitschriften und DVDs mit Untertiteln finanziert. Er beabsichtige, in der Zukunft auch Telefonverkehr mittels eines "Tess-Relay-Dienstes" aufzunehmen und eine Feuermeldeanlage mit Lichtsignal anzuschaffen.

Der Ag. hat an seiner Auffassung zur Erforderlichkeit einer Zielvereinbarung festgehalten und im Übrigen auf die in M. vorhandenen Bildungs-, Unterhaltungs- und Freizeitangebote für Gehörlose verwiesen.

Das Sozialgericht hat den Antrag des Ast. mit Beschluss vom 14. Oktober 2010 abgelehnt. Für die begehrte Regelungsanordnung fehle es, unabhängig vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Es sei davon auszugehen, dass es dem Ast. zuzumuten sei, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Er könne durch die Unterstützung im Wohnheim und die Nutzung von Internet und Handy seine Grundbedürfnisse auf Information und Teilhabe am sozialen Leben erfüllen. Überdies sei der Ast. durch das Ausbildungsgeld und das ihm ausgezahlte Wohngeld nicht mittellos - zumal die Fahrt- und die Unterkunftskosten von anderer Seite getragen würden - und er könne die nötigen Ausgaben selbst übergangsweise tragen.

Der Ast. hat am 18. November 2010 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt gegen den ihm am 19. Oktober 2010 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Er habe die Zielvereinbarung allein aus dem Grund nicht unterzeichnet, dass der Landkreis Saalekreis diese als Grundlage einer bewilligenden Entscheidung herangezogen hätte mit der Gefahr, dass er, der Ast., sich in einem späteren Widerspruchs- bzw. Klageverfahren gegen diesen Bescheid nicht mit Erfolg zur Wehr hätte setzen und die Erhöhung des Persönlichen Budgets verlangen können. Nach § 4 Abs. 2 Budgetverordnung hätte er die Zielvereinbarung andernfalls sofort wieder kündigen müssen. Er begehre eigentlich deutlich höhere als die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Leistungen. In Bezug auf seinen Anspruch auf Gleichstellung mit nichtbehinderten Menschen verweist er auf Art. 30 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Der Ast. beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 14. Oktober 2010 aufzuheben und den Ag. zu verpflichten, ihm, dem Ast., vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets in Höhe von monatlich 107,50 EUR zu zahlen.

Der Ag. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend. Voraussetzung für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets sei der Abschluss einer Zielvereinbarung. Als unzulässiges Druckmittel könne diese Leistungsvoraussetzung nicht angesehen werden, da das Persönliche Budget nur eine Form der Hilfegewährung sei. Derzeit sei ein ungedeckter sozialhilferechtlicher Bedarf bei dem Ast. nicht vorhanden, sodass die Gewährung von Leistungen nicht in Betracht komme. Die Grundbedürfnisse des Ast. auf Teilhabe am sozialen Leben seien im BBW M. und im dortigen Jugendheim erfüllt gewesen. Soweit die vom Ast. angesprochenen Kommunikationsmittel überhaupt einem sich aus der Behinderung ergebenden Bedarf zuzuordnen seien, bestünden hierzu Alternativen.

Dem Ast. ist vom Berichterstatter nahegelegt worden, vorläufig die Leistungsbewilligung ohne ein Persönliches Budget zu betreiben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte des Ag. Bezug genommen, welche sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Die Beschwerde des Ast. gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 14. Oktober 2010 ist zulässig, aber unbegründet.

Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sie ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift in der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung (eingefügt durch Art. 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008, BGBl. I 2008, S. 444) ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG i.d.F. des SGGArbGGÄndG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt, soweit die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die von dem Ast. begehrten Leistungen in Höhe von monatlich 107,50 EUR überschreiten die maßgebende Grenze für eine zulassungsfreie Berufung in der Hauptsache. Die Summe der vom 22. Juli 2010 bis zum 31. Mai 2011, d.h. vom Antragseingang beim Sozialgericht bis zur Entscheidung des Senats geltend gemachten monatlichen Zahlungen entsprechen einem Wert des Beschwerdegegenstands in Höhe von insgesamt 1.109,68 EUR (34,68 EUR Juli anteilig zzgl. 10 x 107,50 EUR).

Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag des Ast. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die isolierte Anfechtungsklage die zutreffende Klageart ist, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Satz 4 dieser Vorschrift gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Nach § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Es bestehen bereits Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit des Antrags nach § 86b SGG. Denn es ist fraglich, ob hier ein Rechtsschutzbedürfnis des Ast. vorliegt. Voraussetzung des einstweiligen Rechtsschutzes durch Inanspruchnahme des Gerichts ist die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens bei der Behörde (vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b RdNr. 26b). Das hier streitige Persönliche Budget bezog sich auf den - inzwischen in der Vergangenheit liegenden - Zeitraum vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2011. Im Übrigen betraf es die nicht mehr gegebene Situation des Ast. im Rahmen seiner Ausbildung in einer berufsvorbereitenden Maßnahme.

Im Rahmen der summarischen Prüfung ist auch ein Anordnungsanspruch nicht gegeben.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ergibt sich aus § 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005 (GVBl. LSA 2005, S. 8) und § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Die Passivlegitimation des Ag.ergibt sich aus §§ 7 und 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IX.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB IX können Leistungen zur Teilhabe auf Antrag auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (a.a.O. Abs. 2 Satz 2). Persönliche Budgets werden auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 SGB IX getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann (a.a.O. Abs. 3 Satz 3). Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (a.a.O. Abs. 3 Satz 4).

Der Senat vermag derzeit nicht zu erkennen, ob bzw. in welchem Umfang hier tatsächlich Leistungen im Sinne eines individuell festgestellten Bedarfs erforderlich sind, die nach § 17 Abs. 3 Satz 3 SGB IX Voraussetzung für die Berücksichtigung im Rahmen eines Persönlichen Budgets wären.

Während nach dem Gesetz über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt (LBliGG) pauschale Geldleistungen zum Ausgleich der durch die Gehörlosigkeit bedingten Mehraufwendungen ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen erbracht werden, liegt der Gewährung von Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe ein konkreter Bedarf zugrunde. Das gilt nach § 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX auch für Leistungen im Rahmen eines Persönlichen Budgets (vgl. z.B. Brodkorb in: Hauck/Noftz, SGB IX Kommentar, § 17 RdNr. 16). Insbesondere ist dem Ast. nicht ein geschätzter Bedarf im Verhältnis zum Umfang seiner Behinderung zur Verfügung zu stellen, mit dem er nach eigener Wahl alternativ z.B. DVDs kaufen, einen Dolmetscher in Anspruch nehmen oder ein besseres Mobiltelefon anschaffen kann. Die durch das Persönliche Budget nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB IX zu gewährleistende größere Autonomie des Berechtigten ist nicht mit einer freien Verwendung der Mittel zu verwechseln. Vielmehr ist im Wesentlichen der Beschaffungsweg für die Hilfe und die Verwaltung der Mittel für einen konkreten festgestellten Bedarf in die Autonomie gestellt.

Der Bewilligung von Leistungen im Rahmen eines Persönlichen Budgets steht hier im Übrigen die vom Ast. endgültig erklärte Weigerung, eine Zielvereinbarung zu unterzeichnen, entgegen.

Nach § 3 Abs. 5 Budgetverordnung erlässt der zuständige Träger den Bewilligungsbescheid erst, wenn eine Zielvereinbarung im Sinne von § 4 Budgetverordnung abgeschlossen ist. Die Zielvereinbarung ist damit wesentlicher Bestandteil der Bewilligung eines Persönlichen Budgets (vgl. z.B. Welti in: Lachwitz/Schellhorn/Welti, Handkommentar zum SGB IX, § 17 RdNr. 22). Nur hierdurch wird das Wirtschaftlichkeitsprinzip bei der Verwendung öffentlicher Mittel wenn nicht sichergestellt, so doch zumindest gefördert. Es ist nicht erkennbar, wie eine Zuordnung der bewilligten Leistungen im Rahmen eines Persönlichen Budgets zu einem bestimmten hierdurch abzudeckenden Bedarf anderweitig klar gestellt werden könnte.

Soweit der Ast. meint, durch die Unterzeichnung der Zielvereinbarung auf die Bewilligung höherer Leistungen zu verzichten, ergibt sich daraus nichts anderes. Andernfalls wäre die Zielvereinbarung grundsätzlich mit der Geltendmachung höherer Leistungen abzuwenden. Der Kläger ist auch nicht schutzlos gestellt, da er den Bedarf, der in das Persönliche Budget eingestellt werden soll, im Einzelnen beantragten und feststellen lassen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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