L 6 U 38/11 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 52/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 38/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob im Wege einer einstweiligen Anordnung zusätzliche Folgen eines Arbeitsunfalls festzustellen und (weiterhin) Verletztengeld sowie Heilbehandlung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren sind.

Der 1962 geborene Antragsteller knickte am 14. Dezember 2009 bei versicherter Tätigkeit mit dem rechten Fuß um und verdrehte sich das rechte Kniegelenk, als er aus einem Radlader ausstieg und auf einen Stein trat. Hierbei erlitt er laut Durchgangsarztbericht vom 21. Dezember 2009 eine Verstauchung und Zerrung des Knies, wobei bei der Untersuchung am 21. Dezember 2009 ein massiver Kniegelenkerguss vorgelegen habe. Aus dem am 22. Dezember 2009 gefertigten Magnetresonanztomogramm (MRT) ergaben sich nach der Auswertung des Facharztes für Diagnostische Radiologie Dr. G. u.a. eine deutliche lateral betonte Gonarthrose, schwere degenerative Veränderungen auch am proximalen Tibiofibulargelenk mit Verdacht auf eine degenerative Zystenbildung im Fibularköpfchen, eine fehlende Abgrenzbarkeit des vorderen Kreuzbandes mit daraus folgendem Verdacht auf eine ältere Ruptur, ein etwas verstärkt anguliertes hinteres Kreuzband, ein nur noch rudimentär abgrenzbarer Außenmeniskus sowie eine Degeneration im Hinterhornanteil des Innenmeniskus mit einem zarten Einriss an der tibialen Meniskusoberfläche (Befund vom 4. Januar 2010). Intraoperativ fanden sich am 9. März 2010 u.a. eine deutliche retropatellare Arthrose mit drittgradiger Knorpelveränderung und Osteophyten an der medialen Facette, deutliche degenerative Veränderungen im Bereich des femoralen und tibialen Compartiments, eine radiäre Läsion im Bereich des Innenmeniskushinterhorns, ein nicht nachweisbares vorderes Kreuzband bei offensichtlich älterer Ruptur, eine völlige Knorpelfreiheit der femoralen Standzone im lateralen Compartiment sowie ein fragmentierter Außenmeniskus (Operationsbericht vom 9. März 2010). Die histologische Aufbereitung der bei der Operation entnommenen Gewebeteile durch den Pathologen Dr. B. erbrachte laut dessen Befund vom 10. März 2010 eine Synovialis (Schleimbeutelentzündung) mit Zeichen einer stattgehabten Blutung sowie ein mäßig degenerativ verändertes Meniskusgewebe.

Nachdem sich die Antragsgegnerin von dem Orthopäden Dr. T. unter dem 9. September 2010 beraten lassen hatte, erkannte sie mit Bescheid vom 16. September 2010 den Unfall mit einer Zerrung des rechten Kniegelenks und unfallbedingter Behandlungsbedürftigkeit sowie Arbeitsunfähigkeit vom 21. bis 31. Dezember 2009 als Arbeitsunfall an und lehnte für die seit dem 1. Januar 2010 ärztlich behandelten Beschwerden im Bereich des rechten Knies eine Entschädigung ab, weil diese nicht Folgen des Arbeitsunfalls seien. Den hiergegen am 30. September 2010 erhobenen Widerspruch des Antragstellers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2010 als unbegründet zurück und legte im Wesentlichen dar, die Auswertung der vorliegenden ärztlichen Befunde – insbesondere des MRT-Befundes – durch den beratenden Arzt habe ergeben, dass anlässlich des Unfalls in erster Linie Altschäden symptomatisch geworden seien.

Am 12. Januar 2011 hat der Antragsteller hiergegen beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben (S 3 U 5/11), dort am 1. April 2011 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und begehrt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. Dezember 2009 über den 31. Dezember 2009 hinaus Verletztengeld und Heilbehandlung zu gewähren.

Mit Beschluss vom 18. April 2011 hat das SG den Antrag zurückgewiesen (abgelehnt) und hierzu in den Gründen ausgeführt: Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ohne die begehrte Regelung wesentliche Nachteile drohten, womit kein Anordnungsgrund bestehe. Seinen Lebensunterhalt könne er durch Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld (Alg I) sichern; Heilbehandlung sei durch den für ihn zuständigen Träger der Krankenversicherung (Krankenkasse) gewährleistet. Im Übrigen fehle, ohne dass es hierauf noch entscheidend ankomme, auch der erforderliche Anordnungsanspruch für die vom Antragsteller begehrte vorläufige Regelung. Ein Anspruch auf Verletztengeld und Heilbehandlung setze nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre voraus, dass Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit ab Januar 2010 mit Wahrscheinlichkeit wesentlich auf den Einwirkungen des Arbeitsunfalls vom 14. Dezember 2009 beruhten. Hiergegen spreche deutlich der mittels MRT am 22. Dezember 2009 – also schon eine Woche nach dem Unfall – erhobene degenerative Befund. Überdies stehe der (unter) Abänderung des angefochtenen Bescheides (erstrebten Feststellung zusätzlicher Unfallfolgen) das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.

Gegen den ihm am 20. April 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 19. Mai 2011 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschwerde eingelegt. Er rügt, die vom SG vorgenommene Auswertung des MRT-Befundes beinhalte eine unzulässige vorweg genommene Beweiswürdigung. Es stehe nämlich gerade noch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Arbeitsunfall nicht Ursache seiner Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei. Soweit das SG auf ein Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache abstelle, widerspreche dies der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es liege auch besondere Eilbedürftigkeit vor. Er sei bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis seit dem Arbeitsunfall arbeitsunfähig erkrankt. Seine Krankenkasse habe mitgeteilt, dass der Anspruch auf Krankengeld zum 7. Juni 2011 ende. Demnach könne er seinen Lebensunterhalt entgegen der gerichtlichen Vermutung nicht durch die Inanspruchnahme von Alg I sichern. In Anbetracht seiner familiären Situation sei ihm ein Warten auf die Hauptsacheentscheidung nicht zuzumuten.

Der Antragsteller beantragt seinem Vorbringen nach,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. April 2011 aufzuheben sowie die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung unter Abänderungen des Bescheides vom 16. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2010 vorläufig zu verpflichten, Gesundheitsstörungen im Bereich seines rechten Knies als Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. Dezember 2009 festzustellen und über den 31. Dezember 2009 hinaus Verletztengeld zu zahlen sowie die Kosten der Heilbehandlung zu tragen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den aus ihrer Sicht zutreffenden Beschluss des SG.

Auf den Hinweis des Senats, dass sich nach seinem Vortrag für ihn ein Anspruch auf Alg I aus § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (Arbeitsförderung) ergeben dürfte, hat der Antragsteller unter dem 30. Juni 2011 mitgeteilt, er beziehe eine solche Leistung seit dem 6. Juni 2011.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die vom Senat beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 173 SGG) und auch ansonsten zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Soweit – wie hier – ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, können vom Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis einstweilige Anordnungen getroffen werden, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Sie sind zulässig, wenn neben einem Anordnungsanspruch, also dem materiellen Anspruch, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend zu machen hätte, ein Anordnungsgrund vorliegt. Hierunter ist das Bestehen einer besonderen Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verstehen. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen im Sinne der erforderlichen Glaubhaftmachung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung überwiegend wahrscheinlich sein.

Gemessen daran fehlt es vorliegend bereits am Anordnungsgrund im Sinne der erforderlichen besonderen Eilbedürftigkeit der vom Antragsteller erstrebten Regelung. Er hat bestätigt, dass er seit Ablauf der Krankengeldzahlung durch seine Krankenkasse (nahtlos) vom 6. Juni 2011 an Alg I bezieht. Damit ist sein Lebensunterhalt gegenwärtig gesichert. Dass ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. Dezember 2009 – gleichviel ob diese mit hinreichender (und nicht mit an Sicherheit grenzender) Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen durch diesen verursacht sind oder nicht – Heilbehandlung jedenfalls von seiner Krankenkasse gewährt wird, hat er selbst nicht in Abrede gestellt.

Auf die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an. Der Senat kann also insbesondere offen lassen, ob der im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erstrebten Feststellung zusätzlicher Unfallfolgen, die der Antragsteller schon nicht näher konkretisiert hat, ein Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen steht oder nicht.

Folglich konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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