L 5 KR 363/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 40 KR 53/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 363/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 8/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Urteil des BSG
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.05.2010 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Streitwert wird auf 1.021,13 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die teilweise Rückzahlung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 1.021,13 Euro.

Die Beklagte betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur Behandlung der Versicherten der klagenden Krankenkasse zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde in der Zeit vom 14. bis 17.11.2006 die 1941 geborene Versicherte der Klägerin I. N. stationär behandelt. Die Krankenhauseinweisung erfolgte durch den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. I, H, zwecks Durchführung einer Herzkatheteruntersuchung. Ausweislich des Entlassungsberichtes vom 17.11.2006 beklagte die Versicherte eine seit Monaten bestehende Belastungsdyspnoe sowie ein belastungsabhängiges dumpfes sternales Druckgefühl mit Ausstrahlung in den Hals und sofortiger Besserung auf Nitrospray. Am 16.11.2006 erfolgte die Herzkatheteruntersuchung, wobei die festgestellte hoch-gradige CX-Stenose in gleicher Sitzung mittels konventionellem Stent dilatiert wurde. In dem Entlassungsbericht wurden folgende Diagnosen gestellt: Funktionelle Ein-Gefäß-KHK, Stent-PTCA der RCX, arterielle Hypertonie, Penicillinallergie.

Die Beklagte stellte der Klägerin am 30.11.2006 für die Behandlung insgesamt 4.312,59 Euro in Rechnung. Sie setzt dabei die DRG F57A (perkutane Koronarangioplastie mit komplexer Intervention mit äußerst schweren CC - Komplikationen oder Komorbiditäten -) an. Als Hauptdiagnose (HD) wurde eine atherosklerotische Herzkrankheit: Ein-Gefäßerkrankung (ICD-10 I 25.11) und als Nebendiagnosen (ND) eine instabile Angina pectoris (ICD-10 I 20.0), eine benigne essentielle Hypertonie: ohne Angabe einer hypertensiven Krise (ICD-10 I 10.00), und eine Linksherzinsuffizienz: mit Beschwerden bei leichterer Belastung (ICD-10 I 50.13) kodiert. Außerdem wurden die Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V- (OPS-301) 8-837.k0 (perkutan-transluminale Gefäßintervention an Herz und Koronargefäßen: Einlegen eines nicht medikamentenfreisetzenden Stents: Ein Stent in eine Koronararterie) sowie 1-275.2 (transarterielle Linksherz-Katheteruntersuchung: Koronarangiographie, Druckmessung und Ventrikulographie im linken Ventrikel) zugrundegelegt.

Die Klägerin beglich die Rechnung im Hinblick auf die eingeleitete Überprüfung unter Vorbehalt und holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Westfalen ein, der unter dem 23.01.2007 ausführte, der streitige Behandlungsfall bilde sich über die DRG F57B (perkutane Koronarangioplastie mit komplexer Intervention ohne äußerst schwere CC) ab. Denn entsprechend der deutschen Kodierrichtlinien (DKR) sei hier die Angina pectoris als HD anzugeben und die atherosklerotische Herzkrankheit: Ein-Gefäßerkrankung sei lediglich eine ND. Dies folge aus den DKR unter 0901e, die wie folgt lauteten "Liegt bei einem Patienten eine Angina pectoris vor, ist der entsprechende Kode vor dem Kode der Koronaratherosklerose anzugeben". Mit Schreiben vom 31.01.2007 wurde die Beklagte zur Rückzahlung des zu viel geleisteten Betrages aufgefordert.

Die Beklagte lehnte eine entsprechende Rückzahlung ab. Die Abrechnung sei korrekt erfolgt. Den DKR sei nicht zu entnehmen, dass die Angina pectoris stets als HD anzugeben sei. Die von der Klägerin angeführte Formulierung beziehe sich nicht auf die Auswahl der HD.

Die Klägerin holte eine erneute Stellungnahme des MDK ein, der unter dem 27.02.2007 darlegte, streitig sei im vorliegenden Fall, welche der beiden Diagnosen (Angina pectoris und atherosklerotische Herzerkrankung) als HD und welche als ND zu kodieren sei. Es sei unstrittig, dass in diesem Fall beide Diagnosen zu kodieren seien. In den DKR werde die HD in allen Fallbeispielen stets zuerst benannt und der ND somit stets vorangestellt. Aus dem Beispiel 1 der DKR 0901 e ergebe sich eindeutig, dass die Angina pectoris als HD zu kodieren sei.

Die Beklagte lehnte eine teilweise Rückzahlung wiederum ab und vertrat die Auffassung, das von der Klägerin angeführte Beispiel greife nicht ein, weil dort keine Behandlung der Herzerkrankung erfolgt sei. Im Falle der Versicherten I. N. sei zwar die Aufnahme wegen unklarer Angina pectoris-Beschwerden erfolgt, da jedoch die Ursache der Angina pectoris-Beschwerden, nämlich die koronare Ein-Gefäßerkrankung, behandelt worden sei und hier ein deutlich höherer Ressourcenverbrauch vorliege, sei die HD gemäß den DKR D002 auszuwählen.

Die Klägerin schaltete erneut den MDK ein, der unter dem 30.07.2007 darlegte, das in den DKR 0901e genannte Beispiel 1 sei eindeutig; die Kodierung der Haupt- und Neben-diagnose werde nicht durch die Stent-Implantation beeinflusst, diese werde als Prozedur mit einem OPS-Kode vielmehr zusätzlich berücksichtigt. Die allgemeine Regelung entsprechend den DKR D002d sei nicht anzuwenden, da hier die speziellere Regelung gemäß den DKR 0901e vorgehe. Der weitere Schriftwechsel zwischen den Beteiligten verlief ergebnislos.

Mit der am 21.02.2008 bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Rückzahlungsbegehren weiterverfolgt. Die Behandlung sei nicht mit der DRG F57A sondern mit der DRG F57B abzurechnen gewesen. Bei der Versicherten habe eine Angina pectoris vorgelegen, die als HD zu kodieren sei. Dagegen sei die atheroskleroti-sche Herzerkrankung als ND anzugeben. Dies folge aus den DKR 0901e. Die Versicherte sei mit unklaren Angina pectoris-Beschwerden aufgenommen worden. Insoweit entspreche dies dem Beispiel 1 der DKR 0901e. Soweit die Beklagte auf den höheren Ressourcenverbrauch durch die koronare Ein-Gefäßerkrankung und die durchgeführte Stent-Implantation verwiesen habe, sei zu berücksichtigen, dass der Ressourcenverbrauch von Prozeduren über den Prozedurenkode zu kodieren sei und nicht über eine Änderung des Diagnosekodes. Da es sich bei den Regelungen entsprechend der 0901e der DKR um die speziellere Vorschrift handele, könne nicht auf die allgemeinen Regelungen zur Kodierung der HD nach D002d der DKR abgestellt werden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.021,13 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Behandlung mit der DRG F57A abzurechnen gewesen sei. Es lägen zwei verschiedene Diagnosen vor, die potentiell der Hauptdiagnose entsprächen. Dies sei zum einen die Gefäßerkrankung und zum anderen die instabile Angina pectoris gewesen. In diesen Fällen müsse von dem behandelnden Arzt entsprechend den DKR D002d entschieden werden, welche Diagnose am Besten der HD-Definition entspreche. Es sei diejenige auszuwählen, deren Behandlung die meisten Ressourcen verbrauche. Dies sei die Ein-Gefäßerkrankung und die infolge dessen erforderliche transluminale koronare Angioplastie (PTCA) gewesen.

Durch Urteil vom 28.05.2010 ist die Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin 1.021,13 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Es sei lediglich eine Verschlüsselung mit der DRG F57B möglich gewesen, so dass die Klägerin Anspruch auf Erstattung der streitigen Summe habe. Unter Zugrundelegung der maßgeblichen DKR sei die instabile Angina pectoris als HD zu kodieren gewesen. Die Regelung in den DKR 0901e, wonach die Angina pectoris vor der koronaren Herzerkrankung zu kodieren sei, könne nur bedeuten, dass im Falle des Zusammentreffens die Angina pectoris als HD zu kodieren sei. Auch das Beispiel 1 der DKR 0901e spreche für dieses Ergebnis. Es lasse sich den DKR 0901e gerade nicht entnehmen, dass lediglich reine Herzkatheteruntersuchungen ohne Stent-Implantation erfasst werden sollten. Dies gelte umso mehr, als die Herzkatheteruntersuchung und die Stent-Implantation über die OPS erfasst und ausreichend abgebildet würden. Die DKR 0901e gingen als spezielle Kodieranweisung der allgemeinen Regelung in den DKR D002d vor. Die Forderung sei entsprechend dem Antrag der Klägerin ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit zu verzinsen, wobei die Höhe der Zinsen jedoch auf 2 Prozentpunkte über dem jeweils gültigen Basiszinssatz beschränkt sei.

Gegen das ihr am 22.06.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.07.2010 Berufung eingelegt und trägt vor, die DKR 0901e regelten die Reihenfolge der Kodes und ermöglichten, dass sowohl das Symptom, nämlich die Angina pectoris, als auch die zugrunde liegende Erkrankung, nämlich die koronare Herzkrankheit, angegeben werden könne. Die Regelung enthalte jedoch keine Aussage darüber, welche der beiden Diagnosen als HD zu kodieren sei. Außerdem legten die DKR unter 0901e lediglich die Reihenfolge der ND fest. Für die Bestimmung der HD griffen stets die allgemeinen DKR D002d ein, soweit nicht in den speziellen Regelungen ausdrücklich etwas anderes bestimmt sei; eine solche andere Bestimmung könne den DKR 0901e jedoch nicht entnommen werden. Der Sinn und Zweck dieser Regelung liege vielmehr erkennbar darin, die Angina pectoris als ein Symptom der coronaren Herzkrankheit in Abweichung von den DKR D002 bzw. D003 überhaupt verschlüsseln zu können. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Fallbeispiel 1 der DKR 0901e, denn Fallbeispiele dienten lediglich der Veranschaulichung von Kodieranweisungen und enthielten keine konkreten Regelungen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.05.2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Klägerin und der Krankenakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 1.021,13 Euro verurteilt, denn der Klägerin steht in dem hier streitigen Behandlungsfall der Versicherten I.N. wegen teilweise zu Unrecht geleisteter Vergütung ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1.021,13 Euro zu.

Rechtsgrundlage für die Forderung der Klägerin ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Dieser aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Anspruch besagt, dass Leistungen, die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ohne Rechtsgrund erbracht worden sind, zurückzuerstatten sind (vgl. BSG SozR 2200 § 1409 Nr. 1; BSG SozR 4-1500 § 92 Nr. 3). Da die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen gemäß § 69 SGB V dem öffentlichen Recht zugeordnet sind, ist demgemäß auch der geltend gemachte Erstattungsanspruch dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Die Beklagte hat für die Behandlung der Versicherten I. N. den streitigen Betrag zu Unrecht erhalten, da die Behandlung nicht auf der Grundlage der DRG F57A sondern der DRG F57B zu vergüten war. Der Klägerin steht demnach der geltend gemachte Erstattungsanspruch zu.

Streitgegenstand ist der Anspruch der Krankenkasse gegen einen Leistungserbringer auf teilweise Rückzahlung der gezahlten Vergütung für die Behandlung eines Versicherten. Diesen Anspruch macht die Klägerin zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend, denn es handelt sich bei der auf (teilweise) Rückzahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage der Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Beklagten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 23.04.2002 - Fallpauschalengesetz - i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Anlage 1 Teil A Fallpauschalen-vereinbarung 2006 sowie dem zwischen den Beteiligten geltenden Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V. Da die Beklagte in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist, richtet sich ihre Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) nach den Regelungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des KHEntgG.

Nach § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn. 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem gemäß § 9 KHEntgG auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bzw. bis 30. Juni 2008 die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der Privaten Krankenversicherung gemeinsam haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragspartner auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien gemäß § 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren.

Grundlage dieser Regelungen ist § 17b KHG, auf den § 9 KHEntgG mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Komorbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet, § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG.

Grundlage für die Einführung der DRG ist § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG. Dieses Vergütungssystem wurde gemäß § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG für alle Krankenhäuser mit einer ersten Fassung eines deutschen Fallpauschalenkatalogs verbindlich zum 01. Januar 2004 eingeführt.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG, indem zunächst die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS-301 verschlüsselt wird (§ 301 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung (Kodierung) haben die Vertragspartner auf Bundesebene Kodierrichtlinien beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die DKR 2006 und der OPS-301 in der Version 2006. Danach wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung (DRG-Zuordnung) liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde (vgl. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 11).

Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Angina pectoris hier als HD zu verschlüsseln und die Behandlung folglich mit der DRG F57B abzurechnen war.

Die stationäre Aufnahme der Versicherten der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten erfolgte zur Durchführung einer Koronarangiographie bei bestehenden Angina pectoris-Beschwerden. Koronarangiographisch fand sich eine Ein-Gefäß-atherosklerotische Herzkrankheit, die mittels eines nicht medikamentenfreisetzenden Stents versorgt wurde. Dass hier grundsätzlich sowohl die Angina pectoris als auch die atherosklerotische Herzkrankheit als Diagnose zu kodieren waren, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig ist allein, welche der beiden Diagnosen als HD und welche als ND zu kodieren war.

Das SG ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Angina pectoris hier als HD zu kodieren war. Dies ergibt sich vor allem aus den DKR 0901e, wie das SG ausführlich dargelegt hat, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen darauf verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren ihr bisheriges Vorbringen wiederholt, die DKR 0901e beträfen nur die Reihenfolge von ND, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben sind und keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen lassen. Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die jeweils zuständigen Stellen durch Änderungen im Fallpauschalenkatalog, im OPS-301 und in den DKR in der Hand, diese für die Zukunft zu beseitigen, wenn sie Handlungsbedarf sehen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr.11).

Der Wortlaut der DKR 0901e, die eine spezielle Kodierrichtlinie für Krankheiten des Kreislaufsystems enthalten, spricht mit der fett gedruckten Formulierung "vor" dafür, eine Regelung für die Kodierung der HD anzunehmen. Der Umstand, dass die DKR 0901e in ihrem zweiten Abschnitt eine der allgemeinen Regelungen zur Festlegung der HD aufgreift, spricht ebenfalls dagegen, dass -wie die Beklagte meint- nur die Reihenfolge der ND geregelt werden soll. Außerdem ist nochmals darauf hinzuweisen, dass es entsprechend der DKR D003d Abschnitt "Reihenfolge der Nebendiagnosen" keine Kodierrichtlinie gibt, die die Reihenfolge der Nebendiagnosen regelt (Satz 1). Soweit nach Satz 2 die bedeutenderen Nebendiagnosen, insbesondere Komplikationen und Komorbiditäten zuerst angegeben werden sollten, da die Anzahl der zur Verfügung stehenden Schlüsselnummer-Felder begrenzt sei, handelt es sich nach dem eindeutigen Wortlaut nur um eine Soll-Vorschrift, die jedoch nicht, wie die Klägerin meint, die Auslegung zulässt, dass damit die Regelung in Satz 1 eingeschränkt werden soll und die DKR 0901e als Regelung hinsichtlich der Reihenfolge der ND auszulegen wären.

Soweit die Beklagte vorträgt, die DKR 0901e dienten lediglich dazu, die Angina pectoris als ein Symptom der koronaren Herzkrankheit in Abweichung von den DKR D002d bzw. D003d überhaupt verschlüsseln zu können, rechtfertigt auch diese Argumentation kein anderes Ergebnis. Denn die Beklagte übersieht, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung der DKR 0901e die Angina pectoris nicht nur verschlüsselt werden kann, sondern vor der Koronaratherosklerose zu kodieren ist.

Auch der Hinweis der Beklagten auf die DKR D002d und die dortigen Regelungen zur Kodierung von zwei oder mehr Diagnosen, die gleichermaßen der Definition der Hauptdiagnose entsprechen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit die Beklagte darauf verweist, bei mehreren Diagnosen, die gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen, sei vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für die Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht habe und dies die coronare Herzkrankheit gewesen sei, ist schon fraglich, inwieweit auf diese allgemeine Regelung angesichts der speziellen Regelung in den DKR 0901e überhaupt zurückgegriffen werden kann. Jedenfalls übersieht die Beklagte, dass eine Auswahl durch den behandelnden Arzt entsprechend der Regelung in den DKR D002d nur möglich ist, wenn die Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben. Eine solche Verschlüsselungsanweisung ist hier in den DKR 0901e jedoch gerade getroffen worden.

Auch das Beispiel 1 der DKR 0901e steht der Ansicht der Beklagten entgegen. Zwar steht dieses Beispiel unter der Überschrift "Ischämische Herzkrankheit, die früher chirurgisch behandelt wurde" und die nachfolgenden Ausführungen betreffen insbesondere die Frage, welche ND - nämlich entweder ICD E25.11 bis 25.14 und Z95.1 bzw. Z95.5 oder ICD E25.15 - neben der HD Angina pectoris zu kodieren sind. Gleichwohl macht das Beispiel deutlich, dass bei Vorhandensein einer Angina pectoris, diese als Hauptdiagnose und die atherosklerotische Herzkrankheit als ND zu verschlüsseln ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht, da die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

Der Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs.1 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
Saved