L 1 AS 4393/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 6324/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 4393/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Versicherungspauschale von 30 € nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden. Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird.


L 1 AS 4393/10

S 20 AS 6324/09

Im Namen des Volkes Urteil

Der 1. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2011 für Recht erkannt:
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.06.2010 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.06.2009 bis zum 30.11.2009 im Streit.

Der 1965 geborene, erwerbsfähige Kläger lebt gemeinsam mit seiner 1967 geborenen Ehefrau A. in einer Mietwohnung in der K. Str ... in F., für die ab November 2008 eine Warmmiete von insgesamt 809,80 EUR monatlich zu entrichten war. A. bezog eine monatliche Erwerbsminderungsrente in Höhe von 886,18 EUR (bis 30.06.2009) bzw. 917,45 EUR (ab 01.07.2009).

Mit Bescheid vom 12.05.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger und den mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 in Höhe von 557,48 EUR pro Monat (166,65 EUR Regelleistung und 390,83 EUR hälftige Kosten der Unterkunft [KdU]). Bei der Berechnung der Leistungen wurde die Rente der A. insoweit berücksichtigt, als sie nach Abzug der Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR für die A. den Bedarf der A. überstieg.

Auf den Widerspruch des Klägers wegen der Leistungshöhe vom 26.05.2009 erging am 06.06.2009 ein Änderungsbescheid (vgl. Bl. 37 der LSG-Akte), mit welchem vom 01.07.2009 bis 30.11.2009 eine erhöhte Regelleistung von 323 EUR berücksichtigt wurde, was zu einer monatlichen Leistung von 564,48 EUR führte (323 EUR Regeleistung abzüglich beim Kläger zu berücksichtigender Rente der A. im Höhe von 149,35 EUR zuzüglich 390,83 EUR KdU).

Eine mit Änderungsbescheid vom 15.06.2009 für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.11.2009 vorgenommene Kürzung der KdU auf 334,83 EUR monatlich wurde mit Abhilfebescheid vom 23.09.2009 wieder zurückgenommen; wie bei den vorausgegangenen Bewilligungen anerkannte die Beklagte wieder die tatsächliche Kaltmiete von 588 EUR monatlich als angemessen und legte diese der Bewilligung zugrunde. Eine zunächst mit Bescheid vom 10.07.2009 erhobene Erstattungsforderung wegen Zuvielleistung aufgrund einer Rentenerhöhung für den Monat Juli 2009 der A. wurde mit Abhilfebescheid vom 23.09.2009 zurückgenommen. Nach dem Änderungsbescheid vom 23.09.2009 wurden dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 30.11.2009 in Höhe von 540,21 EUR monatlich bewilligt (149,38 EUR Regelleistung und 390,83 KdU).

Der Klägerbevollmächtigte erklärte am 10.11.2009, dass die KdU nunmehr in vollem Umfang berücksichtigt worden seien und nur noch die Berücksichtigung eines zweiten Freibetrags von 30 EUR für den Kläger bei der Berücksichtigung der Rente der A. begehrt werde (mit Berufung auf BSG, Urteil vom 13.05.2009 - B 4 AS 39/08 R -).

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2009 wies der Beklagte den insoweit noch aufrechterhaltenen Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Dem Kläger stünden für Juni 2009 557,48 EUR und für Juli bis November monatlich 540,21 EUR nach dem SGB II zu. Der Beklagte legte dem Bescheid folgende Berechnung zugrunde: Bedarf 6/2009: 706,83 EUR Regelleistung 316,00 EUR KdU 390,83 EUR (Kaltmiete 588,80 EUR zuzüglich Nebenkosten von 195 EUR zuzüglich Müllpauschale von 11,15 EUR abzüglich Warmwasserpauschale für 2 Personen 13,28 EUR = 781,67 berücksichtigungsfähige KdU, dividiert durch zwei Personen). Bedarf 7-11/2009: 713,83 EUR Regelleistung 323,00 EUR KdU 390,83 EUR Als Einkommen sei von diesem Bedarf die den Bedarf der Ehefrau übersteigende Rente anzurechnen: Einkommen 6/09 149,35 EUR Rente der A. 886,18 EUR - Freibetrag A. 30,00 EUR - Eigenbedarf A. 706,83 EUR (entsprechend dem Bedarf des Klägers oben) Einkommen 7-11/09 173,62 EUR Rente der A. 917,45 EUR - Freibetrag A. 30,00 EUR - Eigenbedarf A. 713,83 EUR (entsprechend dem Bedarf des Klägers oben) Die Versicherungspauschale von 30 EUR könne bei jedem einzelnen Einkommen lediglich einmal zum Ansatz gebracht werden. Die dem Kläger entstandenen Aufwendungen wurden zur Hälfte als erstattungsfähig deklariert, was der Quote des Erfolgs des Widerspruchs (mit Hinweis auf die übernommenen KdU) entspreche. Nach einem Vermerk auf dem Widerspruchsbescheid ist dieser am 11.11.2009 versandt worden.

Der Kläger hat am 14.12.2009 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Auch bei der Berechnung seines Bedarfs sei - wie bei der Berücksichtigung der Rente der A. - eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR zu berücksichtigen. Zudem seien höhere Kosten im Widerspruchsverfahren zu erstatten, da die Erfolgsquote höher gewesen sei.

Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 11.06.2010 verurteilt, die Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 10.11.2009 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte die Kosten im Widerspruchsverfahren entsprechend der Erfolgsquote in Höhe von 65,17 % trage, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klageverfahren zu tragen. Die Klage sei fristgemäß erhoben worden. Da der Widerspruchsbescheid am 11.11.2009 zur Post gegeben worden sei, gelte er am 14.11.2009 als bekanntgegeben. Die am 14.12.2009 erhobene Klage sei damit innerhalb der Monatsfrist erhoben worden. Der Beklagte habe den Bedarf des Klägers zutreffend berechnet. Insbesondere sei bei ihm nicht eine (weitere) Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR anzurechnen. Der pauschale Abzug von Versicherungsbeiträgen sei ausdrücklich an dem Zufluss des Einkommens angeknüpft und nicht bedarfsbezogen, weswegen die Pauschale lediglich einmal vom jeweiligen Einkommen abgesetzt werden könne, § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II (unter Berufung auf BSG, Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R -). Auch aus dem vom Kläger zitierten Urteil des BSG vom 13.05.2009 (B 4 AS 39/08 R) ergebe sich nichts Gegenteiliges. Zwar habe das BSG darin entschieden, dass die Versicherungspauschale zunächst beim Einkommen des Kindes (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II) in Abzug zu bringen sei und anschließend bei einem vom Kind nicht mehr benötigten Anteil des Kindergeldes eine erneute Versicherungspauschale bei der Zurechnung gegenüber einem anderen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft in Abzug gebracht werden könne. Dieser Fall unterscheide sich jedoch von der vorliegenden Konstellation dadurch, dass das Kind - sofern es seinen eigenen Bedarf selbst durch das ihm zufließende Kindergeld nach Abzug der Versicherungspauschale decken könne - aus der Bedarfsgemeinschaft ausscheide. Es erfolge somit keine doppelte Berücksichtigung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft. Auch werde das Kindergeld - anders als es beim Einkommen eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft der Fall ist, das gemäß § 9 Abs. 2 SGB II auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach der sogenannten Horizontalmethode verteilt werde - in diesen Fällen rechtlich als zwei verschiedene Einkommen angesehen: Es sei zunächst Einkommen des Kindes, insofern dieses das Kindergeld benötige, um seinen Lebensunterhalt zu decken. Der diesen Bedarf übersteigende Teil des Kindergeldes sei Einkommen des Kindergeldberechtigten. Aufgrund dieses sachlichen Unterschiedes sei kein erneuter Abzug eines Versicherungsbetrags beim Kläger möglich. Allerdings habe der Beklagte zu Unrecht lediglich 50% der Aufwendungen im Widerspruch erstattet. Das Gesetz enthalte keine eindeutigen Regelungen für die zu übernehmende Kostenquote bei teilweise erfolgreichen Widersprüchen. Nach allgemeiner Auffassung sei eine Quote entsprechend dem Erfolgsanteil anzusetzen. Der Kläger sei im Widerspruchsverfahren zu 65,17% erfolgreich gewesen, da er eine monatliche Absenkung von 56 EUR (KdU) erfolgreich angegriffen habe und lediglich bezüglich 30 EUR pro Monat (Berücksichtigung des Freibetrags) erfolglos geblieben sei. Hieraus ergebe sich die Quote von 65,17%. Das SG hat die Berufung zugelassen, da es der vom Kläger aufgezeigten Problematik einer doppelten Berücksichtigung der Versicherungspauschale beim Kindergeld entsprechend der oben genannten BSG-Entscheidung sowie der Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung auf die vorliegende Fallkonstellation grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat. Das Urteil des SG ist den Bevollmächtigten des Klägers am 16.08.2010 zugestellt worden.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 16.09.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Ebenso wie beim Bezug von Kindergeld, welches teilweise auf den Bedarf der Eltern eines Kindes angerechnet werde, sei bei der Berücksichtigung der Rente der A. auf den Bedarf des Klägers eine zweite Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR für den Kläger abzuziehen. Da die A. keine eigenen Ansprüche nach dem SGB II habe, finde auch die sogenannte Bedarfsanteilsmethode aus § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II keine Anwendung. Das Einkommen der A. werde damit zunächst und uneingeschränkt als deren Einkommen betrachtet, sie erwerbe weder einen Anspruch nach dem SGB II noch nach dem SGB XII. Entgegen der Auffassung des SG sei das Urteil des BSG vom 21.12.2009 (B 14 AS 42/08 R) daher nicht einschlägig, da diesem Urteil eine Verteilung des Einkommens gemäß der Bedarfsanteilsmethode auf mehrere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zugrunde liege. Dieser Fall betreffe eine sogenannte "echte" Bedarfsgemeinschaft, in der mehrere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft leistungsberechtigt nach dem SGB II seien. Anders als im vorliegenden Fall sei jedoch wie im Fall der Entscheidung des BSG vom 13.05.2009 (B 4 AS 39/08 R) eine Leistungsberechtigung der Ehefrau nicht gegeben, weswegen insofern auch für die Bedarfsgemeinschaft bei der Anrechnung des von der Ehefrau nicht benötigten Rentenanteils eine erneute Versicherungspauschale abzuziehen sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.06.2010 sowie unter Abänderung des Bescheids vom 12.05.2009 und des Bescheides vom 23.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2009 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.06.2009 bis zum 30.11.2009 wegen der Berücksichtigung eines weiteren pauschalen Freibetrags für Versicherungen von 30 EUR höheres Arbeitslosengeld II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf dessen Entscheidungsgründe.

Die Ehefrau des Klägers ist zum Berufungsverfahren beigeladen worden. Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligen wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des LSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist zum ganz überwiegenden Teil nicht begründet.

Die Klagefrist des § 87 Abs. 1 SGG wurde mit der Klageerhebung vom 14.12.2009 beim SG gewahrt, denn ein früherer Zugang des Widerspruchsbescheides als vor dem 14.11.2009 ist auch bei Berücksichtigung der Regelung in § 37 Abs. 2 SGB X nicht nachgewiesen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.04.2010 - L 12 AS 34/09 -; Sächsisches LSG, Urteil vom 18.03.2010 - L 3 AS 180/09 -; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14.01.2011 - L 11 AS 808/10 B PKH -).

Streitgegenstand ist in zeitlicher Hinsicht die Höhe von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2009 bis zum 30.11.2009, denn Bescheide über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für Folgezeiträume werden regelmäßig nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG Gegenstand anhängiger Klageverfahren (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -). Hierbei sind allerdings diejenigen Bescheide, welche sich nach der Einlegung des Widerspruchs auf denselben Zeitraum beziehen, nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden.

Da es sich bei Ansprüchen nach dem SGB II um individuelle Ansprüche des Klägers handelt, war seine Ehefrau ungeachtet der Anrechnung ihres Einkommens nicht als Klägerin in das Rubrum aufzunehmen (BSG, a.a.O.). Die A. gehört zwar trotz ihres Rentenbezugs wegen voller Erwerbsminderung in der oben genannten Höhe und trotz ihrer fehlenden Bedürftigkeit nach dem SGB II, nach dem ihr keine eigenen Ansprüche zustehen, gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II als Ehegatte zu der Bedarfsgemeinschaft des Klägers (sogenannte "gemischte Bedarfsgemeinschaft", in der nicht alle Mitglieder Leistungsansprüche nach dem SGB II haben). Eine Beiladung der A. hatte trotz ihres Rentenbezugs und ihrer Rentenanrechnung bei dem Kläger nicht zwingend zu erfolgen, sondern lediglich nach § 75 Abs. 1 SGG (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - und - B 7b AS 14/06 R -). Die bloß wirtschaftliche Reflexwirkung der Entscheidung gegenüber dem Kläger auf den Gesamthaushalt der Klägers und der A. begründet keine zwingende Beiladung der A. nach § 75 Abs. 2 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - m.w.N.; BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 58/06 R -).

Schließlich ist nach dem Abhilfebescheid vom 23.09.2009, mit dem die KdU in der tatsächlich anfallenden Kosten übernommen wurden, nur noch die Höhe der Regelleistung nach § 20 SGB II im Streit; denn bei den KdU handelt es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand, dem auch ausweislich der vorliegend angefochtenen Bescheide des Beklagten eine abgrenzbare Regelung (Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X) des Gesamtbescheides zugrunde liegt. Entsprechend dem Antrag des Klägerbevollmächtigten ist daher nur noch über die Regelleistung des Alg-II-Anspruchs zu befinden (BSGE 97, 217 = BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1).

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der ab dem 01.06.2007 geltenden Fassung betrug die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für Personen, die allein stehend oder allein erziehend waren oder deren Partner minderjährig war, 345 Euro. Nach Absatz 3 dieser Vorschrift betrug die Regelleistung, wenn zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet hatten, jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz 2. Seit 01.07.2008 betrug der Regelsatz nach Absatz 1 351 EUR, ab dem 01.07.2009 wurde der Regelsatz auf monatlich 359 EUR erhöht (Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 01.07.2008 vom 26.06.2008, BGBl. I S. 1102; Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Absatz 2 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 01.07.2009 vom 17.06.2009, BGBl. I S. 1342). Für das Jahr 2009 ist der Beklagte hinsichtlich der Regelleistung danach zutreffend von einem Bedarf des Klägers von 316 EUR (Juni 2009) bzw. 323 EUR (Juli bis November 2009) ausgegangen.

Auch bei der vorliegenden sogenannten "gemischten Bedarfsgemeinschaft", nach der die A. ohne Leistungsansprüche zur Bedarfsgemeinschaft gehört, ist die Kürzung der Regelleistung nach § 20 Abs. 3 SGB II auf 90 vom Hundert vorzunehmen. Das gleiche Rechenergebnis ergibt sich im Übrigen, wenn - wie in dem der Entscheidung des BSG vom 19.10.2010 (B 14 AS 51/09R) zugrundeliegenden Fall - der Bedarf des Rentenbeziehers einer gemischten Bedarfsgemeinschaft mit 100 vom Hundert der Regelleistung angenommen wird und dann nur noch ein Bedarf des Hilfebedürftigen entsprechend der Regelung in Absatz 3 von 80 vom Hundert angenommen wird (da nach der gesetzlichen Regelung eine Bedarfsgemeinschaft zweier Erwachsener wegen Einspareffekten nur 180 vom Hundert zweier Regelleistungen beziehen soll). Da vorliegend bei der zweiten Berechnungsart das geringere zu berücksichtigende Einkommen betragsmäßig dem höheren Bedarf des Hilfebedürftigen bei der ersten Berechnungsart entspricht, wirkt es sich nicht auf das Berechnungsergebnis aus, welche Berechnungsmethode angewendet wird.

Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf die Regelleistung nach § 20 SGB II zutreffend wegen der Erwerbsminderungsrente der A. gekürzt. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Das BSG hat zutreffend entschieden, dass auch bei einer gemischten Bedarfsgemeinschaft entsprechend der Berechnungsmethode des Beklagten die Erwerbsminderungsrente eines Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft - nach Abzug seines fiktiven Eigenbedarfs nach dem SGB II - auf den Bedarf der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen ist (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 51/09 R - m.w.N; BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 58/06 R -). Bei sog. gemischten Bedarfsgemeinschaften ist bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit von dem Einkommen des nicht leistungsberechtigten Mitglieds (hier einer Rentnerin), dessen eigener Bedarf nach dem SGB II abzuziehen. Der ungedeckte Gesamtbedarf wächst entgegen der Verteilungsregel in § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II allein dem leistungsberechtigten Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu (BSG, Urteil vom 19.03.2009 - B 14/7b AS 58/06 R -).

Ausgehend von einem Bedarf von 316 EUR bzw. 323 EUR Regelleistung hat der Beklagte zu Recht den Bedarf der A. nach dem SGB II übersteigenden Betrag ihrer Erwerbsminderungsrente auf den Bedarf des Klägers angerechnet, wobei insbesondere nicht eine weitere Versicherungspauschale von 30,00 EUR bei der Einkommensanrechnung bei dem Kläger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO anzusetzen war. Bei der Feststellung des zu berücksichtigenden Einkommens zur Berechnung des Arbeitslosengeld II sind vom Einkommen unter anderem Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, abzusetzen, § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Für diesen Absetzbetrag wird in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO ein Pauschbetrag von 30 Euro monatlich bestimmt, der indes bereits bei der A. bereits berücksichtigt wurde.

Demnach ergibt sich für den Kläger entsprechend der oben im Tatbestand aufgeführten Berechnung gemäß dem Widerspruchsbescheid vom 10.11.2009 für Juni 2009 ein Anspruch auf eine Regelleistung in Höhe von 166,65 EUR (316 EUR Regelleistung abzüglich 149,35 EUR Einkommen) und für Juli bis November 2009 von 149,38 EUR (323 EUR abzüglich 173,62 EUR Einkommen), woraus sich zuzüglich monatlich auf den Kläger entfallenden KdU (390,83 EUR) die von dem Beklagten nach dem SGB II in zutreffender Höhe bewilligten Beträge von 557,48 EUR für Juni 2009 und von 540,21 EUR monatlich für Juli bis November 2009 ergeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Berechnung und die Hinweise in dem oben dargestellten Widerspruchsbescheid vom 10.11.2009 Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es nicht möglich, nach der Bereinigung des Einkommens der A. um die Versicherungspauschale von 30 EUR (Reduzierung der Rente der A. von 886,18 EUR auf 856,18 EUR bzw. von 917,45 EUR auf 887,45 EUR) bei der Anrechnung bei seinem Bedarf ein weiteres Mal eine Versicherungspauschale von 30 EUR anzusetzen. Das BSG hat in einem zuletzt entschiedenen Fall mit vergleichbarer Konstellation (gemischte Bedarfsgemeinschaft mit einem Bezieher von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R -; die einschlägige Berechnung findet sich unter der juris-Rdnr. 4) eine Berechnung mit nur einmaligem Ansatz von 30,00 EUR gebilligt, ohne indes ausdrücklich darauf einzugehen, dass die Versicherungspauschale nur einmal vom Einkommen abgesetzt werden kann.

Das BSG hat entschieden, dass die Privilegierung durch den Abzug der Versicherungspauschale für nicht weiter nachgewiesene Privatversicherungsbeiträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 3 Nr. 1 AlgII-VO an den Zufluss des Einkommens anknüpft und nicht als bedarfsbezogen zu verstehen ist. Die Pauschale ist daher lediglich einmalig vom jeweiligen Einkommen (hier: von der Erwerbsminderungsrente) abzusetzen. Nur Beiträge für Versicherungen iSd § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, die mit der Versicherungspauschale nicht abgegolten sind und die durch konkrete Ausgaben nachgewiesen werden, können auch dann abgesetzt werden, wenn sie für Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgewendet werden müssen, denen selbst kein (ausreichendes) Einkommen zufließt (BSG, Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R -).

Zwar beziehen sich die Ausführungen in dieser Entscheidung des BSG, worauf der Klägerbevollmächtigte zutreffend hinweist, auf das Vorliegen einer echten Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II. Die tragenden Gründe dieser Entscheidung beanspruchen indes auch Geltung für gemischte Bedarfsgemeinschaften. Es ist kein überzeugender Grund dafür ersichtlich, gemischte Bedarfsgemeinschaften gegenüber anderen Bedarfsgemeinschaften dadurch zu privilegieren, dass erstere zweimal pauschal einen monatlichen Betrag für Versicherungen in Höhe von 30 EUR absetzen können; da die Anrechnung in beiden Fällen bei einem bedürftigen Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II erfolgt, verlangt die gleiche Behandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG vielmehr, dass insofern nicht differenziert wird. Denn in beiden Fällen ist es dann möglich, bei gleichen Voraussetzungen weitere Versicherungsbeiträge, die konkret nachgewiesen wurden, nach den voranstehenden Vorschriften über die Versicherungspauschale hinaus geltend zu machen.

Sofern der Kläger sich auf die Entscheidung des BSG vom 13.05.2009 beruft, vermag dies der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das BSG hat unter anderem entschieden, dass für die Feststellung, ob ein Kind über Einkommen verfügt, vor der Anrechnung auf den Bedarf seiner Eltern eine Versicherungspauschale von 30 Euro abgesetzt werden müsse; anschließend sei, sofern Einkommen verbleibe, bei der Anrechnung als Einkommen auf den Bedarf der Eltern erneut eine Versicherungspauschale von 30 EUR anzusetzen (B 4 AS 39/08 R, juris-Rdnr. 25). Diese Entscheidung des BSG enthält zu der hier aufgeworfenen Frage nur wenige ausdrückliche Begründungselemente. Insbesondere betrifft diese Entscheidung des BSG aber einen Fall, in dem wegen des für den eigenen Bedarf der Kinder ausreichenden Einkommens keine Bedarfsgemeinschaft mit den Kindern vorlag, was dazu führte, innerhalb der Bedarfsgemeinschaft (der Mutter allein) wenigstens eine Versicherungspauschale wie bei den anderen Bedarfsgemeinschaften zu berücksichtigen; denn der Sinn der pauschalen Regelung ist es gerade, die Pauschale für jede Bedarfsgemeinschaft im Interesse der Verwaltungsvereinfachung unabhängig vom Nachweis einer tatsächlich abgeschlossenen entsprechenden Versicherung zu gewähren (BSG a.a.O. juris Rdnr. 20). Vorliegend besteht indes eine - wenn auch gemischte - Bedarfsgemeinschaft und eine Versicherungspauschale ist schon einmal innerhalb dieser Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt worden.

Die Besonderheiten des Kindergelds, welches vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes verwendet werden soll und daher ebenso wie das sonstige Einkommen und Vermögen des minderjährigen Kindes nicht an der Einkommensverteilung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II teilnimmt (vgl. BSG vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R -) sind im vorliegenden Sachverhalt zudem nicht einschlägig. Der vorliegende Fall ist daher nach den allgemeinen Grundsätzen zur Berücksichtigung von Versicherungsbeiträgen nach dem SGB II zu behandeln.

Schließlich ist die Entscheidung des BSG vom 13.05.2009 (B 4 AS 39/08 R) auch zu einer Fassung der Alg II-VO ergangen, welche in Reaktion auf diese BSG-Entscheidung zum 01.08.2009 entscheidend geändert worden ist. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-VO in der seit dem 01.08.2009 geltenden Fassung ist als Pauschbetrag vom Einkommen Minderjähriger ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II, die nach Grund und Höhe angemessen sind, nur noch dann abzusetzen, wenn der Minderjährige eine entsprechende Versicherung auch tatsächlich abgeschlossen hat. Mit dem neu eingeführten Erfordernis des tatsächlichen Vorliegens einer Versicherung bei Minderjährigen hat das nach § 13 SGB II zum Erlass der Verordnung ermächtigte Bundesministerium für Arbeit und Soziales die durch die Rechtsprechung des BSG vom 13.05.2009 (B 4 AS 39/08 R) bewirkte systemwidrige Benachteiligung von Kindern mit geringem, ihren eigenen Bedarf nicht übersteigenden Einkommen beseitigt. Auf den Verbleib von Kindern in der Bedarfsgemeinschaft aufgrund der Regelungen über die Einkommensanrechnung kommt es nach der Neuregelung jetzt nicht mehr an (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VI/10, § 11 Rdnr. 443). Eine mehrfache Anrechnung der Versicherungspauschale ohne Berücksichtigung einer tatsächlich vorliegenden Versicherung auf ein einzelnes Einkommen ist in Fällen wie demjenigen, welcher der Entscheidung des BSG zugrunde lag, seitdem ausgeschlossen (vgl. die Begründung zu dieser Änderung im Referentenentwurf für die zweite Verordnung zur Änderung der Alg II-VO unter http://www.aus-portal.de/Zweite VO zur Aenderung ALG II Begruendung.pdf; auszugsweise abgedruckt bei Hauck/Noftz, SGB II, Stand VI/10, § 13 Rdnr. 270). Der Änderung durch das für den Erlass der Verordnung zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales lässt sich für den vorangegangenen Zeitraum auch eine authentische Interpretation des Verordnungsgebers entnehmen, dass eine Mehrfach-Anrechnung der Pauschale auf ein einzelnes Einkommen in derselben Bedarfsgemeinschaft nicht gewollt ist und auch in der Vergangenheit nicht beabsichtigt war (siehe die Begründung zu der Änderung a.a.O.).

Das BSG hat mit Urteil vom 07.11.2006 (B 7b AS 18/06 R) verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelungen in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II und § 3 Nr. 1 Alg II-VO (frühere Vorschrift über die Versicherungspauschale von 30 EUR) verneint, da sie jeweils in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers lägen. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspauschale nicht jedem einzelnen Leistungsempfänger zugestanden werde, da die erfassten privaten Versicherungen in einer Bedarfsgemeinschaft üblicherweise nur einmal bestünden und der Versicherungsschutz in der Regel auch den Partner und die haushaltsangehörigen minderjährigen Kinder des Versicherungsnehmers erfasse. Dies gelte sogar dann, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nur minderjährige Kinder Einkommen in Form von Kindergeld erzielten, so dass der Bedarfsgemeinschaft der Rückgriff auf die Versicherungspauschale gänzlich verwehrt sei (Urteil vom 18.06.2008 - B 14 AS 55/07 R -; vgl. Radüge in jurisPR-SozR 25/2009 Anm. 2).

Auch in der gemischten Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Kläger und der A. besteht kein Anlass, die Versicherungspauschale mehrfach zu gewähren, weil die von ihr erfassten Versicherungen nach den voranstehenden Ausführungen auch in ihrem Fall typischerweise nur einmal bestehen. Ein darüber hinaus bestehender weiterer tatsächlicher Bedarf an Aufwendungen für Versicherungsbeiträge wurde vom Kläger nicht geltend gemacht.

Nach § 41 Abs. 2 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung sind Leistungen immer als volle Eurobeträge zu erbringen. Die von der Beklagten unterlassene Aufrundung der Regelleistung des Klägers für den Monat Juni 2009 von 166,65 EUR (316 EUR Regelleistung abzüglich 149,35 EUR Einkommen) auf 167,00 EUR hat die Beklagte durch ihr Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2011 nachgeholt. Da der Kläger dieses Teilanerkenntnis in Höhe von 0,35 EUR angenommen hat, war vorliegend hierüber nicht mehr zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der geringfügige Erfolg des Klägers bezüglich des Teilanerkenntnisses der Beklagten in Höhe von 0,35 EUR rechtfertigt keine zusätzliche Kostenübernahme durch den Beklagten, da dieser Betrag wirtschaftlich für den Kläger unbedeutend ist.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die von der Berufung aufgeworfene Frage der mehrfachen Berücksichtigung der Versicherungspauschale nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO ist für die hier vorliegende Konstellation einer bestehenden Bedarfsgemeinschaft in der Rechtsprechung des BSG hinreichend geklärt. Soweit sich der Klägerbevollmächtigte auf die alleinige Entscheidung des BSG vom 13.05.2009 (B 4 AS 39/08 R) stützt, ist die dieser Entscheidung zugrundeliegende Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO inzwischen geändert worden.
Rechtskraft
Aus
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