L 6 SF 22/11 AB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 U 136/02
Datum
-
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 SF 22/11 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Klägerin vom 25. April 2011 auf Ablehnung der Richterin B. wegen Besorgnis der Befangenheit wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Gegenstand der Entscheidung ist die Ablehnung der Vorsitzenden der 15. Kammer des Sozialgerichts (SG) H., Richterin B., wegen Besorgnis der Befangenheit.

In der Hauptsache begehrt die Klägerin neben der Anerkennung des Todes ihres Ehemannes als Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung auch die Gewährung einer Verletztenrente sowie Hinterbliebenenleistungen.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit bei dem Verstorbenen ab. Nachdem die Klägerin hiergegen Widerspruch erhoben hatte, holte die Beklagte, unter Überlassung von in Paraffin gebetteter Lungengewebeproben, welche von dem Verstorbenen stammen sollen, die Stellungnahme des Chefarztes des Pathologischen Instituts der Städtischen Klinik F. Prof. Dr. K. vom 10. Januar 2002 ein, der eine histologische Untersuchung des Gewebes vornahm.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2002 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Mit der am 13. Juni 2002 vor dem Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S 6 U 136/02 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Am 10. Januar 2003 hat sie den Antrag gestellt, von Prof. Dr. Dr. S. ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einzuholen und leistete hierfür am 17. Januar 2003 den geforderten Vorschuss in Höhe von 1.000 EUR. Im April 2003 hat der damalige Vorsitzende der 6. Kammer darauf hingewiesen, die Einholung des Gutachtens nach § 109 SGG werde zurückgestellt, weil noch Ermittlungen von Amts wegen vorgenommen würden und den Zeugen Dr. R. um schriftliche Beantwortung mehrerer Fragen gebeten.

Im Erörterungstermin am 27. Januar 2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, er sei der Auffassung, das Gutachten von Prof. Dr. K. unterliege dem Verwertungsverbot, weil die Klägerin einer Übermittlung von geschützten Daten nicht zugestimmt habe. Es bestehe aber Einverständnis, dass die vorhandenen Schnittpräparate und bildgebenden Befunde Gegenstand einer weiteren Begutachtung werden können.

Am 15. Februar 2005 hat die Klägerin beantragt festzustellen, dass das Gutachten des Prof. Dr. K. dem Verwertungsverbot unterliege. Mit Schreiben an die Beklagte vom 17. August 2005 hat der damalige Vorsitzende der 6. Kammer des Sozialgerichts Halle, Richter am Sozialgericht P., diese Auffassung geteilt.

Nachdem das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 12. September 2006 die Selbstablehnung des damaligen Vorsitzenden der 6. Kammer für begründet gehalten hat, hat zunächst die Richterin Dr. E. den Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen S 15 U 136/02 fortgeführt. Diese hat mit Beweisanordnung vom 4. Mai 2007 Prof. Dr. T. vom Institut für Pathologie der R.-Universität B. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. In der Vorbemerkung zu den Beweisfragen hat sie darauf hingewiesen, dass das Gutachten von Prof. Dr. K. nach "derzeitiger Prüfung der Sach- und Rechtslage" möglicherweise unverwertbar sei, so dass es im Rahmen der "jetzigen Begutachtung" nicht herangezogen werden sollte.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2007 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Meinung vertreten, dass das Gutachten von Prof. Dr. K. wegen des Verwertungsverbotes vor der Versendung der Akten an Prof. Dr. T. aus der Akte zu entfernen sei.

Unter dem 13. Juni 2007 hat Prof. Dr. T. das fachpathologische Gutachten erstattet. Auf Anfrage der Richterin Dr. E., ob ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden solle, teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter dem 5. Juli 2007 mit, den Antrag nach § 109 SGG habe er bereits vor vier Jahren gestellt und den Vorschuss eingezahlt. Weiter hat er angefragt, ob das Gutachten von Prof. Dr. K. vor dem Versand an Prof. Dr. T. aus der Akte entfernt worden sei und weshalb das Gericht sicher sei, dass die Gewebeproben dem Verstorben zuzurechnen seien.

Unter dem 16. Juli 2007 hat die damalige Vorsitzende dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, Prof. Dr. T. sei in der Beweisanordnung vom 4. Mai 2007 darauf hingewiesen worden, das Gutachten von Prof. Dr. K. nicht heranzuziehen, weil es unverwertbar sei.

Am 26. Juli 2007 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, das Gutachten von Prof. Dr. K. sei unverzüglich vor der Beauftragung von Prof. Dr. Dr. S. aus der Akte zu entfernen, das Gutachten von Prof. Dr. T. sei nicht verwertbar und die 19 Schnittpräparate sollten nicht Gegenstand des Gutachtens von Prof. Dr. Dr. S. sein.

Mit der Beweisanordnung vom 11. September 2007 hat dann die damalige Vorsitzende gemäß § 109 SGG Prof. Dr. Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Unter dem 5. Februar 2008 hat Prof. Dr. Dr. S. dem Gericht mitgeteilt, ihm sei die Erstattung eines Gutachtens nicht möglich, weil er die Schnittpräparate nicht zuordnen könne. Auf Anfrage der Vorsitzenden hat die Klägerin beantragt, Prof. Dr. G. mit der Erstattung des Gutachtens nach § 109 SGG zu beauftragen. Dem ist das Sozialgericht mit der Änderung der Beweisanordnung am 10. März 2008 nachgekommen. Nachdem die Klägerin einen weiteren Vorschuss zur Begutachtung nicht eingezahlt hat, hat die Vorsitzende die Beweisanordnung am 11. September 2007 aufgehoben.

Das Gesuch der Klägerin vom 26. Mai 2008, mit dem sie die Vorsitzende Dr. E. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 15. Mai 2009 zurückgewiesen. Zuvor hatte die Klägerin am 9. Juni 2008 beantragt, den stellvertretenden Direktor des Instituts für Pathologie des Universitätsklinikums H., Prof. Dr. H., mit der Erstattung eines Gutachtens nach § 109 SGG zu beauftragen.

Mit Schreiben vom 16. Juni 2009 hat die Vorsitzende Dr. E. Prof. Dr. H. angeschrieben, den Verfahrensstand geschildert und um Mitteilung der voraussichtlichen Kosten eines Gutachtens gebeten. Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 hat Prof. Dr. H. Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines erneuten Gutachtens geäußert und darum gebeten, ihn von der Funktion eines Gutachters zu entbinden.

Ein zwischenzeitlich eingereichtes Befangenheitsgesuch der Klägerin vom 28. Juni 2009 gegen die Richterin Dr. E. hat das Landessozialgericht Sachen-Anhalt mit Beschluss vom 3. März 2010 zurückgewiesen. Zwischenzeitlich ist seit dem 1. Januar 2010 Richterin B. als Vorsitzende der 15. Kammer mit dem Rechtsstreit befasst.

Unter dem 29. März 2010 hat Richterin B. bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angefragt, ob ein anderer Gutachter benannt werden soll.

Mit Schreiben vom 6. April 20010 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nochmals darauf hingewiesen, dass die Klägerin die Gutachten von Prof. Dr. K. und Prof. Dr. T. für unverwertbar halte, und angefragt, ob diese aus der Akte entfernt worden seien.

Mit Schreiben vom 9. April 2010 hat Richterin B. den Prozessbevollmächtigen der Klägerin darauf hingewiesen, sie habe die Gutachten von Prof. Dr. K. und Prof. Dr. T. nicht aus der Akte entfernt; dies sei von ihr auch nicht beabsichtigt. Die Entscheidung über die Unverwertbarkeit des Gutachtens von Prof. Dr. K. treffe nicht sie als Vorsitzende, sondern das Gericht in der Besetzung durch sie als Vorsitzende und zweier ehrenamtlicher Richter. Eine Entfernung des Gutachtens aus der Akte durch die Vorsitzende allein sei daher unzulässig. Dies gelte grundsätzlich auch für das Gutachten von Prof. Dr. T ... Allerdings sei bisher nicht erkennbar, dass dieses Gutachten unverwertbar sei. Prof. Dr. T. habe in diesem Gutachten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie das Gutachten von Prof. Dr. K. nicht berücksichtigt habe. Vor einer erneuten Begutachtung sei beabsichtigt, den Gutachter darauf hinzuweisen, das Gutachten von Prof. Dr. K. bei der Gutachtenerstellung nicht heranzuziehen.

Unter dem 28. Mai 2010, eingegangen per Fax am 7. Juni 2010, hat die Klägerin Richterin B. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Richterin habe eine Begutachtung durch Prof. Dr. H. bewusst vereitelt, indem sie die Verfahrensweise von Dr. E. widerspruchslos übernommen habe. Mit ihrer Absicht, das Gutachten von Prof. Dr. K. nicht aus der Akte entfernen und über die Unverwertbarkeit in der Kammerbesetzung entscheiden zu wollen, setze sie sich über die Entscheidung des damaligen Vorsitzenden der 6. Kammer und über die Entscheidung von Dr. E. bewusst hinweg, um sie zu benachteiligen. Die vehemente subjektive Weigerung gegen die Entfernung des Gutachtens von Prof. Dr. K. sei nur mit ihrer fehlenden Objektivität zu erklären. Schließlich ignoriere sie die Urteile des Bundessozialgerichts vom 27. Juni 2006 - B 2 U 10/07 R - und vom 5. Februar 2008 - B 2 U 8/07 R -. Das Gutachten von Prof. Dr. K. sei durch einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Grundgesetz (GG) und einem Verstoß gegen § 200 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII) in Verbindung mit § 76 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) zustande gekommen und daher unverwertbar und aus der Akte zu entfernen. Das Gutachten von Prof. Dr. T. basiere auf dem Gutachten von Prof. Dr. K. und sei ebenfalls zu entfernen. Dass dies von der abgelehnten Richterin unterlassen und das Gutachten von ihr noch kommentiert werde, begründe ihre Befangenheit. Das Vertrauen in ihre Unvoreingenommenheit sei durch dieses Verhalten zerstört.

Unter dem 18. Juni 2010 hat sich die Richterin dahingehend geäußert, sie sehe keinen Grund für eine Besorgnis der Befangenheit. Die erhobenen Vorwürfe zur Gutachtenerstellung von Prof. Dr. T. und Prof. Dr. H. könnten ihr nicht zugerechnet werden, weil sie erst seit dem 1. Januar 2010 den Vorsitz der Kammer übernommen habe. Sie sei nicht befugt, die Gutachten von Prof. Dr. K. und Prof. Dr. T. aus der Akte zu entfernen, weil sie hierüber nur gemeinsam mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden könne. Durch den entsprechenden Hinweis habe sie sich nicht in der Sache festgelegt. Über den Ausgang des Verfahrens habe sie keine Aussage getroffen. Eine endgültige Entscheidung von Richter am Sozialgericht P. und Richterin Dr. E. über die Unverwertbarkeit des Gutachtens von Prof. Dr. K. sei nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang verweise sie auf die Stellungnahmen der Richterin Dr. E. vom 27. Mai 2008, 3. Juli 2008 und 1. Juli 2009. Im Übrigen erkenne sie keine Vorwürfe gegen ihre Person. Sie habe den Fall sachgerecht bearbeitet.

Die Klägerin hat in dieser Stellungnahme einen weiteren Grund für die Besorgnis der Befangenheit gesehen, weil die Richterin behauptet habe, sie habe den Fall sachgerecht bearbeitet, obgleich sie den Prozessstoff nicht beherrsche. Ein weiterer Grund der Ablehnung bestehe darin, dass die Richterin dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnis einer Frau A. H. mit der Aufforderung, diese unter Punkt E und H vollständig auszufüllen, zugesandt habe. Dies sei ein Verstoß gegen das Sozial- und das persönliche Geheimnis.

Zu dem weiteren Vorwurf hat die Richterin unter dem 6. August 2010 ausgeführt, sie habe die Ausführungen von Dr. E. gegenüber Prof. Dr. H. nicht unkritisch übernommen. Die Verfügung zur Übersendung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse befinde sich in der Akte mit Aktenzeichen S 15 AS 6334/09. Die Erklärung trage auch dieses Aktenzeichen. Die fehlerhafte Übersendung an den Prozessbevollmächtigen der Klägerin habe keine Auswirkung auf das vorliegenden Klageverfahren.

Die Klägerin hat hierzu nochmals bekräftigt, die Richterin habe sich unkritisch der Auffassung von Dr. E. angeschlossen und dadurch die Erstattung eines Gutachtens durch Prof. Dr. H. vereitelt. Sie habe zudem gegen das Sozialgeheimnis verstoßen, indem sie der Klägerin mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einen fremden Namen präsentiert habe. Der Senat hat dann mit Beschluss vom 25. November 2010 das Ablehnungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2010 hat die Klägerin wiederholt gefragt, ob die Gutachten von Prof. Dr. K. und Prof. Dr. T. aus der Akte entfernt worden seien, worauf Richterin B. unter Verweisung auf Ihren Hinweis vom 9. April 2010 nochmals erklärt hat, dass dies derzeit nicht beabsichtigt sei.

Mit Verfügung vom 10. März 2011 hat die Richterin B. sodann unter Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den 20. April 2011, 14.30 Uhr bestimmt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Telefax vom 15. März 2011 um Terminsaufhebung gebeten, da er zur Terminzeit verreist sei. Die Vorsitzende hat hierauf wegen der Verhinderung des Prozessbevollmächtigten den Erörterungstermin auf den 3. Mai 2011, 14.45 Uhr verlegt.

Mit Schriftsatz vom 13. April 2011 hat die Klägerin in Vorbereitung des Erörterungstermins nochmals vorgetragen, dass das Gutachten von Prof. Dr. K. unverwertbar sei, da es unter Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII und § 76 Abs. 2 SGB X zustande gekommen sei und daher aus der Akte entfernt werden müsse. Im Weiteren gehe es um 13 oder 14 Paraffinblöckchen mit Lungengewebe und 19 Schnittpräparaten im pathologischen Institut der Martin-Luther Universität H.-W. (MLU), die nicht zweifelsfrei dem Verstorbenen R. K. zugeordnet werden könnten. Der Verstorbene sei während seiner beruflichen Tätigkeit dem krebserregenden gasförmigen Formaldehyd ausgesetzt gewesen, wofür ein Zeuge als Beweismittel angeboten werde. Es werde kein weiterer Antrag nach § 109 SGG gestellt, nachdem der benannte Arzt Prof. Dr. H. eine Begutachtung abgelehnt habe.

Richterin B. hat mit Verfügung vom 15. April 2011 den auf den 3. Juni 2011 verlegten Erörterungstermin aufgehoben, da der Antrag nach § 109 SGG zurückgenommen worden sei, und der Erörterungstermin insbesondere dazu bestimmt gewesen sei zu klären, ob ein anderer Gutachter benannt werden sollte. Es sei nunmehr der 20. Juli 2011 für die mündliche Verhandlung vorgesehen.

Mit Telefax vom 25. April 2011 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zunächst handschriftlich beantragt, die Richterin B. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die weiteren handschriftlichen Angaben sind jedoch in ihrer Gänze nicht eindeutig entzifferbar, werden aber im nachfolgenden Telefax vom 26. April 2011 maschinenschriftlich wiederholt: Die Richterin B. habe mit der Begründung, der Antrag nach § 109 SGG sei zurückgenommen, den Erörterungstermin aufgehoben. Tatsächlich habe sie [die Klägerin] ihren Antrag nach § 109 SGG unter Benennung von Prof. Dr. H. nicht zurückgenommen, sondern nur klargestellt, dass "kein weiterer" Antrag nach § 109 SGG gestellt werde. Auch wenn Prof. Dr. H. die Begutachtung abgelehnt habe, "laufe" ihr Antrag nach § 109 SGG noch. Es müsse davon ausgegangen werden, Richterin B. wolle die Anhörung nicht durchführen, um die Beklagte zu schützen. Die Willkür und die Befangenheit der Richterin seien in der Androhung von Ordnunggeld für ein Nichterscheinen der Klägerin im Anhörungstermin am 3. Mai 2011 und in der plötzlichen Terminsaufhebung begründet. Auch die Behauptung der Richterin B., der Antrag nach § 109 SGG sei zurückgenommen, könne geeignet sein, das Misstrauen eines Beteiligten zu rechtfertigen, und nach objektiven Gesichtspunkten Rückschlüsse auf ihre Befangenheit zu ziehen. Im Übrigen werden in diesem klägerischen Schriftsatz im Wesentlichen der Inhalt des vorhergehenden Schriftsatzes wiederholt und losgelöst vom Fall abstrakte Ausführungen zur Unparteilichkeit und zum Verhalten von Richtern gemacht.

Richterin B. hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 28. April 2011 erklärt, sie halte sich weder für befangen, noch sehe sie einen Grund für die Besorgnis einer Befangenheit. Sie sei angesichts der Formulierung im klägerischen Schriftsatz vom 13. April 2011 fälschlicherweise davon ausgegangen, der Anhörungsantrag von Prof. Dr. H. werde nicht mehr aufrechterhalten. Der anberaumte Erörterungstermin sollte insbesondere zur Klärung der Frage der Aufrechterhaltung des Antrages nach § 109 SGG dienen. Durch eine falsche Auslegung ergebe sich jedoch keine Voreingenommenheit. Es werde beabsichtigt, das nach § 109 SGG beantragte Gutachten einzuholen, zumal der Gutachter wohl nicht berechtigt sei, sich zu weigern. Eine Verhinderung eines Gutachtens nach § 109 SGG sei ihrerseits nicht beabsichtigt gewesen.

Auf diese dienstliche Äußerung der Richterin B. hat die Klägerin mit Telefax vom 13. Mai 2011 gerügt, die Richterin verstoße gegen die Zuständigkeitsregel nach § 45 Zivilprozessordnung (ZPO), da sie selbst darüber befinde, ob sie befangen sei. Tatsächlich komme es weder darauf an, wie sich die abgelehnte Richterin fühle, noch ob sie das Ablehnungsgesuch für begründet halte. Im Übrigen sei die Androhung von Ordnungsgeld für ein Nichterscheinen der Klägerin willkürlich, zumal der Anhörungstermin dann aufgehoben wurde. Im seit 2002 anhängigen Gerichtsverfahren hätten bereits fünf Befangenheitsanträge gestellt werden müssen. Beweismittel in Form von Gewebeproben seien ohne Information und Belehrung der Klägerin über ihr Widerrufsrecht bei der Begutachtung durch Prof. Dr. K. restlos verbraucht worden.

Auf Anforderung des Senats zu einer weiteren dienstlichen Stellungnahme entsprechend der Vorschrift des § 44 Abs. 3 ZPO hat die abgelehnte Richterin unter dem 24. Mai 2011 erklärt, es ergebe sich aus dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten kein neuer Sachverhalt. In Bezug auf die Androhung des Ordnungsgeldes handele es sich um einen Standardvordruck, der bei der Ladung aller Kläger Verwendung finde.

II.

Das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt ist nach § 60 Abs. 1 Satz 2 SGG für die Entscheidung über den Ablehnungsantrag zuständig und entscheidet durch Beschluss.

Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, jedoch unbegründet.

Gemäß § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus (Bundessozialgericht (BSG), Beschl. v. 31. Juli 1985 - 9a RVs 5/84 -SozR 1500 § 60 Nr. 3). Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 16. Februar 1995 - 2 BVR 1852/54 -, BVerfGE 92, 138, 139). Zweifel können beispielsweise erheblich sein, wenn der Richter den Eindruck vermittelt, er wolle das Vorbringen von Beteiligten aus unsachgemäßen Erwägungen nicht zu Kenntnis nehmen, oder er habe sich einseitig auf eine Rechtsauffassung festgelegt und werde von dieser auch nicht abweichen. Unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters sind grundsätzlich kein relevanter Grund für die Ablehnung (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 31. März 1993 - L 1 S 24/92 - Breithaupt 1994, 87). Auch Verfahrensfehler und unrichtige Entscheidungen des Richters begründen keinen Ablehnungsgrund, wenn keine unsachliche Einstellung des Richters erkennbar ist (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 2. September 1993 - 16 W 193/93 - NJW 1994, 1227), da die Unerfahrenheit bzw. mögliche Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung nicht dasselbe wie Befangenheit ist (ähnlich Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 42 Rn. 16).

Soweit die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch auf das richterliche Verhalten im Hauptsacheverfahren stützt, ergibt sich kein Anhaltspunkt für den Anschein einer Befangenheit.

Zunächst bleibt darauf hinzuweisen, dass im Rahmen von § 109 SGG regelmäßig nur die Anhörung "eines" Arztes in beiden Tatsacheninstanzen beantragt werden kann. Das Gericht vermag jedoch selbst das Antragsrecht für diesen einen Arzt nach § 109 Abs. 2 SGG ablehnen, wenn dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird oder der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher gestellt worden ist. Das Antragsrecht nach § 109 SGG ist jedenfalls dann für beide Tatsacheninstanzen regelmäßig verbraucht, wenn das Gericht den benannten Arzt bestellt hat.

Obgleich dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 13. April 2011 kein klarer Zusammenhang der einzelnen Satzteile zu entnehmen ist, scheint für einen objektiven Betrachter zumindest der letzte Teil des ersten Satzes auf Seite 4, der auch den Hauptsatz bildet, eindeutig: " wird kein ‚weiterer’ Antrag nach § 109 SGG gestellt". Da bis auf die zu begründenden Ausnahmen regelmäßig nur einen Antrag nach § 109 SGG vorgesehen ist, ist hieraus nachvollziehbar von Richterin B. der Schluss gezogen worden, dass ein derartiger Antrag nicht mehr existiere. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich rechtlich widersprüchlich und sprachlich unklar ausgedrückt und damit selbst die Ursache für den von Richterin B. gezogenen Schluss gesetzt. Das aus Klägersicht bestehende Missverständnis ist von ihr selbst verschuldet und vermag daher aus Sicht eines objektiven Beteiligten keinen Anlass zum Misstrauen gegen die Kammervorsitzende bieten.

Auch die Ordnungsgeldandrohung für den Fall des Ausbleibens der Klägerin im Termin bei Anordnung des persönlichen Erscheinens gibt keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit der Kammervorsitzenden. Bei der Ladung zum Erörterungstermin hat Richterin B. lediglich den amtlichen Vordruck "SG 135" benutzt und darauf neben der Ladung der Klägerin auch deren persönliches Erscheinen durch Ankreuzen verfügt. Die Klägerin wird sodann über die im Land Sachsen-Anhalt verwandte Justizsoftware EUREKA-Fach und dem dort eingestellten Vordruck "SG 137" von der Geschäftsstelle zum Termin geladen. Der vom System vorgegeben Vordruck "SG 137" enthält gleichsam automatisch den Textbaustein über die Belehrung der Folgen für ein Ausbleiben ohne genügende Entschuldigung, ohne dass der zuständige Richter hierauf überhaupt Einfluss nimmt. Der in Sachsen-Anhalt automatisch verwandte Ladungstext wird im EUREKA-System nur hinsichtlich Adresse, Ladungszeit und -ort für die Klägerin individualisiert. Nach § 111 Abs. 1 SGG ist bei Anordnung des persönlichen Erscheinens auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. Ein prozessrechtlich korrektes Vorgehen kann in der Regel nicht zur Besorgnis der Befangenheit führen.

Schließlich ist der Inhalt der dienstlichen Äußerung der Kammervorsitzenden vom Standpunkt eines vernünftigen Beteiligten aus nicht geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Kammervorsitzenden zu wecken. Die Richterin äußert sich in ihrer dienstlichen Stellungnahme zwar zur "Besorgnis ihrer Befangenheit", obgleich sie für die Frage der Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nicht zuständig ist. Dennoch stellt sich bei objektiver Betrachtung diese Kompetenzüberschreitung nicht als rechtliche "Vorgabe" für den zuständigen Spruchkörper am LSG dar und vermag somit auch kein mögliches Misstrauen gegen die richterliche Unvoreingenommenheit zu schaffen. Ein abgelehnter Richter hat sich in einer dienstlichen Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO nur zu Tatsachen zu äußern, wie er auch Zeugnis im Sinne von § 44 Abs. 2 Satz 2 ZPO abgibt. Ausführungen dazu, ob er das Ablehnungsgesuch für zulässig oder begründet hält, sind nicht veranlasst und regelmäßig auch unangebracht (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 44 Rn. 3). Es ist auch unerheblich, ob sich Richterin B. für befangen hält. Maßgeblich ist allein, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass haben kann, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (vgl. ständige Rspr. d. BSG, Beschl. v. 31. Juli 1985 - 9 a RVs 5/84 - SozR 1500 § 60 Nr. 3). Die Kundgabe der Kammervorsitzenden, sie halte sich nicht für befangen, ist deshalb weder von rechtlicher Relevanz, noch ist es überhaupt dienlich, ein subjektives Befinden in die dienstliche Äußerung einfließen zu lassen. Gerade die Mitteilung innerer Tatsachen, wie die Bekräftigung des Nichtbefangenseins, kann zu Irritationen bei den Beteiligten führen, die vom Gericht Objektivität und Zurückhaltung erwarten dürfen.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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