S 5 AS 1866/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 1866/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 4.2.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.4.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.5.2010 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 4.2.2010 bis 31.7.2010 Grundsicherungsleistungen in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung von EUR 512,00 monatlich an Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung in der Zeit vom 4.2.2010 bis 31.7.2010.

Der 36jährige Kläger zu 1) steht fortlaufend im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er lebt als alleinerziehender Vater in Bedarfsgemeinschaft mit seiner 7jährigen Tochter, der Klägerin zu 2), die Kindergeld in Höhe von EUR 184,00 und Unterhalt durch die Kindsmutter in Höhe von EUR 170,00 monatlich erhält.

Die Kläger bewohnten zunächst zusammen mit der Ehefrau des Klägers zu 1) und Mutter der Klägerin zu 2) eine 90 qm große 4 ½ Zimmerwohnung in der A.straße in D ... Die Kaltmiete für diese Wohnung betrug EUR 333,00. Im Februar 2009 trennten sich der Kläger zu 1) und seine Ehefrau, die aus der gemeinsamen Wohnung auszog.

Am 7.9.2009 sprach der Kläger zu 1) bei der Beklagten vor und beantragte die Zustimmung zum Umzug. Da die beiden von ihm vorgelegten Mietangebote aus Sicht der Beklagten nicht angemessen waren, wurde die Zustimmung nicht erteilt.

Unter dem 10.9.2009 schloss der Kläger zu 1) einen Mietvertrag für die 73,17 qm große Wohnung in der U.-Straße in D ... Mietbeginn war der 1.10.2009. Die Warmmiete für diese Wohnung betrug insgesamt EUR 512,00 bestehend aus einer Kaltmiete in Höhe von EUR 329,00, Betriebskosten in Höhe von EUR 110,00 und Heizkosten in Höhe von EUR 73,00 monatlich.

Am 12.10.2009 sprach der Kläger zu 1) bei der Beklagten vor und überreichte den bereits unterschriebenen Mietvertrag.

Mit Änderungsbescheid vom 14.10.2009 bewilligte die Beklagte den Klägern ab dem Umzug zum 1.10.2009 die Kosten für die Wohnung in der U.-Straße, allerdings nur in aus ihrer Sicht angemessener Höhe von EUR 416,80.

Die Höhe der von Seiten der Beklagten übernommen Kosten für Unterkunft und Heizung blieb bis einschließlich Januar 2010 unverändert.

Am 22.10.2009 wurde beim Kläger zu 1) Lymphdrüsenkrebs ("Morbus Hodgkin") diagnostiziert.

Unter dem 4.2.2010 stellte der Kläger zu 1) einen Antrag auf Fortzahlung der Grundsicherungsleistungen für die Bedarfsgemeinschaft.

Mit Bescheid vom 4.2.2010 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit ab dem 4.2.2010 bis 31.7.2010 Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung von insgesamt EUR 445,45 bestehend aus EUR 262,45 Grundmiete und den tatsächlichen Heiz- und Betriebskosten (EUR 73,00 und EUR 110,00).

Hiergegen legten die Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.2.2010 Widerspruch ein.

Unter dem 26.3.2010 beantragte der Kläger zu 1) die Gewährung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit ab 1.3.2010 bis 31.7.2010 unter Bezugnahme auf ein Attest des Internisten und Onkologen Dr. L.-L. vom 29.3.2010.

Mit Änderungsbescheid vom 22.4.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger zu 1) für die Zeit ab 1.3.2010 bis 31.7.2010 zusätzlich zu dem ohnehin gewährten Alleinerziehendenzuschlag von EUR 129,00 monatlich einen ernährungsbedingten Mehrbedarf von EUR 36,00 monatlich. Die Kosten für Unterkunft und Heizung der Bedarfsgemeinschaft setzte sie erneut auf insgesamt EUR 445,45 fest.

In der Zeit vom 6.4.2010 bis 20.4.2010 unterzog sich der Kläger einer Strahlenbehandlung und Chemotherapie.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5.5.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen den Bewilligungsbescheid vom 4.2.2010 als unbegründet zurück.

Mit Schriftsatz vom 10.5.2010, eingegangen bei Gericht unter demselben Datum, erhoben die Kläger gegen den Widerspruchsbescheid Klage. Sie sind der Auffassung, die Beklagte habe die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Zwei Personen stünde nach den anzuwendenden aktuellen gesetzlichen Bestimmungen Wohnraum bis 65 qm zu, bei Alleinerziehenden seien weitere 15 qm zu addieren, so dass die Wohnungsgröße von rund 73 qm nicht zu beanstanden sei. Unter Berücksichtigung einer Angemessenheitsgrenze von 80 qm sei auch die Kaltmiete angemessen im Gesetzessinne. Die Berechnungen der Beklagten zur angemessenen Grundmiete seien weder im Hinblick auf die Wohnungsgröße noch auf den Quadratmeterpreis zutreffend. Abgesehen davon sei der Kläger zu 1) krankheitsbedingt nicht umzugsfähig.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 4.2.2010, in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.4.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.5.2010 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 4.2.2010 bis 31.7.2010 Grundsicherungsleistungen in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung von EUR 512,00 monatlich an Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen,

sowie hilfsweise,

die Berufung zuzulassen.

Sie ist der Auffassung, die Kläger seien zwar notwendiger Weise aber ohne Zustimmung des SGB II-Leistungsträgers in eine unangemessen teure Wohnung gezogen. Es sei davon auszugehen, dass für zwei Personen weiterhin eine Wohnungsgröße von 60 qm ausreichend sei. Die gesetzliche Heraufsetzung der angemessenen Wohnungsgröße um 5 qm ab dem 1.1.2010 sei nicht anwendbar. Dies entspräche den aktuellen ministerialen Weisungen. Unter Anwendung der Rechtsprechung des 9. Senates des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 29.4.2009 (L 9 AS 58/08) ergäbe sich bezogen auf den Duisburger Mietspiegel 2009 ein angemessener Quadratmeterpreis von EUR 4,22, so dass die für die Kläger angemessene Grundmiete ausgehend von 60 qm EUR 253,20 betrage. Tatsächlich übernehme die Beklagte jedoch EUR 262,45 von der Kaltmiete und damit bereits mehr als nach aktuellem Stand angemessen.

In der Zeit vom 11.8.2010 bis 8.9.2010 hat sich der Kläger in eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme der Deutschen Rentenversicherung begeben. Auf den Entlassungsbericht vom 9.9.2010 (Bl. 52 ff. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

Das Gericht hat ferner einen Befundbericht eingeholt bei der Hausärztin des Klägers, der Allgemeinmedizinerin Dr. K., vom 26.10.2010 (Bl. 43 der Gerichtsakte), bei dem behandelnden Facharzt der Strahlenklinik Wedau, Dr. W., vom 20.10.2010 (Bl. 44 f. der Gerichtsakte) und bei dem Internisten und Onkologen, Dr. L.-L., vom 30.11.2010 (Bl. 87 f. der Gerichtsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist zulässig.

Das an diesem Verfahren beteiligte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei den Jobcentern (§ 6d SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 03.08.2010, BGBl. I S. 1112) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen (§ 44b Abs. 1 S. 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 03.08.2010, BGBl I. S. 1112), die mit Wirkung vom 1. 1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaften sui generis entstanden sind (Luik, jurisPR-SozR 24/210 Anm. 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Wegen dieser Weiterentwicklung der Organisation des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist somit kraft Gesetzes ein Beteiligtenwechsel sowohl auf Kläger- als auch Beklagtenseite eingetreten, so dass das Passivrubrum von Amts wegen entsprechend zu berichtigen war (vgl. BSG, Urteil v. 18.1.2011, B 4 AS 90/10 R, Rn. 11 zitiert nach juris; vgl. LSG NRW, Urteil v. 13.7.2011, L 12 AS 2155/10, unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

II. Die Klage ist auch begründet.

1. Der Bescheid vom 4.2.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.4.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.5.2010 ist rechtswidrig und beschwert die Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG in ihren Rechten, soweit die Beklagte in der Zeit vom 4.2.2010 bis 31.7.2010 lediglich angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 445,45 monatlich berücksichtigt hat.

Der Änderungsbescheid vom 22.4.2010 ist gemäß § 86 SGG Streitgegenstand geworden. Nach dieser Vorschrift wird ein Verwaltungsakt, der während des Vorverfahrens einen anderen Verwaltungsakt abändert, ebenfalls Gegenstand des Vorverfahrens. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Änderungsbescheid vom 22.4.2010 ist nach Erlass des angegriffenen Bescheides vom 4.2.2010, aber vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 5.5.2010 ergangen und hat unter anderem die für die Zeit vom 4.2.2010 bis 31.7.2010 bewilligten Leistungen insoweit neu bestimmt, als dem Kläger antragsgemäß rückwirkend ab dem 1.3.2010 ein – zwischen ihnen nunmehr unstreitiger - ernährungsbedingter Mehrbedarf gewährt wurde.

Die Kläger haben in der streitgegenständlichen Zeit Anspruch auf Berücksichtigung angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt EUR 512,00 monatlich.

Dies folgt aus §§ 19, 22 Abs. 1 i.V.m. §§ 7 bis 9 SGB II in der für die Entscheidung gültigen Fassung.

a) Die Kläger sind zunächst leistungsberechtigt im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Personen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Leistungen erhalten ferner Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 SGB II die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (Nr. 1), sowie die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können (Nr. 4).

Diese Voraussetzungen sind für den streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt.

Der 36jährige Kläger zu 1), mit gewöhnlichem Aufenthalt in Duisburg, konnte seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalten (vgl. § 9 Abs. 1 SGB II). Der Kläger zu 1) war in der streitgegenständlichen Zeit zum Teil arbeitsunfähig, hingegen nicht erwerbsunfähig, in dem Sinne, dass er über mindestens 6 Monate (vgl. § 101 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI) nicht in der Lage gewesen wäre, eine Erwerbstätigkeit mit einer Dauer von mindestens 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu verrichten.

Die Leistungsberechtigung der siebenjährigen Klägerin zu 2) folgt daraus, dass sie im Haushalt des Klägers zu 1) und damit mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebt und ihren Bedarf nicht vollständig aus dem von ihr bezogenen Kindergeld und den Unterhaltsleistungen der Mutter decken kann.

b) Die Kläger haben als Folge in der Zeit vom 4.2.2010 bis 31.7.2010 unstreitig Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes inklusive Mehrbedarfen in Höhe von monatlich insgesamt EUR 739,00 gem. §§ 19, 20, 21 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 SGB II (EUR 359,00 Regelleistung; EUR 215,00 Sozialgeld; EUR 129,00 Mehrbedarf für Alleinerziehende; EUR 36,00 unstreitiger Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung).

c) Darüber hinaus haben die Kläger auch einen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 512,00 monatlich.

Dabei sind die Übernahmefähigkeit der tatsächlichen Heizkosten von EUR 73,00 und der tatsächlichen Betriebskosten von EUR 110,00 unstreitig. Die Kammer hat auch keine Anhaltspunkte, wonach die Nebenkosten der Kläger unangemessen sein könnten.

Die Kammer geht zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht davon aus, dass Betriebskosten und Kaltmiete nur als Gesamtmiete im Sinne einer Bruttokaltmiete übernahmefähig sind (so möglicherweise zu verstehen der 14. Senat des BSG in seinen Urteilen vom 19.10.2010 – B 50/10 R, B 2/10 R, B 65/09 R und B 15/09 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Grundsätzlich sollten Kaltmiete und Betriebskosten isoliert berücksichtigungsfähig sein. Allerdings ist im Rahmen der Berechnungsmethode des angemessenen Quadratmeterpreises sicherzustellen, dass der Vergleich konsistent bleibt. Wird die Nettokaltmiete als Berechnungsgrundlage gewählt, sind die kalten Nebenkosten (Betriebskosten) von der Bruttokaltmiete abzuziehen. Ist die Bruttokaltmiete Vergleichsbasis, müssen auch Daten zu den vom Mieter gesondert zu zahlenden Betriebskosten erhoben werden (so bisher der 4. Senat des BSG in ständiger Rechtsprechung, vgl. nur Urteil v. 22.9.2009 – B 4 AS 18/09 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Die Kläger haben auch einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kaltmiete von EUR 329,00. Diese Miete ist ausnahmsweise als angemessen im Gesetzessinne zu beurteilen.

Gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile v. 7.11.2006, B 7b AS 18/06 R; 18.6.2008, B14/7b AS 44/06 R; 15.4.2008, B 14/7b AS 34/06 R; 18.6.2008, B 14/11b AS 61/06 R; 2.7.2009, B 14 AS 32/07 R; 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R; 17.12.2009, B 4 AS 50/09 R, je unter www.sozialgerichtsbarkeit.de) erfolgt die Prüfung der Angemessenheit von Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II in mehreren Schritten:

Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße typisierend zu bestimmen (hierzu unter (1)).

Sodann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil v. 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R, Rn. 21 m.w.N. zitiert nach juris) hierzu unter (2)).

Schließlich ist im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung festzustellen, ob eine bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war (hierzu unter (3)).

Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt dabei als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG a.a.O.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die Wohnung der Kläger mit rund 73,71 qm innerhalb des für die Wohnungsgröße maßgeblichen Angemessenheitsrahmens liegt, der vorliegend ausnahmsweise Wohnungen bis 80 qm erfasst. Auch die Kaltmiete von EUR 329,00 bewegt sich mit einem Quadratmeterpreis von EUR 4,11 unterhalb des nach Ansicht der Kammer für den 2-Personen-Haushalt maximal angemessenen Quadratmeterpreises von EUR 4,17 für eine Wohnung bis zu 80 qm.

Im Einzelnen:

(1) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße ist im Falle der Kläger mit 80 qm anzusetzen.

(a) Bei der Ermittlung der angemessenen Referenzmiete war zunächst von einer angemessenen Wohnungsfläche von 65 qm (in der Regel 2 Wohnräume) für einen 2-Personen-Haushalt auszugehen.

Dies folgt aus der Anwendung der im streitigen Bewilligungszeitraum gültigen Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zur Belegung von gefördertem Wohnraum (so jetzt ausdrücklich: LSG NRW, Urteil v. 16.5.2011, L 19 AS 2202/10 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; vgl. auch Berlit, info-also 2010, 195 (197); a.A. LSG NRW, Urteil v. 29.4.2010, L 9 AS 58/08 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de in einem obiter dictum, wonach auch in der Zeit nach dem 1.1.2010 die außer Kraft getretenen Verwaltungsvorschriften zum WoBindG zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche für SGB II-Bezieher weiter heranzuziehen seien, weil der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Einführung des SGB II keine sich am Wohnbauförderungsrecht orientierende Dynamisierung beabsichtigt habe.).

Der Gesetzgeber hat es sowohl bei der Einführung des SGB II als auch später - trotz mehrfachen Forderungen seitens der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - unterlassen, die angemessene Wohnfläche für Bezieher von SGB II-Leistungen konkret festzulegen und damit die Ausfüllung des Begriffs "angemessene Kosten der Unterkunft" der Rechtsprechung überlassen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in Ermangelung anderweitiger Erkenntnisquellen jedoch grundsätzlich an die anerkannten Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau und deshalb an die für die Belegung von gefördertem Wohnraum maßgebenden Vorschriften anzuknüpfen (vgl. zuletzt Urteil v. 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R = Rn. 22 m.w.N. zitiert nach juris.). Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich demnach nach den Werten, welche die Bundesländer aufgrund § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) vom 13.09.2001 bzw. aufgrund des § 5 Abs. 2 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (BSG, Urteil v. 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R, Rn 15 m.w.N. zitiert nach juris) erlassen haben, wobei auf die im jeweiligen streitgegenständlichen Zeitraum gültigen Verwaltungsvorschriften abzustellen ist (vgl. BSG, Urteile v. 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R, Rn. 15 und v. 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R, Rn. 15 zitiert nach juris). Die danach maßgeblichen landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen zu § 10 WoFG, die zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Land Nordrhein-Westfalen heranzuziehen sind (vgl. hierzu BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R = juris Rn 16), nämlich Nr. 5.7 der VV-WoBindG, sind nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz für den sozialen Wohnungsbau vom Bund auf die Bundesländer - wie auch das WoFG - mit Wirkung zum 31.12.2009 außer Kraft getreten. Nach Nr. 19 Satz 2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB, vgl. MBl. NRW 2010, 1), die zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des am 1.1.2010 in Kraft getretenen WFNG NRW vom 8.12.2009 (GV NRW 2009, 772) erlassen worden sind, ist vorgesehen, dass die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nrn. 8 bis 8 b.3 und 22 und der Anlage mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft treten. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum (vgl. § 18 WFNG NRW, der Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG ist (vgl. LT-Drs. 14/9394 S. 96)) sind ab dem 1.1.2010 die in Nr. 8.2 der WNB, welche die Regelung der Nr. 5.7 VV-WoBindG ersetzt, angesetzten Werte der Wohnflächen maßgeblich.

Nr. 8.2 der WNB weist im Vergleich zu den Werten nach Nr. 5.7 VV-WoBindG höhere Werte aus. Als angemessene Wohnfläche für einen 2-Personen-Haushalt sieht Nr. 8.2 der WNB anstelle von bisher 60 qm eine Wohnfläche von 65 qm vor.

Die Kammer geht jedoch davon aus, dass das BSG bei seiner Rechtsprechung, wonach die angemessene Wohnfläche nach den Werten des § 10 WoFG zu bestimmten ist, bereits berücksichtigt hat, dass nicht feststeht, ob der mit der Angemessenheitsprüfung verfolgte Zweck im Rahmen des § 22 SGB II mit den Zwecken des WoFG nebst Ausführungsbestimmungen der Länder weitgehend übereinstimmt. Gleichwohl hat es die höchstrichterliche Rechtsprechung aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität für vertretbar erachtet, auf die nach Maßgabe des § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Werte zurückzugreifen (Urteil v. 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R, Rn. 14 m.w.N. zitiert nach juris) und dabei jeweils die im streitigen Zeitraum aktuellen Verwaltungsvorschriften für anwendbar gehalten. Mithin ist das BSG schon von einer Veränderlichkeit der Werte als Folge von Änderungen der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften, also auch von einer möglichen Dynamisierung, ausgegangen. Schließlich ist durch die Anhebung des Wertes von 45 qm auf 50 qm usw. im Land Nordrhein-Westfalen lediglich eine Anpassung an die in anderen Bundesländern übliche Praxis erfolgt.

(b) Zu der somit für einen 2-Personen-Haushalt grundsätzlich angemessenen Wohnungsfläche von 65 qm sind darüber hinaus ausnahmsweise weitere 15 qm Wohnraum zu addieren, so dass die Angemessenheitsgrenze auf insgesamt 80 qm anzuheben war.

Die Ausnahmeregelung zu Nr. 8.2 der WNB sieht vor, dass ein zusätzlicher Raum oder eine zusätzliche Wohnfläche von 15 qm wegen besonderer persönlicher oder beruflicher Bedürfnisse einer haushaltsangehörigen Person oder eines nach der Lebenserfahrung in absehbarer Zeit zu erwartenden zusätzlichen Raumbedarfes zuzubilligen ist: z.B. Jungen Ehepaaren, Blinden, rollstuhlfahrenden Schwerbehinderten, Alleinerziehenden mit einem oder mehreren Kindern ab vollendetem 6. Lebensjahr.

Nach Auffassung der Kammer liegen diese Voraussetzungen im vorliegenden Einzelfall vor. Die besonderen persönlichen Bedürfnisse des alleinerziehenden, schwerst erkrankten Klägers zu 1) und der zur streitgegenständlichen Zeit 5 bzw. 6 Jahre alten Klägerin zu 2) rechtfertigen die Zugrundelegung eines um 15 qm erhöhten Raumbedürfnisses.

Die Ankoppelung des Begriffs der Angemessenheit iSd § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II an die landesrechtlichen Bestimmungen zur Wohnraumnutzung führt dazu, dass der SGB II-Leistungsträger nicht nur auf die tabellarischen Werte für Regelfälle zurückzugreifen, sondern ebenso die Ausnahmetatbestände zu berücksichtigen hat (eine Erhöhung für möglich hält jedenfalls BSG, Urteil v. 18.6.2008 – B 14/7b AS 44/06 R Rn. 12; ausdrücklich bejahend vgl. bereits SG Aachen, Urteil v. 16.11.2005 – S 11 AS 70/05; LSG NRW, Beschluss v. 27.5.2009 – L 19 B 99/09 AS; Berlit in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009; a.A. jedenfalls für Alleinerziehende: LSG NRW, Urteil v. 9.1.2008 – L 12 AS 77/06, jeweils unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Allerdings ist der Beklagten zuzugeben, dass diese - in ihrer Sinnhaftigkeit sicherlich nicht durchweg gelungenen Ausnahmetatbestände - keineswegs stets, automatisch und pauschal zur Anwendung gelangen können (vgl. Gerenkamp in: Mergler/Zink, § 22 SGB II, Rn. 11a, Stand: Februar 2010). Ein räumlicher Zuschlag ist vielmehr nur dann vorzunehmen, wenn die konkrete Wohnsituation und die Gesamtumstände dies rechtfertigen. Die erkennende Kammer versteht die Ausnahmetatbestände daher im Sinne einer zur Erzielung gerechter Einzelfallergebnisse zwingend erforderlichen Härtefallregelung: Bei der Frage des räumlichen Mehrbedarfes wird die Prüfung der abstrakten Angemessenheit konkret überlagert. Das dies möglich sein muss und sogar zwingend erforderlich ist, folgt bereits aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (vgl. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz), der teilweise gegen die Anwendung der Ausnahmetatbestände herangeführt wird (so LSG NRW, Urteil vom 9.1.2008, a.a.O. zum "Recht auf ein Wohnzimmer"). Ebenso wie es bereits grundgesetzlich geboten ist, Gleiches gleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 75, 348, 357 = SozR 2200 § 555a Nr 3; stRspr) verbietet sich die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem (vgl. BVerfGE 103, 310, 318; BVerfGE 116, 164, 180) im Sinne eines ausdrücklichen Differenzierungsgebotes.

Es gibt keinen erkennbaren Grund, der es im SGB II erfordern würde, die abstrakte Angemessenheit ausnahmslos gleich zu bestimmen. Bereits die Grundwerte der WNB sind differenziert bestimmt: Einem 1-Personen-Haushalt stehen 50 qm zu, dieser Grundbedarf wird für weitere Personen aber nicht um 50 qm, sondern um jeweils 15 qm erhöht.

Abgesehen davon und vor allem anderen bedarf es jedoch eines Korrektivs für diejenigen Hilfebedürftigen, die abweichend vom Normalfall einen erhöhten Wohnraumbedarf haben. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II kann diese Funktion nicht übernehmen, da die Unzumutbarkeit des Umzuges nur für diejenigen Hilfebedürftigen zu prüfen ist, deren Wohnung einen befristeten Bestandsschutz genießt, weil sie bereits zu Beginn des Leistungsbezuges unangemessen wohnten (vgl. BSG, Urteil v. 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R Rn. 23 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; vgl. auch Berlit in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rn. 63 m.w.N.). Die Kläger sind hingegen – bereits im Leistungsbezug stehend – ohne Zustimmung der Beklagten umgezogen. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten führt dabei die fehlende Zustimmung nicht zu einer über die Beschränkung der zu übernehmenden Unterkunftskosten auf die angemessenen hinausgehenden Pönalisierung bei den Unterkunftskosten, auch nicht im Sinne einer Verwirkung eines räumlichen Mehrbedarfes. Nach § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Das Erfordernis, die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers einzuholen, ist dabei lediglich eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, stellt hingegen keine Anspruchsvoraussetzung dar (vgl. BSG, Urteil v. 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rn. 26, 27 m.w.N.). Sinn und Zweck der Vorschrift ist ein Informationsaustausch zwischen dem Hilfebedürftigen und dem kommunalen Träger, der dazu dient, einerseits den Leistungsempfänger vor unüberlegten Verpflichtungen und andererseits die öffentlichen Kassen vor ggf. erhöhten Ausgaben zu bewahren (vgl. Lang/Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 63, 64). Weitergehende Rechtsfolgen sind an diese Zusicherung dagegen nicht geknüpft. Insbesondere besteht auch bei fehlender Zusicherung dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Diese angemessenen Kosten können auch einen räumlichen Mehrbedarf enthalten. Dieser lässt sich auch nicht innerhalb der konkreten Angemessenheitsprüfung verorten, weil bei dieser Frage allein die Verfügbarkeit von bereits für angemessen befundenem Wohnraum zu klären ist (vgl. BSG a.a.O.).

Nr. 8.2 der WNB, der somit bis zu einer wünschenswerten Spezialregelung im SGB II, nach Auffassung der Kammer auch hinsichtlich der Ausnahmetatbestände als allgemeine Härtefallregelung heranzuziehen ist, stellt insoweit keine abschließende Regelung dar, sondern zählt mit der Regelbeispielstechnik Konstellationen auf, in denen ein räumlicher Mehrbedarf in Betracht kommen kann. Weitere Ausnahmen müssen denkbar sein, da alle individuellen Härtefälle nicht abschließend gesetzgeberisch vorzuformulieren sind. Sie sind nach Nr. 8.2 der WNB im Einzelfall anzuerkennen, sofern sie aus den "persönlichen oder beruflichen Bedürfnissen einer haushaltsangehörigen Person" gerechtfertigt sind. Als Ausnahmetatbestand ist Nr. 8.2 dabei nach Auffassung der Kammer nach allgemeinen Grundsätzen restriktiv auszulegen.

Im vorliegenden Fall ist allerdings auch bei restriktiver Betrachtung ein Härtefall eigener Art zu bejahen, der nicht bereits von den Regelbeispielen erfasst wird. Die Situation der Kläger unterscheidet sich so gravierend von dem Durchschnittsfall, dass eine Abweichung von der 65 qm-Grenze und 2 Wohnräumen für einen 2-Personen-Haushalt dahingehend sachlich geboten ist, dass 3 Wohnräume und eine Wohnfläche von bis zu 80 qm als angemessen anzuerkennen sind.

Die Kammer geht davon aus, dass der Klägerin zu 2), die im streitgegenständlichen Zeitraum 6 Jahre alt geworden ist und sich damit im Vorschulalter befindet, ein eigenes Zimmer zur persönlichen kindgerechten Entfaltung zuzubilligen ist. Dieses eigene Zimmer wird sowohl von der Rechtsprechung (vgl. LSG NRW, Urteil v. 9.1.2008, a.a.O.; SG Aachen, Urteil v. 16.11.2005 a.a.O.) als auch von den ministerialen Arbeitshilfen für die SGB II-Leistungsträger (S. 10, Arbeitshilfe: Kosten der Unterkunft und Heizung gem. § 22 SGB II, 5. Auflage, Stand: Oktober 2010 unter www.mais.nrw.de) befürwortet. Unabhängig davon ist jedoch auch dem Kläger zu 1) ein vom Wohnraum zu unterscheidender Schlafraum zuzugestehen. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass der Kläger im Oktober 2009 schwer an Krebs erkrankt ist, im April 2010 unterzog er sich einer kombinierten Strahlenbehandlung und Chemotherapie. Für einen schwer kranken und damit erholungs- und ruhebedürftigen Menschen ist ein Zimmer mit einer dauerhaften Bettstatt als Rückzugsmöglichkeit vorzuhalten, es ist ihm nicht zumutbar, sein Bett bedarfsweise im Wohnzimmer zu errichten. Die eigene Notwendigkeit des Wohnzimmers rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass es in der Wohnung des alleinerziehenden Klägers zu 1) auch einen sozialen Lebensmittelpunkt geben muss, wo Besuch empfangen werden und Vater und Tochter zusammenkommen können, ohne durch das Krankenlager ständig an die Krankheit des Vaters erinnert zu werden.

(2) Die von den Klägern angemietete Wohnung entspricht auch dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt.

Als räumlicher Vergleichsmaßstab, innerhalb dessen zu ermitteln ist, welche Aufwendungen für eine Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, ist das gesamte Stadtgebiet der Stadt Duisburg anzusehen (vgl. LSG NRW, Urteil v. 29.4.2010 – L 9 AS 58/08 unter www.sozialgrichtsbarkeit.de).

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprung muss es sich bei dem maßgeblichen Vergleichsraum um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellt (vgl. BSG a.a.O.) Dies ist für den Bereich des Stadtgebietes von Duisburg zu bejahen, weil in der Regel das Gebiet einer städtischen Kommune in deren kommunalverfassungsrechtlichen Grenzen den räumlichen Vergleichsmaßstab für die Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises bildet. Auch der Mietspiegel für die Stadt Duisburg umfasst das gesamte Stadtgebiet und differenziert nicht nach einzelnen Stadtteilen. Eine andere Betrachtungsweise würde vor allem auch das Risiko der Bildung von sozialen Brennpunkten erhöhen. Eine solche durch eine mittelbare Steuerungswirkung des SGB II-Leistungsbezuges hervorgerufene "Ghettoisierung" ist jedoch zu vermeiden (vgl. BSG a.a.O.).

Bezogen auf die als angemessen zu Grunde zu legende Wohnungsgröße von 80 qm, lag zur Überzeugung der Kammer auch der sich so errechnende Quadratmeterpreis von EUR 4,11 (EUR 329,00 Kaltmiete geteilt durch 80 qm) im Rahmen des für Duisburger Verhältnisse Angemessenen.

In Ermangelung gesetzlicher oder höchstrichterlicher Vorgaben zur Berechnung des für die Stadt Duisburg als angemessen zu erachtenden Quadratmeterpreises folgt die Kammer dem insoweit überzeugenden Berechnungsmodell des 9. Senates des LSG Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 29.4.2010 (L 9 AS 58/08 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), auf die diesbezüglich ergänzend Bezug genommen wird:

Danach ist als Grundlage für den vorliegenden Bewilligungszeitraum der ab 1.12.2009 geltende qualifizierte Duisburger Mietspiegel heranzuziehen (zum Mietspiegel im Sinne von § 558d Bürgerliches Gesetzbuch – BGB als schlüssiges Konzept, vgl. BSG v. 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Für die Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards ist sodann auf den unteren, jedoch nicht auf den untersten Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfesuchenden maßgeblichen Wohnungsmieten abzustellen (vgl. BSG, Urteil v. 7.11.2006, a.a.O.; Urteil v. 19.2.2009 B 4 AS 30/08 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Der Duisburger Mietspiegel 2009 sieht in der Rubrik für Wohnungen über 70 qm bis 90 qm Wohnfläche, in den ersten 4 Baualtersgruppen (Bezugsfertigkeit von vor 1948 bis 1984), die den unteren Wohnungsstandard hinreichend abbilden, in der "normalen", also nicht "guten" Wohnlage, Mindestquadratmeterpreise (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R) von EUR 3,80, EUR 4,00, EUR 4,15 und EUR 4,73 (in Addition EUR 16,68) vor. Daraus folgt ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis von EUR 4,17 (EUR 16,68 geteilt durch 4 Baualtersgruppen).

Der Quadratmeterpreis der Wohnung der Kläger liegt mit EUR 4,11 (EUR 329,00 geteilt durch 80 qm) unterhalb dieses Rahmens. Der hingegen von der Beklagten im Rahmen der angegriffenen Bewilligung sogar de facto akzeptierte Quadratmeterpreis von EUR 4,37 (EUR 262,45 geteilt durch 60 qm) liegt zwar oberhalb dieses Rahmens. Der Wert bezieht sich jedoch nur auf Wohnungen einer Größe von maximal 60 qm für 2 Personen und greift daher bereits deshalb zu kurz (siehe oben).

(3) Die Wohnung der Kläger ist auch konkret angemessen. Da die von den Klägern tatsächlich bewohnte Wohnung entsprechend den vorgenannten Ausführungen nach Auffassung der Kammer abstrakt angemessen ist, bleibt auch kein Raum für einen etwaigen klägerischen Einwand, dass keine Wohnung innerhalb der Angemessenheitsgrenze konkret verfügbar und zugänglich gewesen wäre.

d) Dem somit festgestellten Gesamtbedarf von EUR 1.251,00 (EUR 739,00 Regelbedarf zzgl. EUR 512,00 an Kosten für Unterkunft und Heizung) stand anrechenbares Einkommen von EUR 184,00 Kindergeld und EUR 170,00 Unterhalt gegenüber. Damit errechnet sich für die Kläger in der Zeit vom 4.2.2010 bis 31.7.2010 ein Anspruch in Höhe von EUR 897,00 (für den Kläger zu 1) ein Anspruch in Höhe von EUR 780,00 und für die Klägerin zu 2) ein Anspruch in Höhe von EUR 117,00), jeweils bezogen auf den vollen Monat (im Februar 2010 entsprechend nur bezogen auf 26 von 30 Tagen).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

3. Die Entscheidung ist berufungsfähig.

Zwar ist die Berufungssumme von EUR 750,00 i.S.v. § 144 Abs. 1 SGG nicht erreicht, da der Beschwerdewert vorliegend bei EUR 399,30 liegt (EUR 512,00 – 445,45 = EUR 66,55 x 6 = EUR 399,30).

Die Berufung war jedoch zuzulassen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung unter anderem dann zuzulassen, wenn die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtsfrage zu, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechtes berührt ist oder wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtssicherheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Dies setzt zumindest voraus, dass es sich bei der aufgeworfenen Rechtsfrage um eine klärungsbedürftige Zweifelsfrage handelt, bezüglich derer Rechtsunsicherheit besteht, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung keine ausreichenden Grundsätze zur Auslegung des Gesetzes bereit hält (vgl. Meyer-Ladewig in: Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, 8. Aufl. 2005, § 144 SGG Rn. 28 und § 160 SGG Rn. 7).

Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung der Kammer erfüllt. Der Frage, nach welcher Methode - und ab dem 1.1.2010 auch nach welchen ergänzenden landesrechtlichen Vorschriften - die abstrakte Angemessenheit im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II (insbesondere in Duisburg) zu bestimmen ist, kommt ebenso grundsätzliche Bedeutung zu, wie der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein räumlicher Mehrbedarf gewährt werden kann.
Rechtskraft
Aus
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