L 19 R 498/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 4412/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 498/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Gründe, die gegen eine Versorgungsehe sprechen sollen, müssen um so gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist (vgl. zuletzt BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 13 R 134/08 R).
2. Die Absicht, durch Heirat die Pflege des Versicherten sicher zu stellen (sog. Pflegeehe), kann nur dann eine Versorgungsehe ausschließen, wenn das Ableben des Versicherten aufgrund seiner gesundheitlichen Verhältnisse zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten war, mithin die Ehe, wie es ihrem Wesen entspricht, auf unbegrenzte Zeit – auf Lebenszeit – geschlossen worden ist (vgl. BSG vom 03.09.1986 – 9a RV 8/84 – SozR 3100 § 38 Nr 5).
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.04.2009 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 23.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat.

Der 1945 geborene Kläger beantragte am 19.02.2008 Hinterbliebenenrente nach der Versicherten R. P., geboren 1947, verstorben 2008 nach Eheschließung 2007.

Bei der Antragstellung gab der Kläger an, er beziehe eine eigene Altersrente seit Vollendung des 60. Lebensjahres sowie eine Betriebsrente in Höhe von 129,24 EUR. Weiter gab er an, die Eheschließung sei schon seit längerer Zeit zum 60. Geburtstag der Ehefrau geplant gewesen.

Die Beklagte bewilligte der Versicherten erstmals mit Bescheid vom 24.02.1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zunächst auf Zeit mit Beginn 26.11.1998 in Höhe von 1.675,42 DM. Zugrunde lag dem ein im März 1997 operiertes Mammakarzinom mit anschließender Chemotherapie und Radiatio sowie eine psycho-reaktive Depression, Lymphödem rechts sowie ein chronisch-rezidivierendes LWS-Syndrom. Die Rentenbewilligung wurde zuletzt bis September 2007 verlängert.

Am 29.05.2007 beantragte die Versicherte erneut die Weiterbewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Vorlage eines Attestes der Allgemeinmedizinerin Dr.C. vom 04.05.2007, die folgendes diagnostizierte: "Bei Frau P. besteht ein Zustand nach Mamma-CA, Ablatio Mammae und Axialldisektion re (3/97), weiterhin handelt es sich um folgende hinzugetretene Erkrankungen: Metastasierendes Mammakarzinom (C50.9 G) / Knochenmetastasen ( C79.5 G) / Pleurakarzinose (C38.4 G L) / Knochenmetastasen (C79.5 G) / Lungenmetast (C78.0 G) / Ödem (l89.0 G L Bein) / Chemother (Z51.1 G), Lymphödeme stark ausgeprägt. Der Gesundheitszustand von Frau P. ist derzeit gleichbleibend, eine Besserung der Beschwerden ist aufgrund der Grunderkrankung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten".

Daraufhin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2007 erneut eine Rente auf Zeit ab 01.10.2007 bis September 2010.

Dr.L. stellte am 02.05.2008 in einer beratungsärztlichen Stellungnahme fest, dass schon im Mai 2007 Metastasen in Knochen, Rippenfell und Lunge aufgetreten waren. Im Oktober 2007 zur Zeit der Eheschließung sei nicht mehr mit einem Überleben von länger als einem Jahr zu rechnen gewesen.

Mit Bescheid vom 23.05.2008 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Hinterbliebenenrente ab, da die Ehe weniger als ein Jahr gedauert habe und die Annahme einer Versorgungsehe zutreffe.

Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Im Wesentlichen hat er vorgetragen, dass er seit 15.09.1981 mit der Versicherten zusammengelebt habe. Die Heirat sei seit Jahren geplant gewesen, habe jedoch immer wieder wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit und sonstiger schwerwiegender Ereignisse verschoben werden müssen. Besonders einflussreich sei die Erkrankung der Versicherten im Jahr 1996 an Brustkrebs gewesen und darauf folgend permanent anfallende Krankenhausaufenthalte etc. Im Mai 1997 sei er zum 2. Mal arbeitslos (bis zur vorzeitigen Rente ab Juni 2005) gewesen. Von September 1999 bis Januar 2001 sei er an einer Analfistel mit zeitweiliger Pflegebedürftigkeit erkrankt. Deshalb sei die Hochzeit immer wieder auf eine günstigere Zeit verschoben worden. Bis sie begriffen hätten, dass eine bessere Zeit wohl so schnell nicht kommen werde, sei der 60. Geburtstag seiner Ehefrau, im September 2007, als relativ guter Anlass für die Heirat geplant worden. Leider sei dieser Plan durch die Einweisung der Ehefrau ins Krankenhaus durchkreuzt worden. Im Krankenhaus sei ihm immer wieder Hoffnung gemacht worden, dass zwar in Zukunft keine normale Lebensweise mehr möglich sein werde, jedoch durch die Strahlentherapie ein Stopp des Krebswachstums erreicht werden könne. Dies bedeutete, dass ein Leben als Pflegefall möglich wäre. Um seiner Lebensgefährtin Mut und Hoffnung zu geben und um die rechtliche Sicherheit zur Pflege seiner Frau zu haben, habe er sich entschlossen, die geplante Heirat im Krankenhaus vollziehen zu lassen. Ende Oktober 2007 sei seine Frau als Pflegefall nach Hause entlassen worden, wobei sie sich verhältnismäßig gut erholt habe. Anfang 2008 habe sich ihr Zustand plötzlich verschlechtert und sie sei Anfang Februar 2008 verstorben. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben. Im Wesentlichen hat er vorgetragen, leider hätten die behandelnden Ärzte des Klinikums A-Stadt im Nachhinein nicht bestätigen wollen, dass sie in mehreren Gesprächen mitgeteilt hätten, dass die Krankheit zwar nicht geheilt, doch durch die Bestrahlung gestoppt werden könne. Das hieße, dass seine Frau nach Abschluss der Bestrahlung als Pflegefall nach Hause entlassen werden könne. Diese Diagnose hätten die Ärzte, erst kurz bevor sie seine Frau als nicht mehr heilbar entlassen hätten, geändert. Zum Zeitpunkt des Entschlusses der Eheschließung habe er mit dem baldigen Ableben seiner Frau nicht rechnen können.

Nach den Ermittlungen des SG hat sich folgendes ergeben: Laut Auskunft des Standesamtes A-Stadt vom 11.02.2009 erfolgte die Anmeldung der Eheschließung am 24.10.2007, da eine Nottrauung im Klinikum vorgelegen hat. Laut ärztlichem Attest des Dr.R. vom 19.10.2007 des Klinikums A-Stadt erklärte dieser, dass Frau R. P. voll geschäftsfähig sei und damit aus medizinischer Sicht eine Eheschließung möglich sei. Am 24.10.2007 hat Dr.R. handschriftlich auf dem Attest nach der Eheschließung erklärt: "Hiermit bestätige ich darüber hinaus eine tödliche Erkrankung von Frau R. P.".

Nach Übersendung einer Kopie dieser Bestätigung gab der Kläger an, in dem Schreiben vom 13.02.2009 (des Gerichts) klinge die Tatsache, dass seine Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits todkrank gewesen sei, wie eine neue Erkenntnis, welche durch die Auskunft des Standesamtes der Stadt A-Stadt erhalten worden sei. Die Krebserkrankung seiner Frau habe er jedoch schon ausführlich beschrieben.

Mit Urteil vom 29.04.2009 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 eine Witwerrente zu gewähren. Nach Abwägung aller Umstände sei die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Zwar habe die Ehe weniger als ein Jahr gedauert. Gegen eine Heirat aus Versorgungsgesichtspunkten spreche, dass bereits im Mai 2007 dem Kläger und der Versicherten bewusst gewesen sein müsse, dass die Versicherte tödlich erkrankt sei und der Tod in naher Zukunft bevorstehe. Dennoch seien Heirat und Anmeldung erst ein halbes Jahr danach erfolgt. Hätte aus Versorgungsgründen geheiratet werden sollen, wäre es angeraten gewesen, so bald als möglich nach Bekanntwerden der tödlichen Erkrankung die Heirat durchzuführen. Darüber hinaus sei der Wunsch gegeben gewesen, eine "schöne" Hochzeit zu feiern, weshalb die Heirat lange nicht erfolgt sei. Schließlich habe sich auch der glaubhaft vorgetragene Wunsch zum 60. Geburtstag der Versicherten zu heiraten, nicht realisieren lassen. Wenn keine schöne Hochzeit mehr gefeiert habe werden können, hätten die Beteiligten wenigstens überhaupt noch heiraten wollen. Der überwiegende Anlass und Beweggrund für die letztlich vollzogene Nottrauung am 24.10.2007 sei die Tatsache gewesen, dass die Pflege der Versicherten sichergestellt und der Beistand in schweren Zeiten bekräftigt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handele es sich bei einer "Pflegeehe" gerade nicht um eine Versorgungsehe.

Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Im Wesentlichen hat sie vorgetragen, die vom Kläger geltend gemachten Umstände die zur Nottrauung führten, seien nicht überzeugend. Zum einen zeige die von den späteren Ehegatten über viele Jahre hinaus gewählte Art des Zusammenlebens ohne Eheschließung, dass sie diese Lebensgemeinschaft als für sich ausreichend erachtet hätten. Die lange Zeit der eheähnlichen Gemeinschaft lasse eher den Schluss zu, dass nach so langer Zeit der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, den Überlebenden finanziell zu versorgen. Darüber hinaus lägen nach Aktenlage Nachweise, dass die Eheschließung tatsächlich bereits vor der tödlichen Diagnose im Frühjahr 2007 zum 60. Geburtstag der Versicherten im September 2007 geplant war, nicht vor. Auch könne es nicht überzeugen, dass die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe durch den menschlichen Beistand in einer schweren Zeit bzw. durch die Betreuung und Sicherung der Pflege der Versicherten als widerlegt anzusehen sei. So hätten der Kläger und die verstorbene Versicherte bereits durch das weitere gemeinsame Zusammenleben nach der erstmaligen Diagnose des Brustkrebses im Jahr 1996 gezeigt, dass sie sich auch "ohne" Heirat in schwierigen Zeiten beigestanden hätten. Auch der Beweggrund einer "Pflegeehe" sei nicht überzeugend. Dies sei nur dann anzunehmen, wenn die Pflege des Erkrankten längerfristig - über 1 Jahr hinausgehend - vorgesehen und mit dem Ableben des Pflegenden auf absehbare Zeit nicht zu rechnen gewesen sei. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall gewesen.

Der Kläger hat daraufhin erwidert, dass beide den Wunsch gehabt hätten, eine offizielle Ehe zu führen. Eine "schöne" Hochzeit zu feiern sei aber so zu verstehen gewesen, dass sie nicht nur mal eben schnell auf das Standesamt gewollt haben wegen irgendwelcher Vorteile (Steuer usw.). Die amtliche kirchliche Trauung mit Verwandten und Freunden sollte ohne Belastung durch widrige Umstände sein und ihrer innigen Beziehung gerecht werden. Es hätten sich jedoch immer wieder negative Ereignisse aneinandergereiht wie folgt:
1983 schwere Erkrankung von E. P. (Mutter der Ehefrau), Betreuung und Pflege durch die Ehefrau,
1984 Tod von E. P.,
1984 Tod von H. D. (Stiefvater des Klägers),
1986 bis 1987 Arbeitslosigkeit seiner Ehefrau
1987 bis 1988 eigene Arbeitslosigkeit
1992 schwere Erkrankung seiner Mutter A. D., Betreuung durch beide,
1992 Tod seiner Mutter
1996 Krebserkrankung seiner Ehefrau
1998 bis 2005 Arbeitslosigkeit,
1998 schwere Erkrankung von D. P. (Bruder der Ehefrau)
1999 Tod von D. P ...
1999 bis 2001 schwere Darmerkrankung des Klägers, zeitweise pflegebedürftig. Danach seien immer wieder zahlreiche andere unschöne Ereignisse, welche den Zeitpunkt einer Hochzeit für nicht geeignet erscheinen ließen, gewesen, belastend ebenfalls die unzähligen Arztbesuche, Behandlungen und Klinikaufenthalte. Selbstverständlich habe er seine Frau nach ihrer Diagnose "Brustkrebs" durch Operationen, Klinikaufenthalte und sonstige Behandlungen begleitet. Und dass eine Krebserkrankung zu einem Pflegefall oder schlimmstenfalls zum Tod führen könne, sei ihnen beiden bewusst gewesen. Erst Mitte 2007 sei erkennbar gewesen, dass seine Frau zum Pflegefall werden könnte. Da zu diesem Zeitpunkt der Plan, zu ihrem 60. Geburtstag zu heiraten, bereits besprochen gewesen sei, hätten sie gehofft, die Hochzeit noch gut abwickeln können. Leider habe sich der Krankheitsverlauf dann schneller entwickelt, so dass seine Ehefrau noch vor ihrem Geburtstag ins Krankenhaus gehen musste. Amtliche Nachweise zur geplanten Eheschließung könne er nicht vorlegen, da sich eben die Situation geändert habe, bevor eine Meldung an amtliche oder kirchliche Stellen erfolgt sei. Er habe sie geheiratet, um seine große Liebe zu ihr zu bekräftigen, ihr Mut zu geben und auch rechtlich zur Pflege gerüstet zu sein, so sei es zur Trauung im Krankenhaus gekommen. Zu diesem Zeitpunkt habe er an eine längere Zeit der Pflege, aber nicht an den baldigen Tod geglaubt. Wäre er auf die Versorgung angewiesen, hätten sie schon früher die Ehe geschlossen. Zum Ausstellungsdatum 19.10.2007 des ursprünglichen Attestes sei seine Frau noch in Strahlentherapie gewesen. Zu diesem Zeitpunkt, also 5 Tage vor der Eheschließung sei durch die Ärzte noch Hoffnung gemacht worden, das Wachstum der Metastasen zu stoppen und seine Frau zur Pflege nach Hause entlassen zu können.

Dazu hat die Beklagte Stellung genommen und dargelegt, dass nicht nachvollziehbar sei, dass während der 26-jährigen Beziehung kein angemessener Zeitpunkt für die Eheschließung bestanden habe, der 60. Geburtstag aber schon längere Zeit als Hochzeitstermin geplant gewesen sei. Zur Sicherung des Wunschtermins sei es jedenfalls angezeigt, rechtzeitig die erforderlichen Formalien zu erledigen. Dies könne der Kläger nicht nachweisen. Die aufgeführten Widrigkeiten des Lebens könnten nicht als besondere Gründe angesehen werden, die eine mögliche Eheschließung während dieser langjährigen Beziehung tatsächlich ausgeschlossen hätten. Vielmehr zeige dies, dass der Eheschließung bis zum Zeitpunkt der Nottrauung keine so gewichtige Bedeutung zugemessen worden sei.

Der Kläger hat vorgetragen, seine Frau habe über 10 Jahre gegen den Krebs gekämpft, oft mit positiven Prognosen der Ärzte. Auch während des Krankenhausaufenthaltes zum Zeitpunkt der Eheschließung habe keiner der behandelnden Ärzte sagen können, wie lange seine Frau noch leben werde. Er habe auch nie behauptet, dass die Hochzeit genau am ...2007 geplant gewesen sei. Der 60. Geburtstag sei nur der gute Anlass in diesem Zeitraum gewesen, die lange gewünschte Hochzeit zu feiern. Allerdings habe die Krankheit seiner Frau einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er biete drei Zeugen als Beweis dafür an, dass anlässlich der Geburtstagsfeier zum 59. Geburtstag seiner Frau der gemeinsame Entschluss kund getan worden sei, anlässlich des 60. Geburtstages seiner Frau heiraten zu wollen (Schriftsatz vom 04.07.2011).

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.04.2009 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 23.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 abzuweisen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.04.2009 zurückzuweisen, hilfsweise dem Beweisantrag vom 04.07.2011 nachzukommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Witwerrente gemäß § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil der Anspruch gemäß § 46 Abs 2a SGB VI ausgeschlossen ist.

Gemäß § 46 Abs 2a SGB VI haben Hinterbliebene keinen Anspruch auf Hinter-bliebenenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Als besondere Umstände iS des § 46 Abs 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R mwN, veröffentlicht in juris). Die Annahme des Anspruchs ausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Dabei sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles zu prüfen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 13 R 134/08 R, BSG Urteil vom 05.05.2009 aaO, veröffentlicht in juris). Diese Umstände sind nachzuweisen, die Beweislast trägt der Antragsteller.

Im Rahmen der Anwendung des § 46 Abs 2a SGB VI im vorliegenden Falle ist als gewichtiger (äußerer) Umstand festzustellen, dass die Ehe nur kurze Zeit gedauert hat. Die Ehe wurde im Oktober 2007 im Klinikum A-Stadt im Rahmen einer "Nottrauung" geschlossen, die Versicherte starb 3 1/2 Monate später.
Beide Ehegatten wussten auch um die lebensgefährliche Erkrankung der Versicherten. Auf Antrag von beiden wurde eine Nottrauung im Klinikum A-Stadt geschlossen. Eine solche "Nottrauung" ist nur möglich, wenn durch ärztliches Zeugnis oder auf andere Weise nachgewiesen wird, dass die Eheschließung nicht aufgeschoben werden kann (§ 7 Personenstandsgesetz). Diese Bestätigung hat der die Klägerin behandelnde Stationsarzt Dr.R. auch gegeben. Neben der Bestätigung der vollen Geschäftsfähigkeit der Versicherten hat er ebenfalls attestiert, dass eine tödliche Erkrankung bei Frau R. P. vorgelegen hat. Aus welchen Gründen dieser Zusatz erst am 24.10.2007 nach der Eheschließung ergänzt wurde, ist nicht bekannt.

Allerdings gibt der Kläger selbst in seinem Schreiben an das SG vom 04.03.2009 an, "in Ihrem Schreiben vom 13.02.2009 - vom SG Nürnberg - klingt die Tatsache, dass meine Ehefrau zum Zeitpunkt unserer Eheschließung bereits todkrank war, wie eine neue Erkenntnis, welche sie durch Auskunft des Standesamtes der Stadt A-Stadt erhielten". Daraus ist ersichtlich, dass sowohl der Kläger wie auch die Versicherte von Lebensbedrohlichkeit der Krankheit Kenntnis hatten.

Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass die Versicherte in ihrem letzten Antrag auf Weiterbewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gerade auch das Attest der sie behandelnden Ärztin Dr.C. vorlegte, in der die Verschlimmerung der Krankheit dargestellt worden war. Der Senat verkennt nicht, dass nach den Aussagen des Klägers im Krankenhaus die Hoffnung geweckt worden sei, dass durch die Strahlentherapie ein Stopp des Krebswachstums erreicht werden könnte. Eine Hoffnung auf Genesung schließt jedoch das Wissen um eine tödliche Erkrankung nicht aus. Für diese Kenntnis spricht auch die von beiden Ehegatten beantragte Nottrauung im Krankenhaus. Offenbar wurde mit einem baldigen Ableben gerechnet, andernfalls hätte es keinen Grund für eine Nottrauung gegeben. Wäre der Kläger tatsächlich davon überzeugt gewesen, dass seine Lebensgefährtin - wenn auch pflegebedürftig - noch mehrere Jahre mit ihm hätte verbringen können, hätten sich gerade im Hinblick auf die immer wieder erwähnte und gewünschte "schöne Heirat" in den kommenden Monaten sicher Möglichkeiten zu einer Heirat unter angenehmeren Bedingungen als denen eines Krankenhausaufenthaltes arrangieren lassen.

Im Rahmen der Gewichtung ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei abschließender Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, um so gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Demgemäß steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme (Vermutung) einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (vgl. BSG vom 05.05.2009 und vom 06.05.2010, jew. aaO).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger vorgetragen, maßgeblich seien im Wesentlichen drei Gesichtspunkte gewesen: Zum einen habe seit vielen Jahren der Wunsch bestanden, zu heiraten, es sei jedoch immer nur durch widrige äußere Umstände vereitelt worden. Zum anderen habe er mit der Heirat seiner Ehefrau Liebe und Mut geben wollen und vor allen Dingen rechtlich die Pflege sicherstellen wollen.

Der vom Kläger behauptete Eheschließungswunsch kann die Annahme einer Versorgungsehe jedoch nicht entkräften.

Der Senat kann nachvollziehen, dass die seit September 1981 zusammenlebenden Versicherte und Kläger durchaus den Wunsch hatten zu heiraten. Allerdings fehlt es hier an äußeren Handlungen, die erkennbar der Verwirklichung dieses Heiratswunsches auch gedient haben - bis auf die dann tatsächlich am 24.10.2007 beantragte und erfolgte Nottrauung. Sofern der Kläger darlegt, widrige Umstände hätten seit 1981 eine Heirat verhindert, ist nachzuvollziehen, dass punktuelle Ereignisse wie der Tod der Schwiegermutter und der eigenen Mutter eine Heirat im Augenblick nicht angeraten sein lassen. Allerdings erscheint es schwer vorstellbar, dass über einen Zeitraum von 26 Jahren (Beginn der Lebenspartnerschaft mit Zusammenziehen im September 1981, Eheschließung im Oktober 2007) bei entsprechend ernsthaftem Wunsch die Ehe einzugehen, diese nicht verwirklicht werden konnte. Dabei kann als wahr unterstellt werden, dass die Versicherte und der Kläger am 59. Geburtstag der Versicherten den Entschluss öffentlich gemacht haben, anlässlich des 60. Geburtstags der Versicherten heiraten zu wollen. Insofern ist dem Beweisantrag des Klägers auf Einvernahme der von ihm genannten Zeugen dazu nicht zu folgen. Allerdings sind darüber hinaus keinerlei nach außen sichtbare Vorbereitungshandlungen - etwa wie das Bestellen des Aufgebots, eine Einladung gegenüber Gästen - für den anvisierten Termin zum 60. Geburtstag erkennbar.

Auch ist es gerade unvereinbar mit dem vom Kläger vorgetragenen Wunsch einer "schönen Heirat", dass diese nun in einer "Nottrauung" im Krankenhaus endete, wenn doch vorher vielmehr Zeit zur Verfügung gestanden hätte.

Die vom Kläger angeführte Sicherung der Pflege widerlegt nicht, dass allein bzw. überwiegend der Zweck der Eheschließung die Hinterbliebenenversorgung war. Zum einen war es offensichtlich weder der Versicherten noch dem Kläger seit der Brustkrebserkrankung der Versicherten im Jahre 1996 notwendig erschienen, zur "Sicherung der Pflege" zu heiraten. Vielmehr hat der Kläger dargelegt, er habe in den Zeiten der Erkrankung seit 1996 seine Lebensgefährtin gepflegt, ebenso wie diese ihn bei seiner schweren Erkrankung im Jahre 2001 gepflegt habe. Allerdings mag es durchaus ein Motiv gewesen sein. Diese Betrachtungsweise kann nur dann eine Versorgungsehe ausschließen, wenn das Ableben des Versicherten aufgrund seiner gesundheitlichen Verhältnisse zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten ist, mithin die Ehe, wie es ihrem Wesen entspricht, auf unbegrenzte Zeit - auf Lebenszeit - geschlossen worden ist (vgl. BSG vom 03.09.1986 - 9A RV 8/84 - SozR 3100 § 38 Nr 5). Dies liegt im vorliegenden Fall - wie oben dargelegt - gerade aber nicht vor.

Auch Motiv für die Eheschließung mag durchaus - wie der Kläger angibt - der Wille gewesen sein, seiner Ehefrau für die weitere Erkrankung Kraft und Liebe zu geben. Dies war allerdings im Rahmen der Gewichtung nicht das hervorstechende Motiv, stellt sich doch auch hier die Frage, warum nicht auch schon bei der schweren Erkrankung der Versicherten im Jahre 1996 an Brustkrebs Mut und Kraft gespendet werden sollte, war nach den damaligen Befundvorlagen doch eine reaktive Depression diagnostiziert worden.

Ein weiterer äußerer Umstand ist, dass der Kläger durch die Witwenrente finanziell besser gestellt wird. Zum Zeitpunkt der Eheschließung erhielt der Kläger eine Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 812,08 EUR sowie einer Betriebsrente in Höhe von 154,50 EUR. Die Witwenrente beträgt 435,95 EUR.

Nach alledem liegen keine so besonderen Umstände vor, die die Annahme rechtfertigen, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, dem Kläger eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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