L 5 AS 328/11 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 1747/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 328/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsgegner Schulden aus einem Gaslieferungsvertrag gemäß § 22 Abs. 8 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von 9.573,57 EUR sowie die Kosten für die Wiederinbetriebsetzung nach der Versorgungssperre in Höhe von 58,31 EUR darlehensweise zu übernehmen hat.

Der Antragsteller zu 1) ist Eigentümer einer Immobilie in der. Hierbei handelt es sich um ein 337 qm großes Gebäude (mit Nebengebäuden sogar 453 qm). Nach ihren Angaben bewohnen die Antragsteller in dieser Immobilie Räumlichkeiten von einer Größe von "ca. 75 bis 85 m²". Außerdem beherbergt die Immobilie auch eine Gaststätte mit Pension, die die Antragstellerin zu 2) bis zum 30. November 2010 betrieb. Weiterhin wohnen die Mutter des Antragsstellers zu 1) sowie die beiden Söhne der Antragsteller in dieser Immobilie (nach den Angaben der Antragsteller in separaten Räumlichkeiten). Das Haus verfügt insgesamt über eine Heizungsanlage, die mit Gas befeuert wird; hierfür existiert nur ein Gaszähler. Getrennte Heizungskreisläufe für den gewerblichen und privat genutzten Teil des Gebäudes sind nicht vorhanden. Dementsprechend bestand mit dem Gasversorger - E. A. Vertrieb GmbH - auch nur ein Vertrag über die Gasversorgung mit der Antragstellerin zu 2).

Am 12. März 2008 war über das Vermögen des Antragstellers zu 1) ein vereinfachtes Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und am 23. Juni 2009 über das Vermögen der Antragstellerin zu 2) das Regelinsolvenzverfahren eröffnet worden.

Soweit anhand der Jahresabrechnung des Gasversorgers vom 22. Juni 2010 erkennbar, hatten die Antragsteller seit dem 24. Juni 2009 lediglich Abschläge in Höhe von insgesamt 585,00 EUR gezahlt. Damit ergaben sich für den Verbrauchszeitraum vom 24. Juni 2009 bis 23. März 2010 Zahlungsrückstände in Höhe von 5.079,57 EUR. Hinzu kamen im Weiteren die ebenfalls nicht gezahlten Abschläge für den Zeitraum von Juli 2010 bis November 2010 in Höhe von jeweils 885,00 EUR, Sperrversuchskosten in Höhe von 49,00 EUR sowie Mahnkosten in Höhe von 20,00 EUR. Damit ergaben sich im Dezember 2010 Forderungen in Höhe von 9.573,57 EUR. Mit Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Magdeburg vom 18. Februar 2011 wurde die Antragstellerin zu 2) verurteilt, diesen Betrag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. Januar 2011 an den Gasversorger zu zahlen.

Die Antragsteller beziehen seit Dezember 2010 Leistungen nach dem SGB II, davon bis Mai 2011 als Bedarfsgemeinschaft mit dem am ... 1986 geborenen Sohn. Diese beliefen sich zuletzt (Juli 2011) auf monatlich 681,74 EUR; hiervon entfielen 125,36 EUR auf die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU). Die Heizkosten sind in Höhe von 1/3 der Gesamtkosten anerkannt und nach Kopfteilen berücksichtigt worden.

Mit Schreiben vom 3. März 2011 baten die Antragsteller den Antragsgegner um ein Darlehen zur Tilgung der Schulden bei ihrem Gaslieferanten. Nach ihren Angaben resultierte die hohe Forderung sowohl aus dem privaten als auch aus dem durch den Gewerbebetrieb verursachten Verbrauch. Hinzu kämen die alte Bausubstanz und die erhebliche Größe des Objekts. Daraufhin teilte der Antragsgegner mit, es könne maximal ein Darlehen in Höhe eines Drittels der Schulden gewährt werden, da höchstens der Anteil für den Wohnraum übernommen werden könne. Das Darlehen in Höhe von 3.000,00 EUR wäre dann in monatlichen Raten von 50,00 EUR zu tilgen. Er bat um Vorlage eines Nachweises des Gasversorgers, ob bei der Gewährung des Darlehens in Höhe von 3.000,00 EUR von der Sperrung der Stromversorgung abgesehen werde. Hiermit war der Gasversorger nicht einverstanden. Mit Bescheid vom 10. Mai 2011 lehnte der Antragsgegner daraufhin die Gewährung eines Darlehens ab, da bei der maximal möglichen Bewilligung von 3.000,00 EUR die Einstellung der Gasversorgung nicht vermieden werden könne. Hiergegen legten die Antragsteller noch im gleichen Monat Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist. Am 16. Mai 2011 unterbrach E. A. Vertrieb GmbH die Gaszufuhr. Seitdem können die Antragsteller die Heizung nicht mehr betreiben. Sie verfügen damit nach eigenen Angaben auch nicht mehr über Warmwasser, da das Wasser über die Heizungsanlage erwärmt wird.

Am 19. Mai 2011 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und die darlehensweise Übernahme der Zahlungsrückstände sowie der Kosten der Wiederinbetriebnahme der Gasversorgung verlangt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die Ablehnung der Übernahme der gesamten Kosten sei ermessensfehlerhaft, da ohne Heizung ein der Wohnungslosigkeit vergleichbarer Zustand bestehe. Außerdem hätten sie die pflegebedürftige Mutter des Antragstellers zu 1) zu versorgen. Sie hätten auch kein Geld, um sich Geräte zur Warmwasserbereitung mit Strom anzuschaffen. Schließlich liege hier kein Wiederholungsfall oder unwirtschaftliches Verhalten vor, die die Ablehnung des Darlehens rechtfertigten.

Der Antragsgegner hat eingewandt, gewöhnlich werde von Mai bis September nicht geheizt. Da die Antragsteller noch über eine Stromversorgung verfügten, sei es ihnen durchaus zuzumuten, das Warmwasser über Strom herzustellen. Das sozialwidrige Verhalten durch Nichtabführung der Abschläge sei zu berücksichtigen.

Mit Beschluss vom 21. Juni 2011 hat das Sozialgericht Magdeburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Rückstände insgesamt nach § 22 Abs. 8 SGB II nicht übernahmefähig seien, da sie jedenfalls größtenteils nicht zu den Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II zählten. Schulden des Gewerbebetriebes gehörten nicht zu den Kosten der Unterkunft. Eine höhere Darlehensgabe als durch den Antragsgegner angeboten (3.000,00 EUR als Anteil für den Wohnraum) komme jedenfalls nicht in Betracht. Aus dem gleichen Grunde scheitere ein Anspruch nach § 24 Abs. 1 SGB II. Außerdem stehe dem begehrten Darlehen auch entgegen, dass nach eigenen Angaben der Antragsteller nicht nur sie selbst, sondern auch die Mutter des Antragstellers zu 1) sowie die beiden Söhne Räumlichkeiten in dem Haus bewohnten. Insoweit sei nicht nachvollziehbar, ob bzw. inwieweit den anderen Bewohnern des Hauses hier ebenfalls ein "Schuldenanteil" zuzuschreiben sei.

Dagegen haben die Antragsteller am 25. Juni 2011 Beschwerde eingelegt, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wurde. Zur Begründung haben sie vertiefend vorgetragen, eine Feststellung der Verursachungsanteile bezüglich des Gasverbrauchs sei nicht möglich. Es entspreche nicht dem Sinn und Zweck des § 22 Abs. 8 SGB II, bei Kostenrückständen, die gerade auch dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuordenbar seien, eine darlehensweise Schuldenübernahme abzulehnen, weil daneben auch andere Kostenbestandteile umfasst würden. Das Abwarten eines monate- oder jahrelang dauernden Hauptsacheverfahrens sei nicht zumutbar.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 21. Juni 2011 teilweise aufzuheben sowie den Antragsgegner zu verpflichten, die Kostenrückstände aus dem Gaslieferungsvertrag in Höhe von 9.573,57 EUR sowie die Wiederinbetriebsetzungskosten der Versorgung in Höhe von 58,31 EUR darlehensweise zu übernehmen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, es könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass eine Differenzierung zwischen privaten und gewerblichen Verbrauchsanteilen nicht möglich sei. Die Übernahme der gewerblich begründeten Forderungen sowie des Verbrauchsanteils aus der privaten Nutzung der drei weiteren Personen, die das Objekt bewohnten, sei nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Antragsgegners haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

1.

Die Beschwerde ist nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 172 Abs. 3 Ziffer 1 SGG. Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR übersteigt. Das von den Antragstellern durchgängig geforderte Darlehen beläuft sich auf 9.631,88 EUR und übersteigt die maßgebliche Grenze deutlich.

2.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.

Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 16b). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden.

a) Ein Anordnungsanspruch ist nicht erkennbar.

aa) Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch könnte § 22 Abs. 8 SGB II sein. Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Eine drohende Wohnungslosigkeit im Sinne von Satz 2 dieser Vorschrift liegt nicht vor. Es kommt hier aber die Anwendbarkeit von Satz 1 der Vorschrift in Betracht. Als vergleichbare Notlage ist beispielsweise eine (drohende) Stromsperre anzusehen, da die Nutzung von Haushaltsenergie sich unmittelbar auf die Wohnsituation einer Bedarfsgemeinschaft auswirkt (vgl. entspr. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Mai 2009, L 7 AS 546/09 B ER, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Dezember 2008, L 7 B 384/08 AS, jeweils zit. nach Juris). Es ist nicht für alle Fallkonstellationen zweifelsfrei, ob dies auch für eine Sperre der Gasversorgung gilt (bejahend Eicher/Spellbrink, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2. Aufl. § 22, Rn. 105; so auch Beschluss des Senats vom 7. Juli 2011, L 5 AS 177/11 B ER, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Denn sowohl das Wasser zum Waschen als auch die Räume selbst können mit Strom erwärmt werden. Dies kann aber offen bleiben.

Denn eine Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehensweisen Übernahme der Gasschulden könnte nur bestehen, wenn er in der Hauptsache zu einer positiven Entscheidung verpflichtet wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Denn die im Rahmen des § 22 Abs. 8 SGB II von dem Antragsgegner getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden.

Die Besonderheit einer Ermessensleistung ist, dass das Gesetz der Verwaltung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelfall keine bestimmte Rechtsfolge vorgibt. Die Antragsteller haben in diesen Fällen lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung nach § 39 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil (SGB I), nicht jedoch auf eine bestimmte Leistung. Die gerichtliche Kontrolle ist beim Vorliegen eines Beurteilungsspielraums auf die Frage beschränkt, ob der Antragsgegner von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, und ob er die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat (so Beschluss des Senats vom 7. Juli 2011, a.a.O.).

Es sind hier keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Entscheidung des Antragsgegners, kein Darlehen zu gewähren, ermessensfehlerhaft ist. Nur wenn das Ermessen ausschließlich in einem bestimmten Sinne rechtmäßig ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung rechtswidrig wäre, besteht ein Anspruch auf diese einzig mögliche rechtmäßige Entscheidung. Eine "Ermessensreduzierung auf Null" ist jedoch nur dann gegeben, wenn nach dem festgestellten Sachverhalt eine anderweitige Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei ausgeschlossen ist. Grundsätzlich ist auch im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, außer in den Fällen einer Ermessensreduzierung auf Null, der Behörde ein Spielraum zur Ausführung des ihr auferlegten Ermessens zu belassen (so Beschluss des Senats vom 7. Juli 2011, a.a.O.). Das Gericht kann nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des Leistungsträgers setzen.

Bei der Ermessensentscheidung sind in einer umfassenden Gesamtschau die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, nämlich die Höhe der Rückstände, ihre Ursachen, das Alter sowie evtl. Behinderungen der jeweiligen Mitglieder der von der Energiesperre bedrohten Bedarfsgemeinschaft, ferner das in der Vergangenheit vom Hilfesuchenden gezeigte Verhalten (erstmaliger oder wiederholter Rückstand, eigene Bemühungen, die Notsituation abzuwenden und die Rückstände auszugleichen) und ein erkennbarer Wille zur Selbsthilfe. Dabei kann es insbesondere darauf ankommen, ob sich der Leistungsberechtigte missbräuchlich verhalten hat. Dies ist im Regelfall zu bejahen, wenn er seine Energiekostenvorauszahlungen bewusst nicht leistet und sein Verhalten darauf schließen lässt, dass er auf eine darlehensweise Übernahme entstehender Schulden durch den Leistungsträger vertraut oder gar spekuliert hat. In einem solchen Fall wird die Notlage gezielt zu Lasten des Leistungsträgers herbeigeführt. Dies kann jedoch nicht hingenommen werden (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. Juni 2010, L 13 AS 147/10 B; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Dezember 2010, L 3 AS 557/10 B ER, jeweils Juris). Die Träger der Grundsicherung dürfen nicht zum "Ausfallbürgen von Energieversorgungsunternehmen" werden (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. September 2007, L 2 B 242/07 AS ER).

Hier spricht vieles dafür, dass die Antragsteller die Abschläge bewusst im Vertrauen darauf nicht erbracht haben, dass diese später darlehensweise vom Antragsgegner übernommen werden.

Wie sich aus der Abrechnung des Gasversorgers und den eigenen Angaben der Antragsteller ergibt, sind seit Juni 2009 - also über zwei Jahre - nur ein einziges Mal Abschläge gezahlt worden. Nachvollziehbare Gründe für dieses Verhalten haben die Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen. Zwar ist angesichts der gesamten Umstände zu vermuten, dass die Antragsteller wenig Geld hatten; allein dies rechtfertigt aber nicht, praktisch keine Abschläge mehr zu zahlen. Sie haben nicht einmal das Geld, dass der Antragsgegner laufend für die Heizkosten gezahlt hat, vollständig an den Gasversorger weitergeleitet.

Nicht verständlich ist auch, dass die Antragsteller den Gaststättenbetrieb mit Pension bis zum 30. November 2010 fortgeführt, aber die dafür anfallenden Kosten der Energieversorgung nicht entsprechend beglichen haben. Die Antragsteller haben auch nicht dargelegt, dass sie die seit Dezember 2010 bewilligten Leistungen für Heizkosten bis zur Einstellung der Gasversorgung im Mai 2011 an den Gasversorger weitergeleitet hätten. Sie haben damit gegen den elementaren Grundsatz des "Forderns und Förderns" verstoßen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II haben Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen, damit sie in den Genuss der steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II kommen. Die Beschwerdeführer haben jedoch nichts getan, um die Schulden bei dem Gasversorger abzubauen und die mehrfach angedrohte Gassperre zu verhindern.

Besonders schwer wiegt hier, dass die Antragsteller die Kosten für Heizung und Warmwasser weder anteilig gegenüber ihren Angehörigen in der Vergangenheit geltend gemacht haben noch dies für die Zukunft ankündigen. Diese Ansprüche gegenüber den drei Angehörigen dürften höher sein als die auf die beiden Antragsteller entfallenden Kosten. Es ist dem Antragsgegner grundsätzlich nicht gestattet, deren Kosten (auch nur darlehensweise) zu übernehmen. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage im SGB II. Denn bei einer gemeinsamen Nutzung einer Unterkunft durch Hilfebedürftige und anderen Personen sind die Kosten der Unterkunft im Regelfall unabhängig von Alter, Nutzungsintensität und Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft anteilig pro Kopf aufzuteilen. Nur in Höhe der auf die nach dem SGB II Leistungsberechtigten entfallenden Anteile besteht ein Anspruch auf KdU (BSG, Urteil vom 24. Februar 2011, Az. B 14 AS 61/10 R Juris Rn. 18). Weiterhin nicht übernahmefähig sind die Kosten für den Betrieb der Pension (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011, Az. B 4 AS 61/10 R Juris Rn. 36 zum Arbeitszimmer).

Der Senat kann offen lassen, ob insoweit nicht sogar eine Ermessenreduzierung auf Null zu Lasten der Antragsteller vorliegt. Zumindest kann aus diesem Grunde keine Ermessensreduzierung auf Null zu deren Gunsten angenommen werden, die gesamten Rückstände zu übernehmen, die sich aus dem nach vorläufiger Bewertung missbräuchlichen Verhalten der Antragsteller ergeben haben.

Eine teilweise Übernahme der Rückstände ist nicht geeignet, die Versorgungssperre zu beheben; insoweit kommen Teilleistungen angesichts der Haltung des Gasversorgers nicht in Betracht.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch bei einer Begleichung der Forderung in der geltend gemachten Höhe zweifelhaft ist, ob diese das gewünschte Ergebnis hätte. Zum einen sind in den hier geltend gemachten Rückständen noch keine Forderungen für die Zeiträume von April bis Juni 2010 und von Dezember 2010 bis 16. Mai 2011 enthalten. Allein in dem letztgenannten Zeitraum hätten bei unveränderter Sachlage zumindest 4.425,00 EUR (5 x 885,00 EUR) an Abschlägen gezahlt werden müssen. Es ist daher zu befürchten, dass der Gasversorger auch auf der Zahlung dieser Außenstände vor Aufhebung der Sperre bestehen wird. Schließlich ist auch zukunftsgerichtet nicht erkennbar, wie die Antragsteller Abschläge in Höhe von 885,00 EUR/Monat zahlen könnten, wenn sie insgesamt nur Leistungen in Höhe zwischen 680,00 und 780,00 EUR/Monat beziehen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des geringfügigen Erwerbseinkommens des Antragstellers zu 1 (224,52 EUR im Juni 2011). Das Aufrechterhalten der bestehenden Sperre oder eine erneute Versorgungssperre erscheinen damit unvermeidbar, so dass selbst eine vollständige Übernahme der Schulden ungeeignet sein dürfte, die Notlage abzuwenden.

bb) Ein Anspruch kann auch nicht auf § 24 Abs. 1 SGB II gestützt werden. Danach erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden kann. Diese Vorschrift umfasst nur den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts und damit nicht Außenstände eines früher betriebenen Gewerbebetriebes, sonstiger Dritter oder den Bereich der KdU. Die Kosten der Warmwasserzubereitung für die Antragsteller fallen hier nicht ins Gewicht.

cc) Unter die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II können auch Nebenkostennachforderungen aus abgelaufenen Abrechnungszeiträumen fallen (BSG, Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 12/10 R Juris Rn. 15). Allerdings ist angesichts des hohen Anteils Dritter sowie der Gaststätte an den aufgelaufenen Zahlungsrückständen ausgeschlossen, dass der geltend gemachte Betrag von 9.573,57 EUR von des Antragsgegners in voller Höhe zu übernehmen ist. Eine einstweilige teilweise Übernahme ist ungeeignet, die Gasversorgung zu sichern. Denn der Gasversorger hat es ausdrücklich abgelehnt, bei einer teilweisen Begleichung der Rückstände die Gasversorgung wieder herzustellen.

b) Darüber hinaus besteht auch kein Anordnungsgrund. Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und durchsetzung bietet, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Erforderlich ist eine existentielle Notlage.

Diese ist zurzeit nicht erkennbar. Die derzeitige Witterung lässt Häuser ohne Heizung nicht unbewohnbar werden. Jedenfalls zu Beginn der Heizperiode ist es angesichts der Gesamtumstände des Falles den Antragstellern vorübergehend zumutbar, sich mittels Kochtopf oder Wasserkocher bereitetem Warmwasser zum Waschen zu behelfen (vgl. Beschluss des Senats vom 7. Juli 2011, a.a.O.). Eine kostspielige Anschaffung besonderer für die Warmwasserbereitung geeigneter Geräte bedarf es daher nicht.

Diese Übergangszeit können die Antragsteller aber nutzen, um ihrer Selbsthilfeverpflichtung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II nachzukommen. So sind die bestehenden Ausgleichsforderungen gegen ihre Angehörigen durchzusetzen sowie deren zukünftige Beteiligung an den Kosten der Gasversorgung sicherzustellen. Ihr Anteil könnte zukünftig durch die Verwendung von Verbrauchserfassungsgeräten (z.B. Heizungsröhrchen) genau erfasst werden. Das Unterlassen der Verwendung solcher allgemein üblichen Instrumente könnte eine Beweisvereitelung darstellen, wenn sich der Verbrauchsanteil der Antragsteller tatsächlich wie von ihnen behauptet nicht schätzen lässt. Diese Unklarheit ginge dann zu ihren Lasten.

Bezüglich der Versorgungssperre wäre zu prüfen, ob die Mutter des Antragstellers gegebenenfalls einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages über eine Gasversorgung hat (§ 1 Abs. 1 Gasgrundversorgungsverordnung in Verbindung § 36 Abs. 1 Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung – Energiewirtschaftsgesetz). Dann könnte sie - wie bisher umgekehrt die Antragsteller - diese mitversorgen. Gemäß § 2 Abs. 5 Gasgrundversorgungsverordnung darf der Abschluss eines Grundversorgungsvertrages nicht davon abhängig gemacht werden, dass Zahlungsrückstände eines vorherigen Anschlussnutzers beglichen werden.

Unter Umständen hat die Mutter auch einen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe. Ihre Pflegedürftigkeit kann im Rahmen des SGB II nicht berücksichtigt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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