L 7 SF 466/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 83 KA 504/09
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 SF 466/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Äußert sich ein Berufsverband im Namen seines von einem ehrenamtlichen Richter geleiteten Vorstandes öffentlich über ein Mitglied eines von der Vertreterversammlung eingesetzten Ausschusses in ehrverletzender Weise, sodass er – der Verband – durch eine zivilgerichtliche Entscheidung zur strafbewehrten Unterlassung und zum Widerruf dieser Äußerung sowie zur Zahlung einer Geldentschädigung verurteilt wird, besteht in einem Rechtsstreit zwischen dem Mitglied dieses Ausschusses und der K(Z)V zumindest dann die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem ehrenamtlichen Richter, wenn zwischen dem Streitgegenstand dieses Rechtsstreits und dem Inhalt der ehrverletzenden Äußerung ein enger Zusammenhang besteht.
Heftige, auch polemisch und unsachlich, aber noch nicht in ehrverletzender Weise geführte Auseinandersetzungen zwischen mehreren in der Vertreterversammlung einer K(Z)V vertretenen Berufsverbänden begründen für sich genommen noch nicht die Besorgnis der Befangenheit eines ehrenamtlichen Richters in einem Rechtsstreit, zu dessen Hauptbeteiligten ein Mitglied eines konkurrierenden Berufsverbandes zählt. Ebenso wenig genügt es, dass der ehrenamtliche Richter demselben Berufsverband wie (die Mehrheit der) Vorstandsmitglieder der beklagten K(Z)V angehört.
Das Gesuch, den ehrenamtlichen Richter Dr. K wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird für begründet erklärt.

Gründe:

Gemäß § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung. Dies zugrunde gelegt, ist das Gesuch der Antragsteller, den ehrenamtlichen Richter Dr. K wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, begründet.

Hierfür genügt allerdings noch nicht die Zugehörigkeit des Antragstellers und des abgelehnten ehrenamtlichen Richters zu unterschiedlichen, divergierende berufspolitische Ziele verfolgenden Berufsverbänden. Auch der Umstand, dass die in der Vertreterversammlung der Beklagten vertretenen Berufsverbände ihre Meinungsverschiedenheiten in heftiger, oft polemischer und unsachlicher Art und Weise austragen – dieser Eindruck drängt sich dem Senat aufgrund diverser Medienberichte sowie etlicher vor ihm geführter Rechtsstreite auf – vermag für sich genommen noch nicht die Besorgnis begründen, ein ehrenamtlicher Richter, der einem dieser Berufsverbände in herausgehobener Funktion angehört, entscheide in einem Rechtsstreit, an dem ein Mitglied oder gar Vorstand eines konkurrierenden Berufsverbandes beteiligt ist, nicht unvoreingenommen. Ebenso wenig reicht aus, dass – wie im vorliegenden Fall – der ehrenamtliche Richter den Berufsverband leitet, dem der Vorstandsvorsitzende der Beklagten sowie sein Stellvertreter angehören.

Die Schwelle zur Besorgung der Voreingenommenheit kann jedoch bei ehrverletzenden Äußerungen überschritten sein. In diesem Zusammenhang muss der Senat wegen der Vielgestaltigkeit möglicher Sachverhalte nicht generell klären, unter welchen Voraussetzungen ehrverletzende Äußerungen zwischen welchen Beteiligten das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines ehrenamtlichen Richters rechtfertigen. Jedenfalls im vorliegenden Fall ist die Besorgnis, der ehrenamtliche Richter Dr. K könne nicht unvoreingenommen entscheiden, begründet. Zugrunde liegt folgender Sachverhalt:

Im Februar 2006 ging den Praxen der Berliner Zahnärzte ein Rundschreiben des Verbandes e.V. zu, für das "Der Vorstand" verantwortlich zeichnete. Dem Vorstand dieses Verbandes gehörte 2006 und auch derzeit der abgelehnte ehrenamtliche Richter an. Dieses Schreiben enthält u.a. die Behauptung, der Antragsteller zu 1) habe Unterlagen des Rechnungsprüfungsausschusses der Beklagten aus dem Jahre 2003 entwendet und "Sensationsjournalisten" zugespielt. Auf die Klage des Antragstellers zu 1) verurteilte das Landgericht Berlin mit rechtskräftigem Urteil vom 11. Januar 2007 diesen Verband zur Unterlassung und zum (zu veröffentlichenden) Widerruf dieser Behauptung sowie zur Zahlung einer Geldentschädigung zum Ausgleich für die erlittene Persönlichkeitsverletzung.

Ferner stellte der Vorstand dieses Verbandes in seiner Verbandszeitschrift (Ausgabe Nr. 2/2008) die Behauptungen auf, der (damals) aus den Antragstellern bestehende Rechnungsprüfungsausschuss der Beklagten habe - "unter Zuhilfenahme der Berliner Presse" Ende 2007 versucht, die zwei Vorstandsmitglieder der Beklagten, die diesem Verband angehören, sowie deren Familien beruflich als auch privat zu schädigen; - bewusst falsche bzw. zweideutige Zahlen und Fakten auch in die nichtzahnärztliche Öffentlichkeit transportiert, um dem Vorstand der Beklagten zu schaden. Auf die Klage der Antragsteller verurteilte das Landgericht Berlin den Verband e.V. mit rechtskräftigem Urteil vom 30. September 2008 zur strafbewehrten Unterlassung dieser Behauptungen.

Der abgelehnte ehrenamtliche Richter hat sich somit als Vorstandsmitglied seines Berufsverbandes gegenüber allen Antragstellern ehrverletzend geäußert. Er hat hierdurch das Persönlichkeitsrecht der Antragsteller mehrfach in so gravierender Weise verletzt, dass es zur Befriedung offensichtlich einer zivilgerichtlichen Verurteilung bedurfte.

Die ehrverletzenden Äußerungen haben auch einen Bezug zum vorliegenden Rechtsstreit. Denn die Antragsteller machen als Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses der Beklagten Einsichtsrechte in bestimmte Konten gegenüber deren Vorstand geltend.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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