S 42 SO 182/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
42
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 42 SO 182/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme anteiliger Bestattungskosten gemäß § 74 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII) nach dem Tod seiner am 20.03.2008 in N verstorbenen Mutter.

Am 25.03.2008 stellten sowohl der Kläger als auch sein Bruder einen Antrag auf Übernahme von Bestattungskosten gemäß § 74 SGB XII. Der Kläger machte geltend, dass er und sein Bruder nicht in der Lage seien, die Bestattungskosten der verstorbenen Mutter zu decken. Er sei zusammen mit seinem Bruder Miterbe zu je 1/2.

Mit Bescheid vom 26.03.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach § 74 SGB XII ab. Sein Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt sei nicht im Bundesgebiet, sondern in den Niederlanden. Nach § 24 SGB XII erhielten Deutsche, die ihren gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. Die im Gesetz genannten Ausnahmetatbestände seien nicht erfüllt, so dass eine Kostenübernahme nicht erfolgen könne.

Die Mutter des Klägers wurde sodann am 02.04.2008 in N bestattet. Ausweislich der Rechnung der Firma Bestattungen I X vom 16.04.2008 beliefen sich die Kosten auf insgesamt 3.660,00 Euro einschließlich Friedhofsgebühren. Mit Bescheid vom 16.04.2009 übernahm die Beklagte gegenüber dem Bruder des Klägers einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.828,68 Euro. Vom Bestatter seien Kosten in Höhe von 3.660,00 Euro in Rechnung gestellt. Diese seien in voller Höhe erforderlich und somit anerkannt. Die Friedhofsgebühren seien darin schon enthalten. Nach Abzug des Nachlas¬ses (Kostenbeitrag aus dem Nachlass in Höhe von 2,64 Euro) sowie des Anteils des Klägers in Höhe der Hälfte der Kosten (1.828,68 Euro) verbleibe hiervon noch ein Betrag in Höhe von 1.828,68 Euro. Der Kläger erhob am 08.04.2008 Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 26.03.2008. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2010 zurück.

Der Kläger hat am 12.04.2010 Klage erhoben. Er arbeite in Deutschland und zahle auch hier seine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Einem Deutschen, der in einem Mitgliedsstaat der europäischen Gemeinschaft seinen rechtmäßigen Wohnsitz habe, stünden genau dieselben Rechte zu wie einem Deutschen im eigenen Land. Die Ablehnung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Er habe seit 1996 seinen Wohnsitz in den Niederlanden. Er sei zu dieser Zeit fälschlicherweise verdächtigt worden, als Krankenpfleger an einer Patientin der Uni-Kliniken sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben. Er sei zwar freigesprochen, jedoch durch die Presse vorverurteilt worden und habe anonyme Anrufe und Briefe mit Drohungen erhalten. Es bleibe daher aus Sicherheitsgründen bei seinem Wohnsitz in den Niederlanden. Die Beklagte habe seinem Bruder einen Betrag in Höhe von 1.828,68 Euro als hälftigen Anteil gezahlt. Ausweislich der von ihm im Klageverfahren vorgelegten Kopie der Rechnung der Firma Bestattungen I X vom 02.04.2008 hätten sich die Bestattungskosten im Übrigen jedoch auf 4.199,05 Euro belaufen. Diesen Restbetrag habe er sich bei Freunden und Bekannten zusammengebet¬telt, so dass keine Bestattungskosten mehr offen seien.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2010 zu verurteilen, Bestattungskosten in Höhe von 1.828,68 Euro zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig. Zudem seien auch die Ausführungen des Klägers zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen - namentlich seinen Einkünften - unvollständig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Kläger wird durch den Bescheid vom 26.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 25.03.2010 nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Dieser Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Bestattungskosten für die Beerdigung seiner verstorbenen Mutter.

Nach § 74 SGB XII werden die erforderliche Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Grundvoraussetzung für einen solchen Anspruch ist das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen eines Sozialhilfeanspruchs, wie sie in den allgemeinen Vorschriften (Erstes Kapitel: §§ 1 bis 7 SGB XII) bzw. den allgemeinen Vorschriften über Leistungen der Sozialhilfe (Zweites Kapitel: §§ 8 bis 26 SGB XII) aufgestellt sind.

Nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB XII erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. Der Kläger ist Deutscher und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in W in den Niederlanden. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist ein Aufenthalt an einem Ort im Ausland zu verstehen, an dem der Deutsche nicht nur vorübergehend den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. Dies setzt eine gewisse Verfestigung der Lebensverhältnisse an dem betreffenden Ort insbesondere in familiärer, sozialer und beruflicher Hinsicht voraus. Hierzu kann es in aller Regel nur kommen, wenn der Aufenthalt auf Dauer angelegt ist und eine gewisse Dauer auch erlangt (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010, § 34 Rn. 13). Auch wenn der Kläger in E arbeitet, wohnt er doch in W. Diesen Ort hat er im Rahmen der Antragstellung als seine Wohnanschrift angegeben; auch in seinem am 19.07.1999 ausgestellten Personalausweis ist W als Wohnort angegeben. Der Kläger wohnt nach seinen eigenen Angaben bereits seit 1996 in den Niederlanden. Im Hinblick auf die lange Dauer des Wohnens in den Niederlanden – ohne einen (weiteren) Wohnsitz in Deutschland - geht das Gericht von einer Verfestigung seiner Lebensverhältnisse dort in sozialer Hinsicht aus. Dafür spricht auch, dass der Kläger ausgeführt hat, aufgrund einer falschen Verdächtigung und damit verbundener Drohungen weiterhin nicht nach Deutschland zurückkehren zu können. Er will sich nach seinen Angaben gerade nicht dauerhaft in Deutschland aufhalten, um Anfeindungen und Bedrohungen zu vermeiden. Dagegen ist aus Sicht des Gerichts auch nicht einzuwenden, dass der Kläger in E versicherungspflichtig beschäftigt ist. Denn in Deutschland hat der Kläger für sich eben keinen weiteren Aufenthaltsort im Sinne eines Lebensmittelpunktes geltend gemacht.

Der daher gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 SGB XII bestehende Leistungsausschluss für den Klä¬ger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, entfällt auch nicht infolge der Rückausnahme in § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII. Danach kann von dem Leistungsausschluss für Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist: 1. Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss, 2. längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürf-tigkeit oder 3. hoheitliche Gewalt. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger jedoch nicht vor. Der Kläger hat zwar nachvollziehbar geltend gemacht, warum er in die Nieder¬lande gezogen ist und weiterhin dort leben will. Denn nach seinen Angaben war er einer falschen Verdächtigung ausgesetzt, die zu Drohungen und damit zu einer Gefahr für Leib und Le¬ben geführt hat. Allein dieser Umstand reicht jedoch nicht aus, da Sozialhilfeleistungen für Deutsche im Ausland nur in Betracht kommen, wenn eine Rückkehr in das Inland aus drei bestimmten, im Gesetz ausdrücklich benannten Gründen nicht möglich ist. Der Kläger erzieht oder pflegt jedoch kein Kind (Nr. 1), wird nicht längerfristig in einer stationären Einrichtung betreut wird und ist auch nicht schwer pflegebedürftig (Nr. 2). Außerdem liegt auch kein Fall höherer Gewalt vor. Diese Nr. 3 erfasst insbesondere deutsche Staatsangehörige, die im Ausland inhaftiert sind oder denen aus anderen Gründen vom Aufenthaltsland die Aus¬reise verweigert wird (vgl. Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 24 Rn. 24). Diese Vor¬aus¬set¬zun¬gen sind hier nicht gegeben.

Darüber hinaus geht das Gericht davon aus, dass die Regelung des § 24 SGB XII auch dann anwendbar ist, wenn die Bestattung im Inland erfolgt. Zwar liegt der Vorschrift der Gedanke zugrunde, dass bei Eintritt von Bedürftigkeit im Ausland grundsätzlich die Rück¬kehr nach Deutschland erwartet werden kann (vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen Beschl. v. 29.06.2007 - L 20 B 10/07 SO, juris). Dies führt jedoch bei einer Bestattung im Inland nicht dazu, dass - weil ein solches Ansinnen bei einem einmaligen, durch leistungsrechtliche Besonderheiten bestimmten Bedarf nicht erwartet werden könne - die Vorschrift aus systematischen Gründen keine Anwendung findet. Denn dieser Umstand stellt aus Sicht des Gerichts keinen Grund dafür dar, vom eindeutigen Wortlaut der Norm abzusehen. Zudem würde diese Sichtweise dem gesetzgeberischen Willen, dass Sozialhilfe grundsätzlich nur noch in Deutschland gezahlt wird, widersprechen (so im Ergebnis auch Bayerisches Landessozialgericht Beschl. v. 19.11.2009 - L 8 SO 86/09, juris).

Soweit der Kläger meint, die Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, folgt das Gericht dem nicht. Denn der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG verbietet nur die Ungleichbehandlung von grundsätzlich Gleichem ohne sachlichen Grund. Der Umstand, wo der deutsche Staatsbürger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, stellt jedoch einen sachlichen Grund für die Ausgestaltung der Sozialhilfeleistungen dar und ist aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden. Nur dann, wenn der Hilfebedürftig an einer Rückkehr ins Inland objektiv gehindert ist, wobei abschließend geregelt ist, in welchen drei Fällen ein solches objektives Hindernis vorliegt, kommt eine Zahlung von Sozialhilfe ins Ausland in Betracht. Damit geht die Vorschrift des § 24 SGB XII bereits über das in § 30 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) geregelte Territorialitätsprinzip hinaus und gewährleistet Nothilfe für Deutsche im Ausland, die nicht ins Inland zurückkehren können.

Vor diesem Hintergrund bedurfte die offene Frage, ob dem Kläger die Übernahme der (anteiligen) Bestattungskosten überhaupt aus finanziellen Gründen unzumutbar war, keiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 Abs. 1 S. 1, 193 SGG. &8195;
Rechtskraft
Aus
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