L 2 U 5633/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 713/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 5633/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Mord ist kein Arbeitsunfall. Kein Unfallversicherungsschutz bei Ermordung auf einem Arbeitsweg durch Familienangehörigen aus familiären Gründen (seit Jahren aufgestauter Hass)
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. November 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach der Ermordung ihres Ehemannes durch den gemeinsamen Sohn. Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann Salvatore C.(geb. 12.06.1950, im Folgenden S.) haben 2 Pizzerien betrieben, die Pizzeria C. in St. und später zusätzlich eine Pizzeria in L., die beide auf den Namen der Klägerin geführt wurden, nachdem S. wegen einer vorhergehenden Insolvenz die Pizzerien nicht übernehmen konnte. In der Pizzeria Capri war S. seit 01.02.1999 als Koch und Bürokraft geringfügig beschäftigt und bei der Beklagten als Arbeitnehmer gemeldet. Er arbeitete wöchentlich 54 Stunden und erhielt einen Bruttolohn von 360,00 EUR, netto 286,11 Euro (vgl. Bl. 19, 33 VA). Am 22.07.2009 fuhr S. entsprechend der vorherigen Absprache gemeinsam mit seinem Sohn, Maurizio C.(geb. 07.01.1971, im Folgenden M.) in dessen Wagen gegen 10:00 Uhr zum Steuerberatungsbüro des Beschäftigungsbetriebs in Bad S., Ortsteil M., wo er bzw. die Klägerin seit mehreren Jahren Mandant war. Er legte der kaufmännischen Angestellten Klein, wie regelmäßig vierteljährlich, Buchhaltungsunterlagen vor. Er erkundigte sich auch, wie es wäre, wenn sein arbeitsloser Sohn M. der Mutter in der Pizzeria in St.- helfen würde. Zudem wurde über die Pizzeria in L. gesprochen; S. teilte mit, der Pachtvertrag laufe im September 2009 aus und solle nicht verlängert werden. Danach verließ S. gemeinsam mit M. die Steuerberatungskanzlei. Auf der Rückfahrt fuhr der Sohn zunächst auf dem Heimweg Richtung St., bog dann aber in das Industriegebiet Rot-M. ab, fuhr die Industriestraße lang und bog dann von dieser nach rechts in die Gutenbergstraße, eine Sackgasse, ab. Dort brachte er das Fahrzeug unter Vortäuschung einer Fahrzeugpanne zum Stehen. Er stieg aus dem Fahrzeug aus und lockte seinen Vater unter einem Vorwand nach hinten zum Kofferraum. In diesem Moment ergriff M. entsprechend seinem am Vortag gefassten Plan einen mitgebrachten Zimmermannshammer und schlug mit der Spitze mindestens achtmal auf den Kopf seines Vaters ein, um ihn zu töten. Dieser trug schwere, jedoch nicht tödliche Verletzungen davon und versuchte zu fliehen. M. holte daraufhin aus dem Kofferraum einen planmäßig mitgebrachten Benzinkanister, übergoss seinen Vater mit dem Kraftstoff und zündete ihn schließlich an. Er beobachtete zunächst seinen brennenden Vater und verließ ruhig den Schauplatz der Tat, nachdem Zeugen auf das Geschehen aufmerksam wurden. Später stellte er sich auf dem Polizeirevier W ... Der Vater erlag am selben Tag seinen schwersten Verbrennungen. M. wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 12.03.2010 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Klägerin bezieht deswegen Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Sie hat die Pizzeria C. am 04.08.2009 abgemeldet (Gewerbeabmeldung, Bl. 48 LSG). Wegen dieses Vorfalls beantragte die Klägerin am 06.08.2009 zunächst telefonisch und am 10.08.2009 schriftlich die Gewährung einer Witwenrente. Die Beklagte zog die staatsanwaltlichen Ermittlungsakten bei und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 06.10.2009 ab (Bl. 481). Das Ereignis vom 22.07.2009 stelle keinen Arbeitsunfall dar. Versicherungsschutz sei nicht gegeben, weil der Überfall auf dem Betriebsweg nach den Unterlagen der Staatsanwaltschaft ausschließlich auf einer persönlichen Feindschaft der Beteiligten beruhe. Der ursächliche Zusammenhang mit dem Betrieb sei damit entfallen. Daher habe sich der Versicherte zum Ereigniszeitpunkt nicht mehr bei einer versicherten Tätigkeit befunden. Der Widerspruch dagegen blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 28.01.2010 führte die Beklagte aus, dass die Tat des Sohnes durch familiäre Konflikte motiviert gewesen sei. Hinweise auf einen Streitgrund in Bezug auf die Tätigkeit des Versicherten als angestellter Koch in der Pizzeria hätten sich nicht ergeben. Der Versicherte sei im Rahmen eines privaten Überfalls tödlich verletzt worden.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, M. habe sich durch den väterlichen Vorschlag, ihn auf Basis von 100,00 EUR in der Pizzeria einzustellen, erniedrigt und beleidigt gefühlt und ihn anschließend ermordet. Dies ergebe sich aus dem psychiatrischen Gutachten, das im Strafverfahren eingeholt worden sei. Das Bundessozialgericht stelle bei solchen Konstellationen auf die Beweggründe des Angreifers ab. Es bedürfe nicht unbedingt eines betriebsbezogenen Tatmotivs, um den inneren Zusammenhang zwischen Überfall und versicherter Tätigkeit herzustellen. Der Zusammenhang sei vielmehr von vorneherein gegeben, wenn sich der Versicherte auf einem Arbeitsweg befunden habe. Die Ausnahme, dass dieser Zusammenhang zurücktrete, wenn die Beweggründe des Angreifers dem persönlichen Bereich der Beteiligten zuzurechnen seien, greife nicht ein. Der psychologische Gutachter im Strafverfahren Dr. P. habe festgestellt, dass die gemeinsame Besprechung im Steuerberatungsbüro gerade den letzten Auslöser für die spätere Tat gesetzt habe. Etwaige betriebsfremde Beziehungen drängten demnach den Zusammenhang des Überfalls mit dem Zurücklegen des versicherten Weges rechtlich nicht wesentlich zurück. Im Übrigen haben besondere Verhältnisse bei der Zurücklegung des Weges - die Fahrt in ein entlegenes Industriegebiet - die Gewalttat begünstigt, was nach der Rechtsprechung zu Versicherungsschutz führe. Bei etwaiger Unsicherheit über die Motive des Täters trage die Beklagte die Beweislast.

Die Beklagte ist dem mit der Begründung entgegengetreten, im Strafverfahren hätten viele Zeugen mitgeteilt, dass der Sohn eine große Wut gegen seinen Vater aufgebaut habe. Aus der Gesamtschau dieser zeugenschaftlichen Bekundungen wie auch aus der großen Brutalität ergebe sich, dass die Tat von persönlichem Hass getragen gewesen sei und somit der betriebliche Zusammenhang zurückgedrängt werde. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.11.2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente. S. sei zwar abhängig beschäftigt gewesen und habe sich auf einem nach § 8 SGB VII versicherten Arbeitsweg befunden. Der Unfallversicherungsschutz sei auch nicht allein entfallen, weil er einem Überfall zum Opfer gefallen sei. Entscheidend komme es auf die Beweggründe des Angreifers an (Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.06.1998, B 2 U 27/97 R; LSG Berlin- Brandenburg, Urteil vom 25.11.2008, L 31 U 394/08). Ausgehend davon kam das SG zum Ergebnis, dass die betriebsfremden Beziehungen zwischen Täter und Versichertem bei der Begehung der Tat eindeutig überwogen haben und den Zusammenhang des Überfalls mit dem Zurücklegen des versicherten Weges als rechtlich unwesentlich zurückgedrängt haben. Die Tatmotive für den Mordanschlag seien ganz überwiegend den persönlichen Beziehungen zwischen Täter und Opfer zuzurechnen. Den Schilderungen der verschiedenen Zeugen in den Strafakten sei zu entnehmen gewesen, dass der Sohn des Versicherten auf diesen einen jahrelangen, immer mehr zunehmenden Hass aufgestaut habe, der der Auslöser für die Tat gewesen sei, wie M. auch am 23.08.2009 im Rahmen seiner Verbringung zu einer rechtsmedizinischen Untersuchung gegenüber den begleitenden Polizeimitarbeitern zugegeben habe. Hintergrund seien die Auseinandersetzungen zwischen dem Versicherten und seiner Frau, der Klägerin und Mutter des Täters, gewesen. Zwei Tage zuvor erst habe ihm der Versicherte mitgeteilt, dass "ihn seine Probleme einen Scheißdreck interessierten". Der Kläger habe in der Hauptverhandlung schriftlich erklärt, die Tat geplant und am Vortag vorbereitet zu haben. Er habe erst das Bild seines verhassten Vaters, unter dem die ganze Familie gelitten habe, auslöschen und dann sich selbst töten wollen. Den Kanister für das Benzin sowie den Hammer habe er nachgewiesenermaßen aus dem elterlichen Haus, in dem er selbst zu dieser Zeit auch wohnte, mitgenommen. Seiner Erklärung nach habe das Gespräch beim Steuerberater ihn eigentlich nicht interessiert. Er sei wie betäubt gewesen und habe an nichts anderes denken können als an sein Vorhaben. Daraus ergebe sich, dass die betriebsfremden Beziehungen zwischen Täter und Versichertem im vorliegenden Fall eindeutig vorgeherrscht und den Zusammenhang des Überfalls mit dem zurückgelegten Weg als rechtlich unwesentlich zurückgedrängt haben. Er sei zu der Tat entschlossen gewesen, ohne dass es ihm darauf angekommen sei, das in einem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Versicherten zu tun. Zielgerichtet habe er daher den zuvor befüllten Kanister, Hammer und Feuerzeug aus dem elterlichen Haus genommen, in sein Auto gelegt, um den Mord verüben zu können, und dann auch in die Tat umgesetzt. Dass dies auf dem Weg von einer betrieblich veranlassten Verrichtung zurück geschehen sei, sei für die Ausübung der Tat nicht wesentlich, da er die Tat auch bei jeder anderen Möglichkeit hätte vollbringen können. Dass die Äußerung des Vaters beim Steuerberater, ihn auf 100 EUR -Basis beschäftigen zu wollen, ihn zusätzlich gekränkt habe, habe keinen weiteren Einfluss gehabt, da M. gegenüber dem Gutachter P. weiter geäußert habe, den Entschluss am Vorabend gefasst und vorbereitet zu haben, und ihn am nächsten Tag planmäßig ausgeübt habe. Entsprechend sei auch seine Einlassung im Rahmen der Hauptverhandlung zu verstehen, das Gespräch beim Steuerberater habe ihn eigentlich nicht interessiert, er sei wie betäubt gewesen und habe an nichts anderes denken können als an sein Vorhaben. Auch hieraus lasse sich entnehmen, dass eine wesentliche betrieblich veranlasste Motivation nicht anzunehmen sei. Daher relativiere sich die Bedeutung des Geschehens in der Steuerberaterkanzlei für die folgende Tat erheblich und lasse klarwerden, dass die Vorfälle bei der Steuerberaterin letztendlich für die Tat keine wesentliche Rolle gespielt haben. Unfallversicherungsschutz sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt anzunehmen, dass die Tat durch die besonderen Verhältnisse bei der Zurücklegung des Weges gerade ermöglicht oder begünstigt worden wäre. Vielmehr habe der Sohn des Versicherten als naher Verwandter zu jedem Zeitpunkt und bei jeder Gelegenheit die Möglichkeit gehabt, seinen Vater zu töten, zumal dieser offensichtlich von den Plänen seines Sohnes keine Kenntnis gehabt habe. Letztlich sei es nur Zufall gewesen, dass die Tat auf einem Arbeitsweg erfolgt sei. Bei dieser Sachlage komme es nicht in Betracht, die Versichertengemeinschaft der Unfallversicherten mit den Folgekosten dieser Tat zu belasten.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23.11.2010 zugestellte Urteil hat dieser am 09.12.2010 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Nach Hinweis auf Zweifel am Versicherungsschutz hat er zur Begründung vorgetragen, dass S. nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter unter Versicherungsschutz gestanden habe. Eine Scheinbeschäftigung habe nicht vorgelegen. Unabhängig vom Arbeitslohn und der Arbeitszeit komme es nur darauf an, dass S. mit dem Eintritt in das Arbeitsverhältnis beschäftigt und damit versichert gewesen sei. Die unternehmerisch relevanten Verträge habe die Klägerin gegengezeichnet und sämtliche Mitarbeiter, nicht nur ihren Ehemann, zur Verrichtung und Vornahme der betriebsnotwendigen Tätigkeiten angewiesen. Das SG habe rechtsirrig angenommen, dass die betriebsfremden Beziehungen zwischen Täter und Versichertem beim Tathergang eindeutig überwogen hätten. Besondere Verhältnisse bei der Zurücklegung des Weges - Fahren in eine einsame Gegend - hätten die Verübung der Gewalttat entscheidend begünstigt. Ebenso habe der psychologische Gutachter Dr. P. unmissverständlich angegeben, dass die Besprechung beim Steuerberater zur geringfügigen Beschäftigung des Sohnes M. erniedrigt und beleidigt und den konkreten Antrieb und Auslöser für die Verübung der grausamen Tat gesetzt hätten. Hieran ändere sich auch dadurch nichts, dass der Täter schon am Vorabend seine Planungen gefestigt habe, da sie nur anlässlich der Autofahrt zu dem Steuerberater und zurück ermöglicht werden konnte.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. November 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen der Klägerin Witwenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Ermittlungsbemühungen der Beklagten zur Feststellung der Beschäftigteneigenschaft des S. sind ergebnislos verlaufen, nachdem die Klägerin die Fragen der Beklagten hierzu nicht beantwortet hat.

Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 12.05.2011 mit einer Entscheidung durch Beschluss einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), die von der Staatsanwaltschaft Heidelberg beigezogenen Strafakten (Az. R670 VRs 20 Js 13691/09 inklusive Sonderband nervenärztliches Gutachten vom 23.10.2009) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 06.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2010, gegen den die Klägerin zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SGG) vorgeht, ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente. Der Mord an ihrem Ehemann war kein Arbeitsunfall.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist (Abs.1 Satz 2). Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R m.w.N. und vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R). Gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 SGB VII ist auch das Zurücklegen eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit versichert.

Der Senat hat bereits Zweifel daran, dass S. auf dem Rückweg vom Steuerberatungsbüro überhaupt unter Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden ist. Gegen eine Versicherung kraft Gesetzes als Beschäftigter i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Koch und Bürokraft bei der Klägerin, seiner Ehefrau, sprechen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit folgende Gesichtspunkte: S. hätte das Familienunternehmen selbst betrieben, wenn er nicht auf Grund vorhergehender Insolvenz daran gehindert gewesen wäre. Seine Frau ist aus diesem Grund vorgeschoben worden. Gemessen an der Arbeitszeit von 54 Stunden wöchentlich für die Tätigkeit als Koch und Bürokraft bei einem Monatslohn von 360 EUR brutto hat er keinen leistungsgerechten Lohn erhalten. Dies ist bei einem Ehegattenarbeitsverhältnis ein starkes Indiz gegen eine Eingliederung des Ehegatten in den Betrieb, durch welchen eine reguläre Arbeitskraft eingespart wurde. Nach der zum Ereignis am 22.07.2009 zeitnahen und von daher unbelasteten schriftlichen Auskunft der Klägerin gegenüber der Beklagten vom 07.08.2009 hat sich ihr Mann um alles gekümmert. Von daher konnte sie die Frage, ob die Arbeitsstunden bisher in den Nachweisen (Spalte "Unternehmer- und Ehegattenarbeitsstunden") zur Beitragsrechnung nachgewiesen wurden, nicht beantworten, was aber von ihr als Unternehmerin zu erwarten gewesen wäre. Hingegen hat ihr Ehemann regelmäßig die steuerlichen Belange des Unternehmens geklärt und sich auch nach den Möglichkeiten hinsichtlich der Einstellung seines Sohnes in der Pizzeria erkundigt, was typische unternehmerische Tätigkeiten sind. In den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten finden sich zahlreiche Hinweise, dass S. als Patriarch die Familie regiert hat. Von daher ist es schwer vorstellbar, dass eine persönliche Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers -seiner Frau- , insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Art der Arbeitsausführung vorgelegen hat. Auch die Abmeldung der Gaststätte unmittelbar nach dem Tod des Ehemannes am 04.08.2009 ist ein Indiz dafür, dass er für den Betrieb unersetzlich war. Das Gesamtbild der Tätigkeit entspricht damit eher dem Bild einer selbständigen Tätigkeit und einer Scheinbeschäftigung im eigenen Unternehmen. Es muss jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSG, Urteil vom 22.08.2000 - B 2 U 18/99 R). Die Unerweislichkeit einer Tatsache geht grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten will. Während denjenigen, der einen Anspruch erhebt, die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen trifft, ist derjenige, der das geltend gemachte Recht bestreitet, für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen beweispflichtig. Die Verteilung der Beweislast bestimmt sich nach den für den Anspruch maßgeblichen materiell-rechtlichen Normen (BSG Urteil v. 02.12.2008 - B 2 U 26/06 R m.w.N.). Danach trägt die Klägerin die Beweislast für das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit.

Auch ein Versicherungsschutz als mitarbeitender Ehegatte eines Unternehmers nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m. der Satzung der Beklagten scheidet aus, da die Pflichtversicherung für Unternehmer und ihre mittätigen Ehegatten zum 31.12.2007 von der Beklagten aufgehoben worden ist. Für eine freiwillige Versicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII hat S. bei der Beklagten anschließend keinen entsprechenden Antrag gestellt. Allenfalls kommt ein Versicherungsschutz unter dem Aspekt der so genannten Formalversicherung (Ricke in: Kasseler Kommentar, SGB VII, vor §§ 2-6 Rn. 3. Zu den allgemeinen Voraussetzungen vgl. BSG v. 27.07.1972 - 2 RU 193/68 - BSGE 34, 230, 234) in Betracht, wenn die Beklagte im Zeitpunkt des Unfalls einen entsprechenden Vertrauenstatbestand, wie z. B. durch Erlass eines Beitragsbescheides oder die Entgegennahme von Beiträgen für S. als gemeldeten Beschäftigten, geschaffen hatte. Ob dies der Fall war ist zumindest zweifelhaft, da nach den von der Beklagten vorgelegten Beitragsunterlagen der letzte Nachweis zur Beitragsrechnung für S. aus dem Jahre 2006 stammt. Dem brauchte jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Die Frage des Unfallversicherungsschutzes kann letztlich offen bleiben. Denn S. ist eindeutig am 22.07.2009 nicht infolge eines Arbeitsunfalls zu Tode gekommen.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen ein Überfall als Arbeitsunfall anzusehen ist, zutreffend benannt und ausgeführt, dass es hierfür wesentlich auf die Beweggründe des Angreifers bei der Tat ankommt und sich der innere Zusammenhang zwischen dem Überfall als Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit verliert, wenn die Beweggründe des Angreifers dem persönlichen Bereich der Beteiligten zuzurechnen sind. Sodann hat es ausführlich, schlüssig und überzeugend anhand der Angaben des M., der Aussagen der Zeugen sowie der strafrechtlichen Ermittlungen anhand der staatsanwaltlichen Ermittlungsakten und der Strafakten herausgearbeitet, dass dies bei dem am Vortag vorbereiteten Mord des Sohnes an seinem Vater der Fall gewesen ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung an, sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht Neues enthält. Dazu, dass besondere Verhältnisse bei Zurücklegen des Weges eine gewichtige Rolle gespielt haben sollen, hat bereits das SG ausgeführt, dass der Sohn des Versicherten als naher Verwandter zu jedem Zeitpunkt und bei jeder Gelegenheit die Möglichkeit gehabt hätte, seinen Vater zu töten. Ergänzend ist hierzu nochmals darauf hinzuweisen, dass der 38-jährige Sohn nach dem Scheitern seiner Ehe zur Tatzeit seit ca. einem halben Jahr wieder in der Wohnung seiner Eltern wohnte und schon auf Grund der räumlichen Nähe sich viele andere Gelegenheiten zur Ermordung des Vaters ergeben hätten. Dass er die Fahrt zum Steuerberater hierzu genutzt hat, vermag keinen inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit als (eventuell formal) angestellter Koch und Bürokraft zu begründen, sondern geschah nur gelegentlich.

Ebenso hat sich das SG auch mit den Angaben des M. zum Motiv der Tat - festgehalten im psychologischen Gutachten des Dr. P. vom 23.10.2009 - auch in Bezug zur beabsichtigten Beschäftigung in der Pizzeria auf 100 EUR-Basis auseinandergesetzt und dargelegt, dass nach den weiteren Einlassungen des M. gegenüber Dr. P. kein Zweifel bestand, dass der Entschluss zur Tat und die Vorbereitung unabhängig von der Wirkung des Vorschlags des Vaters bereits zeitlich früher, nämlich am Vorabend, gefasst worden ist. Ergänzend ist hierzu noch auszuführen, dass nach dem Gutachten M. bereits seit Jahren destruktiv-archaisch wirkende Handlungsphantasien gegenüber seinem Vater hatte, sich sein abgrundtiefer Hass gegen ihn über Jahre, in der Kindheit beginnend, entwickelt hat, er in der Familie alles negativ erlebt hat und alte, ständig belastende Umstände - wie auch die sexuelle Belästigung seiner Freundin und späteren Ehefrau durch den Vater - auf Drängen des Vaters nach seiner Rückkehr ins Elternhaus ungeklärt geblieben sind. Der Gutachter beschreibt, dass breiten Raum der Schilderungen von M. die von diesem so bewerteten negativen Einflüsse seiner Herkunftsfamilie auf seine biographische und persönliche Entwicklung eingenommen hätten. Tiefsitzende und mit destruktiv-hasserfülltem Unterton vorgetragene Ressentiments hätten dabei insbesondere den Vater erreicht, dem eine umfassende Verantwortung für das biographische Scheitern des M. zugesprochen wurde. Die Ausführungen haben auf Dr. P. gewirkt, als erlebe M. das Tatgeschehen als den unvermeidlichen und allein durch das Verhalten des Opfers schicksalhaft bestimmten Endpunkt des Konfliktes. Zudem war die Tötung des Vaters Teil eines umfassenderen Planes, nämlich des anschließenden beabsichtigten Selbstmords. M. hatte auch zum Abschluss seines Lebens Vorbereitungen getroffen, indem er Versicherungen gekündigt, seine EC-Karte vom Konto seiner getrennt lebenden Frau an diese in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Mord zurückgesandt und ihr sein restliches Geld auf dem Girokonto überwiesen hat. Damit hat ein vor dem Tattag gründlich vorbereitetes und planvoll durchgeführtes Verbrechen auf Grund familiärer Zerwürfnisse und nicht etwa eine durch einen betrieblichen Streit veranlasste auf einem Spontanentschluss beruhende Handlung vorgelegen.

Das Angebot auf 100,- EUR-Basis zu arbeiten stellt sich zudem in einem anderen Licht dar, wenn berücksichtigt wird, dass zum einen S. selbst wesentlich unterwertig angestellt gewesen ist und zum anderen die Anstellung des Sohnes vor dem Hintergrund seiner Arbeitslosigkeit und der Möglichkeit von Hinzuverdienstgrenzen beim Bezug von SGB II-Leistungen eine andere Wertigkeit erhält.

Bereits die Brutalität der Tat und der Wunsch, sogar das Bild des verhassten Vaters auszulöschen, wie nach der subjektiven Vorstellung des M. der Vater die Familie zugerichtet hatte (vgl. Strafurteil Bl. 38, Bl. 2095 Strafakte), deuten auf einen tiefgreifenden, eindeutig dem privaten Bereich zuzuordnenden Vater-Sohn-Konflikt, der die wertende Entscheidung, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht, eindeutig zu Ungunsten der Klägerin ausfallen lässt. Es lässt sich auch nicht ansatzweise erkennen, dass ein betrieblicher Zusammenhang besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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