L 18 AS 2113/11 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 87 AS 22020/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2113/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. November 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Denn das Sozialgericht (SG) hat nicht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse für die Prozesskostenhilfe (PKH) verneint.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Beschwerdeführer der Klägerin zu Recht zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

Bei Bewilligung von PKH ist nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs. 2 und 3 ZPO (Zivilprozessordnung) ist in der Regel ein ortsansässiger Rechtsanwalt beizuordnen, weil dadurch grundsätzlich sichergestellt ist, dass keine Reisekosten anfallen. Ein auswärtiger Rechtsanwalt kann grundsätzlich nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen (§ 121 Abs. 3 ZPO; vgl BGHZ 159, 370, 372).

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein Gericht die genannte Einschränkung ohne Nachfrage bei dem betroffenen Rechtsanwalt anordnen darf. Während eine Mindermeinung ein ausdrücklich erklärtes Einverständnis des Rechtsanwalts für erforderlich hält (OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 348; OLG Bremen NJW-RR 2001, 1229; OLG Oldenburg FamRZ 2003, 107; OLG Düsseldorf Rpfleger 2004, 709, 710; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 121 Rdn. 14; Zöller/Philippi, ZPO 25. Aufl. § 121 Rdn. 13), lehnt die herrschende Meinung dies mit unterschiedlicher Begründung ab. Ein Teil meint, eine Nachfrage sei nicht erforderlich, weil es seiner Einwilligung nicht bedürfe (OLG Hamm MDR 2001, 832 und FamRZ 2004, 708, 709; OLG Celle MDR 2000, 1038, 1039; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 106 und NJW 2005, 687; OLG Naumburg OLGReport 2002, 310; KG NJW-RR 2005, 924; Hartung, in: Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl. § 46 Rdn. 29; Musielak/Fischer, ZPO 4. Aufl. § 121 Rdn. 18). Ein anderer Teil ist der Ansicht, die Einwilligung sei konkludent in dem Antrag auf Beiordnung enthalten (BAG NJW 2005, 3083 f.; OLG Schleswig JurBüro 1992, 486, 487; OLG Stuttgart OLGR 1999, 122, 123; OLG Brandenburg JurBüro 2000, 481, 482 und FamRZ 2005, 2005; OLG Hamburg FamRZ 2000, 1227, 1228; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 64. Aufl. § 121 Rdn. 62; MünchKommZPO/Wax 2. Aufl. § 121 Rdn. 11; Houben, in: Baumgärtel, RVG 9. Aufl. § 46 Anm. 5). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts aber für zulässig erachtet (vgl BGHZ 159, 370, 373; BGH, Beschlüsse vom 23. März 2006 - IX ZB 130/05, WM 2006, 1298 und vom 6. April 2006 - IX ZB 169/05, NJW 2006, 1881). Der BGH hält die genannte Einschränkung auch ohne ein ausdrücklich erklärtes Einverständnis des betroffenen Rechtsanwalts für zulässig (vgl Beschluss vom 10. Oktober 2006 – XI ZB 1/06 = NJW 2006, 3783-3784). Dem folgt der erkennende Senat hier.

Ein Beiordnungsantrag enthält regelmäßig ein konkludentes Einverständnis des Prozessbevollmächtigten mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO entsprechenden Einschränkung der Beiordnung. Bei einem Rechtsanwalt ist die Kenntnis des Mehrkostenverbots des § 121 Abs. 3 ZPO vorauszusetzen. Wenn ein auswärtiger Rechtsanwalt gleichwohl seine Beiordnung beantragt, muss er davon ausgehen, dass seinem Antrag nur im gesetzlich zulässigen Umfang stattgegeben wird (vgl BAG NJW 2005, 3083, 3084; OLG Celle FamRZ 1991, 962 und MDR 2000, 1038, 1039; OLG Brandenburg JurBüro 2000, 481, 482; OLG Hamburg FamRZ 2000, 1227, 1228; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 106; KG NJW-RR 2005, 924). Der Einwand, es gebe auch Fälle, in denen die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts das Mehrkostenverbot nicht berühre (vgl OLG Düsseldorf Rpfleger 2004, 709, 710; OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. Oktober 2004 – 10 WF 3403/04 = NJW 2005, 687-688), greift nicht. In diesen Fällen hat die Beiordnung des auswärtigen Rechtsanwalts unbeschränkt zu erfolgen. Geschieht dies nicht, steht dem betroffenen Anwalt ein Beschwerderecht zu (vgl BAG NJW 2005, 3083; OLG Hamburg FamRZ 2000, 1227; OLG Oldenburg FamRZ 2003, 107; OLG Köln FamRZ 2005, 2008 f.; OLG Karlsruhe NJW 2005, 2718), das der beigeordnete Bevollmächtigte der Klägerin vorliegend geltend macht.

Ein solcher Fall ist indes auch unter der gebotenen (vgl BGHZ 159, 370, 373; BAG NJW 2005, 3083, 3084) Berücksichtigung der Rechtsprechung zur zusätzlichen Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO nicht gegeben. Danach ist bei Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes am Sitz des Gerichts regelmäßig auch die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort des auswärtigen Beteiligten ansässigen Verkehrsanwaltes als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. ZPO anzusehen (vgl BGHZ 159, 370, 374 mwN). Vorliegend gilt Entsprechendes im Fall der am Sitz des SG in B wohnhaften Klägerin im Verhältnis zu ihrem in L ansässigen Bevollmächtigten. Hier würden die Kosten eines solchen in B ansässigen Verkehrsanwalts durch die einschränkungslose Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin möglicherweise zwar erspart. Dem Bevollmächtigten wären aber andererseits die Kosten einer Reise nach B zu erstatten, wenn die Prozessführung ein Informationsgespräch mit der Klägerin erfordert und die Klägerin nicht in der Lage ist, die Kosten einer Reise nach L aufzubringen. Überdies wären auch Reisekosten und das Tage- und Abwesenheitsgeld des Bevollmächtigten bei einer Wahrnehmung eines Gerichtstermins in B erstattungsfähig. Denn die Wahrnehmung eines Gerichtstermins durch den beigeordneten Rechtsanwalt ist zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nach § 46 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz stets erforderlich (vgl OLG Oldenburg MDR 2006, 777). Überdies erfordert die hier in Rede stehende Rechtssache auch keine besonderen Kenntnisse in einer Spezialmaterie, über die in B ansässige Rechtsanwälte nicht verfügen würden. Letztlich begehrt die Klägerin die gerichtliche Durchsetzung eines Anspruchs auf vollständige Akteneinsicht. Das von der Klägerin vorgebrachte besondere Vertrauensverhältnis zu dem beigeordneten Bevollmächtigten rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Denn dies ist gerade immanenter Bestandteil des Verhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandantin. Schließlich wird die Klägerin durch die nur beschränkte Beiordnung ihres Bevollmächtigten auch nicht genötigt, "den Anwalt zu wechseln", so dass auch der Hinweis auf die Sprachkenntnisse des Bevollmächtigten nicht entscheidend sein kann. Gegebenenfalls ist in einem gerichtlichen Verhandlungstermin ohnehin ein Dolmetscher auf Kosten der Landeskasse heranzuziehen.

Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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