L 14 RJ 232/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 215/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 232/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22. März 1999 wird aufgehoben.
II. Die Bescheide der Beklagten vom 25. Oktober 1994 und 4. November 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 1997 und des abändernden Bescheids vom 14. Oktober 1998 sowie der Kostenbescheid vom 10. April 1997 werden dahingehend abgeändert, dass die Beklagte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit dem Grunde nach ab 1. Dezember 1993 zu zahlen und die außergerichtichen Kosten des Klageverfahrens (einschließlich des Widerspruchsverfahrens) zu vier Fünftel und des Berufungsverfahrens in voller Höhe zu erstatten hat.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist, nachdem die Beklagte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.01.1995 (Leistungsfall 31.12.1994) bewilligt hat, nurmehr ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit vom 01.12.1993 bis 31.12.1994.

Der am 1943 geborene Kläger, ein gelernter Maurer (Gesellenprüfung vom 08.10.1960), war vom 03.09.1975 bis 31.12.1994 als Spezialfacharbeiter im Bauunternehmen L. H. GmbH beschäftigt (Auskunft der Firma vom 17.07.1996). In den letzten Jahren litt er an Reizzuständen vor allem in den Kniegelenken, aber auch an Beschwerden an der Wirbelsäule und dem rechten Oberarm.

Im September 1991 erfolgte eine Teilresektion des rechten Innenmeniskushinterhorns und eine Knorpelglättung (Arztbrief des Dr.N. vom 23.09.1991). Im November 1992 fand eine Teilresektion des linken Innenmeniskushinterhorns und eine Knorpelglättung statt (Arztbrief des Dr.N. vom 02.12.1992). Vom 30.11. bis 06.12.1993 befand sich der Kläger wegen eines Knorpelschadens im linken Kniegelenk in stationärer Behandlung (Shaving und Knorpelglättung laut Arztbrief des Dr.N. vom 08.12. 1993).

Arbeitsunfähigkeit lag laut Auskünften der Innungskrankenkasse Schwaben vom 18.08.1997 und 15.03.1996 in folgenden Zeiträumen vor: 30.11.1993 bis 01.05.1994 Meniskusläsion links 18.07. bis 05.08.1994 Omarthritis rechts, chronische Rotatorenmanschettenirritation 22.08. bis 16.09.1994 Schleimbeutelentzündung 15.11. bis 18.11.1994 Reizzustand des linken Kniegelenks bei Gonarthrose.

Ab Januar 1995 - der Kläger bezog Arbeitslosengeld - erfolgten weitere ärztliche Behandlungen wegen des Kniegelenkleidens.

Tatsächlich hatte der Kläger, bedingt durch Arbeitsunfähigkeit, Betriebsurlaub (08. bis 19.08.1994) und sonstigen Urlaub, im Jahre 1994 noch in folgenden Zeiträumen gearbeitet (Auskünfte seines Arbeitgebers vom 28.10.1996, 17.07.1996 und 03.09.1997):

21.03. bis 02.05.1994 täglich 4 bis 4 1/2 Stunden noch während der Arbeitsunfähigkeit, Maßnahme zur stufenweise Wiedereinglie- derung in das Erwerbsleben entsprechend Vorschlag des Dr.N. vom 08.03.1994 03.05. bis 24.06.1994 (mit 4 Urlaubstagen freitags) vollschichtig 05. bis 15.07.1994 vollschichtig 19.09. bis 11.11.1994 vollschichtig 21.11. bis 02.12.1994 vollschichtig.

Laut Auskünften des Arbeitgebers (a.a.O.) entsprach seine Arbeitsleistung seit ca. 1990 nicht mehr dem gezahlten Entgelt (Facharbeiterlohn nach Lohngruppe III des Bundesrahmentarifvertrags), war die Arbeitsleistung auch "bei Anwesenheit" zum Teil eingeschränkt und wurde das bisherige Entgelt "aus sozialen Gründen" beibehalten.

Am 22.02.1994 stellte der Kläger über die Stadt L. bei der Beklagten Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Beklagte ließ ihn am 29.06.1994 vom Internisten Dr.K. (Sozialärztlicher Dienst) untersuchen. Dieser stellte folgende Diagnosen:

1. Knorpelschaden und beginnende Aufbrauchserscheinungen beider Kniegelenke ohne Bewegungsbehinderung und ohne erkennbare Reizerscheinungen.
2. Geringes Lendenwirbelsäulensyndrom.
3. Leberzellschaden.
4. Labiler essentieller Bluthochdruck mit fraglicher renaler Genese.
5. Erhöhung der Blutharnsäurewerte nach anamnestischen Angaben.

Dr.K. hielt den Kläger für mittelschwere Maurerarbeiten ohne Tätigkeiten mit häufigem Hocken bzw. im Knien vollschichtig für einsetzbar; aufgrund der erkennbaren wesentlichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit befürwortete er ein kurzfristig einzuleitendes Heilverfahren (Gutachten vom 30.06.1994).

Dr.K. vom Sozialärztlichen Dienst der Beklagten hielt den Kläger im Prüfvermerk vom 11.07.1994 vom November 1993 an auf Dauer in leichteren bis mittelschweren Maurertätigkeiten unter halbschichtig für einsetzbar. Nach Hinweis des Referenten der Leistungsabteilung, dass der Kläger wieder in Arbeit stehe, und auf Frage zu einer Tätigkeit auf Kosten der Restgesundheit äußerte sich Dr.K. am 26.07.1994 (ohne Begründung) nur dahingehend, dass das Leistungsvermögen des Klägers als Maurer auf unter vollschichtig zu korrigieren sei.

In Kenntnis der Tatsache, dass der Kläger zwischenzeitlich erneut arbeitsunfähig war, entschied der Referent der Beklagten am 24.08.1994, der Kläger sei als Facharbeiter ab 22.08.1994 nurmehr unter vollschichtig einsetzbar und auf Dauer berufsunfähig, weil der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen sei.

Nach einem Telefonat mit der Innungskrankenkasse, die die Arbeitsfähigkeit des Klägers ab 19.09.1994 mitteilte, entschied der Referent am 24.10.1994, dass der Kläger als Maurer unter vollschichtig einsetzbar sei, aber keine Berufsunfähigkeit vorliege, weil ein Teilzeitarbeitsplatz zur Verfügung stehe; Erwerbsunfähigkeit bestehe nicht bei vollschichtigem Erwerbsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 25.10.1994 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil jener trotz seiner Gesundheitsstörungen "leichtere bis mittelschwere und leichte Arbeiten als Maurer oder in gleichwertiger Tätigkeit halb- untervollschichtig und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig" verrichten könne. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Anmerkung: die der Kläger nicht beantragt hatte) bestehe nicht, weil der Kläger eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit ausüben könne, einen Arbeitsplatz inne habe und mehr als nur geringfügige Einkünfte erziele.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Einschätzung seines Erwerbsvermögens mit "leichte und mittelschwere Arbeiten als Maurer" und brachte vor, in seinem Beruf gebe es keine leichten Arbeiten, und auch sein Arbeitgeber könne ihm nicht solche zuweisen. Wegen der auszuübenden schweren Tätigkeiten sei er häufig krank. Berufsunfähigkeit bestehe seit November 1993.

Nach Einholung von Auskünften der Innungskrankenkasse über die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen äußerte sich Dr.K. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten am 23.05.1995 dahingehend, dass für gelernte Tätigkeiten als Maurer nach wie vor von einem unter halb- schichtigen Leistungsvermögen des Klägers auszugehen sei und als Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit der Zeitpunkt der Beschäftigungsaufgabe vorgeschlagen werde. Am 12.12.1995 nahm Dr.K. dahingehend Stellung, dass von einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme auf längere Sicht weder die Wiederherstellung eines vollschichtigen Leistungsvermögens in dem erlernten Beruf als Maurer noch eine wesentliche Besserung der Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erwarten sei.

Mit dem nicht streitgegenständlichen Bescheid vom 31.01.1996 (später bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 29.07.1999) lehnte die Beklagte einen (am 04.09.1995 gestellten) Antrag auf medizinische Leistungen zur Rehabilitation ab, weil die bestehende Berufsunfähigkeit durch Rehabilitationsleistungen nicht beseitigt werden könne.

Obwohl der Kläger bereits im September 1995 anläßlich seines Reha-Antrags angegeben hatte, sein Arbeitsverhältnis sei zum 31.12.1994 beendet und er beziehe Arbeitslosengeld von 371,40 DM wöchentlich, entschied Dr.K. am 10.05.1996 auf Anfrage im Widerspruchsverfahren, es liege ein unter vollschichtiges Leistungsvermögen als Maurer vor, weil der Kläger nach wie vor sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinde.

Nachdem die Widerspruchsstelle der Beklagten anläßlich der von ihr eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 17.07.1996 bemerkt hatte, dass der Kläger seit 01.01.1995 nicht mehr in Arbeit stand, bewilligte die Leistungsabteilung mit Teil-Abhilfebescheid vom 04.11.1996 unbefristete Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.01. 1995 unter Annahme eines Leistungsfalls vom 31.12.1994 und sprach aus, dass diese Rente ab 01.02.1995 wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Arbeitslosengelds nicht zu zahlen sei (Mit Erschöpfung des Arbeitslosengeldes wurde Berufsunfähigkeitsrente ab 28.02.1997 wieder gezahlt - Bescheid vom 05.04.1997.) Im Übrigen wurde hinsichtlich Leistungen wegen Berufsunfähigkeit für das Jahr 1994 und einer erstmals im September 1996 hilfsweise an Stelle von Berufsunfähigkeitsrente bei Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme begehrten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.1997 zurückgewiesen. Zur Begründung gab die Widerspruchsstelle an, ein Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit komme nicht in Frage, weil der Kläger gesundheitlich noch in der Lage sei, leichtere bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne häufiges Hocken bzw. im Knien vollschichtig zu verrichten. Ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente bestehe nicht, weil der Kläger in Bezug auf den Maurerberuf als halb- bis unter vollschichtig und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als vollschichtig einsatzfähig angesehen werde, aber der tatsächlichen Arbeitsleistung im gelernten Beruf eine größere Beweiskraft zuzubilligen sei als etwa widersprechenden medizinischen Befunden (BSG vom 14.07.1977 - 4 RJ 97/76). Außerdem komme es auf die Prüfung des für die Annahme von Berufsunfähigkeit maßgebenden Teilzeitarbeitsmarkts nicht mehr an, wenn der Versicherte tatsächlich eine Ganztagsbeschäftigung ausübe (BSG vom 14.09.1978 - 11 RA 86/77 und vom 18.03.1982 - 11 RA 26/81).

Nach Anmahnung der unterbliebenen Kostenentscheidung teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Kosten des Widerspruchsverfahrens (nur) zur Hälfte dem Grunde nach erstattet würden (Bescheid vom 10.04.1997).

In dem seit März 1997 vor dem Sozialgericht Augsburg anhängigen Klageverfahren machte der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.12.1993 und auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.01.1995 sowie die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Widerspruchs- und Klageverfahrens in voller Höhe geltend. Er habe zu Lasten seiner Restgesundheit gearbeitet; im Jahre 1994 hätten lediglich mehrere missglückte Arbeitsversuche stattgefunden. Zwischenzeitlich habe sich durch Eintritt einer terminalen, eine Dialyse erfordernden Niereninsuffizienz eine Leidensverschlimmerung ergeben.

Das Sozialgericht zog ärztliche Unterlagen bei, darunter Berichte über stationäre Behandlungen des Klägers ab 06.02.1997 wegen Niereninsuffizienz, die Arztbriefe des Orthopäden Dr.N. (mit einem Wiedereingliederungsplan vom 18.03.1994 für März bis Mai Arbeitsamt Donauwörth (Zumutbarkeit von leichten und zeitweilig mittelschweren Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne längeres Stehen/Gehen und ohne häufiges Treppensteigen, fehlende Einsetzbarkeit als Maurer).

In dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten des Neurochirurgen und Orthopäden Dr.G. vom 20.11.1997 diagnostizierte dieser eine Minderbelastbarkeit der Kniegelenke bei Knorpelschaden und degenerativen Veränderungen, ein Lendenwirbelsäulen-Schmerzsyndrom geringer Ausprägung, einen Leberzellschaden, einen labilen arteriellen Bluthochdruck und eine seit Anfang 1997 bestehende dialysepflichtige Niereninsuffizienz. Dem Kläger seien schwere und mittelschwere Arbeiten (einschließlich Heben schwererer Lasten), Tätigkeiten in Hocke, im dauernden Gehen und Stehen, mit Treppensteigen sowie mit Besteigen von Leitern und Gerüsten unzumutbar; vermieden werden müssten Arbeiten unter starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe sowie unter Zwangshaltungen. Geeignet seien Arbeiten im Sitzen mit der Möglichkeit des Aufstehens. Als Maurer sei der Kläger nurmehr unter halbschichtig (zwei bis vier Stunden) einsetzbar, leichte Arbeiten könne er vollschichtig verrichten. Die 197 Fehltage im Jahre 1994 und die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit gäben deutliche Hinweise auf insbesondere linksseitige Kniebeschwerden bei Arbeitstätigkeiten. Ob letztere zu einer Schädigung der Restgesundheit geführt hätten, sei nicht ohne weiteres zu beantworten, weil sich im Krankheitsverlauf keine gravierende Befundänderung nach objektiven Kriterien ergeben hätte.

Der weiterhin vom Sozialgericht beauftragte Internist Dr. S. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 19.08.1998 ergänzend eine chronische Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention mit Proteinurie und Hämaturie und kam zu dem Ergebnis, dem Kläger seien seit Januar 1997 keine Erwerbstätigkeiten mehr zuzumuten. Aus internistischer Sicht habe jener von November 1993 bis Februar 1994 Arbeiten als Maurer sowie Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten können. Es bestehe eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass die im Jahre 1994 geleistete Arbeit zu einer Verschlimmerung des internistischen Beschwerdebildes geführt habe.

Daraufhin erkannte die Beklagte mit Schriftsatz vom 14.09.1998 einen Anspruch des Klägers auf unbefristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit seit 01.02.1997 (Leistungsfall vom 31.01.1997) und die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zur Hälfte an und erteilte einen dementsprechenden Rentenbescheid vom 14.10.1998.

Der Kläger beschränkte daraufhin seine Klage auf einen Rentenanspruch wegen Berufsunfähigkeit und die Erstattung der außergerichtlichen Kosten (des Widerspruchs- und Klageverfahrens) in voller Höhe.

Mit Urteil vom 22.03.1999 wies das Sozialgericht die Klage in der Hauptsache und im Kostenpunkt ab. Der Eintritt der vermindeterten Erwerbsfähigkeit sei nicht nur eine medizinische, sondern vorrangig eine rechtliche Frage, wobei der tatsächlichen Arbeitsleistung des Klägers ein höherer Beweiswert zukomme als den Einschätzungen der medizinischen Sachverständigen. Auch seien häufige Zeiten der Arbeitsunfähigkeit noch nicht mit Berufsunfähigkeit gleichzusetzen; abgesehen davon komme den Zeiten der Arbeitsunfähigkeit kein besonderes Gewicht zu, weil sie überwiegend in Zeiten gelegen hätten, in denen in der Baubranche nicht bzw. reduziert gearbeitet werde (Winter- bzw. Betriebsurlaub im August).

Entscheidendes Gewicht habe der Umstand, dass der Kläger einen Arbeitsplatz innegehabt und diesen erst zum 31.12.1994 gekündigt habe. Da der Kläger von November 1993 bis Dezember 1994 überwiegend eine Ganztagsbeschäftigung ausgeübt habe, komme es auf die Prüfung des für die Annahme von Berufsunfähigkeit maßgebenden Teilzeitarbeitsmarkts nicht an.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren in der Hauptsache und im Kostenpunkt weiter und rügt, das Sozialgericht habe nicht erkannt, dass er vom Arbeitgeber mehr oder minder vergönnungshalber beschäftigt worden sei; im Übrigen sei übersehen worden, dass die Beklagte auf alle Fälle einen Teil der außergerichtlichen Kosten zu tragen gehabt hätte, weil Teilerfolg der Klage die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente seit 01.02.1997 gewesen sei.

Der Senat hat die Versichertenakten der Beklagten, die Leistungsakte und ärztlichen Unterlagen des Arbeitsamts Donauwörth, die Schwerbehindertenakte des AVF Augsburg, die ärztlichen Unterlagen des Allgemeinarztes Dr.J. und des Orthopäden Dr.N. sowie 36 Röntgenaufnahmen beigezogen und den Orthopäden Dr.F. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.

Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass im streitigen Zeitraum Knieknorpelschäden bis zum Stadium II bei degenerativen Innenmeniskusläsionen beidseits vorgelegen hätten, außerdem Bandscheibenschäden der Lendenwirbelsäule, beides ohne Funktionsverluste. Das subjektive Beschwerdebild sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch toxisch-nutritive Einflüsse, insbesondere eine deutliche Harnsäureerhöhung, beeinträchtigt gewesen. Unzumutbar im Jahre 1994 seien - vor allem im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Gesundheitsstörungen (Zunahme der Verschleißschäden an Wirbelsäule und Kniegelenken) - Arbeiten in knieender und hockender Stellung, häufiges Besteigen von Leitern und Gerüsten, Heben und Tragen von Lasten sowie Arbeiten in gebückter Stellung (an anderer Stelle "häufiges Bücken") gewesen. Aufgrund der guten Funktion der betroffenen Skelettabschnitte seien dem Kläger mittelschwere, vorübergehend schwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig noch zumutbar gewesen (Gutachten vom 13.01.2000).

Die im Jahre 1994 verrichtete tatsächliche Arbeitsleistung sei geeignet gewesen, den Gesundheitszustand des Klägers zu beeinträchtigen. Es zeige sich, dass inzwischen Nervenwurzelreizerscheinungen und auch Funktionsstörungen der Kniegelenke in Form von leichten Beugekontrakturen entstanden seien. Dass Bandscheibenschäden an der Lendenwirbelsäule durch überdurchschnittlich die Wirbelsäule belastende Tätigkeiten gefördert würden, sei inzwischen durch die Berufskrankheiten-Verordnung festgelegt. Die Tätigkeit eines Maurers zähle zu denjenigen, die als die Wirbelsäule überdurchschnittlich belastend einzustufen seien. Bei den im Jahre 1994 gesichert vorliegenden Gesundheitsstörungen habe eine dermaßen konkrete Gefährdung des Gesundheitszustandes des Klägers bestanden, dass die im Jahre 1994 geleisteten Arbeiten unzumutbar gewesen seien. Es könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass durch die tatsächlich im Jahre 1994 erbrachte Arbeitsleistung der Gesundheitszustand des Klägers dahingehend beeinträchtigt gewesen sei, dass hierdurch eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit verursacht worden sei.

Die Beklagte hält das Ergebnis des Dr.F. nicht für schlüssig, weil Dr.G. zu anderen Schlussfolgerungen gekommen sei. Außerdem sei nach der herrschenden Rechtsprechung sogar die bewusste Hinnahme etwaiger gesundheitlicher Nachteile im Sinne der Verschlimmerung bereits bestehender Beschwerden kein Arbeiten auf Kosten der Gesundheit. Diese könne nur vorliegen, wenn unter unzumutbaren Schmerzen und unzumutbarer Aufbietung körperlicher oder geistiger Kräfte versicherungspflichtig gearbeitet werde. Dem Versicherten werde - laut BSG-Urteil vom 18.03.1982 - 11 RA 26/81 - während der in seiner Hand liegenden "Raubbau-Arbeit" neben dem vollen Lohn nicht zugleich noch eine volle Rente zugestanden.

Nach einer Rückfrage des Senats hat sich Dr.F. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28.07.2000 dahingehend geäußert, dass wegen der Gefahr der Entwicklung weiterer Gesundheitsstörungen im Zeitraum 1994 eine Tätigkeit als Maurer oder in einem anderen Beruf dem Kläger dann nicht mehr zumutbar gewesen sei, wenn die Arbeitstätigkeit höhere Anforderungen an das tatsächlich noch vorhandene Leistungsvermögen gestellt habe. Der Kläger sei unter Verwendung des juristischen Begriffs "können" (im Sinne zumutbarer Arbeitsleistungen) im Jahre 1994 nicht in der Lage gewesen, die verrichtete Tätigkeit ohne Gefährdung der Gesundheit auszuüben. Die im Gutachten gebrauchte Wendung "Zumutbarkeit von vorübergehend auch körperlich schweren Tätigkeiten" sei nicht so weit zu fassen, dass eine durchgehende schwere Tätigkeit ununterbrochen vier Stunden lang zumutbar gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.03.1999 aufzuheben, die Bescheide vom 25.10.1994 und 04.11.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.1997 und in der Fassung des Bescheides vom 14.10.1998 sowie den Bescheid vom 10.04.1997 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, Rente wegen Berufsunfähigkeit auch vom 01.12.1993 bis 31.12.1994 zu zahlen sowie die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen einschließlich des Widerspruchsverfahrens zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird hierauf sowie auf den Inhalt der beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Die Berufung ist auch in vollem Umfange begründet, weil der Kläger seit Beginn der Zeit der Arbeitsunfähigkeit (30.11.1993 bis 01.05.1994) berufsunfähig war und ihm eine entsprechende Rente dem Grunde nach auch für die Zeit vom 01.12.1993 bis 31.12.1994 zusteht.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (§ 43 Abs.2 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Teil VI - SGB VI in der damals geltenden Fassung).

Dieser Tatbestand liegt vor. Von seinem Leistungsvermögen her konnte der Kläger den gelernten und ausgeübten Beruf als Maurer - auch nicht mehr halbschichtig - ausüben. Nachdem die Beklagte das Gutachten des Dr.G. gegenüber dem des Dr.F. als schlüssig angesehen hat, hätte sie ohne weiteres zur Gewährung der streitigen Rente wegen Berufsunfähigkeit kommen müssen, zumal Dr.G. den Kläger als Maurer nicht einmal halbschichtig für einsetzbar gehalten hatte. Im vorliegenden Streitfall war die Beklagte aber offenbar bestrebt, aus den eingeholten Gutachten nur punktuell das jeweils Ungünstigste für den Kläger zu entnehmen.

Im Vordergrund der Gesundheitsstörungen des Klägers standen im streitbefangenen Zeitraum Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet. Von 1990 bis 1993 sind Kniegelenksbeschwerden, u.a. verbunden mit Ergüssen, aktenkundig, die zwischen Herbst 1991 und Jahresende 1993 zu drei Operationen geführt haben. Die bestehenden degenerativen Knieknorpel- und Innenmeniskusschäden sind auch für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 30.01.1993 bis 01.05.1994 verantwortlich gewesen. Die erfolgten drei Operationen konnten den Gesundheitszustand - soweit sozialmedizinisch relevant - auf Dauer nicht wesentlich bessern. Nach der von der Beklagten am 29.06.1994 veranlassten röntgenologischen Untersuchung bestand eine bereits eingetretene mäßige Gonarthrose beidseits weiter; das von Dr.N. veranlasste Computertomogramm des linken Kniegelenks vom 17.06.1994 ergab mukoide Degenerationen der Menisken und einen leichten Reizerguss.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger in der Zeit vom 21.03. bis 02.05.1994, als er halbschichtig gearbeitet hatte, in vollem Umfange arbeitsunfähig gewesen ist. In dieser Zeit erfolgte - dies haben die Beklagte und das Sozialgericht nicht gesehen - eine Maßnahme zur stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben, in der der Kläger seinem schlechten Gesundheitszustand entsprechend unter erleichterten unüblichen Bedingungen vorübergehend beschäftigt werden sollte. Dr.N. hat neben qualitativen auch quantitative Einschränkungen der Arbeitsleistung im Wiedereingliederungsplan vom 18.03. 1994 vorgesehen. (Entsprechend der Wiedereingliederung hat die Krankenkasse Krankengeld und der Arbeitgeber lediglich einen Zuschuss hierzu geleistet, vgl. §§ 49 Abs.1 Nr.1, 74 des Sozialgesetzbuches Teil V).

Der Kläger litt im Übrigen auch nach dem 31.12.1994 an Kniegelenksbeschwerden, wie die Arztbriefe des Dr.N. ausweisen; der Kläger hatte sich - offenbar wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld - nicht mehr krank gemeldet, wie es auch - entgegen den Feststellungen des Sozialgerichts - keine Krankmeldung gerade in der Zeit des Betriebsurlaubs sowie im Dezember 1994 gegeben hatte.

Die vom Kläger wiederholt geäußerten Kreuzschmerzen sind durch Bandscheibenaufbrauchsschäden bei den Lendenwirbelkörpern L 3/ L 4 und L 5/S 1 sowie eine mäßige Spondylarthrose der Wirbelkörper - nicht zuletzt infolge der Art der geleisteten Arbeit - erklärbar.

Insgesamt lag seit Ende 1993 eine auf Dauer eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit vor, die Dr.B. in seinem Gutachten vom 06.04.1995 für das Arbeitsamt Donauwörth treffend umschrieben hat mit "als Maurer und ähnliches" nicht mehr leistungsfähig.

Nach dem Inhalt aller eingeholten Gutachten konnte der Kläger leichte körperliche Arbeiten vollschichtig verrichten; die Sachverständigen widersprechen sich in ihren Schlussfolgerungen lediglich, soweit es um mittelschwere und gelegenlich schwere körperliche Tätigkeiten geht (nur leichte Arbeiten laut Dr.G. ; auch mittelschwere Arbeiten nach den Dres.K. und B. ; teilweise schwere Arbeiten laut. Dr.F.). Der Senat ging von leichten bis mittelschweren Tätigkeiten aus; in diesem Rahmen war eine nochmalige Differenzierung und Begründung nicht für das Endergebnis relevant und notwendig. Die Fähigkeit für teilweise körperliche schwere Arbeiten war aber zu verneinen. Dr. F. hat diese Folgerung zum einen darauf gestützt, dass der Kläger doch von März bis Juni 1994 (Anmerkung: 21.03. bis 02.05.1994) vier bis viereinhalb Stunden täglich gearbeitet und alle üblichen Maurerarbeiten verrichtet habe. Hierbei handelt es sich aber um eine Unterstellung, für die sich nicht der geringste Anhaltspunkt aus den Angaben des Klägers und dem gesamten Akteninhalt ergibt. Nach Aktenlage ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Dr.F. hat übersehen, dass der Kläger laut Eingliederungsplan gerade nicht alle üblichen Maurerarbeiten verrichten sollte.

Weiterhin hat Dr.F. seine Aussage im Gutachten durch die ergänzende Stellungnahme vom 28.07.2000 dahingehend relativiert, dass eine vorübergehend schwere Tätigkeit nicht dahingehend zu verstehen sei, dass der Kläger halbschichtig schwere Arbeiten verrichten konnte, und dass jener nicht in der Lage gewesen sei, die verrichtete Tätigkeit ohne Gefährdung der Gesundheit, d.h. in zumutbarer Weise, auszuüben. Zur Begründung von vorübergehend schweren körperlichen Arbeiten ging Dr.F. zum anderen davon aus, dass im Jahre 1994 Einschränkungen der Funktionen der Kniegelenke und der Wirbelsäule nicht beschrieben worden sind (möglicherweise deswegen, weil die Beklagte nur ein internistisches Gutachten eingeholt hatte). Aus dem Gutachten des Dr.F. ergibt sich, dass er mit fehlenden Einschränkungen der Funktionen nur Bewegungseinschränkungen und Bewegungsstörungen gemeint hatte. Dies allein ist aber vorliegend nicht ausschlaggebend. Wichtig ist auch das Ausmaß der Belastbarkeit, das durch die degenerativen Erscheinungen gemindert ist. So hat Dr.F. z.B. auch schweres Heben und Tragen von Lasten, einen Unterfall schwerer körperlichen Arbeiten, für unzumutbar gehalten. Im Hinblick auf die Unfähigkeit zur Verrichtung körperlich schwerer Arbeiten schloss sich der Senat den Gutachten der übrigen Sachverständigen an, die schwere körperliche Arbeiten ausgeschlossen haben. Dies deckt sich im Übrigen auch mit den vom Kläger ehemals geäußerten Beschwerden und den wiederholten Angaben des Arbeitgebers, dass der Kläger bereits seit 1990 in seiner Einsatzfähigkeit eingeschränkt gewesen sei und die Leistungen nicht mehr dem Entgelt entsprochen hätten.

Der Senat ging daher davon aus, dass dem Kläger im Jahre 1994 leichte und mittelschwere Arbeiten (bei nur gelegentlichem kurzzeitigen und damit seltenen Befassen mit schweren Arbeiten) möglich gewesen sind. Unzumutbar waren ferner Arbeiten in knieender, hockender und gebückter Stellung, häufiges Besteigen von Leitern und Gerüsten, Heben und Tragen schwerer Lasten und - wegen der Gefahr der Zunahme arthrotischer und degenerativer Erscheinungen - Arbeiten unter starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe.

Mit diesem eingeschränkten Leistungsvermögen war der Kläger weder vollschichtig noch halbschichtig mehr als Maurer einsetzbar, wie Dr.B. - offenbar in Kenntnis der beruflichen Anforderungen des Maurerberufs und der Unmöglichkeit, einen typischen Maurerberuf nur für leichte und mittelschwere Arbeiten zu (er)finden, richtigerweise gesehen hat. Der Beruf eines Maurers setzt die Eignung für mittelschwere und schwere Arbeiten voraus; die Arbeiten müssen auch im Knien, Hocken und Bücken verrichtet und bei ungünstigeren Witterungsbedingungen geleistet werden. Hieraus ergibt sich zwangsläufig, dass der Kläger als Maurer nicht mehr einsetzbar ist.

Die Ansicht des Ärztlichen Dienstes und der Sachbearbeiter der Beklagten hierzu ist schlichtweg nicht nachvollziehbar. Der Ärztliche Dienst beurteilte - nach zum Teil unzutreffenden Informationen über den tatsächlichen Arbeitseinsatz des Klägers - die Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit als Maurer ab November 1993 mit unter halbschichtig (bei Arbeitsunfähigkeit) oder mit unter vollschichtig, d.h. über halbschichtig bis unter vollschichtig (bei nicht bestehender Arbeitsunfähigkeit). Hier wurde offenbar bereits verkannt, dass der Ärztliche Dienst seine sozialmedizinische Stellungnahme zu einem Leistungsvermögen abzugeben und nicht die rechtlichen Schlüsse bei Abweichung von sozialmedizinischer Beurteilung und tatsächlicher Arbeitsleistung zu ziehen hat; das mit oder ohne Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bestehende Leistungsvermögen des Klägers, das auf eine längere Dauer zu beurteilen ist, war aber stets dasselbe.

Nicht verständlich sind auch Beurteilungen wie "leichte und mittelschwere Arbeiten als Maurer" (weniger als vollschichtig), wie sie auch in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten auftauchen. Sollte hier die Ansicht maßgeblich sein, aus dem Beruf des Maurers ließen sich die schweren Arbeiten ausklammern, und zwar eventuell derart, dass der Kläger die weniger schweren Arbeiten nicht verrichten und dementsprechend weniger Stunden pro Arbeitstag mit leichten und mittelschweren Tätigkeiten beschäftigt werden könnte ? Der Senat vermag jedenfalls eine ordnungsgemäße medizinische und rechtliche Gedankenführung, die der Realität entspricht, nicht zu erkennen. Offensichtlich widersprüchlich ist auch die Beurteilung der Beklagten, beim Kläger sei in Bezug auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation bereits Berufsunfähigkeit eingetreten, in rentenrechtlicher Hinsicht bestehe aber keine Berufsunfähigkeit.

Festzustellen ist zunächst, dass dem Kläger ein vom üblichen Berufsbild abweichender Arbeitsplatz - beschränkt auf leichtere Arbeiten oder weniger als vollschichtig - nicht zur Verfügung gestanden hat; die rund sechswöchige Zeit im Frühjahr 1994 kann hierbei als besonderer Umstand (von vornherein zeitlich begrenzte Maßnahme der Wiedereingliederung während der Arbeitsunfähigkeit) außer Betracht bleiben.

Im Übrigen wäre auch die Ansicht unzutreffend, bei zeitlich eingeschränktem Arbeitsumfang müsse der Kläger verhältnismäßig wohl wenig schwere Arbeiten leisten, so dass diese ihm zumutbar seien. Es muss nämlich berücksichtig werden, dass ein Maurer die von ihm durchzuführenden Arbeiten nicht - eingeteilt in leichte/mittelschwere und schwere Tätigkeiten - nacheinander, in passenden Abständen und Proportionen - sozusagen "wohldosiert" verteilt über den Arbeitstag hinweg ausführen kann. Sind z.B. Einschalungs- und Bewehrungsarbeiten zu fertigen, so muss ganztags (und auch mehrere Tage lang) mit schweren Schalungsbrettern und Eisenteilen umgegangen werden. Sind Arbeiten am Fundament, an Böden oder beim Hochziehen einer Mauer zu verrichten, so fallen eben ganztags (und auch halbtags) Arbeiten im Bücken, Hocken und Knieen an. Die Eignung für nur einen Teil der für einen Maurer zu verrichtenden Tätigkeiten hat die Nichteignung für diesen Beruf, nicht etwa die grundsätzliche Einsetzbarkeit zur Folge; alles andere wäre unrealistisch. Konsequenterweise hat daher Dr.B. , der sehr wohl die Fähigkeit des Klägers für leichte und mittelschwere Tätigkeiten bejaht hat, die Eignung für den Maurerberuf insgesamt verneint.

Der Kläger hat im Zeitraum vom 01.12.1993 bis 31.12.1994 - sofern er tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht hat - auch auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet. Die Argumente der Beklagten und des Sozialgerichts stehen schon deswegen auf tönernen Füßen, weil der Kläger tatsächlich keine anhaltende Arbeitsleistung erbracht und über mehrere Zeiträume hinweg verteilt insgesamt nur vier Monate in dreizehn Monaten vollschichtig tätig gewesen ist, wobei er auch hierbei nach wiederholten Angaben des Arbeitgebers keine hinreichende Leistung erbracht hat. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei Widerspruch zwischen der aus ärztlicher Sicht verminderten Leistungsfähigkeit und der tatsächlich erbrachten darüber hinausgehenden Arbeitsleistung nur dann zur Anwendung allgemeiner Beweisregeln gegriffen hat, wenn ein Versicherter trotz Gefahr für seine Gesundheit regelmäßig gearbeitet hat (vgl. BSG vom 30.10.1968 - 4 RJ 177/64 in BSGE 28, 271: "Regelmäßig gearbeitet ... anhaltende Erwerbstätigkeit ... regelmäßige Erwerbsarbeit").

Liegen aber, wie hier, keine regelmäßige Arbeit und darüber hinaus kein voller Arbeitseinsatz vor, besteht von vornherein kein Widerspruch zwischen der dem Kläger zumutbaren und der von ihm tatsächlich geleisteten Arbeit.

Die Kritik an den von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumenten hat aber schon an früherer Stelle einzusetzen. So verkennt sie die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wenn sie im Schriftsatz vom 20.03.2000 behauptet, dass sogar die bewusste Hinnahme etwaiger gesundheitlicher Nachteile kein "Arbeiten auf Kosten der Gesundheit" sei und eine solche lediglich vorliegen könne, wenn a) unter unzumutbaren Schmerzen und b) unter unzumutbarer Aufwendung körperlicher und geistiger Kräfte gearbeitet werde. Hierzu ist zunächst klarzustellen, dass einem Versicherten nicht nachteilig angerechnet werden kann, wenn er seine Arbeiten a) unter unzumutbaren Schmerzen oder b) unter unzumutbarer Anspannung der körperlichen und/oder geistigen Kräfte oder c) auf Kosten der Gesundheit verrichtet (so BSG vom 20.08.1987 - 5a RKn 18/86, vom 27.01.1981 - 5b/5 RJ 58/79 in BSGE 51, 133 und vom 23.04.1990 - 5 RJ 84/89). Die Beklagte hat die drei Alternativen auf zwei verkürzt und die im vorliegenden Streitfall maßgebende Möglichkeit unter den Tisch fallen lassen.

Das Merkmal "auf Kosten der Gesundheit" setzt wiederum keineswegs voraus, dass durch die Erwerbstätigkeit ein gesundheitlicher Schaden mit Sicherheit eintreten wird oder nach Ende der gefährdenden Tätigkeit eingetreten ist. Maßgebend ist vielmehr, dass das Erwerbseinkommen mit einer Tätigkeit erzielt wird, die den Versicherten überfordert und in seiner Gesundheit gefährdet (BSG vom 27.01.1981, a.a.O.). Diese Gefahr muss sich nicht verwirklichen, so dass es falsch ist, rückwirkend - bei Ableistung einer das Erwerbsvermögen übersteigenden Arbeitsleistung - die Unzumutbarkeit zu verneinen, weil kein (dauernder oder vorübergehender) Gesundheitsschaden eingetreten ist. Hinreichend ist vielmehr eine konkrete Gefährdung durch die zu verrichtende Arbeitsleistung, d.h. eine Gefährdung, die eintreten würde, falls die Berufstätigkeit verrichtet wird (vgl. BSG vom 14.09.1978 - 11 RA 86/77: SozR 2200 § 1247 Nr.22: unmittelbare Gefahr für die Gesundheit ... Hinnahme etwaiger gesundheitlicher Nachteile. BSG vom 30.10.1968 - 4 RJ 177/64: Risiko unmittelbarer Schädigung). Dies hat damit zu tun, dass das Wort Fähigkeit in Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit darauf hinweist, dass es nicht auf ein wirkliches Verhalten und Tun oder auf einen Tätigkeitserfolg ankommt, sondern auf ein "Können", nämlich darum, ob der Betreffende imstande ist, Arbeit zu leisten. Abzustellen ist auf das Vermögen oder Unvermögen zum Gebrauch der körperlichen und geistigen Kräfte. Der Grad des Kräfteverlusts sollte nicht aufgrund des wirklich erzielten Verdienstes, sondern des noch zu erzielenden Verdienstes gemessen werden. Daraus folgt, dass Arbeitseinkünfte nicht in Rechnung zu stellen sind, die nur mit dem Risiko einer Gesundheitsschädigung erworben werden. Wer den Belastungen eines Mindestmaßes von Erwerbsarbeit nicht mehr gewachsen ist, aber trotzdem etwa deshalb weiter arbeitet, weil die Rente als Lebensgrundlage nicht ausreicht, erhielte nicht einmal diese Rente, sondern er ginge leer aus. Das liefe dem Ziel der gesetzlichen Rentenversicherung zuwider (BSG vom 30.10.1968 - 4 RJ 177/64).

Diesem Grundgedanken kann auch nicht entgegengehalten werden, dass das Bundessozialgericht in den Entscheidungen vom 18.03. 1982 - 11 RA 96/81 und vom 14.09.1978 - 11 RA 86/77 ausgeführt hat, dem Versicherten solle während der in seiner Hand liegenden "Raubbau-Arbeit" neben dem vollen Lohn nicht zugleich die volle Rente zugestanden werden, es sei unbefriedigend, dass der Versicherte sowohl Erwerbseinkommen habe als auch Rente beziehen könne. Diese Äußerungen stehen in einem völlig anderen Zusammenhang. In den genannten zwei Entscheidungen ging es darum, dass ein Versicherter zumindest halbschichtig bis unter vollschichtig den bisher ausgeübten Beruf verrichten konnte, über einen vollschichtigen Arbeitsplatz verfügte und die ihm gesundheitlich überfordernde vollschichtige Arbeit tatsächlich aus- übte. Das Bundessozialgericht akzeptierte hier sehr wohl, dass der Kläger auf Kosten seiner Gesundheit tätig gewesen ist, weil der Schluss von der tatsächlichen vollschichtigen Arbeitsleistung auf ein entsprechendes vollschichtiges Leistungsvermögen nicht den festgestellten Umständen entsprochen hat. Auch wurden nicht die Grundsätze, wie sie im Urteil vom BSG vom 14.09.1978 angeführt worden sind, in Abrede gestellt. Vielmehr ging es allein darum, dass bei dem geschilderten Sonderfall (Unzumutbarkeit der tatsächlichen vollschichtigen Arbeit auf Kosten der Gesundheit bei zumindest halbschichtigem Erwerbsvermögen) ausnahmsweise nicht mehr konkret geprüft werden solle, ob für den Versicherten ein gleichartiger zumutbarer Arbeitsplatz auf Teilzeitbasis (vier bis sechs Stunden) offen stehe, solange er einen vollschichtigen Arbeitsplatz inne habe (Problem des Umfangs der Ermittlungen bei einem in der Regel als verschlossen geltenden Arbeitsmarkt).

Im Übrigen ist zu dem Verhältnis der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung (als Indiz für die Zumutbarkeit einer Arbeit) zu der ärztlich festgestellten niedriger liegenden Erwerbsfähigkeit noch anzuführen, dass der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung keineswegs immer der Vorrang (z.B. im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung) zukommt; so hat das Bundessozialgericht auch nicht in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 29.09.1980 - 4 RJ 121/79 entschieden. Die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung ist nur ein "einfaches" Beweismittel im Zweifelsfall. Ihr kommt laut Urteil des BSG vom 08.09.1982, a.a.O. keine Bedeutung zu, wenn a) die Unfähigkeit zur Verrichtung der ausgeübten Tätigkeit feststeht oder b) die Arbeitsleistung auf Kosten der Gesundheit erbracht wird. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 30.10.1968 ausgeführt, dass die durch die tatsächliche Arbeitsleistung anfangs begründeten Zweifel an der Unzumutbarkeit einer vollschichtigen Tätigkeit durch Beweiserhebung für behoben angesehen worden sind. In dieselbe Richtung geht bereits das Urteil vom 14.09.1978 - 11 RA 86/77, nämlich dass es keinen Erfahrungssatz gebe, dass die Ausübung einer nicht mit unmittelbarer Gefahr für die Gesundheit verbundenen Tätigkeit trotz entgegenstehender Gutachten eine entsprechende Leistungsfähigkeit beweise, insoweit komme es vielmehr auf die Einzelumstände (und eine Beweiswürdigung) an.

Im Urteil vom 29.04.1990 - 5 RJ 84/89 - wies das Bundessozialgericht erneut daraufhin, dass von der "allgemeinen" Schlussfolgerung, dass derjenige, der eine Arbeit tatsächlich verrichte, dazu auch gesundheitlich in der Lage sei, Ausnahmen dann gelten würden, wenn die Arbeit nur unter unzumutbaren Schmerzen, unter einer unzumutbaren Anspannung der Willenskräfte oder auf Kosten der Gesundheit verrichtet werde.

Bei Anwendung der dargestellten Grundsätze im vorliegenden Streitfall ergibt sich Folgendes: Die im Maurerberuf anfallenden Tätigkeiten haben den Kläger wegen ihrer Eigenart (schwere und mittelschwere Arbeiten, auch im Bücken, Hocken, Knieen und mit Heben, Bewegen und Tragen schwerer Lasten, auch in Kälte und Zugluft usw.) überfordert. Die Arbeiten waren unzumutbar, weil hierfür ein zureichendes Leistungsvermögen nicht mehr bestanden hat; dies steht aufgrund aller Gutachten - auch des von der Beklagten selbst eingeholten Gutachtens - zur Überzeugung des Senats als bewiesen fest. Der "erste Anschein", dass der Kläger vollschichtig Maurertätigkeiten verrichten konnte, ist dadurch widerlegt, dass im fraglichen Zeitraum nur zeitweise gearbeitet worden ist, die Arbeitsleistung dann nicht den an einen Maurer gestellten Anforderungen entsprochen hat und zudem ärztlicherseits gesichert objektiviert worden ist, dass das Leistungsvermögen des Klägers nicht dem von einem Maurer geforderten entsprochen hat.

Es steht weiterhin fest, dass die von einem Maurer zu verrichtenden und vom Kläger auch verrichteten Arbeiten auf Kosten seiner Gesundheit gingen, weil sie ihn überforderten und konkrete Gefahren für seine Gesundheit mit sich brachten. Wie Dr.F. dargelegt und im Übrigen auch Dr.B. erkannt hat, waren körperlich schwere Tätigkeiten allgemeinhin sowie besondere Verrichtungen (Arbeiten in Bücken, Hocken usw.) geeignet, die vorbestehenden knöchernen Veränderungen an Kniegelenken und Wirbelsäule und die Veränderungen an Menisken und Knorpeln der Kniegelenke zu verschlechtern. Die gesundheitlichen Gefahren mussten sich nicht verwirklichen. Gleichwohl weist der Senat darauf hin, dass die Gefahr einer körperlichen Schädigung vorliegend besonders augenfällig gewesen ist, weil zwei Zeiten der Arbeitsunfähigkeit (November 1993 bis Mai 1994 und November 1994) auf Reizzustände des linken Kniegelenks zurückzuführen sind und zudem beim Kläger auch außerhalb der Zeit der Arbeitsunfähigkeit ein Kniegelenkserguss festgestellt worden ist. Die fehlende Belastungsfähigkeit des Klägers ging Hand in Hand mit unmittelbar drohenden Gefahren für seine Gesundheit.

Der Kläger ist als Maurer in zumutbarer Weise auch nicht halbschichtig mehr einsetzbar gewesen, weil sich im Berufsleben Art und Umfang der unzumutbaren einzelnen Verrichtungen nicht vermeiden bzw. auf ein noch angemessenes Maß vermindern ließen; dem Kläger stand auch kein Schonarbeitsplatz über 13 Monate hinweg zur Verfügung. Somit darf er auch nicht auf eine Halbtagsbeschäftigung ohne Prüfung des Arbeitsmarktes entsprechend den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 18.03.1982 - 11 Ra 26/81 und vom 14.09.1978 - 11 Ra 86/77 verwiesen werden.

Eine andere zumutbare Tätigkeit kann, wie die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren zugestanden hat, dem Kläger nicht benannt werden.

Daher war der Berufung stattzugeben. Bei einem Leistungsfall vom 30.11.1993 und einem Rentenantrag vom 22.02.1994 ergibt sich der Beginn der Rente am 01.12.1993 (§ 100 Abs.2 SGB VI). Nachdem die Rechtsmittel des Klägers hinsichtlich der Berufsunfähigkeitsrente in vollem Umfange und hinsichtlich der Erwerbsunfähigkeitsrente nahezu vollständig Erfolg hatten, war die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens in voller Höhe und die des Klageverfahrens (einschließlich des Widerspruchsverfahrens) zu vier Fünftel zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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