S 174 AS 31567/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
174
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 174 AS 31567/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattungspflicht nach Erledigung der Hauptsache dem Grunde nach. Nach § 193 Abs. 1 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss darüber, ob die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn sich der Rechtsstreit anders als durch Urteil erledigt. Die Kostenentscheidung erfolgt nach billigem Ermessen, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.12.2007, L 13 B 296/07 SB). Maßgebend für die Entscheidung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage zum Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. BSG, st. Rspr. u.a. SozR Nr. 3 und 4 zu § 193). Es ist i.d.R. billig, dass der die Kosten trägt, der unterliegt (vgl. BSGE, 17, 124, 128). Dabei ist auf das Verhältnis zwischen Antrag und Ergebnis abzustellen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 9. Aufl., § 193, Rn. 12a). Zudem sind auch die Gründe für den Anlass der Klageerhebung im Sinne des Veranlassungsprinzips zu berücksichtigen (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 12b ff.; BSG, Beschluss vom 16.05.2007, B 7b AS 40/06 R). Es entspricht danach vorliegend der Billigkeit, den Beklagten zur Erstattung der Kosten des Rechtstreits zu verpflichten. Denn die auf Bescheidung des Widerspruches vom 29.08.2011 gegen den Bescheid vom 11.08.2011 gerichtete Klage vom 30.11.2011 war zum Zeitpunkt der Klageerhebung zulässig und begründet. Zwar hat der Beklagte mit auf den 29.11.2011 datierten Abhilfebescheid über den Widerspruch entschieden. Der Abhilfebescheid ist der Klägerbevollmächtigten aber nach ihrem eigenen Vortrag - der durch die Vorlage des Eingangsstempels belegt wurde - erst am 01.12.2011 und mithin nach Rechtshängigkeit (vgl. § 94 SGG) zugegangen. Nachdem der Beklagte über den Widerspruch mit Bescheid vom 29.11.2011 entschieden hat, gilt dieser im Übrigen nach § 37 Abs. 2 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ohnehin erst als am 02.12.2011 - und mithin nach Rechtshängigkeit - zugegangen. Die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gilt nämlich selbst dann, wenn der Zugang tatsächlich früher war (vgl. BSGE 5, S. 55; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.08.2001, L 4 AL 27/01; Krasney in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 71 EL 2011, § 37 SGB X, Rn. 6; Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 37, Rn. 12). Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch allein maßgeblich für das Vorliegen von Untätigkeit i.S.d. § 88 SGG der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung und nicht der Zeitpunkt der Fertigung der Entscheidung. Denn erst mit der Bekanntgabe an den Adressaten der Entscheidung (§§ 37, 39 SGB X) - also bei schriftlichen Entscheidungen mit dem Zeitpunkt des Zuganges (BSG, Urteil vom 14.03.1996, 7 Rar 84/94; Engelmann, a.a.O., § 37, Rn. 3) - ist diese erlassen und damit existent (vgl. BSGE 64, 17, 22). Das allein der Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides maßgeblich ist, ergibt sich nach Überzeugung der Kammer bereits aus § 8 SGB X, wonach ein nach außen gerichtetes Verwaltungsverfahren (regelmäßig) durch den Erlass eines Verwaltungsaktes beendet wird (vgl. von Wulffen in von Wulffen, a.a.O., § 8, Rn. 9). Zudem spricht auch der Wortlaut des § 88 SGG von einem Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes. Folglich liegt Untätigkeit i.S.d. § 88 SGG solange vor, bis das Verwaltungsverfahren durch eine entsprechende Entscheidung abgeschlossen ist (vgl. Leitherer, a.a.O., § 88, Rn. 4; Binder in Lüdtke, SGG, 3. Aufl., § 88 SGG, Rn. 5). Wie bereits ausgeführt, liegt eine Entscheidung aber nicht bereits mit der Erstellung eines Bescheides vor. Denn bis zur Bekanntgabe handelt es sich insoweit um ein Nullum. Jede andere Betrachtungsweise würde im Übrigen bedeuten, dass eine Untätigkeitsklage nach Ablauf der Sperrfrist gleichwohl unzulässig wäre, wenn der Leistungsträger den Bescheid bereits gefertigt hat - dieser sich ggf. auch bereits auf dem Postweg befindet - jedoch noch nicht zugegangen ist. Aus welchen Gründen dies der Fall sein sollte, erschließt sich der Kammer nicht, weil es Aufgabe des Leistungsträgers ist, dass das Verwaltungsverfahren innerhalb der Sperrfrist des § 88 SGG abgeschlossen ist (ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.03.2006, L 30 B 168/04 AL; Hintz in BeckOK, Stand 01.12.2011, § 88, Rn. 3). Der Beklagte trägt insoweit das Risiko des rechtszeitigen Zuganges bzw. des Nachweises des Zuganges eines Bescheides vor Eingang einer Untätigkeitsklage bei Gericht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Schlussendlich spricht für die Kostenerstattungspflicht des Beklagten auch, dass dieser die Untätigkeitsklage - aufgrund der Bearbeitung des streitgegenständlichen Tages am letzten Tag der Sperrfrist des § 88 Abs. 2 SGG - veranlasst hat. Insoweit wäre er zur Vermeidung des hiesigen Verfahrens zumindest gehalten gewesen, die Klägerbevollmächtigte über den Erlass des Bescheides vom 29.11.2011 noch am 29.11.2011 vorab per Fax oder fernmündlich in Kenntnis zu setzen. Über den Umfang und die Höhe der zu erstattenden Kosten ist im gesonderten Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
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