S 10 KR 4227/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 4227/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Versäumt die Krankenkasse die Frist zur Einleitung des MDK-Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V, ist sie mit Einwendungen medizinischer Art ausgeschlossen. Eine Nachholung der Sachverhaltsaufklärung im Gerichtsverfahren findet nicht statt.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 516,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.06.2007 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Vergütung einer Krankenhausbehandlung im Streit.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus in Baden-Württemberg.

In der Zeit vom 18.05.2007 (15.01 Uhr) bis 19.05.2007 (13.00 Uhr) wurde eine Versicherte der Beklagten im Krankenhaus der Klägerin wegen einer Wirbelsäulenerkrankung behandelt. Unter dem 29.05.2007 stellte die Klägerin der Beklagten für die Behandlung 516,44 EUR in Rechnung. Abgerechnet wurde die DRG I68E. Die Rechnung wurde per Datenträgeraustausch an die Beklagte übermittelt und dort am 30.05.2007 in das Arbeitsprogramm der Beklagten eingespielt.

Mit Schreiben vom 04.06.2007 lehnte die Beklagte eine Vergütung ab. Insbesondere aufgrund der Verweildauer erfülle die Behandlung nicht die Kriterien eines vollstationären Krankenhausaufenthalts. Um Neuberechnung als vorstationäre Behandlung wurde gebeten. Sollten dennoch die Merkmale einer vollstationären Behandlung vorgelegen haben, werde um Übermittlung einer zielgerichteten Begründung mittels eines beigefügten formularmäßigen "Kurzberichts" innerhalb von 10 Tagen gebeten. Dem Formular nach sollte die Klägerin u. a. Angaben zum Therapieverlauf machen.

Die Klägerin erwiderte daraufhin mit Schreiben vom 18.06.2007, die Begründung für die Ablehnung sei mittlerweile überholt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts reiche es aus, wenn der Patient einen Tag und eine Nacht zusammenhängend im Krankenhaus verbringe. Dies sei vorliegend der Fall. Sollten dennoch Fragen offen sein, stünde der Beklagten die Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) offen.

Mit Schreiben vom 27.06.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihre Rechtsauffassung habe sich nicht geändert. Sie betrachte den Vorgang daher als abgeschlossen.

Die Klägerin entgegnete daraufhin mit Schreiben vom 02.07.2007, dass die Beklagte verpflichtet sei, den MDK einzuschalten. Am 11.07.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die eingereichte Rechnung werde nach intensiver Plausibilitätsprüfung zurückgewiesen. Sie forderte die Klägerin nochmals zur Neuberechnung auf.

Mit Schreiben vom 23.07.2007 mahnte die Klägerin den Rechnungsbetrag an. Die Beklagte sei ihrer Pflicht, den MDK mit einer Prüfung zu beauftragen, nicht nachgekommen.

Unter dem 25.07.2007 schrieb die Beklagte, dass für sie der Vorgang abgeschlossen sei. Auch nach weiterer Zahlungserinnerung durch die Klägerin mit Schreiben vom 30.07.2007 lehnte die Beklagte die Zahlung ab (Schreiben vom 06.08.2007).

Am 23.08.2007 leitete die Beklagte eine Überprüfung durch den MDK ein. Dieser forderte die Klägerin mit Schreiben vom 23.08.2007 und vom 21.09.2007 auf, zur Prüfung der Notwendigkeit einer stationären Behandlung die Patientenunterlagen zu übersenden. Dies lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 27.09.2007 ab. Die Frist zur Einleitung einer MDK-Prüfung von sechs Wochen nach Eingang der Rechnung sei abgelaufen. Eine Prüfung durch den MDK fand daraufhin nicht statt.

Am 17.06.2008 erhob die Klägerin anwaltlich vertreten zum Sozialgericht Stuttgart Klage auf Zahlung des noch offenen Rechnungsbetrages. Die Klägerin habe Anspruch auf Vergütung der Behandlung. Es handele sich um eine vollstationäre Behandlung. Die Versicherte habe rund 22 Stunden im Krankenhaus der Klägerin verbracht. Sie sei physisch und organisatorisch in den Krankenhausbetrieb eingebunden gewesen. Die Versicherte habe neben oraler Medikation intravenöse Infusionen erhalten. Außerdem seien umfangreiche diagnostische Maßnahmen durchgeführt worden. Der Anspruch ergebe sich desweiteren bereits aus der abgerechneten DRG, die voraussetze, dass nur ein Belegungstag stattgefunden habe. Ein Belegungstag sei nach der Fallpauschalenverordnung der Aufnahmetag sowie jeder weitere Tag. Die Beklagte sei außerdem mit ihren Einwendungen gegen die Abrechnung ausgeschlossen. Dies ergebe sich zwingend aus § 275 Abs. 1c SGB V sowie aus den landesvertraglichen Regelungen. Das MDK-Prüfverfahren müsse innerhalb von sechs Wochen nach Rechnungseingang eingeleitet werden. Dies sei nicht geschehen. Die Beklagte irre sich, wenn sie meine, die Klägerin müsse sie zur Durchführung eines MDK-Verfahrens auffordern. Da nunmehr die Sechswochen-Frist abgelaufen sei, habe auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine weitere Sachverhaltsaufklärung stattzufinden. Die Beklagte bzw. der MDK könne insbesondere nicht Einsicht in die Patientenunterlagen verlangen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 516,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.06.2007 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt im Wesentlichen zur Begründung vor, die Entscheidung der Beklagten die Rechnung abzulehnen sei im Zusammenhang mit einer vergütungsrechtlichen Prüfung, ohne Hinzuziehung des MDK erfolgt. Zum Zeitpunkt der Ablehnung habe keine Veranlassung zur Einschaltung des MDK bestanden. Da die Versicherte weniger als 24 Stunden im Krankenhaus gewesen sei, sei die Klägerin beweispflichtig, dass trotzdem eine Eingliederung stattgefunden habe. Bislang sei nicht nachgewiesen, dass eine vollstationäre Behandlung stattgefunden habe. Erst in einem Telefongespräch am 07.08.2007 habe die Klägerin die Beklagte aufgefordert, den MDK einzuschalten. Dies sei dann auch geschehen. Die Klägerin habe aber die Übermittlung der Patientenunterlagen verweigert. Die Beklagte habe die Klägerin frühzeitig darüber unterrichtet, warum die Kostenübernahme verweigert werde. Unter Zugrundelegung der übermittelten Behandlungsdaten sei das Vorliegen einer vollstationären Behandlung zweifelhaft gewesen. Die Klägerin hätte daher über die nach § 301 SGB V übermittelten Daten hinaus weitere Informationen zur Verfügung stellen müssen. Die Klägerin habe ausreichend Zeit gehabt, der Beklagten die erforderlichen Informationen zu übermitteln bzw. im Falle einer medizinischen Begründung zur Einschaltung des MDK aufzufordern. Ggf. hätte sie die Informationen in einem verschlossenen Umschlag zur Weiterleitung an den MDK übermitteln müssen. Die Klägerin habe jedoch auf die Aufforderung zur Begründung nicht reagiert und sich damit grob vertragswidrig und treuwidrig verhalten. Die Klägerin habe die Durchführung eines Prüfverfahrens sowie die hierfür erforderlichen Vorbereitungshandlungen zu unterstützen. Statt die Durchführung des Prüfverfahrens zu unterstützen, habe die Klägerin ihre bereits erteilte Zustimmung sogar widerrufen. Die Abgabe der geforderten Begründung durch die Klägerin hätte zur Beauftragung des MDK geführt. Durch eine Begründung hätte ggf. erst die Voraussetzung für eine medizinische Würdigung durch den MDK geschaffen werden können. Das Gericht müsse nun die Patientenakten beiziehen und der Beklagten bzw. dem MDK Einsicht in diese Unterlagen gewähren. Zur Frage, ob eine vollstationäre Behandlung stattgefunden habe, müssten die Behandlungsunterlagen durch einen Sachverständigen ausgewertet werden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Beteiligtenvortrages, wird auf die Sozialgerichtsakte, die Verwaltungsakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2010 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Betrages nebst Zinsen.

I. Anspruchsgrundlage des Vergütungsanspruchs für eine stationäre Behandlung ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und Anlage 1 Teil a) Fallpauschalenverordnung (KFPV) 2007 in Verbindung mit § 17b Abs. 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) sowie dem Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V zu den allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlungen (KHBV) zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen in der Fassung des Schiedsspruchs vom 21.09.2005 (gültig ab 01.01.2006).

Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (z. B. BSG, Urt. v. 10.04.2008, B 3 KR 19/05 R, BSGE 100, 164; Urt. v. 16.12.2008, B 1 KN 1/07 KR R, BSGE 102, 172). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die zur Krankenbehandlung gehörende Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V) wird gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Der Anspruch ist gerichtet auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Eine Krankenkasse ist verpflichtet, die vereinbarten Entgelte zu zahlen, wenn eine Versorgung im Krankenhaus durchgeführt und im Sinne von § 39 SGB V erforderlich gewesen ist.

II. Die Beklagte ist in Anwendung dieser Rechtsgrundlagen verpflichtet, die streitgegenständliche Behandlung unter Ansatz der DRG I68E zu vergüten. Der Vortrag der Klägerin ist hinsichtlich der vorliegend allein streitigen Frage, ob eine vollstationäre Behandlung stattgefunden hat oder ob der Krankenhausaufenthalt der Versicherten als vorstationäre oder ambulante Behandlung zu werten ist, als wahr zu unterstellen. Denn die Beklagte ist hinsichtlich der - hier allein maßgeblichen - medizinischen Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs mit Einwänden ausgeschlossen. Sie kann mit dem Einwand, eine physische und organisatorische Eingliederung in den Krankenhausbetrieb habe nicht vorgelegen, nicht mehr gehört werden.

Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen von Art und Umfang der Leistung sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachterliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Bei Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V ist eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zeitnah durchzuführen (§ 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V). Die Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (§ 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V). Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 KHBV hat die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 30 Tagen nach Übermittlung des Rechnungssatzes zu bezahlen. Bei Beanstandungen sachlicher oder rechnerischer Art kann nach § 19 Abs. 2 Satz 1 KHBV der Differenzbetrag verrechnet werden. Einwendungen gegen die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung sowie gegen die Art der Abrechnung können nur innerhalb von sechs Monaten nach Rechnungszugang geltend gemacht werden (§ 19 Abs. 2 Satz 2 KHBV). Voraussetzung für Einwendungen gegen die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung ist außerdem die Durchführung des MDK-Überprüfungsverfahrens gemäß des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V, das innerhalb der Zahlungsfrist nach Abs. 1 einzuleiten ist (§ 19 Abs. 2 Satz 3 KHBV).

Diese Regelungen dienen der Beschleunigung der mit der Abrechnung verbundenen Verwaltungsvorgänge (vgl. zum Beschleunigungsgebot: BSG, Urt. v 28.09.2006, B 3 KR 23/05 R, SozR 4-2500 § 112 Nr. 6; Urt. v. 20.11.2008, B 3 KN 4/08 KR R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 16). Es ist anerkannt, dass die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen in partnerschaftlicher Weise zu gegenseitiger Rücksichtnahme nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichten und dass diese Sonderrechtsbeziehung auch wechselseitig bestehende Ansprüche begrenzen kann (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2010, B 1 KR 1/10 R, juris.de; Urt. v. 17.12.2009, B 3 KR 12/08 R, juris.de). Daher ist eine Beschleunigung des Verfahrens angezeigt, um einer Verschlechterung der Beweislage des Krankenhauses und dem damit erhöhten Aufwand entgegenzuwirken. Bei der Beurteilung von Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung soll ein Gutachter in der Regel nicht nachträglich allein auf schriftliche Dokumentationen angewiesen sein, sondern möglichst einen laufenden Fall beurteilen und die frische Erinnerung des behandelnden Krankenhausarztes nutzbar machen. Dies ist der beste Weg, aufgekommene Zweifel möglichst rasch und unbürokratisch auszuräumen. Ein solches Verfahren kann im Betrieb einer Klinik nicht noch lange Zeit nach Abschluss des jeweiligen Behandlungsfalls nachgeholt werden, weil die anschauliche Erinnerung der behandelnden Ärzte nachlässt (BSG, Urt. v. 28.2.2007, B 3 KR 12/06 R, BSGE 98, 142; Urt. 16.12.2008, B 1 KN 3/08 KR R, juris.de). Zugleich dienen diese Regelungen dem schützenswerten Interesse des Krankenhauses, längere Unsicherheiten bei Erlösausgleichen und Jahresabschlüssen zu vermeiden (zu § 275 Abs. 1c SGB V vgl. BT-Drucks. 16/3100, S. 171).

Um dem Beschleunigungszweck der Sechswochenfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V zu genügen, muss das fruchtlose Verstreichen der Frist zu einem Rechtsverlust der Krankenkasse führen. Die Sechswochenfrist ist daher als Ausschlussfrist zu verstehen (BT-Drucks. 16/3100, S. 171; vgl. auch BSG, Urt. v. 20.11.2008, B 3 KN 4/08 KR R, juris-Rd. 16). Prüfungen nach diesem Zeitraum sind nicht mehr zulässig (BT-Drucks. 16/3100, S. 171). Das bedeutet, dass eine medizinische Prüfung des Sachverhalts nach Ablauf der Sechswochenfrist nicht mehr stattzufinden hat. Die Anspruchsvoraussetzungen, die sich nicht lediglich anhand der nach § 301 SGB V übermittelten Daten prüfen lassen, sondern die Durchführung eines MDK-Verfahrens erfordern, gelten als zugestanden. Die Krankenkasse ist dann mit Einwänden medizinischer Art ausgeschlossen.

Die Fehlerhaftigkeit der klägerischen Abrechnung ergibt sich vorliegend nicht bereits aus den Angaben nach § 301 SGB V. Denn die Prüfung, ob es sich - wie von der Klägerin in Rechnung gestellt - um eine vollstationäre Krankenhausbehandlung handelte, kann nicht allein anhand der übermittelten Aufenthaltsdauer erfolgen.

Vollstationäre, teilstationäre und ambulante Operationsleistungen im Krankenhaus sind in erster Linie anhand der geplanten Aufenthaltsdauer abzugrenzen. Eine vollstationäre Behandlung im Sinne einer physischen und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses ist dann gegeben, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes in der Vorausschau zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Entscheidend ist damit zunächst der Behandlungsplan. Bei der Abgrenzung einer nicht operativen stationären Behandlung von einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus kommt es entscheidend darauf an, in welchem Umfang neben der Dauer der Behandlung der Patient die Infrastruktur des Krankenhauses in Anspruch nimmt. Das hängt davon ab, welche konkrete Erkrankung vorliegt und wie diese üblicherweise zu behandeln ist. Verbringt der Patient dabei einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus, handelt es sich auch hier um eine stationäre Behandlung, weil damit die vollständige Eingliederung des Patienten in den Krankenhausbetrieb augenfällig ist. Ist dies nicht der Fall, folgt daraus aber nicht zwingend im Gegenschluss, dass es sich dann nur um eine ambulante Behandlung handeln kann (zum Ganzen: BSG, Urt. v. 04.03.2004, BSGE 92, 223; Urt. v. 28.02.2007, B 3 KR 17/06 R, SozR 4-2500 § 39 Nr. 8).

Allein aus dem Umstand, dass die Versicherte der Beklagten weniger als 24 Stunden im klägerischen Krankenhaus zur Behandlung war, kann mithin nicht geschlossen werden, dass es sich nicht um einen vollstationäre Aufenthalt gehandelt hat. Zumal die abgerechnete DRG I68E (nicht operativ behandelte Erkrankungen und Verletzungen im Wirbelsäulenbereich, ein Belegungstag) erkennen lässt, dass es vollstationäre Behandlungen gibt, die nur für einen Belegungstag kalkuliert worden sind, da auch der Aufnahmetag ein Belegungstag darstellt (§ 1 Abs. 7 Satz 2 Fallpauschalenvereinbarung ( FPV ) 2007). Trotz der Kürze des Aufenthalts kann in solchen Fällen eine vollstationäre Behandlung vorliegen (vgl. BSG, Urt. v. 28.02.2007, B 3 KR 17/06 R, SozR 4-2500 § 39 Nr. 8, juris-Rd. 17). Maßgeblich ist die physische und organisatorische Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses, wobei die Art der Erkrankung und ihre Behandlung eine Rolle spielen.

Mithin waren medizinische Prüfungen vorzunehmen. Auch die Beklagte selbst ging offenbar zuletzt davon aus, dass medizinischer Sachverstand zur Prüfung der Vergütungsvoraussetzungen erforderlich ist, da sie (nach Ablauf der Frist) ein MDK-Verfahren einleitete und auch im Gerichtsverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens forderte.

Erschließen sich der Krankenkasse mangels medizinischen Sachverstands die Abrechnungsvoraussetzungen - wie vorliegend - nicht aufgrund der Angaben nach § 301 SGB V, hat sie ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten (BSG, Urt. v. 22.04.2009, B 3 KR 24/07 R, juris.de). Einen Anspruch auf eigene Einsichtnahme in die über den Umfang nach § 301 SGB V hinausgehenden Patientendaten hat die Krankenkasse nicht. Die Krankenkassen können nicht verlangen, dass die Behandlungsunterlagen der Versicherten durch eigene Mitarbeiter eingesehen und ausgewertet werden. Sie sind insoweit vielmehr auf ein Tätigwerden des MDK angewiesen (BSG, Urt. v. 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, BSGE 98, 142). Erst im Rahmen des MDK-Verfahrens ist das Krankenhaus verpflichtet auf Anforderung des MDK diesem nach § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V die zur Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Hiervon Abweichendes regeln nicht die Landesverträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V. Insbesondere ist nicht vereinbart, dass die Krankenkasse auf einer ersten Stufe der Sachverhaltsaufklärung eine medizinische Stellungnahme in Form eines Kurzberichts vom Krankenhaus verlangen kann (so im Fall: BSG, Urt. v. 22.04.2009, B 3 KR 24/07 R, juris.de). Unter § 3 Abs. 2 Satz 3 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V ist geregelt, dass die Anforderung und Verwendung von Krankenunterlagen gerade nur durch Ärzte des MDK erfolgen darf. Die Beklagte gab auch nicht zu erkennen, dass sie die angeforderten medizinischen Informationen nicht selbst auswerten, sondern an den MDK zur Prüfung weiterleiten will (so im Fall: BSG, Urt. v. 20.11.2008, B 3 KN 4/08 KR R, SozR 4-2500 § 109 Nr. 16). Die Beklagte wollte vielmehr eigenständig anhand der medizinischen Angaben (u. a. zum Therapieverlauf) eine Vorprüfung durchführen und erst im Anschluss ggf. den MDK beauftragen. Hierzu war sie nicht befugt. Die Klägerin lehnte es daher zu Recht ab, der Beklagten über die Daten nach § 301 SGB V hinaus medizinische Angaben zu dem Abrechnungsfall zu übermitteln. Sie durfte die Beklagte stattdessen auf die Einleitung eines MDK-Verfahrens verweisen.

Die Beklagte leitete indes nicht innerhalb der Sechswochenfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V ein MDK-Verfahren ein. Erst am 23.08.2007 beauftragte sie den MDK mit einer Prüfung. Die Abrechnung war der Beklagten jedoch bereits am 30.05.2007 zugegangen. Nach Ablauf der Frist war die Klägerin nicht mehr zur Übermittlung von Unterlagen an den MDK verpflichtet, denn eine MDK-Prüfung durfte wegen Versäumnis der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V nicht mehr stattfinden. Die Klägerin verweigerte daher auch insoweit zu Recht die Herausgabe medizinischer Unterlagen.

Eine Nachholung der Sachverhaltsaufklärung im Gerichtsverfahren scheidet aus. Das Gericht ist zwar nach dem Untersuchungsgrundsatz grundsätzlich verpflichtet den Sachverhalt zu ermitteln. Die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V liefe jedoch ins Leere, wenn auf dem Klagewege eine Klärung in der Sache herbeigeführt werden könnte. Die Beklagte ist vielmehr auch im Gerichtsverfahren mit Einwendungen medizinischer Art ausgeschlossen, weshalb vom Gericht keine Ermittlungen einzuleiten waren (so auch SG Darmstadt, Urt. v. 20.05.2010, S 18 KR 344/08, juris.de; SG Augsburg, Urt. v. 22.07.2009, S 12 KR 35/09, juris.de; SG Schwerin, Urt. v. 10.03.2010, S 8 KR 125/08; a. A. SG Braunschweig, Urt. v. 07.09.2010, S 40 KR 504/07).

III. Der Zinsanspruch der Klägerin resultiert aus § 19 Abs. 3 KHBV. Danach kann ein Krankenhaus bei Überschreiten des Zahlungsziels von 30 Tagen nach Übermittlung des Rechnungssatzes ab dem Fälligkeitstag Verzugszinsen berechnen, ohne dass es einer Mahnung bedarf. Der Verzugszins beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved