L 5 KR 97/10

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 19 KR 175/07
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 97/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die bloße Gefahr einer Rezidivbildung nach einer Hirntumorerkrankung begründet auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - keinen Anspruch auf Leistungen der Krankenkasse, die nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 15. Juni 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch für das Berufungsver- fahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung einer überwiegend als Kombinationstherapie durchgeführten Immuntherapie mit dendritischen Zellen und einer lokoregionalen Elektro-Tiefenhyperthermie (EHT).

Bei der 1965 geborenen und bei der Beklagten freiwillig krankenversicherten Klägerin wurde im November 2004 ein Oligoastrozytom WHO-Grad II links temporal diagnostiziert und operativ entfernt. Im Entlassungsbericht der Klinik für Neurochirurgie der C. vom 30. November 2004 wird ausgeführt, im postoperativen Früh-MRT habe sich eine maximale Entfernung des Hirntumors gezeigt. Als weiteres Vorgehen wurde eine Anschlussheilbehandlung organisiert und um Wiedervorstellung nach deren Abschluss bzw. MRT-Kontrollen im Abstand von sechs Monaten gebeten. In der Folgezeit stellte der Facharzt für diagnostische Radiologie Dr. W. bei seinen kernspintomographischen Untersuchungen des Schädels am 19. Mai 2005 und 9. Februar 2006 keinen Anhalt für einen Rezidivtumor fest. Es zeigten sich geringgradig ausgeprägte Signalanhebungen temporal am Resektionsbereich, die Hygrome waren subtotal zurückgebildet, lediglich links frontal war noch ein winziges Kompartiment nachweisbar. Der Facharzt für Radiologie F. stellte bei seiner Verlaufskontrolle am 6. Oktober 2006 einen im Vergleich zur Voruntersuchung unveränderten Befund fest. Auch für ihn ergab sich kein Hinweis auf eine Raumforderung, eine Wachstumstendenz oder eine Schrankenstörung. Die Verlaufskontrolle am 10. August 2007 zeigte im Vergleich zu den Voraufnahmen zwar eine geringe Befundänderung mit leichter Größenzunahme der pathologischen Randzone am vorderen Temporalpol links angrenzend an das Resektionsgebiet. Herr F. führte in seinem Befundbericht vom selben Tag aus, dass hier ein beginnendes Lokalrezidiv möglich sei. Daraufhin stellte sich die Klägerin am 17. August 2007 erneut ambulant in der Neurochirurgischen Klinik der C. vor. Der behandelnde Oberarzt Dr. L. bestätigte eine diskrete Zunahme der Signalintensität in den Flair-Bildern, wies im Bericht vom 20. August 2007 aber darauf hin, dass die Veränderungen im Prinzip schon seit 2005 bekannt und auf den anderen Aufnahmen vom 10. August 2007 auch nicht so deutlich zu sehen seien. Insbesondere nehme der Befund kein Kontrastmittel auf. Eine raumfordernde Wirkung gehe von ihm nicht aus. Es sei zwar durchaus möglich, dass sich hier schleichend ein erneutes Tumorwachstum abspiele. Dies eindeutig zu beurteilen erfordere aber eine weitere Kontrolluntersuchung, die in einem halben Jahr durchgeführt werden solle. Danach bestehe die Möglichkeit, dass man den Bezirk noch einmal operativ entferne. Ein Rezidivtumor ist seither bei der Klägerin nicht diagnostiziert worden. Sie befindet sich nach ihrem eigenen Vorbringen im Zustand der klinischen Komplettremission.

Die Klägerin nahm am 7. September 2005 die Behandlung bei Prof. Dr. G. in B. auf, der bis zum 30. September 2005 zunächst elf Hyperthermien in Form palliativer EHT durchführte. Am 30. März 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage der Rechnung der P. GmbH vom 7. November 2005 die Erstattung der ihr durch diese Behandlung entstandenen Kosten in Höhe von 1.596,54 EUR. Zugleich übersandte sie das Schreiben von Dr. N. vom 22. Februar 2006 und beantragte unter Vorlage einer undatierten Rechnung des Arztes sowie verschiedener Unterlagen die Kostenübernahme für eine Immuntherapie mit dendritischen Zellen in Höhe von 3.604,57 EUR. Mit Schreiben vom 18. April 2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten ab, weil die Hyperthermie und die dendritische Zelltherapie nicht zu den vertraglich anerkannten Leistungen gehörten.

Die Klägerin erhob am 8. Mai 2006 Widerspruch. Zur Begründung stützte sie sich auf die Schreiben von Dr. N. vom 22. Februar 2006 und von Prof. Dr. G./Dr. S. vom 3. August 2006. Dr. N. führte aus, dass bei Oligoastrozytomen WHO Grad II zwar längerfristige Remissionen möglich seien, es jedoch häufig zu Rezidiven und einer malignen Progression zu WHO Grad III oder IV, einhergehend mit einer deutlichen Verschlechterung der Prognose komme. Bei der Klägerin habe die im Februar 2006 durchgeführte Kontrolluntersuchung zwar keinen Anhalt für einen Rezidivtumor ergeben, die Hygrome seien aber nur subtotal zurückgebildet gewesen, links frontal sei ein Kompartiment nachweisbar gewesen. Bedingt durch die prognostisch ungünstige Ausgangssituation habe sich die Klägerin nach eingehender Beratung zu einer Immuntherapie auf der Basis von dendritischen Zellen entschlossen, um einen Progress ihrer Erkrankung zu verhindern. Die Behandlung sei wissenschaftlich basiert. Die wesentlichen Wirkprinzipien seien von renommierten Forschungsinstituten publiziert. Dendritische Zellen seien potente Aktivatoren für eine Immunantwort bzw. eine anti-Tumorantwort. Sie ließen sich aus den Monozyten der Patienten im Labor in größerer Zahl generieren und dann mit Tumorantigenen stimulieren. Die so stimulierten Zellen könnten das Immunsystem spezifisch gegen den Tumor durch Anregung tumorspezifischer cytotoxischer T-Lymphozyten aktivieren, wodurch die Tumorzellen zerstört werden könnten. Die Wirksamkeit zeige sich nicht nur im Tierexperiment, sondern auch in kontrollierten klinischen Studien. Es seien eine Vielzahl von Phase I, II und III Studien sowie Kasuistiken von universitären Arbeitsgruppen aus Amerika und Europa publiziert, die eine Wirksamkeit bei humanen Tumoren belegten. Insbesondere habe eine 2004 publizierte Studie gezeigt, dass eine Kombination von Chemotherapie und dendritischer Zelltherapie das mediane Überleben bei Patienten mit einem Glioblastom WHO IV signifikant verlängere. Somit sei eindeutig belegt, dass die Dendritische Zelltherapie bei Hirntumoren wirksam sein könne. Die veröffentlichte Anzahl von Studien zur Immuntherapie rechtfertige bei einer lebensbedrohenden Krankheit, wie sie im Falle der Klägerin vorliege, die streitige Behandlung durchzuführen, da die zu erwartende positive Wirkung und das Behandlungsrisiko, das sich im Wesentlichen auf grippeähnliche Symptome beschränke, in einem günstigen Verhältnis zueinander stünden. Insoweit stützte sich Dr. N. auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98). Es seien zunächst vier Impfungen in regelmäßigen Abständen von vier bis fünf Wochen geplant. Prof. Dr. G. und Dr. S. räumten in ihrem Schreiben vom 3. August 2008 zwar ein, dass es noch keine randomisierten Studien bei Hirntumoren mit der EHT gebe. Sie wiesen aber darauf hin, dass die mittlere Überlebenszeit mit konventionellen Therapien nach den ihnen vorliegenden Studien nur wenige Monate betrage und die Ergebnisse in ihrem Institut sowie bei anderen Kollegen, die die kombinierte Therapie mit EHT anwenden würden, eine signifikant höhere Überlebenszeit der Patienten ohne nennenswerte Nebenwirkungen gezeigt habe. Bei weitgehend fehlenden Therapieoptionen könne durch die EHT eine bessere Tumorkontrolle erzielt werden. Durch die Überwärmung der Tumorzellen komme es zu einem Sauerstoffmangel und der Entwicklung eines sauren Zellmilieus sowie zu einer Nährstoffverarmung im Tumor. Hierdurch werde der Zellstoffwechsel gestört und es könne zum Zelltod kommen. Eine Chemo- oder Strahlentherapie erfahre durch die Hyperthermie eine Wirkungsverstärkung oder werde im Einzelfall erst durch sie zur Wirksamkeit gebracht. Insoweit verwiesen Prof. Dr. G. und Dr. S. auf verschiedene Pilot-Studien.

Die Beklagte holte das Sozialmedizinische Gutachten des MDK vom 13. November 2006 (Dr. O.) ein. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 lehnte sie die Kostenübernahme für die streitige Behandlung weiterhin mit der Begründung ab, dass sie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen gehöre. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erst dann von den Krankenkassen erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Richtlinien Empfehlungen über den Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Methode abgegeben hätten. Diese Richtlinien seien für Vertragsärzte und Krankenkassen verbindlich. Es reiche nicht aus, dass eine Methode im Einzelfall geholfen habe. Der diagnostische bzw. therapeutische Nutzen müsse auf ein Krankheitsbild bezogen medizinisch wissenschaftlich nachgewiesen sein, damit der G-BA eine Methode anerkennen könne. Die Elektrohyperthermie und dendritische Zelltherapie habe er noch nicht beurteilt und bewertet. Wissenschaftlich sei die Wirksamkeit der Therapien bisher nicht nachgewiesen. Sie – die Beklagte – dürfe daher grundsätzlich keine Kosten übernehmen. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 sei eine Kostenübernahme zwar möglich, wenn eine lebensbedrohende oder regelmäßig tödliche Erkrankung vorliege und eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Diese Voraussetzungen seien nach dem Gutachten des MDK aber nicht erfüllt. Soweit indiziert stünde im Fall der Klägerin adjuvant eine Chemotherapie oder Bestrahlung zur Verfügung.

Hiergegen erhob die Klägerin am 12. Januar 2007 erneut Widerspruch. Zuvor hatte sie bereits am 12. Dezember 2006 unter Vorlage des ärztlichen Attestes von Dr. Ba. vom 13. November 2006 Elektrohyperthermien als regelmäßige Begleittherapie zur Dendritischen Zelltherapie beantragt und die Rechnungen von Dr. N. vom 27. März, 25. April, 24. Mai und 10. November 2006 in Höhe von jeweils 3.598,16 EUR zur Kostenerstattung übersandt. Am 16. Januar 2007 gingen bei der Beklagten die Rechnungen von Dr. Ba. vom 8. Dezember 2006 (888,90 EUR) und 8. Januar 2007 (1.310,92 EUR) sowie von Dr. N. vom 14. Dezember 2006 (3.598,16 EUR) ein. Am 27. Februar 2007 begehrte die Klägerin die Kostenerstattung der Rechnungen von Dr. N. vom 19. Januar und 16. Februar 2007 in Höhe von jeweils 3.657,92 EUR und von Dr. Ba. vom 9. Februar 2007 in Höhe von 875,50 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2006 mit im Wesentlichen gleichlautender Begründung zurück, korrigierte ihre bisherigen Ausführungen jedoch dahingehend, dass die Hyperthermie vom G-BA von der vertragsärztlichen Versorgung ausdrücklich ausgeschlossen worden sei.

Nach Erlass des Widerspruchsbescheides übersandte die Klägerin der Beklagten die Rechnungen von Dr. Ba. vom 16. März 2007 (730,36 EUR), vom 6. November 2007 (3.782,96 EUR) und vom 16. Dezember 2007 (582,22 EUR) sowie von Dr. N. vom 16. Mai, 16. August und 2. November 2007 in Höhe von jeweils 3.657,92 EUR und begehrte deren Kostenerstattung.

Die Klägerin hat am 15. August 2007 Klage beim Sozialgericht Itzehoe erhoben. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und insbesondere im Hinblick auf den behaupteten wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit der Immuntherapie in verschiedenen publizierten Studien vertieft. Sie hat geltend gemacht, die Therapie mit dendritischen Zellen werde nicht nur von einer Vielzahl von Behandlern und auch in Kliniken in Deutschland mittlerweile angewandt, sondern sogar vom Deutschen Krebsforschungszentrum ausdrücklich empfohlen. Auch der erfolgreiche Einsatz der Hyperthermiebehandlung bei bösartigen Hirntumoren sei publiziert. Demgegenüber existierten keine konventionellen Behandlungsmethoden, die die Prognose der bei ihr vorliegenden Erkrankung längerfristig verbessern könnten. Bösartige Hirntumore zählten zu den Krebsarten mit dem schnellsten tödlichen Verlauf. Mit den Standardbehandlungsmaßnahmen bestehe nach der Erstdiagnose nur eine mediane Überlebenszeit von 14,6 Monaten. Klinische Studien hätten gezeigt, dass die Impfung mit dendritischen Zellen die Überlebenszeit auf bis zu über 33 Monate verlängere. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten sei daher nicht mit der Entscheidung des BVerfG im Beschluss vom 6. Dezember 2006 BvR 347/98 in Einklang zu bringen. Auch in der Neurochirurgie der C. sei eine Standardtherapie in Form einer Bestrahlung oder Chemotherapie allein deshalb nicht für sinnvoll erachtet worden, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit einer Rezidivbildung selbst im Hinblick auf das zeitliche Auftreten nicht habe beeinflusst werden können. Unabhängig davon seien ihr die mit konventionellen Behandlungsmethoden einhergehenden schweren Nebenwirkungen auch nicht zumutbar gewesen. Insoweit hat sich die Klägerin auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 21. Juni 2007 in dem Verfahren L 5 B 504/07 KR ER gestützt. Es sei zu berücksichtigen, dass ihre Mutter nach Chemotherapie und Bestrahlung im Jahre 1982 an einem inoperablen Hirntumor verstorben sei. Sie – die Klägerin – habe die Therapie ausschließlich als Verlängerung des schmerzhaften und qualvollen Dahinvegetierens ihrer Mutter erlebt mit der Folge, dass sie selbst unter einem Schock und jahrelangen Panikattacken gelitten habe. Dr. Ba. habe in seinem auf Anforderung des Sozialgerichts erstatteten Befundbericht vom 13. November 2008 bestätigt, dass allein schon diese Vorbelastung die erfolgreiche Durchführung einer Chemotherapie aus psychischen Gründen ausschließe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass – sofern genetische Gründe die Hirntumorentwicklung begünstigt hätten - das Risiko, auf chemotherapeutische Maßnahmen mit der gleichen Nebenwirkungssensibilität wie die Mutter zu reagieren, viel zu groß sei. Demgegenüber seien mit den streitgegenständlichen Behandlungsmaßnahmen trotz Verbesserung der Überlebenschance kaum Nebenwirkungen verbunden. Dr. N. bestätige in seinem vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht vom 27. Oktober 2008, dass die Immuntherapie in Kombination mit der Hyperthermie dazu geführt habe, dass kein Rezidiv aufgetreten sei. Sie befinde sich weiterhin im Zustand einer klinischen Komplettremission. Der Umstand, dass die Hyperthermie vom G-BA von der vertragsärztlichen Versorgung ausdrücklich ausgeschlossen worden sei, schließe nicht zwangsläufig die Erstattungsfähigkeit der Behandlungskosten für die EHT aus. Die Anwendung dieser Methode bei einer Tumorerkrankung der hier vorliegenden Art sei ebenso wenig Gegenstand der Überprüfung durch den G-BA gewesen wie die Kombination mit der dendritischen Zelltherapie. Daher sei im Gerichtsverfahren auch hinsichtlich der Hyperthermie generalisierend auf das Risiko und den Nutzen der Behandlung abzustellen. Die Rechnungen von Dr. N. seien von ihr bisher lediglich in Höhe von 14.040,00 EUR, die Rechnungen für die EHT jedoch insgesamt beglichen worden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von ihr der Klägerin für die Behandlung mit Dendriticher Zelltherapie und mit Hyperthermie aufgewandten Kosten in Höhe von insgesamt 23.089,36 EUR zu erstatten sowie sie – die Klägerin – von der bei Dr. N., Institut für Tumortherapie in Duderstadt, durch Behandlung mit dendritischer Zelltherapie eingegangenen Verbindlichkeit in Höhe von noch 25.844,97 EUR zu befreien.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid bezogen.

Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte von Dr. Sa. vom 31. August 2008 nebst weiteren Arztbriefen, von Dr. N. vom 27. Oktober 2008 und Dr. Ba. vom 13. November 2008, dem u.a. die Rechnung vom 15. September 2007 (875,50 EUR) beigefügt war, eingeholt.

Mit Urteil vom 15. Juni 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist der Begründung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 24. Juli 2007 gefolgt und hat dies in seiner Entscheidung festgestellt. Ergänzend hat das Sozialgericht ausgeführt, die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BVerfG und des erkennenden Senats sei auf die hier als Rezidivprophylaxe durgeführten streitgegenständlichen Behandlungsmaßnahmen nicht anwendbar. Selbst bei Auftreten eines Rezidivs hätten nach dem Gutachten des MDK vom 13. November 2006, dem das Sozialgericht folge, Therapieoptionen in Form von Radio- und/oder Chemotherapie oder einer erneuten Operation bestanden. Die kritische Auseinandersetzung der Klägerin mit der behaupteten Gefährlichkeit und Unverträglichkeit einer Chemotherapie zugunsten der in Anspruch genommenen Therapien sei nicht zielführend, da sie diese Therapien zu einem Zeitpunkt begonnen habe, zu dem bis auf Kontrolluntersuchungen keine Therapie notwendig gewesen sei. Deshalb komme es nicht darauf an, ob die Klägerin unter Umständen eine Chemotherapie nicht vertragen hätte. Diese sei ihr zum einen nicht angeraten worden, zum anderen stehe auch die prophylaktische Durchführung einer Chemotherapie als sich konkret auf ihr Leiden anzuwendende und indizierte Therapieoption nicht in Rede. Für die Kammer sei nicht ersichtlich, dass der G-BA für Fälle der vorliegenden Art Therapieempfehlungen ausgesprochen habe, denen seitens der Beklagten nachzugehen gewesen sei. Deshalb habe von Rechts wegen für die Beklagte keine Veranlassung für eine Kostenübernahme der gewählten Behandlungsmethoden bestanden. Sie habe nach dem Leistungsrecht des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) im Einzelfall nicht die Kosten einer optimierten Behandlung ihrer Versicherten zu zahlen, sondern sei lediglich verpflichtet, die notwendige Krankenbehandlung zu gewährleisten.

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 18. November 2010 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die am 16. Dezember 2010 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Sie macht geltend, ihre behandelnden Ärzte Dr. N. und Dr. Ba. hätten bestätigt, dass auch nach Entfernung des gutartigen Hirntumors von einer lebensbedrohlichen Erkrankung und einer Behandlungsbedürftigkeit auszugehen gewesen sei. Zwar habe es vor Aufnahme der streitigen Behandlung keinen Anhaltspunkt für ein Rezidiv der Tumorerkrankung gegeben, nach den Arztberichten seien die Hygrome jedoch nur subtotal zurückgebildet gewesen. Links frontal sei ein Kompartiment nachweisbar gewesen. Nach der ärztlichen Stellungnahme von Dr. Ba. vom 13. November 2008 entdifferenziere sich ein gutartiger Hirntumor, wie er bei ihr – der Klägerin – vorgelegen habe, recht regelmäßig mit jeder postoperativen lokalen Tumorrezidivdiagnose, so dass prinzipiell von einer auf Dauer ungünstigen Prognose auszugehen gewesen sei, wenn sich das Tumorgeschehen nicht endgültig aufhalten lasse. Dr. Ba. habe weiter darauf hingewiesen, dass wegen der fehlenden Kontrastmittelanreicherung von gutartigen Hirntumoren die bilddiagnostische Kontrolle der Tumorregion durch kontrastmittelgestützte Computer- oder Kernspintomographie erschwert sei. Auch Dr. N. habe in seinem Befundbericht vom 27. Oktober 2008 für das Sozialgericht ausgeführt, dass Astrozytome des Stadiums WHO II zwar eine deutlich bessere Prognose aufwiesen, jedoch die Möglichkeit einer Rezidivbildung mit maligner Transformation in ein Astrozytom WHO III oder ein Glioblastom WHO IV einhergehend mit einer drastischen Verschlechterung der Prognose bestehe. Nach der operativen Entfernung des Hirntumors habe daher eine potentiell lebensbedrohende Erkrankung vorgelegen. Für sie – die Klägerin - hätte es angesichts dieser Situation, insbesondere weil ihre Mutter an einem Hirntumor verstorben sei, eine unzumutbare psychische Belastung dargestellt, mit einer Behandlung bis zu einer Rezidivbildung abzuwarten. Das Sozialgericht habe sich im angefochtenen Urteil nicht mit dem Vorliegen einer regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. einer lebensbedrohlichen Erkrankung auseinandergesetzt, obwohl auch Dr. O. in seinem Gutachten vom 13. November 2006 von einer 5 Jahres-Überlebensrate von 50 bis 80 % ausgegangen sei und ausgeführt habe, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 6. Dezember 2005 und des BSG im Urteil vom 4. April 2006 die Frage einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung kritisch zu diskutieren sei. Auf ausdrückliche Nachfrage eines Mitarbeiters der Beklagten habe Dr. O. zudem erklärt, es könne nicht eindeutig beantwortet werden, ob eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliege. Dies ergebe sich aus dem in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Aktenvermerk vom 8. Dezember 2006. Dennoch habe das Sozialgericht lediglich festgestellt, dass die in Bezug genommenen Gerichtsentscheidungen ihren Fall nicht beträfen und auf die seiner Auffassung nach fehlende Behandlungsbedürftigkeit abgestellt. Die Behandlungsbedürftigkeit sei jedoch nicht Kriterium der Entscheidung des BVerfG vom 6. Dezember 2005. Es sei auch zu rügen, dass das Sozialgericht weder zu der Frage des Vorliegens einer lebensbedrohlichen Erkrankung noch der Behandlungsbedürftigkeit ein Sachverständigengutachten eingeholt habe, obwohl für den Fall, dass die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen nicht für erforderlich gehalten würde, ein Antrag nach § 109 SGG angekündigt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 15. Juni 2010 und die Bescheide der Beklagten vom 18. April und 11. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr – der Klägerin – die für die Behandlung mit Dendritischer Zelltherapie und Hyperthermie aufgewandten Kosten in Höhe von insgesamt 23.089,36 EUR zu erstatten sowie sie von der bei Dr. N., Institut für Tumortherapie in D., durch Behandlung mit Dendritischer Zelltherapie eingegangene Verbindlichkeit in Höhe von noch 25.844,97 EUR zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte und die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 18. April und 11. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2007 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme der von ihr selbst beschafften und teilweise auch bereits finanzierten Immuntherapie mit dendritischen Zellen und der Hyperthermiebehandlung.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. § 13 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten darf, soweit es das SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), das hier nicht einschlägig ist, weil keine Leistungen zur Teilhabe streitig sind, vorsieht. Als Anspruchsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung bzw. Freistellung von den Behandlungskosten kommt hier nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, die die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSGE 79, 125; BSGE 97, 190; BSGE 98, 26). Der Anspruch ist demzufolge nur dann gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R -, veröffentlicht in juris). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch scheitert für die bis zum 18. April 2006 durchgeführte Immuntherapie bei Dr. N. bereits an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung. Ansprüche nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V sind nur gegeben, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen. Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. An dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und der dem Nachteil des Versicherten fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren – wie hier – nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, SozR 3-2500 § 13 Nr. 15; BSGE 96, 161; BSGE 98, 26). Dieses Verfahren ist auch zu fordern in Fällen, in denen von vornherein feststand, dass eine durch Gesetz oder Verordnung von der Versorgung ausgeschlossene Sachleistung verweigert werden würde und sich der Versicherte dadurch gezwungen gesehen hat, die Leistung selbst zu beschaffen (vgl. hierzu eingehend BSGE 98, 26; Urteil des erkennenden Senats vom 26. Mai 2011 – L 5 KR 53/09). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihre Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden Beratungsaufgaben erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen, und gegebenenfalls aufzeigen, welche Leistungen anstelle der begehrten in Betracht kommen.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren erklärt hat, die Beklagte schon vor der schriftlichen Antragstellung am 30. März 2006 mündlich kontaktiert zu haben, wird dies durch den Inhalt der Verwaltungsakte nicht belegt. Selbst wenn es aber vorher Gespräche gegeben haben sollte, ließe sich daraus nicht folgern, dass eine konkrete Befassung mit dem Leistungsbegehren der Klägerin zu diesem Zeitpunkt tatsächlich möglich war. Denn dies hätte genauerer Kenntnisse über das Krankheitsstadium der Klägerin, die bisher durchgeführten und nun geplanten Behandlungen bedurft, um prüfen zu können, ob eine Kostenübernahme in Betracht kommt.

Die noch im Verwaltungsverfahren begehrte Kostenerstattung der selbstbeschafften EHT bei Prof. Dr. G. war bereits vom bezifferten Antrag im Klageverfahren nicht mehr umfasst. Die mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2008 übersandte Aufstellung der Rechnungen und der Rechnungsbeträge, für die Erstattung bzw. Freistellung begehrt wurde, entspricht den Beträgen im Klageantrag, führt die Rechnung der P. GmbH vom 7. November 2005 aber nicht auf. Auch im Berufungsverfahren sind die insoweit angefallenen Kosten in Höhe von 1.596,54 EUR nicht geltend gemacht worden.

Für den gesamten hier streitigen Zeitraum steht der Klägerin auch deshalb ein Anspruch auf Kostenübernahme nicht zu, weil die selbst beschaffte Behandlung nicht zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Dies ergibt sich für die durchgeführte Hyperthermiebehandlung daraus, dass das Verfahren vom G-BA nach der Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung Anlage II, Nr. 42 (Beschluss vom 14. Mai 2005, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2005, Nr. 1, Seite 5, in Kraft getreten am 15. Mai 2005) von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen wurde. Die zur Anwendung gelangte EHT zählte daher nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

Hinsichtlich der Behandlung mit dendritischen Zellen fehlte es, worauf die Beklagte und ihm folgend das Sozialgericht zutreffend abgestellt haben, an der nach § 135 SGB V notwendigen Anerkennung durch den G-BA. Denn der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt. Neu ist eine Methode dann, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) enthalten ist (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 – B 1 KR 15/08 R -, SozR 4 2500 § 27 Nr. 16 m.w.N.). Gemessen daran ist die prophylaktische Immuntherapie mit dendritischen Zellen neu und als bislang nicht vom G-BA empfohlene Methode zur Vermeidung eines Rezidivs eines Hirntumors damit grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung. Selbst die adjuvante Immuntherapie einer akuten Hirntumorerkrankung gehört nicht zum Leistungskatalog der Krankenkassen.

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des G-BA bedarf, liegt nicht vor. Weder ergeben sich angesichts der Verbreitung des Krankheitsbildes Anhaltspunkte für einen Seltenheitsfall (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 27/02 R -, SozR 4 2500 § 27 Nr. 1 m.w.N.) noch für ein Systemversagen. Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des BSG eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (sog. Systemversagen). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 1 KR 24/06 R -, veröffentlicht in juris). Ein solcher Fall des Systemversagens liegt schon deshalb nicht vor, weil das Verfahren vor dem Bundesausschuss antragsabhängig ist und ein entsprechender Antrag beim Bundesausschuss nicht gestellt worden ist.

Der geltend gemachte Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch der Klägerin folgt schließlich auch nicht aus einer hier gebotenen grundrechtsorientierten Auslegung des materiellen Rechts unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Das BVerfG hat darin eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass aus dem Grundgesetz keine konkreten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsansprüche hergeleitet werden können, nur für lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankungen gemacht, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht. Eine derartige Konstellation lag bei der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum jedoch nicht vor. Die selbstbeschafften Behandlungsmaßnahmen erfolgten ausschließlich zur Rezidivprophy¬laxe. Der Hirntumor wurde am 18. November 2004 in der Neurochirurgie der C. operativ maximal entfernt. Dies wird durch den Entlassungsbericht vom 30. November 2004 belegt, der einen entsprechenden Befund im postoperativen Früh-MRT beschreibt. Deshalb wurde als weiteres Vorgehen auch lediglich eine Anschlussheilbehandlung organisiert und um Wiedervorstellung nach Abschluss der Reha bzw. MRT-Kontrollen im Abstand von sechs Monaten gebeten. Die Tumorerkrankung selbst war – worauf das Sozialgericht zutreffend abgestellt hat – zu diesem Zeitpunkt nicht mehr behandlungsbedürftig. Die weitere Verlaufskontrolle zeigte zunächst keinen Anhalt für das Auftreten eines Rezidivs. Der Radiologe Dr. W. stellte zwar fest, dass die Hygrome subtotal zurückgebildet waren und links frontal noch ein winziges Kompartiment nachweisbar war. Er interpretierte die Hygrome aber ebenso wie Dr. O. in seinem Gutachten vom 13. November 2006 nicht als Rezidiv. Auch als die Kernspintomographie im August 2007 im Vergleich zu den Voraufnahmen eine geringe Befundänderung mit leichter Größenzunahme einer pathologischen Randzone am vorderen Temporalpol links angrenzend an das Resektionsgebiet zeigte und von der Möglichkeit eines beginnenden Lokalrezidivs ausgegangen wurde, empfahl Dr. L. anlässlich der ambulanten Vorstellung der Klägerin in der C. am 17. August 2007 lediglich eine Kontrolluntersuchung in sechs Monaten und stellte für den Fall des späteren Nachweises eines Rezidivs die Möglichkeit einer erneuten Operation in Aussicht. Dieser Nachweis erfolgte jedoch zu keinem Zeitpunkt. Die Klägerin befindet sich nach ihrem eigenen Vorbringen in einem Zustand der klinischen Komplettremission. Auf die Situation einer Rezidivprophylaxe ist die Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 6. Dezember 2005 aber nicht anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R -, veröffentlicht in juris; hier wurde sogar die Anwendbarkeit bei einem Prostatakarzinom im Anfangsstadium ohne Hinweis auf metastatische Absiedlungen mangels einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung verneint.

Dabei verkennt der Senat nicht die berechtigte Sorge der Klägerin vor einer Wiedererkrankung, zumal eine Rezidivbildung des bei ihr diagnostizierten Hirntumors die Gefahr einer malignen Transformation in ein Astrozytom WHO III oder ein Glioblastom WHO IV mit der Folge einer drastischen Verschlechterung der Prognose birgt. Allein die Gefahr einer Rezidiv¬bildung und einer malignen Transformation vermag allerdings nicht die Vergleichbarkeit mit den vom BVerfG genannten Fallkonstellationen zu begründen. Sie ist allen Tumorerkrankungen immanent und hätte bei konsequenter Anwendung der Rechtsauffassung der Klägerin zur Folge, dass sämtlichen gesetzlich Krankenversicherten nach primär erfolgreich behandelten Tumorerkrankungen entsprechende Leistungen zur Prophylaxe gewährt werden müssten, obwohl nicht feststeht, ob es ohne Behandlung jemals zu einer Rezidivbildung gekommen wäre. Die Leistungen wären zunächst auch zeitlich unbegrenzt zu erbringen, denn erst eine Wiedererkrankung würde die Erfolglosigkeit der Behandlungsmethode im Einzelfall belegen. Eine so weitgehende Konsequenz kann aus der Rechtsprechung des BVerfG nicht hergeleitet werden. Diese stellt maßgeblich auf eine lebensbedrohende oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung ab. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei einem operativ zunächst erfolgreich behandelten Astrozytom WHO II möglicherweise nur eine 5-Jahres-Überlebensrate von 50 bis 80 % anzunehmen ist, kann hier eine "regelmäßig" tödlich verlaufende Erkrankung aufgrund der dargestellten objektiven Befundlage während des streitbefangenen Behandlungszeitraumes bei der Klägerin nicht angenommen werden. Unabhängig davon könnte auch erst beim Auftreten eines Rezidivs und sicherer Kenntnis vom Ausmaß der erneuten Erkrankung beurteilt werden, ob eine der Klägerin zumutbare medizinische Standardtherapie zur Verfügung stünde oder mangels Behandlungsalternative ausnahmsweise ein Leistungsanspruch aus dem Grundgesetz auf Therapien herzuleiten wäre, die den selbstbeschafften Therapien entsprechen. Schließlich steht als medizinische Standardtherapie bei einer Hirntumorerkrankung nicht nur die Radio- oder Chemotherapie, sondern grundsätzlich auch eine Operation zur Verfügung. Darauf hat bereits Dr. L. in seinem Bericht vom 28. August 2007 hingewiesen. Diese kann – sofern es sich nicht um einen glialen Tumor handelt, der stets rezidiviert - auch kurativ sein, wie Dr. O. in seinem Gutachten vom 13. November 2006 ausgeführt hat. Daraus folgt zugleich, dass auch die durchgeführte Operation am 18. November 2004 die Erkrankung der Klägerin durchaus dauerhaft geheilt haben kann. Solange aber noch nicht einmal mit Gewissheit feststeht, dass die bisherige schulmedizinische Behandlung nicht zu dem gewünschten dauerhaften Heilerfolg geführt hat, ist für einen Leistungsanspruch mit dem eine Therapie begehrt wird, die nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist, von vornherein kein Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

- - -
Rechtskraft
Aus
Saved