L 9 KR 563/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 2302/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 563/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Arbeitsunfähigkeit kann nicht rückwirkend, d. h. für Zeiträume vor dem Tag ihrer ärztlichen Feststellung, bescheinigt werden. Dass die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses dies in § 5 Abs. 3 Satz 2, § 6 Abs. 2 Satz 1 dennoch zulassen, ist ohne Belang.

2. In die Anspruchshöchstdauer von 78 Wochen sind keine Tage einzubeziehen, für die eine Krankenkasse Krankengeld wegen unzureichender Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen nicht vorgelegen haben.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 12. November 2004, 08. März 2005 und 13. Mai 2005, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. September 2005, geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Krankengeld für die Zeiträume vom 14. bis 17. Februar 2005 und vom 01. April bis 24. Juni 2005 zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das gesamte Verfahren zur Hälfte. Im Übrigen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt zuletzt noch Krankengeld für die Zeiträume vom 14. bis 17. Februar 2005 und vom 01. April bis 24. Juni 2005.

Die 1960 geborene Klägerin ist als Lehrerin bei der R K-Institut B im D B gGmbH angestellt. Diese leistete in der Zeit vom 5. Juni 2002 bis 16. Juli 2002 Entgeltzahlung im Krankheitsfall. Vom 17. Juli bis 20. Oktober 2002 und vom 3. Dezember 2002 bis 30. November 2003 bezog die Klägerin von der Beklagten Krankengeld. Die zugrunde liegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, welche die Beklagte dem Senat nicht im Original, sondern nur noch als EDV-Auszüge vorgelegt hat, wurden von drei unterschiedlichen Vertragsärzten und zwei Krankenhäusern ausgestellt und nannten – teils einzeln, teils in unterschiedlicher Kombination – folgende Diagnosen: - F 32.0 leichte depressive Episode - F 33 rezidivierende depressive Störung - F 33.1 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode - F 41.0 Panikstörung (episodische paroxysmale Angst) - F 41.2 Angst und depressive Störung, gemischt - F 41.3 andere gemischte Angststörungen - F 41.9 Angststörung, nicht näher bezeichnet - F 45.3 somatoforme autonome Funktionsstörung Nach den Angaben in diesen Bescheinigungen wurde Arbeitsunfähigkeit überwiegend nur bis zum jeweiligen Ausstellungstag bescheinigt. Für den 15. und 16. Juli 2003 wurde die Arbeitsunfähigkeit nur mit den Diagnosen "verhaltene Fehlgeburt" (O 02.1) und "Schwangerschaftsdauer 5 bis 13 vollendete Wochen" (O 09.1) begründet.

In der Sch-Klinik wurde die Klägerin vom 19. Juni bis 29. Juli 2002 vollstationär und anschließend bis zum 15. August 2002 teilstationär behandelt. Zwischen dem 21. Oktober und 2. Dezember 2002 nahm die Klägerin an einer vom Rentenversicherungsträger bewilligten stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik am H teil und bezog Übergangsgeld. Seit Oktober 2002 befindet sich die Klägerin außerdem mit Unterbrechungen in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung (Umwandlung in einer Langzeittherapie im August 2003, weitere Bewilligungen im Mai 2004, Januar 2005, Juli 2007 und Dezember 2008).

Ab dem 16. September 2004 wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit von verschiedenen Ärzten bescheinigt. Hierbei wurden neben einer Erkältungskrankheit unterschiedliche Diagnosen auf orthopädischem, neurologischem und psychiatrischem Gebiet angegeben.

Im Jahr 2005 stellte sich die Verteilung von Fehl- und Ferienzeiten nach Angaben der Arbeitgeberin der Klägerin wie folgt dar:

03.01.05 (Montag) bis 17.02.05 (Donnerstag) arbeitsunfähig 18.02.05 (Freitag) unterrichtsfrei 21.02.05 (Montag) bis 21.03.05 (Montag) arbeitsunfähig 23.03.05 (Mittwoch) bis 01.04.05 (Freitag) Schulferien 23.06.05 – 06.08.05 Schulferien

Die Klägerin erhielt Arbeitsentgelt, teilweise im Rahmen der Entgeltfortzahlung, vom 16. September 2004 bis zum 13. Februar 2005.

Mit Schreiben vom 12. November 2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Krankengeldanspruch nur noch bis zum 21. Oktober 2004 bestehe und die für sie geltende 3-jährige Rahmenfrist sich vom 5. Juni 2002 bis zum 4. Juni 2005 erstrecke. Anschließend befragte die Beklagte die die Klägerin behandelnden Ärzte, ob die Arbeitsunfähigkeit, die für Zeiträume ab dem 16. September 2004 bescheinigt worden sei, auf derselben Krankheit wie die Arbeitsunfähigkeit in den Jahre 2002 und 2003 beruhe. In der Folgezeit teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 16. Februar 2005, gestützt auf eine Stellungnahme der MDK-Ärztin Dr. K vom gleichen Tage, mit, dass ihre Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich zum 17. Februar 2005 beendet werden könne, und lehnte mit Schreiben vom 8. März 2005 die Gewährung von Krankengeld für die "Arbeitsunfähigkeit ab 21.02.2005" ab.

In einem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 26. April 2005 kam die Fachärztin für Physiotherapie/Sozialmedizin Dr. F zum Ergebnis, dass "bei den vorliegenden AU-Zeiten ei¬n¬e durchgehende Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung (somatoforme Störungen, Angst- und depressive Störung) seit dem 16. September 2004 gesehen" werde. Eine zwischenzeitliche Linderung sei nicht eingetreten; der MRT-Befund der Halswirbelsäule reiche nicht aus, eine Arbeitsunfähigkeit zu begründen. Unter Bezugnahme auf dieses Gutachten teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 13. Mai 2005 mit, dass von einer durchgehenden Erkrankung seit dem 16. September 2004 auszugehen sei und "für diese Arbeitsunfähigkeit nach Eintritt des Leistungsendes am 21. Oktober 2004 kein Krankengeldanspruch" bestehe.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch brachte die Klägerin vor, sie sei während der Herbstferien 2004, der Weihnachtsferien 2004 sowie während der Osterferien 2005 nicht arbeitsunfähig gewesen, sondern habe, teilweise durchgängig, gearbeitet (Unterrichtsvorbereitung, Unterrichtskonzepte erarbeitet, Abstimmungen mit Kollegen). Lediglich während der Winterferien vom 24. bis 31. Januar 2005 sei sie arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Freitags habe sie keinen Unterricht, sei aber dennoch in der Schule gewesen (insbesondere am 17. Februar 2005) und habe dort organisatorische Arbeiten erledigt. Auch während der Pfingstferien sei sie arbeitsunfähig gewesen. Beigefügt hatte sie u.a. ein ärztliches Attest der Praxis Dr. M-F u.a. vom 20. Mai 2005, demzufolge sie wegen der Diagnosen HWS-Syn¬drom, LWS-Syndrom, dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen in der Zeit vom 11. April bis zum 9. Mai 2005 arbeitsunfähig gewesen sei.

Im Zeitraum vom 4. Mai 2005 bis 16. Juni 2005 wurde die Klägerin im H Klinikum E-v-B stationär behandelt; der Entlassungsbericht dieses Krankenhauses vom 1. September 2005 nennt die Diagnosen Anpassungsstörung, rezidivierende depressive Episode z. Zt. mittelgradig mit starker Somatisierung, chronisch rezidivierende Zervikobrachialgien und Hashimoto-Thy¬re¬o¬iditis.

Ab dem 25. Juni 2005 war die Klägerin nach eigenen Angaben wieder als Lehrerin tätig.

Ihren o.g. Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2005 zurück, weil die Klägerin im maßgeblichen 3-Jahres-Zeitraum vom 5. Juni 2002 bis zum 4. Juni 2005 wegen derselben Krankheit für 78 Wochen Krankengeld bezogen habe. Nach dem Krankengeldbezug vom 17. Juli 2002 bis zum 30. November 2003 sei der Anspruch unter Anrechnung der Zeiten der Entgeltfortzahlung am 21. Oktober 2004 erschöpft gewesen.

Im anschließenden Klageverfahren stellte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Klägerin ein Krankengeldanspruch für die Zeiträume vom 16. September 2004 bis 24. September 2004, vom 25. September 2004 bis 1. Oktober 2004, vom 22. November 2004 bis 23. Dezember 2004, vom 3. Januar 2005 bis 17. Februar 2005 und vom 1. April 2005 bis 24. Juni 2005 zusteht.

Mit Urteil vom 17. August 2007 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zu Begründung aus: Die Anfechtungsklage sei unbegründet, weil es sich bei den für den Zeitraum vom 16. Sep¬¬tember 2004 bis 24. Juni 2005 diagnostizierten Krankheiten um "dieselbe" Krankheit wie die für den Zeitraum vom 5. Juni 2002 bis zum 30. November 2003 festgestellte Krankheit gehandelt habe. Die Feststellungsklage sei für die Zeiträume vom 16. September 2004 bis zum 24. September 2004 und vom 25. September 2004 bis zum 1. Oktober 2004 mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil die Beklagte über einen vor dem 22. Oktober 2004 liegenden Zeitraum keine Entscheidung getroffen habe. Darüber hinaus sei die Feststellungsklage für den gesamten Zeitraum unzulässig, da nach dem Grundsatz der Subsidiarität die Leistungsklage Vorrang vor der Feststellungsklage habe. Die Klägerin hätte unabhängig von konkret benennbaren Zeiträumen hinsichtlich der Krankengeldgewährung mittels einer Leistungsklage ihre Rechte verfolgen können.

Gegen dieses ihr am 29. August 2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 28. September 2007, zu deren Begründung sie vorbringt: Bei ihr sei am 4. September 2004 erstmals eine euthyreote Struma nodosa und eine Hashimoto-Thyreoiditis diagnostiziert worden. Hieraus könnten sich – was ihr nicht bekannt gewesen sei – gesundheitliche Probleme ergeben, die einem Zervikalwurzelsyndrom entsprächen. Der Endokrinologin seien ihre weiteren Symptome nicht bekannt gewesen. Erst 2006 bzw. 2007 habe sie einen Zusammenhang mit den Vorerkrankungen hergestellt. Das Sozialgericht sei auch rechtsfehlerhaft von einer psychischen Erkrankung als Ersterkrankung ausgegangen, letztere sei jedoch eine biomechanische Funktionsstörung im Zervikalbereich (M 99.81) gewesen. Letztlich sei die gesamte Erkrankung Ausdruck der Schilddrüsenerkrankung, welche nicht im Zusammenhang mit der depressiven Störung im Jahre 2002 stehe, die Folge einer Spätgeburt und eines sich daraus ergebenen operativen Eingriffs gewesen sei. Ein Hashimoto-Syndrom könne sich durch eine Vielzahl von Symptomen zeigen, die auch als Symptome einer psychischen Erkrankung fehl gedeutet werden könnten. Ab dem 21. Februar 2005 sei eine auf einer F-Diagnose beruhende Erkrankung hinzugetreten. Aus der Durchführung einer Psychotherapie abzuleiten, es habe eine durchgehende psychische Erkrankung vorgelegen, sei unseriös und diffamierend. Nach der Substitution der endokrinologischen Erkrankungen mit L-Thyroxin sei keine Arbeitsunfähigkeit wegen einer psychischen Erkrankung mehr aufgetreten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 12. November 2004, 08. März 2005 und 13. Mai 2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. September 2005, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Krankengeld für die Zeiträume vom 14. bis 17. Februar 2005 und vom 01. April bis 24. Juni 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: Für eine durchgängige psychische Erkrankung der Klägerin sprächen zum einen die seit Oktober 2002 fast fortlaufend durchgeführte und zuletzt am 10. Dezember 2008 weiter bewilligte Psychotherapie sowie der stationäre Krankenhausaufenthalt im Mai und Juni 2005 aufgrund einer psychischen Erkrankung. Es sei fraglich, ob die Schilddrüsenerkrankung überhaupt zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe, denn Dr. K habe die ab dem 16. September 2004 bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht mit einer Schilddrüsenerkrankung begründet, obwohl ihm der an ihn gerichtete Arztbrief der Endokrinologin Dr. S vom 4. September 2004 bekannt gewesen sei. Sie – die Beklagte – erfasse "jede einzelne Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung nach Eingang in der EDV, insbesondere hinsichtlich des Ausstellungsdatums, der darin aufgeführten Diagnosen, des ausstellenden Arztes, der bestätigten Zeiträume etc."

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Verwaltungsakten und EDV-Auszüge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und im Umfang des zuletzt noch gestellten Antrags auch begründet. Bezüglich der Zeiträume 14. bis 17. Februar 2005 und 1. April bis 24. Juni 2005 hätte die Klage nicht abgewiesen werden dürfen. Insoweit sind die Bescheide der Beklagten rechtswidrig, da ein Anspruch der Klägerin auf Krankengeld besteht.

I) Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass die Klägerin von einem Feststellungsantrag im Klageverfahren zu einem Leistungsantrag im Berufungsverfahren übergangen ist. Es stellt keinen Fall einer Klageänderung i.S.v. § 99 SGG dar, wenn die Klage ohne Änderung des Klagegrundes in der Hauptsache erweitert wird (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG), wie z.B. beim Übergang von einer Fest¬stel¬lungs- auf eine Leistungsklage zu (Meyer-Ladewig/Kel¬ler/ Lei¬therer Sozialgerichtsgesetz, 9.A., § 99 Rd. 4 m.w.N.). Eine Änderung des Klagegrundes besteht in einer Änderung des dem Klageantrags zugrunde liegenden Lebenssachverhalts (a.a.O. Rd. 2b m.w.N.). Wird jedoch – wie im hiesigen Fall – der bisherige Sachverhalt, auf den die ursprüngliche Klage gestützt wurde, nicht geändert und hat auch die Anspruchsgrundlage keine andere Fassung erhalten, bleibt der Klagegrund derselbe (vgl. BSG, Urteile vom 17. Mai 1983, Az.: 7 RAr 13/82, und vom 20. September 1989, Az.: 7 Rar 110/87, jeweils veröffentlicht in Juris und m.w.N.).

II) Die Berufung ist auch begründet. Soweit die angegriffenen Bescheide der Beklagten einen Anspruch der Klägerin auf Krankengeld auch für die (nur noch) streitigen Zeiträume vom 14. bis 17. Februar 2005 und 1. April 2005 bis 24. Juni 2005 abgelehnt haben, sind sie rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren subjektiven Rechten.

a) Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte u.a. dann Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Das Gesetz erläutert nicht näher, was es mit dem Begriff der "Arbeitsunfähigkeit" meint. Nach dem Wortsinn muss der Versicherte durch eine Erkrankung gehindert sein, seine Arbeit weiterhin zu verrichten. Hat der Versicherte im Beurteilungszeitpunkt einen Arbeitsplatz inne, kommt es darauf an, ob er die dort an ihn gestellten gesundheitlichen Anforderungen noch erfüllen kann (BSG, Urteil vom 19. September 2002, Az.: B 1 KR 11/02 R, veröffentlicht in juris, m.w.N.). In Übereinstimmung mit beiden Beteiligten geht der Senat davon aus, dass die Klägerin in den o.g. Zeiträumen aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, ihre Beschäftigung als Lehrerin auszuüben.

b) Darüber hinaus setzt ein Anspruch auf Krankengeld die vorherige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt voraus (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Wird – wie durch die Beklagte – Krankengeld zeitabschnittsweise gewährt, muss auch jedem Zeitabschnitt, für den ein Versicherter Krankengeld geltend macht, eine entsprechende ärztliche Feststellung vorausgehen (BSG, Urteil vom 22. März 2005, Az.: B 1 KR 22/04 R, veröffentlicht in juris, m.w.N.). Entsprechende Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen liegen – wie aus dem Tatbestand ersichtlich – für die o.g. Zeiträume vor.

c) Der Anspruch ist nicht durch § 48 SGB V ausgeschlossen.

aa) Nach Abs. 1 dieser Vorschrift erhalten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert. Bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes werden Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Zeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben unberücksichtigt (§ 48 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB V).

bb) Soweit die Beklagte unter Berufung auf diese Bestimmungen einen über den 21. Oktober 2004 hinausreichenden Anspruch der Klägerin auf Krankengeld abgelehnt hat, ist dies nach den dem Senat zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat der Klägerin nach eigenen und offensichtlich zutreffenden Angaben für die Zeiträume 17. Juli bis 20. Oktober 2002 und 3. Dezember 2002 bis 30. November 2003 Krankengeld gezahlt. Sie sieht daher und wegen der nach § 48 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB V zu berücksichtigenden Zeiträume vom 5. Juni bis 16. Juli 2003 (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) und vom 21. Oktober bis 2. Dezember 2002 (Zahlung von Übergangsgeld durch den Rentenversicherungsträger) die Anspruchshöchstdauer von 78 Wochen (= 546 Tage) innerhalb der vom 5. Juni 2002 bis zum 4. Juni 2005 reichenden Rahmenfrist mit 538 Tagen als erfüllt an. Die Berechnung in ihrem Schriftsatz vom 11. November 2011 ist zwar fehlerhaft, weil richtigerweise bereits 543 Tage "belegt" wären. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn die Beklagte hat in ihre Berechnung zahlreiche Tage zwischen dem 5. Juni 2002 und dem 30. November 2003 einbezogen, für die sie Krankengeld gezahlt hat, ohne dass ein Anspruch auf diese Leistung bestanden hätte. Diese Tage durften daher nach § 48 Abs. 3 Satz 2 SGB V nicht in die Berechnung der Anspruchshöchstdauer von 78 Wochen einfließen.

(1) Die von der Beklagten eingereichten EDV-Auszüge, die sie dem o.g. Schriftsatz beigefügt hatte, geben nach ihren Angaben die Daten der originalen Arbeitsunfähigkeit-Bescheini¬gun¬gen vollständig und zutreffend wieder. Nach diesen EDV-Auszügen wurde zwar für alle 72 Kalendertage vom 5. Juni bis zum 15. August 2002, bezüglich des anschließenden Zeitraums aber nur für folgende Tage 101 Kalendertage Arbeitsunfähigkeit bescheinigt: 28. August 2002, 27. September 2002, 18. Oktober 2002, 21. Oktober bis 2. Dezember 2002, 20. Dezember 2002, 15. Januar 2003, 31. Januar 2003, 24. Februar 2003, 12. März 2003, 28. März 2003, 15. April 2003, 28. April 2003, 30. April 2003, 22. Mai 2003, 5. Juni 2003, 18. Juni 2003, 2. Juli 2003, 15./16. Juli 2003, 18. Juli 2003, 5. August 2003, 15. August 2003, 28. August 2003, 16. September 2003, 30. September 2003, 13. Oktober 2003, 29. Oktober bis 30. November 2003. Denn nach den meisten der eingereichten EDV-Auszügen reichten die an den o.g. Einzeltagen ausgestellten Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen nur bis zu eben diesem (Ausstellungs-)Tag. Hintergrund hierfür dürfte sein, dass nach dem Verständnis der Beklagten (und wohl auch anderer Krankenkassen) nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit nur noch für vergangene Zeiträume vorzunehmen ist mit der Folge, dass auch nur für diese bereits abgelaufenen Zeiträume Krankengeld gezahlt wird. Hierauf weist jedenfalls die von der Beklagten herausgegebene Broschüre "Krankengeld" (abrufbar unter http://dak.de/con¬tent/files/Kran¬ken¬geld wissen was laeuft.pdf; recherchiert am 18. November 2011) hin, die u.a. folgende Hinweise enthält:

"Krankengeld wird immer bis zu dem Tag gezahlt, an dem der behandelnde Arzt den jeweiligen Auszahlschein ausgestellt hat. Eine Zahlung über diesen Tag hinaus ist nicht möglich, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit andauert.

Grundsätzlich sollte sich der Auszahlungszeitraum des Krankengeldes an der Entgeltzahlung des Arbeitgebers orientieren. Der Auszahlschein sollte daher monatlich eingereicht werden."

Diese Hinweise sind weitgehend fehlerhaft.

(a) Ein Anspruch auf Krankengeld kann regelmäßig nur für zukünftige, der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgende Zeiträume begründet werden, wie sich insbesondere aus der vom BSG äußerst streng ausgelegten Vorschrift des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ergibt (hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, Az.: B 1 KR 8/07 R, veröffentlicht in juris, m.w.N.). Die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit mit Wirkung für die Zukunft ist stets mit einer Prognose verbunden, die zwar in der Regel umso unsicherer sein mag, je weiter sie in die Zukunft reicht (BSG, Urteil vom 08. November 2005, Az.: B 1 KR 18/04 R, veröffentlicht in juris). § 6 Abs. 2 Satz 2 der vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V erlassenen Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) in der im Jahre 2006 geltenden Fassung erlaubt jedoch die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Entgeltfortzahlung auch für längere Zeiträume, wenn dies aufgrund der Erkrankung oder eines besonderen Krankheitsverlaufs offensichtlich sachgerecht ist. Soweit demgegenüber Satz 1 dieser Regelung vorsieht, dass die Bescheinigung für die Krankengeldzahlung in der Regel nicht zu einem mehr als 7 Tage zurückliegenden und nicht mehr als 2 Tage im Voraus liegenden Zeitraum erfolgen soll, steht dies ¬&61485; ebenso wie die in § 5 Abs. 3 Satz 2 AU-RL geregelte Befugnis von Vertragsärzten, im Ausnahmefall Arbeitsunfähigkeit auch rückwirkend zu attestieren &61485; in offensichtlichem Widerspruch zu § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V und ist daher ohne Belang (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, Az.: B 1 KR 37/06 R, veröffentlicht in juris, m.w.N.).

(b) Mit dieser gesetzlichen Konzeption des Krankengeldanspruchs sind die Hinweise der Beklagten in ihrer o.g. Broschüre in keiner Weise zu vereinbaren. Soweit die Beklagte darin zum Ausdruck bringt, dass anhand des Auszahlscheins Arbeitsunfähigkeit nur noch für die Vergangenheit bescheinigt werde, verkehrt sie die skizzierte gesetzliche Konzeption in ihr Gegenteil (zu einem den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Vordruck s. das nur im Primärkassenbereich anzuwendende Muster 17 der Anlage 2 ("Vereinbarung über Vordrucke für die vertragärztliche Versorgung mit Erläuterung") zum Bundesmantelvertrag-Ärzte). Gleiches gilt für die Empfehlung der Beklagten in ihren beiden o.g. Schreiben, den Vordruck für die Auszahlung von Krankengeld nur einmal monatlich dem behandelnden Arzt vorzulegen. Denn zur Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruches, insbesondere nach Beendigung eines die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V begründenden Beschäftigungsverhältnisses, ist es regelmäßig &61485; von seltenen Ausnahmefällen abgesehen (hierzu BSG, Urteil vom 08. November 2005, a.a.O., m.w.N.) &61485; erforderlich, spätestens am letzten Tag des zuvor bescheinigten Arbeitsunfähigkeits-Zeitraums einen Arzt aufzusuchen, um die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen.

(c) Ob angesichts solcher Hinweise, die gegenüber Versicherten die Rechtslage grob fehlerhaft darstellen, geringere Anforderungen an die Entstehung eines Krankengeldanspruchs zu stellen sind (zu einem solchen Fall: Senat, Urteil vom 31. März 2010, Az.: L 9 KR 230/08, veröffentlicht unter www.sozialgerichts¬bar¬keit.de), muss im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Jedenfalls sind die o.g. Arbeitsunfähigkeits-Beschei¬ni¬gungen, die diesen fehlerhaften Hinweisen – abgesehen von den Bescheinigungen vom 21. Oktober 2002 und vom 29. Oktober 2003 – entsprechen, nicht geeignet, eine Arbeitsunfähigkeit für mehr als die o.g. 101 Tage zu belegen. Existiert aber keine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung, besteht für die entsprechenden Tage kein Anspruch auf Krankengeld. Solche Tage können daher in die Anspruchshöchstdauer von 78 Wochen nicht einbezogen werden.

(2) Das Vorbringen des Terminvertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist für diesen nicht nachvollziehbar und führt daher zu keinem anderen Ergebnis.

Der Terminsvertreter der Beklagten behauptete sinngemäß, die Übertragung der Daten aus den (möglicherweise inzwischen vernichteten) originalen Arbeitsunfähigkeits-Beschei¬ni¬gun¬gen in die EDV sei nur in der Form möglich, dass das Ausstellungsdatum auch in die Zeile "AU bis (vorauss.)" übernommen werde. Hierfür mag sprechen, dass vielfach auch in den nachfolgenden Zeilen "eingegangen am" und "erfaßt am" das Ausstellungsdatum erscheint, obwohl es bei lebensnaher Betrachtung wenig wahrscheinlich ist, dass eine Vielzahl von Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen noch am Tag ihrer Ausstellung bei der Krankenkasse eingeht und dort weiterverarbeitet wird. Die Behauptung des Terminsvertreters der Beklagten weicht jedoch nicht nur von den Angaben der Prozessabteilung der Beklagten im Schriftsatz vom 11. November 2011 ab, wonach u.a. "die bestätigten Zeiträume" in der EDV erfasst werden. Sie überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Beklagte auch EDV-Auszüge von Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen (so vom 5. Juni 2002, 10. Juni 2002, 19. Juni 2002, 29. Juli 2002, 21. Oktober 2002, 29. Oktober 2003 und 27. November 2003) eingereicht hat, denen ein mehrere Tage umfassender Arbeitsunfähigkeits-Zeitraum zu entnehmen ist, das Ausstellungsdatum also gerade nicht zwangsläufig in die Zeile "AU bis (vorauss.)" übernommen wurde. Der EDV-Auszug für die am 5. Juni 2002 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit belegt sogar, dass unterschiedliche Tage für Beginn und Ende des bescheinigten Zeitraums, für den Eingang bei der Beklagten und für die Erfassung bei dieser eingegeben werden können.

cc) Somit sind in die Berechnung der Anspruchshöchstdauer von 78 Wochen (= 546 Tage) aus dem Zeitraum zwischen dem 5. Juni 2002 und dem 30. November 2003 insgesamt lediglich (72 + 101 =) 173 Kalendertage einzubeziehen. Durch die weiteren 89 Kalendertage für die Zeiträume 14. bis 17. Februar 2005 und 1. April bis 24. Juni 2005 wird die Anspruchshöchstdauer somit nicht überschritten, wobei zu Lasten der Klägerin sogar angenommen werden kann, es habe sich stets um dieselbe Krankheit i.S.v. § 48 Abs. 1 SGB V gehandelt. III) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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