L 5 AS 276/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 11 AS 610/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 276/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts vom 17. Mai 2010 wird aufgehoben.

Die Kostenentscheidung bleibt einer Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts, ihm für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einen Prozesspfleger zu bestellen. In der Sache begehrt er Förderungen nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches – Arbeitsförderung (SGB III) und des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).

Der Antragsgegner gewährt ihm seit Januar 2005 laufend Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).

Bereits im Frühjahr 2008 hatte der 2. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt eine Begutachtung des Antragstellers in fünf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch einen Sachverständigen wegen Zweifeln an dessen Prozessfähigkeit angeordnet. Nach dem Erlass der Beweisanordnung hatte der Antragsteller vier der fünf Rechtsschutzgesuche zurückgenommen. Eine Untersuchung durch den bestellten Gutachter, Dr. G , hatte nicht stattgefunden, da der Antragsteller zu den anberaumten Untersuchungsterminen nicht erschienen war. Hinsichtlich des Inhaltes des am 3. März 2008 nach Aktenlage erstellten Gutachtens wird auf Bl. 129 ff der Gerichtsakte L 2 B 74/07 AS ER verwiesen. Das Landessozialgericht hatte im Beschluss vom 29. April 2008 gestützt darauf die Prozessfähigkeit des Antragstellers angenommen. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des den Beteiligten bekannten Beschlusses Bezug genommen.

Das Sozialgericht hat wegen seiner Zweifel an der Prozessfähigkeit des Antragstellers im März 2009 versucht, diesen einer entsprechenden Begutachtung zuzuführen. Es hat sich nach eigenen Ausführungen durch eine ergänzende medizinische sachverständige Meinung erhofft, im vorliegenden Fall eine breitere Grundlage für die Entscheidung zu gewinnen, ob unzweifelhaft Prozessfähigkeit beim Antragsteller vorliege oder ob Zweifel blieben und ein besonderer Vertreter bestellt werden müsse. Ausweislich des Anschreibens des Sozialgerichts an den Gutachter, habe der erste Eindruck, den es vom Antragsteller im Termin gewinnen konnte, die außergewöhnlichen Verhaltensweisen des Antragstellers in den Prozessen nicht vermuten lassen.

Ferner hat das Sozialgericht beim Amtsgericht M. eine Betreuung angeregt. Da sich der Antragsteller jedoch im Rahmen eines Betreuungsverfahrens nicht untersuchen lassen wollte, hat dieses Verfahren zu keinem Ergebnis geführt.

Der Antragsteller hat keinen der vom Sozialgericht bestellten Sachverständigen anberaumten Untersuchungstermine wahrgenommen. Da die Frage nach der Prozessfähigkeit nur mit einer Untersuchung des Antragstellers möglich sei, hat der Gutachter sich nicht in der Lage gesehen, zur Frage der Prozessfähigkeit Stellung zu nehmen.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 17. Mai 2010 dem Antragsteller für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller sei nicht prozessfähig. Da er sich beharrlich geweigert habe, zu den vom Gutachter bestimmten Untersuchungsterminen zu erscheinen - eine tragfähige Entschuldigung habe er nicht vortragen können -, trage er die objektive Beweislast für das Vorliegen seiner Prozessfähigkeit.

An dieser verblieben erhebliche Zweifel, die auch bei Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht auszuräumen gewesen seien. Er verhalte sich querulatorisch. Sein die Grenzen vernunftgesteuerten Verhaltens überschreitendes Handeln habe bereits zu einer Selbstschädigung geführt. So schulde er dem Land aus verschiedenen kostenpflichtigen Verfahren vor den Gerichten des Landes ( ) mittlerweile Gerichtskosten in Höhe von knapp 26.000 EUR. Schaden habe er sich auch durch den Verlust seiner anlässlich einer Zwangsräumung eingelagerten Sachen zugefügt. Das habe dazu geführt, dass er aus Steuermitteln neu mit Mitteln zur Anschaffung von Haushaltsgeräten und Möbeln ausgestattet werden musste. Hinsichtlich der Einzelheiten zum Geschehen um die Zwangsräumung verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 5, 7, 25, 26 des Beschlusses des Sozialgerichts.

Der Antragsteller prozessiere vor dem Sozialgericht aus reinem Selbstzweck. Seit April 2006 habe er eine ungezügelte Prozessflut produziert. Er habe 840 Verfahren beim Sozialgericht M.eingereicht. Allein im Jahr 2010 habe er 286 (nur im März 2010 171 Verfahren, davon 139 ER-Verfahren) anhängig gemacht. Auch greife er immer wieder Streitgegenstände auf, zu denen es bereits Entscheidungen des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts gebe. Werde in Verfahren seinen Begehren ganz oder teilweise entsprochen, reagiere der Antragsteller nicht angemessen auf den Prozessstand (z.B. durch Antragsrücknahme oder Erledigungserklärung). Aufgrund der Vielzahl der Verfahren habe er den Überblick verloren. Bereits mit der Eingangsbestätigung des Gerichts mitgeteilte Aktenzeichen könne er nicht mehr seinen Begehren zuordnen. Sein – oft wirres, zum Teil absurdes (etwa 500 EUR oder 1000 EUR pro Tag Schadenersatz) – Vorbringen zur Sache, das sich nur in Nuancen unterscheide und phrasenhaft anmute, münde unmittelbar in wüste Vorwürfe und Beschimpfungen der Mitarbeiter des Antragsgegners und des Kammervorsitzenden. Es gipfele in stereotyp vorgetragenen abstrusen Kausalitätsketten wie etwa dem Vorwurf des Betruges, der Körperverletzung bis zum Mordversuch. Seine absurde aggressive Intensität lasse sich auch an der Flut von strafrechtlichen Vorwürfen gegenüber allen, die mit seinen Angelegenheiten befasst oder sogar nicht befasst sind, ablesen. Gegen den ihm am 16. Juni 201 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 5. Juli 2010 Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin R beantragt. Zudem hat er zum wiederholten Male den 5. Senat u.a. wegen Prozessbetruges als befangen abgelehnt. Zum Nachweis seiner Prozessfähigkeit hat er sich auf die diverse ärztliche Gutachten bezogen. Auf mehrfache Aufforderung des Senats, die Gutachten vorzulegen oder eine Einverständniserklärung zur Beiziehung derselben zu geben, hat der Antragsteller nicht reagiert. Er hat ferner vorgetragen, das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt habe ihn für prozessfähig erklärt. Die von ihm genannten Beschlüsse (3 O 25/11, 3 M 234/11, 3 O 235/11) hat der Senat beigezogen. Hinsichtlich des Inhaltes wird auf Bl. 585 ff der Gerichtsakte Bezug genommen.

In einem Strafverfahren gegen den Antragsteller (16 Ds 156 Js 44325/08 (222/08)), in dem er wegen Beleidigung angeklagt und wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen worden war, hat das Amtsgericht M. ein Gutachten von dem Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dr. P., zu seiner Schuldfähigkeit eingeholt. Zur Begutachtung ist er für drei Tage in das H. Klinikum W eingewiesen worden. Der Senat hat, um alle Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen und vor dem Hintergrund der Weigerung des Antragstellers, selbstständig Untersuchungstermine wahrzunehmen, den vom Amtsgericht bestellten Gutachter mit der Begutachtung des Antragstellers zu dessen Prozessfähigkeit beauftragt. Der Gutachter sollte die Frage beantworten, ob beim Antragsteller eine psychische Störung oder eine körperliche geistige oder seelische Behinderung nicht nur vorübergehender Art bestehe, ob auch partiell - Störungen der Wahrnehmung, der Einsichtsfähigkeit oder der Willensbildung und/oder -betätigung vorlägen sowie Aussagen darüber treffen, ob mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne, dass vorhandene Erkrankungen zu einem Ausschluss der freien Willensbildung bei der Führung sozialgerichtlicher Verfahren führen könnten. Hinsichtlich des Inhalts dieses Gutachtens wird auf Bl. 400 ff der Gerichtsakte Bezug genommen, hinsichtlich des ebenfalls beigezogenen Gutachtens zur Schuldfähigkeit vom 31. August 2011 auf Bl. 527 ff der Gerichtsakte. Der Senat hat zudem zu dem vom Antragsgegner ausgesprochenen Hausverbot von diesem nähere Erkundigungen eingeholt. Insoweit verweist der Senat auf Bl. 494 ff der Gerichtsakte.

Trotz mehrfacher Hinweise hat der Antragsteller keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu den Akten gereicht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze des Beteiligten nebst Anlagen in der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt insbesondere der Akten der Verfahren L 2 B 74/07 AS ER und S 11 AS 2180/08 ER verwiesen.

II.

Der Senat war nicht gehindert, aufgrund des vom Antragsteller gegen ihn gestellten Antrags auf Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit zu entscheiden. Der Befangenheitsantrag war als unzulässig zu verwerfen. Es wird zur Begründung auf die Ausführungen des erkennenden Senats in dem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 25. September 2009, L 5 B 344/08 AS ER, verwiesen. Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt Beschwerde des Antragstellers ist nach § 172 SGG zulässig und zwar unabhängig davon, ob er prozessfähig ist oder nicht. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist anerkannt, dass ein Prozessunfähiger für ein Rechtsmittel, mit dem er eine seine Prozessunfähigkeit feststellende Entscheidung angreift, als prozessfähig zu behandeln ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1965, 5 C 117.63, Buchholz 310, § 62 VwGO Nr. 3)

Die Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht einen Prozesspfleger bestellt. Nach § 72 Abs. 1 SGG ist für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren ein besonderer Vertreter zu bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Für die Prozessfähigkeit ist maßgeblich, ob eine Person sich durch Verträge verpflichten kann (§ 52 Zivilprozessordnung (ZPO)). Prozessunfähig, weil geschäftsunfähig, sind deshalb Volljährige unter den Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Ein solcher Zustand ist gegeben, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Für die Prozessfähigkeit einer erwachsenen Person spricht eine tatsächliche Vermutung. Denn es ist davon auszugehen, dass nach der Lebenserfahrung Störungen der Geistestätigkeit Ausnahmeerscheinungen sind (BAG, Urteil vom 26. August 1988, 7 AZR 746/87, Rn. 28, m.w.N., Juris)

Die Prozessfähigkeit ist zwingende Prozessvoraussetzung. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Partei prozessunfähig sein könnte, hat deshalb das jeweils mit der Sache befasste Gericht von Amts wegen zu ermitteln, ob Prozessunfähigkeit vorliegt. Dabei ist es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, vielmehr gilt der Grundsatz des Freibeweises. Abzustellen ist allein darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich erscheint oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, weil diese aufgrund einer krankhaften Störung der Willenstätigkeit entfallen ist (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995, XI ZR 70/95, Rn. 11, Juris). Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der Betreffende in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (vgl. BFH, Beschluss vom 9. September 2004, III B 165/03, Rn. 4, Juris). Dies ist nicht mehr der Fall, wenn die Willensbetätigung nicht auf rationalen Erwägungen beruht, sondern unkontrollierbaren Trieben oder Vorstellungen unterworfen ist (BGH, Urteil vom 19. Juni 1970, IV ZR 83/69, Rn. 11, Juris). Das Gericht muss von sich aus alles tun, um die Frage der Prozessfähigkeit soweit wie möglich einer Klärung zuzuführen. Lässt sich die Prozessfähigkeit nach Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisquellen nicht feststellen, verbleiben jedoch hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit bzw. erhebliche Zweifel an einer Prozessfähigkeit, so gehen nach ständiger Rechtsprechung erst die in diesem Sinne "nicht aufklärbaren Zweifel" zu Lasten der betroffenen Partei, d.h. die "objektive Beweislast" im Sinne eines Risikos der Nichterweislichkeit seiner Prozessfähigkeit ist vom Antragsteller zu tragen (BGH, Urteil vom 9. Januar 1996, VI ZR 94/95, Rn. 9, 10; BAG, Urteil vom 20. Januar 2000, 2 AZR 733/98, Rn. 24, beide zitiert nach Juris).

Der Senat teilt derzeit nicht die erheblichen Zweifel des Sozialgerichts an der Prozessfähigkeit des Antragstellers. Er geht zwar mit dem Sozialgericht davon aus, dass der Antragsteller ein extrem querulatorisches Verhalten zeigt. Das bestätigen auch die dem Senat vorliegenden Gutachten des Dr. G aus dem Jahr 2008 und des Dr. P aus dem Jahr 2011. Er nimmt weiterhin an, dass mit hinlänglicher Sicherheit beim Antragsteller diagnostisch paranoide Persönlichkeitszüge vom Ausprägungsgrad einer schweren Persönlichkeitsstörung vorliegen. Dr. G. kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass aus den Unterlagen auf das Vorliegen paranoider Persönlichkeitszüge vom Ausprägungsgrad einer schweren Persönlichkeitsstörung mit hinlänglicher diagnostischer Sicherheit geschlossen werden könne. Dr. P geht in seinem Gutachten davon aus, dass letztlich die Diagnosestellung einer paranoiden Persönlichkeitsstörung nur mit relativer Sicherheit möglich sei, da zur weiteren genaueren und besseren Objektivierung Informationen, objektive Daten oder auch subjektive Einschätzungen durch andere Personen bezogen auf frühere Zeiträume, nicht zur Verfügung stünden. Hinweise für eine mögliche Querulanz seien gegeben. Auch der Antragsteller selbst habe, so der Gutachter, keine Zweifel an der vorliegenden querulatorischen Komponente (vgl. S. 28 seines Gutachtens).

Wie der 2. Senat in seinem Beschluss vom 29. April 2008 unter Bezug auf das Gutachten von Dr. G geht auch der erkennende Senat davon aus, dass sich indes keine Hinweise für das Vorliegen einer paranoiden Schizophrenie im Sinne einer Geisteskrankheit ergeben. In seinen Ausführungen weist Dr. G. darauf hin, dass sich in den Unterlagen auch kein hinlänglicher und sicherer Anhalt für die positive Diagnosestellung eines Wahns oder einer wahnhaften Störung fänden. So lägen weder Anhaltspunkte für qualitative und quantitative Bewusstseinsstörungen, schwerwiegende Störungen des formalen Denkens, für Halluzinationen oder wahnhafte Realitätsverkennungen oder für eine schwerwiegende Intelligenzminderung vor (vgl. S. 13 ff seines Gutachtens).

Sowohl Dr. G als auch Dr. P sehen die gezeigte Affektdominanz als noch nicht pathologisch an, da der Antragsteller allein verbal reagiere und das Verhalten nicht in körperlicher Gewalt münde. Die Gutachter gehen von einer Affektdominanz, die eine Prozessunfähigkeit begründen könnte, mithin nur dann aus, wenn die verbalen Attacken von körperlichen Angriffen begleitet werden (vgl. Gutachten Dr. G S. 13, 14). Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller in der Vergangenheit ausweislich des im Rahmen der Begutachtung der Schuldfähigkeit erst von Dr. P ... beigezogenen Bundeszentralregisterauszuges wegen Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung (1997), Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit Beleidigung (1999), Sachbeschädigung (2002), gefährlicher Körperverletzung (2002) und Beleidigung (2003 und 2007) verurteilt worden ist. Die gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteten Straftaten liegen 10 Jahre und länger zurück. Sie können daher zur jetzigen Beurteilung des Verhaltens des Antragstellers nicht mehr herangezogen werden. Die ihm vorgeworfenen Beleidigungen und gezeigten verbalen Bedrohungen können nicht mit körperlichen Übergriffen auf eine Person gleichgesetzt werden. Ein Anzeichen für eine Prozessunfähigkeit stellen sie nicht dar, soweit der Betroffene auf der anderen Seite in der Lage ist, zumindest teilweise sachlich sein Begehren zu formulieren.

Auch aus den Umständen, die zu einem Hausverbot beim Antragsgegner geführt haben, lässt sich Gegenteiliges nicht herleiten. Der dem Schreiben vom 9. September 2009 dem Hausverbot zugrunde liegende Vorfall ist nicht geeignet, von einem Münden der verbalen Feindseligkeiten in körperliche Gewalt auszugehen. Der Antragsteller habe, so die Schilderung in einem Vermerk des Antragsgegners wild gestikuliert, als ein herbeigerufener Wachmann ihn von hinten am Arm fassen wollte. Dabei fielen sowohl die Brille des Wachmanns als auch die des Antragstellers zu Boden. Einen Zusammenhang mit zuvor geäußerten verbalen Bedrohungen hat selbst der Antragsgegner nicht hergestellt, Das Hausverbot hat er ausgesprochen, da sich der Antragsteller geweigert hat, das Gebäude zu verlassen und zuvor am 20. August 2009 Mitarbeiter des Antragsgegners beleidigt hatte.

Sowohl Dr. G als auch Dr. P haben in ihren Gutachten Restzweifel an der Prozessfähigkeit geäußert. Da der Antragsteller bei der Begutachtung nicht mitgewirkt hat, konnten sie hinsichtlich des Ausschlusses der freien Willensbildung beim Antragsteller keine sichere Diagnose stellen. Das wesentliche Merkmal einer Unverrückbarkeit pathologischer Gedankeninhalte könne nur durch direkte Befragung gestellt werden. Eventuelle Defizite in der Realitätswahrnehmung könnten nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Beide Gutachter haben zwar eine wahnhafte Erkrankung nicht mit Sicherheit ausschließen können. Dr. G hat formuliert, dass Restzweifel insbesondere bei der vom Gericht derzeitig dargelegten Verhaltensentwicklung bestünden. Dr. P hat ausgeführt, mögliche wahnhafte Motive schließe er bei rückwirkender Betrachtung nicht gänzlich aus. Sollten die vom Antragsteller geführten Gerichtsverfahren juristisch nicht begründet sein, würden sich zumindest Aspekte für eine möglicherweise partielle Störung der Willensbildung oder betätigung tendenziell bestätigen.

Diese Restzweifel aber sind derzeit nicht geeignet, ernsthafte Zweifel an der Prozessfähigkeit oder hinreichend deutliche Anzeichen für die Annahme einer Prozessunfähigkeit zu begründen. Ausschlaggebend ist die richterliche Überzeugungsbildung. Hierzu hat das VG Aachen in seinem Urteil vom 2. Oktober 2008 (1 K 1903/05, Rn. 30, Juris) zutreffend ausgeführt: Eine persönliche Gewissheit des Richters vom Vorliegen der Tatsachen, die den Schluss auf eine Handlungs- bzw. Geschäftsunfähigkeit zulassen, setzt nicht voraus, dass eine von allen Zweifeln freie Überzeugung vorliegen muss. Es braucht keine mathematische Sicherheit für eine Handlungsunfähigkeit vorliegen, die jeden möglichen Zweifel und jede denkbare Möglichkeit des Gegenteils ausschließt. Der Richter darf und muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der etwaigen noch verbleibenden Restzweifeln Schweigen gebietet; eine bloße Wahrscheinlichkeit reicht hingegen nicht.

Beim Antragsteller liegt unstreitig eine Querulanz vor. Das räumte dieser in der Begutachtung bei Dr. P selbst ein. Die Querulanz zeigt sich insbesondere in der Vielzahl der Verfahren, die der Antragsteller beim Antragsgegner und bei Gericht anstrengt sowie in der gleichbleibenden stereotypen, größtenteils auch "unvernünftigen" Art der Verfahrensführung.

Dieser Umstand aber ist nicht ausreichend, um hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit des Antragstellers begründen zu können. Hinzukommen müssen Anzeichen für einen Querulantenwahn. Dr. P erklärt hierzu, ein Wahn im medizinischen Sinne sei nicht sicher festzustellen, aber auch nicht auszuschließen. Er weist darauf hin, dass in den Gesprächen, die er mit dem Antragsteller geführt hat, er Tendenzen eines wahnhaften Verhaltens jedenfalls nicht feststellen konnte. Auch das Sozialgericht weist an anderer Stelle darauf hin, dass der Antragsteller im Erörterungstermin zwar nicht in der Lage gewesen sei, sein Begehren im Rechtsstreit einzugrenzen. Sein erster Eindruck, den er vermittelt habe, habe aber andererseits das außergewöhnliche Prozessverhalten nicht vermuten lassen.

In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in einer vor dem 10. Senat des Landessozialgerichts am 14. April 2011 durchgeführten mündlichen Verhandlung (L 10 KR 58/07) wohl ebenfalls keine Anzeichen eines Wahns oder sonst eines die Prozessfähigkeit möglicherweise ausschließenden Verhaltens gezeigt hat. Jedenfalls hat sich der 10. Senat nicht veranlasst gesehen, die Prozessfähigkeit des Antragstellers zu überprüfen. Der Senat verkennt nicht, dass es Hinweise für das Vorliegen eines Wahns geben kann. Dies setzt eine entsprechende Bewertung des Verhaltens des Antragstellers voraus. Da - ohne die Motive des Antragstellers zu kennen - eine eindeutige Wertung weder den Gutachtern noch dem Senat möglich ist, können mit "möglichen Hinweisen auf Wahn" ernsthafte Zweifel an der Prozessfähigkeit des Antragstellers nicht begründet werden.

Zur Frage der Erkennbarkeit von Wahnvorstellungen hat der erkennende Senat auf das Schuldunfähigkeitsgutachten des Dr. P. zurückgegriffen, da er sich in diesem Gutachten intensiver mit einem möglichen Wahn des Antragstellers auseinandergesetzt hat als in seinem Gutachten zur Prozessunfähigkeit. Dabei lässt der Senat nicht außer Acht, dass die Voraussetzungen der strafrechtlichen Schuldfähigkeit, ihres Ausschlusses oder ihrer Verminderung im Rahmen eines konkreten strafrechtlich relevanten Sachverhalts andere sind als die Erfordernisse der Geschäftsfähigkeit im Zivilrecht und der Prozessfähigkeit im Gerichtsprozess (vgl. BGH, Urteil vom 9.Januar 1996, a.a.O., Rn. 12, Juris).

In seinem Schuldunfähigkeitsgutachten hat Dr. P ausgeführt, ein konkretes wahnhaftes Erleben im Hinblick auf Verfolgungswahn, Beziehungswahn, Sendungswahn, Fremdwillenbestimmtheit etc. oder andere Beeinflussungsphänomene seien nicht erkennbar (S. 51). Ein möglicher anders gearteter Wahn sei auch deshalb letztlich nicht diagnostizierbar, da der Antragsteller sich im Rahmen entsprechender direkter Befragung hierzu nicht ausreichend geäußert habe. In diesem Zusammenhang weist der Gutachter darauf hin, der Antragsteller sei in der Lage, auf reale Lebensumstände zu reagieren, wie das Beispiel des Umzugs im Jahr 2008 zeige. Daher kann die bloße Möglichkeit eines wahnhaften Erlebens der Justiz und des Antragsgegners als feindselig zu keinem hinreichenden Anhaltspunkt für eine Prozessunfähigkeit führen. Der Antragsteller zeichnet in seinen Schriftsätzen keine Wahnbilder oder ähnliche auf einen Wahn hindeutende konkret ausgestaltete Geschehnisse. Dr. P selbst war mangels entsprechender Äußerungen des Antragstellers nicht in Lage festzustellen, ob es sich hierbei um überwertige Ideen auch im Sinne einer erlebten Feindseligkeit handelt. Jedenfalls in den Gesprächen, die er mit dem Antragsteller geführt hat, konnte dieser Tendenzen eines wahnhaften Verhaltens nicht feststellen. Über weitergehende Erkenntnismöglichkeiten verfügt auch der Senat nicht. Zwar ist es unübersehbar, dass der Antragsteller über inzwischen sieben Jahre hinweg in eine Auseinandersetzung mit dem Antragsgegner verstrickt ist (allein der erkennende Senat hatte über 500 Beschwerden in einstweiligen Rechtsschutzverfahren, Anhörungsrügen und Befangenheitsanträge zu bearbeiten) und er diese nicht nur mit extremer Verbissenheit und Schärfe, sondern auch mit Mitteln führt, die strafbewehrt sind (Beleidigung, Verleumdung bis hin zu verbalen Bedrohungen u.a.). Möglicherweise wird er von der Vorstellung beherrscht, dass ihm durch das Handeln des Antragsgegners (und des Gerichts) nur Unrecht geschehen sei bzw. geschehe; er reagiert auf jede wirklich oder vermeintlich unrichtige Maßnahme des Antragsgegners maßlos. Eine Geschäftsunfähigkeit liegt aber erst vor, wenn der Wille eines Menschen und seine Bestimmbarkeit von krankhaften Störungen so stark beherrscht werden, dass die freie Willensbestimmung ausgeschlossen ist. Dementsprechend hat Dr. G in seinem Gutachten formuliert, dass Prozessunfähigkeit bei Querulanten nur besteht, wenn durch eine wahnhafte Entwicklung der Bezug zur Realität verloren gegangen ist und sie durch den Wahn in ihrem Denken und Handeln eingeengt sind und deshalb nicht mehr in der Lage sind, neue Argumente zu berücksichtigen (Gutachten S. 14). Es gibt derzeit keine deutlichen Hinweise darauf, dass der Antragsteller das oben genannte Verhalten zeigt, weil ihm der Bezug zur Realität verloren gegangen wäre. Hier ist zu beachten, dass es auch möglich ist, dass er das Ziel verfolgt, das System des SGB II zu "bekämpfen". Das würde sein Vorbringen deutlich machen, der Antragsgegner sei in seiner (damaligen) Rechtsform als Rechtssubjekt gar nicht handlungsfähig gewesen. Der Antragsteller war und ist in der Lage, deutlich und substantiiert seine Ansichten zu formulieren. Ebenso denkbar ist, dass er bewusst mehrfach unbegründete Anträge stellt, um insbesondere den Antragsgegner und die Justiz zu "ärgern". Dies widerspräche der Annahme des Fehlens einer freien Willensbestimmung.

Weiterhin ist seine Argumentation in Schriftsätzen, soweit sie sachlich ist, präzise, logisch und schlüssig. Damit lassen sich keine "ernstlichen" Zweifel an der Prozessfähigkeit des Antragstellers begründen. Auch prozessual zeigt der Antragsteller taktisches, zielgerichtetes Vorgehen, wenn er – um einer medizinischen Begutachtung, aus welchen Gründen auch immer, zu entgehen – gestellte Rechtsschutzbegehren zurücknimmt, wie dies im Jahr 2008 im 2. Senat geschehen ist. Der Senat hatte damals angenommen, nur aus "Versehen" habe der Antragsteller damals die Anträge nicht in allen Verfahren, in denen ein Gutachten eingeholt werden sollte, zurückgenommen. Gegen einen Realitätsverlust und für ein durchdachtes Handeln spricht ferner das Verhalten des Antragstellers beispielsweise wenn es darum geht, sich einer Untersuchung zu entziehen. Er findet "Ausreden", die nicht so leicht zu widerlegen sind, jedenfalls keine wahnhaften Züge ausweisen. Schließlich zeigt die von ihm zu den Akten gereichte "Datei: Sozialgericht M " deutlich, dass er offensichtlich über den Inhalt der von ihm geführten Verfahren Buch führt, d.h. bestrebt ist, den Überblick über seine Verfahren zu behalten.

Soweit der Antragsteller mehrfach geäußert hat, er sehe sich durch die Handlungen der Bediensteten des Antragsgegners und der Gerichte einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt, hat dies zwar keinen Realitätsbezug, da weder die Mitarbeiter des Antragsgegners noch die mit seinen Rechtsstreiten befassten Richter ihm nach dem Leben trachten. Allein die Äußerung lässt aber nicht erkennen, ob es sich um eine Wahnvorstellung oder nur um eine pointierte Umschreibung einer aus seiner Sicht ungerechten Behandlung handelt. Da – wie oben bereits ausgeführt – aus medizinischer Sicht keine Anzeichen von Wahn nachgewiesen sind, weil die Motivlage des Antragstellers nicht festgestellt werden kann, können die Äußerungen mithin auch kein hinreichendes Anzeichen für eine Prozessunfähigkeit des Antragstellers darstellen.

Auch die Ansicht des Antragstellers, das OVG Sachsen-Anhalt habe seine Prozessfähigkeit bestätigt, führt unter dem Gesichtspunkt des Realitätsverlustes zu keinen ernsthaften Zweifeln an seiner Prozessfähigkeit. Zwar verkennt der Antragsteller, dass sich das OVG gar nicht mit seiner Prozessfähigkeit auseinandergesetzt hatte. Andererseits aber ging das Gericht davon aus, dass er in der Lage sei, selbst das Verfahren zu betreiben; die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei daher nicht erforderlich (vgl. Beschluss vom 18. April 2011, 3 M 235/11). Diese materielle Prüfung setzt denknotwendig die positive Annahme der Prozessfähigkeit als Zulässigkeitsvoraussetzung voraus. Schließlich sind die Geschehnisse um den Umzug und die Vernichtung der Möbel für den Senat kein deutlicher Hinweis auf die Prozessunfähigkeit des Antragstellers im Sinne eines realitätsfernen, nur aus Streitsucht gezeigten Verhaltens. Wenn das Sozialgericht seine Verhaltensweise als unvernünftig einstuft, ist das zunächst ein Anzeichen für die bekannte Streitsucht. Zwingend ist die Auslegung als "realitätsfern" nicht. Der Antragsteller hat gerichtsbekannt bereits vor 2005 versucht, vom Sozialhilfeträger neue Möbel und eine neue Wohnung zu erlangen. Von seinem Standpunkt aus mag die Gelegenheit "günstig" gewesen sein, sich auf diese Art und Weise neu einzurichten und seine alten Möbel nun endlich "losgeworden" zu sein. Der Antragsgegner hatte den Antragsteller darauf hingewiesen, dass eine Zwangsräumung keine Bewilligung einer Erstausstattung rechtfertige. Seine Möbel seien eingelagert. Sein Verhalten bietet mithin keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller sei nicht mehr in der Lage, die Realität zu erkennen. Soweit das Sozialgericht darauf abstellt, sein Verhalten zeige zudem, dass der Antragsteller nicht in der Lage sei, verschiedene Gesichtspunkte vernünftig abzuwägen, ist anzumerken, dass Unvernunft noch nicht zur Annahme eines Wahns führt. Ferner hat Dr. P in seinem Gutachten zur Schuldfähigkeit des Antragstellers gerade dessen Verhalten beim Wohnungswechsel als Argument für den vorhandenen Realitätsbezug bewertet. Soweit der Antragsteller durch sein Verhalten die Allgemeinheit bzw. den Steuerzahler schädigt, ist das sozialwidrig, aber kein Anhalt für Wahn oder ein Grund für die Annahme einer Prozessunfähigkeit. Letztlich wird ein solches Verhalten vom Gesetzgeber in Kauf genommen. Es kommt für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht darauf an, ob der Leistungsempfänger seine Hilfebedürftigkeit verschuldet hat.

Weitere hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit des Antragstellers derzeit sind nicht ersichtlich.

Der Senat vermag auch nicht der Ansicht des Sozialgerichts zu folgen, die vom Antragsteller "verursachten" Prozesskosten ließen erkennen, dass sein Handeln die Grenzen des vernunftgesteuerten Verhaltens überschreite und daher ein Indiz für das Vorliegen einer Prozessunfähigkeit sei. Denn die "Selbstschädigung" ist hier kein Anzeichen für das Vorliegen einer Prozessunfähigkeit. Das diesbezügliche Verhalten des Antragstellers war den Gutachtern bekannt; Schlüsse für die Bewertung der Prozessfähigkeit haben sie daraus nicht gezogen. Zu beachten ist zudem, dass bei selbstschädigendem Verhalten nur dann eingegriffen werden kann, wenn diesem eine Erkrankung zugrunde liegt. So formuliert das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 7. Oktober 1981, 2 BvR 1194/80, Rn. 43, Juris) "Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustands und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder trotz einer solchen Erkenntnis sich infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Anstalt unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden. Daß dies nicht ausnahmslos gilt, weil schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei weniger gewichtigen Fällen eine derart einschneidende Maßnahme unterbleiben muß und somit auch dem psychisch Kranken in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleibt, drängt sich auf".

Das grundrechtliche geschützte Selbstbestimmungsrecht schließt somit die Befugnis ein, selbst darüber zu entscheiden, welchen Risiken und Gefahren man sich aussetzen will. Jedermann hat grundsätzlich die Freiheit, sich und sein Vermögen zu schädigen. Der Staat hat von Verfassung wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu erziehen, zu "bessern" oder zu hindern, sich selbst zu schädigen; die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Person stellt ein so hohes Rechtsgut dar, das sie nur aus besonders wichtigem Grund angetastet werden darf. Eine Selbstgefährdung des Antragstellers ist mithin nur dann beachtlich, wenn dieser seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 9. Januar 2007, 1 W 60/06, Rn. 25, Juris), wofür hier nach derzeitigen Erkenntnissen keine genügenden Anhaltspunkte vorhanden sind. Unvernünftiges und auch zu Kosten führendes Verhalten bis hin zur "Selbstschädigung” muss jedoch von der Gesellschaft toleriert werden, solange der Betroffene seinen Willen nach Einschätzung des Gerichts - wie hier - frei bestimmen kann (vgl. AG Garmisch-Partenkirchen, Beschluss vom 30. Mai 2008, XVII 0211/05, XVII 211/05, Rn. 54, Juris).

Da letztlich sowohl die Gutachter Dr. G ... und Dr. P eine Wahnerkrankung zwar nicht gänzlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen konnten, sie aber auch keine konkreten Anhaltspunkte für deren Vorliegen fanden, und dem Senat eine über die Grundlage der Gutachten hinausgehende Beurteilung mangels eigener medizinischer Sachkenntnis und Fehlens hinreichend deutlicher Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit nicht möglich war, ist noch von der tatsächlichen Vermutung auszugehen, dass der Antragsteller prozessfähig ist. Für eine auf die Verweigerung der Begutachtung gestützte Beweislastentscheidung ist mithin kein Raum. Der Senat weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass bei veränderter Sachlage bzw. bei einer veränderten Verhaltensweise des Antragstellers hin zu deutlichen Wahnanzeichen die Prozessfähigkeit erneut zu überprüfen sein wird. Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens war dem Antragsteller nicht zu gewähren. Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist. Zu diesem Zweck sind nach § 117 Abs. 2 ZPO dem Antrag auf Prozesskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen beizufügen.

Dabei hat der Antragsteller den nach § 117 Abs. 3, 4 ZPO vorgesehen Vordruck vollständig und sorgfältig auszufüllen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO für jeden Rechtszug besonders. Grundsätzlich beginnt die Wirksamkeit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Zustellung des Beschlusses. Rückwirkend kann das Gericht frühestens zu dem Zeitpunkt Prozesskostenhilfe bewilligen, in dem ihm der Antrag samt den erforderlichen Erklärungen und Unterlagen vollständig vorlag (BGH, Beschluss vom 30. September 1981, IVb ZR 694/80, NJW 1982, S. 446; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. November 2008, L 5 B 246/07 AS, nicht veröffentlicht). Unterlagen zur Prüfung seiner Bedürftigkeit hat der Antragsteller jedoch trotz mehrfacher Aufforderungen nicht zur Akte gereicht.

Eine Kostenentscheidung war hier nicht zu treffen, da es sich nur um eine Zwischenentscheidung handelt. Diese wird das Sozialgericht im Rahmen einer Endentscheidung zu treffen haben.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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