S 4 U 4761/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 4761/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Abgrenzung von arbeitnehmerähnlicher Beschäftigung von Vater-Sohn-Familienhilfe bei „Wie-Beschäftigten“
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Okto-ber 2010 wird aufgehoben und die Beklagte verur-teilt, das Unfallereignis vom 11. Dezember 2009, an dessen Folgen der Ehemann der Klägerin am 18. De-zember 2009 verstorben ist, als Arbeitsunfall anzu-erkennen und der Klägerin daraus ab dem 18. De-zember 2009 Hinterbliebenenleistungen - insbeson-dere Witwenrente - in gesetzlicher Höhe zu gewäh-ren. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kos-ten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft Hinterbliebenenleis-tungen aufgrund ihres an den Folgen eines Unfalls verstorbenen Ehemanns.

Der 1951 geborene und am 17. Dezember 2009 verstorbene Ehemann der Klägerin war von Beruf Formenbauer/Werkzeugmacher und zuletzt bei der Firma R. AG in B. versicherungspflichtig beschäftigt. Während seiner Freizeit half er im Zimmereibetrieb seines Sohnes, Holzbau P. L., als Bauhelfer aus. Dabei verunglückte der Ehemann der Klägerin am 11. Dezember 2009 auf einer von seinem Sohn betriebenen Baustelle des Herrn K. auf dem Grundstück H-Str. in Ha. (Bauleitung: Architekt H.). Der verstorbene Ehemann der Klägerin folgte seinem Sohn auf die Baustelle und fiel dabei durch den nicht abgedeckten Teil eines Deckendurchbruchs vom Erdgeschoss in den Keller (2,52 m Oberkante bis zum Boden), wobei er sich lebensgefährliche Kopfverletzungen zuzog, die letztlich zum Tod führten. Regulär war dieser Deckendurchbruch durch zwei aufgelegte Multiplexplatten verschlossen gewesen. Der selbständige Heizungsmechaniker V. hatte kurz zuvor die Abdeckung halbseitig geöffnet, um sperriges Isoliermaterial aus dem Keller in das Erdgeschoss zu heben, ohne die Öff-nung von oben für den Zeitraum seiner Arbeiten abzusichern.

Drei Tage später, am 14. Dezember 2009 meldete der Zimmereibaubetrieb Holzbau P. L. den Ehemann der Klägerin durch das Buchhaltungsbüro zur Sozialversicherung an. Am 18. Dezember 2009 folgte die betriebliche Unfallanzeige gegenüber der Beklagten, in der der Verstorbene als bei der Firma "L. P. Hausneubau" beschäftigter Bauhelfer bezeichnet worden war.

Der Arbeitgeber des verstorbenen Ehemanns der Klägerin, die Firma R., B., teilte der Beklagten unter dem 25. Januar 2010 mit, der Verstorbene sei bei ihr beschäftigt gewe-sen. Sein monatlicher Bruttolohn habe im Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 28. Februar 2009 jeweils 3.720,47 EUR betragen. Seit dem 1. März 2009 habe der Ehemann der Klägerin bis zu seinem Tode monatlich Kurzarbeitergeld bezogen.

Auf Fragen der Beklagten äußerte sich der Zimmereibaubetrieb Holzbau P. L. durch seine Bevollmächtigte unter dem 8. März 2010 wie folgt: Am Unfalltag, dem 11. De-zember 2009, seien auf der Baustelle in Ha. Arbeiten mit einer Maschine geplant ge-wesen, einem Zellulosedämmstoffeinblasautomat (kurz: Flockautomat), die nur von jeweils zwei Mitarbeitern hätten erledigt werden können. Bei der Bedienung der Ma-schine sei es erforderlich, dass ein Arbeiter die Maschine bediene und eine weitere Person die Zellulose einblase. Der verstorbene Ehemann der Klägerin habe die Ma-schine bedienen sollen (Flockhelfer), während sein Sohn, der Betriebsinhaber des Zimmereibaubetriebs, die Zellulose zur Dämmung an den jeweils vorgegebenen Stellen habe einbringen sollen (Flocker). Der Termin sei schon länger bekannt gewesen. Am Unfalltag sei vorgesehen gewesen, dass ein Mitarbeiter der Firma H., wie üblich, die Maschine bediene, weil der verstorbene Ehemann der Klägerin am geplanten Termin wegen seiner Hauptberufstätigkeit nicht habe mitarbeiten können. Kurzfristig habe sich dann aber doch ergeben, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin bei seinem Hauptarbeitgeber habe freinehmen können. Am Abend vor dem Unfalltag habe er seinen Sohn angerufen und ihm gesagt, er würde doch mitarbeiten. Der verstorbene Ehemann der Klägerin sei an einer Mitarbeit im Betrieb seines Sohnes interessiert gewesen, gerade auch unter dem Aspekt, dass sein Hauptarbeitgeber Kurzarbeit gefahren und er über kurz oder lang damit gerechnet habe, bei seinem Haupt-arbeitgeber auszuscheiden. Er habe dann die Option gesehen, in gewissem Umfang, je nach Auftragslage, im Betrieb seines Sohnes mitzuarbeiten.

Am Unfalltag habe man die Arbeit um 7.30 Uhr aufgenommen. Geplant gewesen sei, bis ca. 14.00 Uhr auf der Baustelle zu arbeiten. Eine Anmeldung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin zur Sozialversicherung, der Knappschaft sei erfolgt. Wegen der nur kurzfristigen Zusage des verstorbenen Ehemanns der Klägerin am Vorabend des Unfalltages und des ersten Beschäftigungstages sowie aufgrund des frühen Ar-beitsbeginns sei es aber nicht möglich gewesen, die Meldebescheinigung zur Sozial-versicherung vor Beschäftigungsaufnahme zu erstellen oder erstellen zu lassen. Sie sei deshalb am 14. Dezember 2009 nachgeholt worden. Da es sich beim Betrieb des Sohnes um einen Kleinbetrieb ohne versicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer handele, sei der verstorbene Ehemann der Klägerin über eine Buchhaltungsbüro zur Sozialversicherung angemeldet worden. Auch dies habe zur Zeitverzögerung beige-tragen. Eine schriftliche Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen dem ver-storbenen Ehemann der Klägerin und dem Betrieb Holzbau P. L. habe es nicht ge-geben. Unentgeltliche Mitarbeit im Betrieb der Firma Holzbau P. L., auch unter Fami-lienmitgliedern, sei aber nicht üblich gewesen. Dies gelte erst recht vor dem Hinter-grund, dass eine Ausweitung der Tätigkeit des verstorbenen Ehemanns der Klägerin im Betrieb vorgesehen gewesen sei.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2010 lehnte die Beklagte Hinterbliebenenleistungen zu Gunsten der Klägerin ab. Zur Begründung hieß es, es liege kein Arbeitsunfall vor. Der verstorbene Ehemann der Klägerin sei im Betrieb seines Sohnes weder als Be-schäftigter noch als Wie-Beschäftigter angestellt oder beschäftigt gewesen und habe deshalb zum Zeitpunkt des tödlichen Unfalls, am 11. Dezember 2009, nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Der verstorbene Ehemann der Klägerin sei in den Betrieb seines Sohnes nicht wie ein Beschäftigter eingegliedert gewesen. Er sei nur bei Bedarf im Betrieb des Sohnes tätig geworden. Sein Arbeitseinsatz habe sich nach seinen Freizeitmöglichkeiten gerichtet, weil er in einem abhängigen Beschäfti-gungsverhältnis bei der Firma R. gestanden habe. Dies spreche gegen eine Einglie-derung in den Betrieb des Sohnes und ebenso gegen ein Weisungsrecht des Sohnes hinsichtlich Ort, Zeit und Dauer sowie Art und Weise der Arbeitsausführung und Ent-lohnung. Im Übrigen fehle es auch an einer rechtzeitigen Anmeldung des Verstorbenen zur Sozialversicherung, diese sei erst nach dem Unfall erfolgt. Vorliegend beruhe die Mitarbeit des Verstorbenen vielmehr auf dem engen verwandtschaftlichen Vater-Sohn-Verhältnis. Im Jahre 2009 sei der Verstorbene ca. 40 Stunden (Jahresarbeitsleistung) im Betrieb seines Sohnes tätig gewesen. Das Maß dessen, was als familiäre Gefälligkeitsleistung anzusehen sei, sei bei offensichtlich intakten Familienverhältnissen damit noch nicht überschritten.

Den dagegen am 17. Mai 2010 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin wie folgt: Der Verstorbene sei zwar nicht Beschäftigter, aber "Wie-Beschäftigter" im Betrieb seines Sohnes gewesen. Zwischen dem Verstorbenen und seinem Sohn habe keine häusliche Gemeinschaft mehr bestanden. Zutreffend sei zwar, dass der Sohn dem Verstorbenen und der Klägerin, wie es bei intakten Familienverhältnissen üblich sei, gelegentlich mitgeholfen habe, etwa bei schweren Haus- und Gartenarbeiten. Diese Mithilfe habe sich aber auf wenige Stunden jährlich (jeweils 6 bis 7 Stunden) beschränkt. Dagegen sei die Tätigkeit des Verstorbenen im Betrieb seines Sohnes als nicht geringfügig im Sinne einer kurzen, durch Verwandtschaftsbeziehungen geprägte Mithilfe gewesen. Vielmehr habe es sich bei der Mithilfe des Verstorbenen um ein Tätigwerden gehandelt, das üblicherweise nur von einem Arbeitnehmer erbracht werde. Der Verstorbene habe dabei Helfertätigkeiten auf Weisung seines Sohnes verrichtet. Dabei habe der Verstorbene nicht zuletzt an sich selbst gedacht, weil sein Hauptarbeitgeber sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befunden habe und Kurzarbeiten haben lasse. Zwischenzeitlich befinde sich die Firma R. bereits im Insolvenzverfahren. Dementsprechend habe der Verstorbene sich ein zweites berufliches Standbein aufbauen wollen, indem er seinem Sohn in dessen Zimmereibetrieb ausgeholfen habe. Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Verstorbene nicht bei einem Bauvorhaben seines Sohnes verunglückt sei, sondern bei einem Bauvorhaben, das sein Sohn für Dritte in Unternehmereigenschaft ausgeführt habe. Nach den vorgelegten Rechnungen habe der Verstorbene im Jahre 2009 an 11 Arbeitstagen Helfertätigkeiten im Betrieb seines Sohnes in einem zeitlichen Umfang von insgesamt 82,75 Stunden verrichtet. Der Umfang dieser Helfertätigkeiten schließe eine rein verwandtschaftliche Mithilfe im Betrieb des Sohnes aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2010 wies die Beklagte den Wider-spruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 3. Mai 2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung hieß es, der verstorbene Ehemann der Klägerin sei im Betrieb seines Sohnes nicht als "Wie-Beschäftigter" tätig gewesen. Nach den ersten Angaben, denen grundsätzlich besondere Bedeutung zukomme, habe der Verstorbene im Betrieb des Sohnes im Jahre 2009 an 5 Tagen ca. 40 Stunden mitgearbeitet. Im Wider-spruchsverfahren sei diese Zahl von der Klägerin auf ca. 82 Stunden im Laufe des Jahres 2009 nach oben korrigiert worden, die vom Verstorbenen innerhalb von 11 Arbeitstagen im Betrieb seines Sohnes erbracht worden seien. Unabhängig davon, welche Stundenzahl vom Verstorbenen im Betrieb des Sohnes im Jahre 2009 tatsächlich geleistet worden seien, bewege sich diese Arbeitsleistung in jedem Fall noch im Rahmen dessen, was man als vom engsten Verwandtschafts-verhältnis (Vater-Sohn) gedeckte Gefälligkeitsleistung bewerten könne. Nach den insoweit unstreitigen Darstellungen der Klägerin sei der Sache nach von intakten Familienverhältnissen auszugehen. Daraus resultierten in der Vergangenheit regel-mäßig gegenseitige Unterstützungsleistungen von Vater zu Sohn ebenso wie von Sohn zu Vater. Zu Arbeitseinsätzen des Verstorbenen im Betrieb seines Sohnes sei es immer nur dann gekommen, wenn der Verstorbene den Einsatz aufgrund seiner eigenen beruflichen Haupttätigkeit habe ermöglichen können. Eine Entlohnung sei zwischen Vater und Sohn nicht vereinbart gewesen und auch tatsächlich nicht erfolgt. Unstreitig sei auch, dass durch die Mithilfe des Verstorbenen eine fremde Arbeitskraft eingespart und dadurch die Erlöse der selbständigen Tätigkeit des Sohnes hätten gesteigert werden können. Wie die Mithilfe während der Freizeit und an Urlaubstagen spreche auch diese Tatsache für eine allein durch die Familienbande geprägte Gefälligkeitsleistung. Auch wenn es in der Vergangenheit nicht zu adäquaten Hilfeleistungen des Sohnes gegenüber dem Verstorbenen gekommen sein möge, reiche dies für sich allein nicht aus, eine verwandtschaftliche Gefälligkeitsleistung des Verstorbenen auszuschließen. Es spreche nämlich nichts dafür, dass der Sohn sich bei einem entsprechenden Bedarf des Verstorbenen oder seiner Mutter, der Klägerin, gegenüber verweigert hätte. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls stehe daher fest, dass der Verstorbene lediglich in seiner Eigenschaft als Vater im Betrieb seines Sohnes tätig geworden sei und deshalb die gesamte Arbeitsleistung allein Ausfluss des intakten Familienverhältnisses gewesen sei. Damit entfalle gesetzlicher Unfallversicherungs-schutz.

Am 10. November 2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.

Die Klägerin trägt vor: Sie und ihr verstorbener Ehemann hätten mit ihrem Sohn, dem Unternehmer P. L., nicht mehr in häuslicher Gemeinschaft gelebt. Ihr Sohn habe schon seit Sommer 2004 nicht mehr im elterlichen Haushalt, sondern bei seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau in Karlsdorf-Neuthard gewohnt. Zutreffend sei zwar, dass ihr Sohn ihnen, wie dies in intakten Familien üblich sei, gelegentlich geholfen habe. Diese Tätigkeiten hätten sich jedoch auf wenige Stunden im Jahr beschränkt. Ihr verstorbener Ehemann habe dagegen im Betrieb ihres Sohnes im Jahre 2009 an 11 Tagen über 82 Stunden gearbeitet. Allein diese erbrachte Arbeitsleistung liege weit über dem Rahmen familiärer Gefälligkeitsleistungen. Die ersten Angaben ihres Sohnes über eine geringere Arbeitsleistung von nur ca. 40 Arbeitsstunden im Jahre 2009 durch den Verstorbenen sei aus der ersten Erinnerung heraus gemacht worden, ohne dass alle Rechnungen und Unterlagen gesichtet worden seien. Soweit jedoch Unsicherheiten diesbezüglich verblieben, seien die benannten Zeugen zu vernehmen. Die Tätigkeit des Verstorbenen habe für das Unternehmen ihres Sohnes einen wirtschaftlichen Wert gehabt. Die Tätigkeit des Verstorbenen habe auch dem wirklichen Willen ihres Sohnes, des Unternehmers P. L., entsprochen. Im Übrigen sei die Helfertätigkeit des Verstorbenen immer nur auf konkrete Weisung durch den Sohn erbracht worden. Soweit die Beklagte argumentiere, der Verstorbene habe immer nur dann im Betrieb des Sohnes mitarbeiten können, wenn er dies mit seiner Hauptarbeitsstelle habe zeitlich vereinbaren können, sei dies lebensfremd. Gerade Arbeitnehmer, die nur im Rahmen einer Aushilfetätigkeit für einen Zweitarbeitgeber tätig seien, hätten ihre Arbeitszeiten für den "Nebenjob" stets so zu vereinbaren, dass er zeitlich nicht mit der Hauttätigkeit kollidiere. Keine Aushilfskraft riskiere ihre Hauteinnahmequelle wegen einer Nebentätigkeit. Auch der Verstorbene sei auf seine Einnahmen aus seiner Tätigkeit bei der Firma R. angewiesen gewesen. Deshalb habe er Arbeiten für das Unternehmen seines Sohnes zunächst nur in der Art und Weise ausführen können, die den Hauptarbeitsplatz nicht gefährde. Dieses Verhalten sei üblich und lasse keine negativen Rückschlüsse auf eine Versicherten- oder wie-Versicherten-Eigenschaft zu.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2010 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 13. Oktober 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Unfallereignis ihres am 17. Dezember 2009 verstorbenen Ehemanns vom 11. Dezember 2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihr ab dem 18. Dezember 2009 Hinterbliebenenleistungen in gesetzlicher Höhe (ins-besondere Witwenrente) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sie halte bislang nur eine tatsächliche Arbeitsleistung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin im Betrieb seines Sohnes im Jahr 2009 im Umfang von 40 Stunden für nachgewiesen. Unabhängig davon spreche aber die Tatsache der un-entgeltlichen Tätigkeit des Verstorbenen im Betrieb seines Sohnes auf der Grundlage des engen Verwandtschaftsverhältnisses gegen die Annahme einer arbeitneh-merähnlichen Tätigkeit. Auch die Art und Weise der Tätigkeit, die keine besonderen Fachkenntnisse vom Verstorbenen erfordert habe, und auch von einer ungelernten Kraft problemlos zu bewältigen gewesen wäre, spreche für eine unversicherte ver-wandtschaftliche Gefälligkeitsleistung. Mit den Arbeiten des Verstorbenen, die sich auf das Befüllen der Einblasmaschine beschränkt hätte, sei nämlich keine besondere Unfallgefahr verbunden gewesen. Außerdem spiele das Thema "Anmeldung Sozial-versicherung" eine Rolle. Zu dieser sei es erst gekommen, nachdem der Verstorbene am 11. Dezember 2009 schwer verunglückt gewesen sei. Auch dies spreche dafür, dass von den Beteiligten zunächst an keine echte Beschäftigung im sozialversiche-rungsrechtlichen Sinne gedacht gewesen sei.

Auf Frage des Gerichts hat die Klägerin ihre Angaben zur geltend gemachten tat-sächlichen Tätigkeit des Verstorbenen im Zimmereibetrieb ihres Sohnes wie folgt präzisiert:

27. und 28.01.2009 (Dienstag und Mittwoch) und 30.01.2009 (Freitag), diese Tage wurden auf der Rechnung Nr. 63 abgerechnet. 31.07.2009 (Freitag), Rechnung Nr. 75 23.09.2009 (Mittwoch) und 15.10.2009 (Donnerstag), Rechnung Nr. 77 23.10.2009 (Freitag) und 24.10.2009 (Samstag), Rechnung Nr. 78 14.11.2009 (Samstag) und 16.11.2009 (Montag), Rechnung Nr. 80 11.12.2009 (Freitag), Unfalltag, Rechnung Nr. 83.

In der mündlichen Verhandlung sind die Zeugen P. L., Dr. E. L., P. H., J. B., M. G. und M. V. zu den Themen Unfallhergang am 11. Dezember 2009, Umfang und Zeiten der Mithilfe des Verstorbenen im Betrieb des P. L. und Gefahrgeneigtheit der Mithilfetätigkeiten des Verstorbenen im Betrieb des P. L. als Zeugen vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sit-zungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakte (2 Bände) und den Inhalt der Prozessakte (S 4 U 4761/10) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ist zulässig.

Die statthafte Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 13. Oktober 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Ehemann der Klägerin ist am 17. Dezember 2009 aufgrund eines von ihm am 11. Dezember 2009 auf der Baustelle des Herrn K. als nach § 2 Abs. 2 Sozi-algesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - "Wie-Beschäftigter" erlittenen und bei der Be-klagten nach § 8 SGB VII versicherten Arbeitsunfalls verstorben. Daraus folgt gemäß den §§ 63, 65 SGB VII ein Anspruch der Klägerin als Witwe des Unfallopfers auf die gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen, insbesondere auf Witwenrente.

Nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundessozialgerichts - BSG - vom 30. Januar 2007, Az. B 2 U 8/06 R, UV-Recht Aktuell 2007, 860-866, zitiert nach (JURIS), dort Rn. 10 m.w.N., sowie vom 27. Februar 2009, Az. B 2 U 18/07 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31, zitiert nach (JURIS), dort Rn. 9).

Ein Arbeitsunfall ist nach alledem nur anzunehmen, wenn das Verhalten des Versi-cherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere oder sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92; BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 82 und 97; SozR 3-2200 § 548 Nrn. 19 und 26). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Ver-sicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1 m.w.N.; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns, d. h. der Handlungstendenz, mit im Vordergrund (vgl. insgesamt zum Vorstehenden Urteil des BSG vom 14. Dezember 1999, B 2 U 3/99 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 1, zitiert nach (JURIS), dort Rn. 15).

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind u.a. kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfall-versicherung Beschäftigte versichert. Dies setzt als wesentliches Merkmal eine un-selbständige Tätigkeit voraus, wie sie insbesondere in einem Arbeitsverhältnis geleistet wird und eine persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber, dessen Direktionsrecht der Beschäftigte unterliegt, sei es durch Weisungsgebundenheit oder Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers (vgl. BSG, Sozialrecht 2200 § 539 RVO Nr. 101). Ein solches Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Verstorbenen als Arbeitnehmer und dem Holzbaubetrieb P. L. als Arbeitgeber ist vorliegend nicht zustande gekommen. Dafür sprechen die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit des Verstorbenen im Betrieb seines Sohnes ebenso wie die erst nachträglich erfolgte Anmeldung zur Sozialversicherung am 14. Dezember 2009. Im Übrigen ist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses - entgegen der Angaben in der Unfallanzeige - klägerseitig zuletzt auch nicht mehr behauptet worden.

Des Weiteren sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII Personen versichert, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte tätig werden. Wie die inhaltlich übereinstimmende Vorgängerbestimmung des § 539 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) will § 2 Abs. 2 SGB VII aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den Versicherungsschutz auf Tätigkeiten erstrecken, die zwar nicht sämtliche Merkmale eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Urteil des BSG vom 05. Juli 2005, Az. B 2 U 22/04 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 6 m.w.N.; siehe auch Siefert, in Hassel/Gurgel/Otto, Handbuch des Fachanwalts, Sozialrecht, 3. Aufl. 2012, 10. Kap. Rn. 38 m.w.N. der Rspr.). Dabei braucht weder eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit zu bestehen, noch sind die Beweggründe des Handelnden für das Tätigwerden maßgebend (Urteil des BSG vom 17. März 1992, Az. 2 RU 6/91, SozR 3-2200 § 539 Nr. 15, zitiert nach (JURIS), Rn. 14 m.w.N.).

Abzugrenzen ist die "Wie-Beschäftigung" nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII allerdings vom nicht gesetzlich unfallversicherten familiären Gefälligkeitsdienst. Gefälligkeitsdienste in der Familie schließen die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VI regelmäßig aus (vgl. BSGE 5, 168, 172; BSG Sozialrecht 2200 § 539 RVO Nr. 55 S. 160). Ein Verwandter wird nämlich dann nicht wie ein Beschäftigter, sondern als Verwandter tätig, wenn die zum Unfall führende Verrichtung nach Art und Umfang der Zeitdauer (vgl. BSG a. a. O.) maßgeblich durch das verwandtschaftliche Verhältnis geprägt ist. Entscheidend ist dabei das Gesamtbild der gegenseitig im Rahmen der konkreten Familienbande geleisteten Gefälligkeiten und Tätigkeiten, die sich Eltern und Kinder wechselseitig untereinander schuldig sind. Je enger die familiäre Gemeinschaft ist, umso größer ist der Rahmen, innerhalb dessen bestimmte Tätigkeiten ihr Gepräge daraus erhalten. Eine enge Familiengemeinschaft, wie diejenige zwischen Vater und Sohn oder Vater und Tochter, spannt den Rahmen der normalerweise zu erwarteten Hilfetätigkeiten dementsprechend weit (vgl. etwa BSG, SozR 3-2200, § 539 RVO Nr. 25; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. Februar 2007, L 2 U 140/06, JURIS Rn. 21). Denn für das Eltern-Kind-Verhältnis gelten besondere Pflichten, die eine erfüllte Erwartung an die Hilfsbereitschaft rechtfertigen (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 139 Nr. 6; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 1997, L 2 U 2665/97 für eine Familienhilfe von 200/300 Stunden).

Im Eltern-Kind-Verhältnis kann zudem unmittelbar auf die Vorschriften des Familien-rechts, insbesondere § 1618a BGB, zurückgegriffen werden. Diese Vorschrift hat leitende Funktion. Sie bestimmt, dass Eltern und Kinder einander zu Beistand und Rücksicht verpflichtet sind. Sie entfaltet ähnliche Rechtswirkung wie § 1353 BGB für die Ehe, in dem sie einen Teil der im Rahmen einer Familie bestehenden sittlichen Pflichten zu Rechtspflichten erhebt. Die Gemeinschaft von Eltern und Kindern erfüllt insofern eine ähnliche Aufgabe wie die eheliche Lebensgemeinschaft (vgl. BVerfGE 57, 170 (178); BVerfG-Kammer, 2 BvR 133/90, Beschluss vom 19. Juli 1990, StV 1991, 306 f.). Dadurch soll klargestellt werden, dass Leistung und Anspruch im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern je nach Fähigkeit und Bedürftigkeit auf Gegenseitigkeit beruhen. Eine Sanktion für die Verletzung der Norm lehnt der Gesetzgeber indes ab. Die Vor-schrift dient, neben der ihr zukommenden Leitbildfunktion, vor allem dazu, Lücken im Familienrecht auszufüllen zu helfen (vgl. BT-Drucks. 8/2788, S. 36 und BVerfGE 96, 56 (62 f.)).

Nicht erforderlich für die Einordnung des Tätigwerdens des Verstorbenen als "Wie-Beschäftigung" ist das Vorliegen einer - hier auch nicht existierenden - persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit gegenüber dem geförderten Unternehmen seines Sohnes P. L. Darüber hinaus sind die Beweggründe des Handelnden für das Tätigwerden nicht für die Einordnung als "Wie-Beschäftigung" maßgebend, weshalb der Umstand allein, dass es sich um einen Gefälligkeitsdienst aufgrund des Vater-Sohn-Verhältnisses gehandelt hat, nicht geeignet ist, den Versicherungsschutz von vornherein auszuschließen (vgl. Urteil des BSG a.a.O.).

Allerdings ist zu beachten, dass nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt nämlich der mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist (siehe dazu BSG, Urteil vom 5. März 2002 - B 2 U 9/01 R - SGb 2002, 441), ausschlaggebende Bedeutung zu. Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII wie ein nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (BSG a.a.O.). Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, unter denen sich die Tätigkeit vollzogen hat im Sinne einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls; die isolierte Betrachtung der einzelnen zum Unfall führenden Verrichtung ist demgegenüber nicht ausreichend (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1992, a.a.O.).

An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, greift die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorliegend zugunsten der Klägerin ein. Ihr Ehemann ist am 11. Dezember 2009 auf der Baustelle des Herrn K. in Ha. wie ein Beschäftigter tätig gewesen und hat dabei den streitgegenständlichen Unfall mit Todesfolge am 17. Dezember 2009 erlitten. Die Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Handlungstendenz des Verstorbenen, die im Unfallzeitpunkt auf die Förderung des Betriebes seines Sohnes, des Zeugen P. L., gerichtet war, durch das besonders enge Verwandtschaftsverhältnis so sehr überlagert gewesen wäre, so dass es sich letztlich um eine wesentlich eigennützige Tätigkeit gehandelt hätte.

In der Gesamtbetrachtung sticht der erhebliche fremdwirtschaftliche Wert der vom Verstorbenen für den Zimmereibetrieb seines Sohnes ab Anfang 2009 bis zum Un-fallereignis am 11. Dezember 2009 kontinuierlich erbrachten Hilfeleistung hervor. Aufgrund der vorgelegten Unternehmerrechnungen und der glaubhaften Aussagen der Zeugen P. H., J. B. und M. G. sind für das erkennende Gericht über 80 Stunden Arbeitsleistung des Verstorbenen im Betrieb seines Sohnes im Jahr 2009 nachge-wiesen. Die abweichende Erstangabe des Sohnes gegenüber der Beklagten - ca. 40 Stunden Helferleistung 2009 - hat darauf beruht, dass zunächst nicht sämtliche Rechnungen erfasst worden sind. Den Rechnungen, die die Firma von P. H. dem P. L. als seinem Subunternehmer ausgestellt hat, kommt deshalb rechtliches Gewicht zu, weil aus diesen Rechnungen der "Wert" der Hilfetätigkeit des Verstorbenen für den Betrieb seines Sohnes P. L. unmittelbar ablesbar ist. Hat der Verstorbene seinem Sohn beim betrieblichen Flocken geholfen, hat dieser die Helfertätigkeit der Firma P. H. in Rechnung stellen können. Andernfalls, wenn der Sohn für den Flockaufrag auf einen Helfer der Firma P. H. angewiesen war - etwa den Zeugen J. B. (2008) oder den Zeugen M. G. (2009) -, ist ihm umgekehrt diese Zuarbeit von der Gesamtvergütung durch die Firma P. H. abgezogen worden. Darin ist eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende und dem wirklichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit des Verstorbenen von wirtschaftlichem Wert zu sehen.

Dass der Verstorbene im Betrieb seinen Sohnes ab Anfang 2009 tatsächlich regel-mäßig als Flockhelfer tätig geworden ist, haben die familienfremden Zeugen P. H., J. B. und M. G. unabhängig voneinander dem Gericht gegenüber glaubhaft bekundet. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts ein weiteres gewichtiges Indiz fest, nämlich die Tatsache, dass der Verstorbene auf Fremdbaustellen für den Betrieb seines Sohnes nach dessen konkreter Weisung als Bauhelfer im Einsatz gewesen ist. Anders als bei typischen Gefälligkeitsleistungen innerhalb der Familie hat der Verstorbene seine Hilfeleistung im Betrieb des Sohnes nicht auf familiären Baustellen - von Eltern, Kindern oder anderen Verwandten - erbracht, sondern auf Baustellen fremder und damit zahlender Auftraggeber.

Hinzu kommt, dass es sich bei der streitgegenständlichen Tätigkeit des Verstorbenen - entgegen der Auffassung der Beklagten - gerade nicht um eine relativ gefahrlose untergeordnete Hilfstätigkeit gehandelt hat, die stationär gebunden nur im Befüllen des Flockautomaten bestanden hat. Die gerichtliche Vernehmung der glaubwürdigen Zeugen P. H. und J. B. hat nämlich erwiesen, dass die Befüllung des Automaten zwar keine besonderen Vorkenntnisse voraussetzt, sich die Helfertätigkeit des Verstorbenen aber keineswegs in der reinen Befüllhandlung des Flockautomaten erschöpft hat. Als Flockhelfer hat der Verstorbene vielmehr auch auf Leitern steigen und Kontroll- und Nacharbeiten in allen Räumen der jeweiligen Baustelle verrichten müssen. Mithin ist der Verstorbene als Flockhelfer den meisten Gefahren, die von einer Baustelle ausgehen (sieht man einmal von den besonders gefährlichen Dachdeckerarbeiten ab), ausgesetzt gewesen. Ebendiese Gefahren haben sich dann am 11. Dezember 2009 bei dem Sturz des Verstorbenen in einen nicht ordnungsgemäß abgedeckten Kellerschacht auf der Baustelle auf dem Grundstück H-Str. in Ha. auf so tragische Weise realisiert.

Die vorstehenden Aspekte - fremdwirtschaftliche Werthaltigkeit der Tätigkeit, Fremd-baustellenarbeit und bautypische Gefahrgeneigtheit der Helfertätigkeit - prägen das Gesamtbild der "Wie-Beschäftigung" des Verstorbenen im Holzbaubetrieb seines Sohnes. Dagegen kommt der besonderen familiäre Bindung der Hilfeleistung des Vaters für den Sohn in dessen jungem Holzbaubetrieb im Ergebnis geringeres Gewicht zu. Zum einen ist die Einseitigkeit der Hilfeleistung zu beachten. Der Verstorbene hat als Vater ab 2009 sowohl im Betrieb seines Sohnes geholfen, wie er zuvor den Sohn bei dessen Hausumbau tatkräftig unterstützt hat (Aussagen der Zeugen Dr. L. und J. B.). Umgekehrt hat der Sohn P. L. seinem Vater tatsächlich nur selten und zeitlich jeweils untergeordnet kurz geholfen, etwa bei schwerer Arbeit, wie dem Tragen einer Waschmaschine oder bei dem Transport von Holzpellets. Von auch nur annähernd ausgeglichenen wechselseitigen Hilfeleistungen von Vater zu Sohn und umgekehrt im Sinn von wechselseitigem Beistand und Rücksicht nach § 1618a BGB, wie sie typische familiäre Gefälligkeitsleistungen prägen, kann also nicht gesprochen werden. Auch eine besonders enge familiäre Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn aufgrund eines Zusammenwohnens liegt nicht vor. Der Sohn des Verstorbenen ist aus dem Elternhaus 2004 oder 2005 ausgezogen, zum Zeitpunkt der Helfertätigkeit des Verstorbenen - ab Anfang 2009 - hat er bereits lange mit seiner heutigen Ehefrau, der Zeugin Dr. L., in Kraichtal zusammengelebt und im Elternhaus nur noch einen Kellerraum für sein Geschäftsbüro benutzt (Aussage Dr. L. vor dem Gericht).

Ebenso wenig hat der Verstorbene bei der Helfertätigkeit im Betrieb seines Sohnes eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Sicher ist er auf den Sohn und dessen Be-triebsgründung 2007 stolz gewesen. Ebenso ist aus Sicht des Gerichts erwiesen, dass das Verhältnis von Vater zu Sohn gut, sogar sehr gut gewesen ist. Deshalb hat es aber auch überhaupt zu der erfolgreichen Zuarbeit des Verstorbenen im Betrieb seines Sohnes kommen können. Der Verstorbene mag angesichts seines Alters - Jahrgang 1951 -, der bevorstehenden Altersteilzeit und seiner seit März 2009 aktuellen Kurzarbeit bei seiner Arbeitgeberin, der R.-AG, auch mit dem Gedanken gespielt haben, seine Tätigkeit im vom Sohn gegründeten Betrieb - z.B. auf 400 EUR-Basis - auszubauen. Dazu ist es aber bis zum Unfallzeitpunkt am 11. Dezember 2009 tatsächlich noch nicht gekommen gewesen. Dem entsprechend kann die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unbeachtliche Motivation nicht auf dessen Handlungstendenz durchschlagen. Die maßgebliche Handlungstendenz des Verstorbenen ist während des Jahres 2009 arbeitnehmerähnlich auf fremdwirtschaftliche Wertsteigerung des Betriebsergebnisses der Firma Holzbau P. L. gerichtet gewesen.

Die Erstinitiative zur Gewinnung des Verstorbenen als Helfer ist außerdem von seinem Sohn ausgegangen. Nach dessen glaubhaften Bekundungen während der mündlichen Verhandlung hat der Verstorbene weder Einblick in die Auftragslage gehabt noch sich selbst auf den Baustellen angedient. Vielmehr hat der Sohn beim Vater regelmäßig Wochen vor dem jeweiligen Flockgeschäft angefragt, wann es diesem zeitlich passt, ihm beim Flocken zu helfen. Dies zeigt zum einen, der Verstorbene ist fremdnützig, zugunsten des Betriebs des Sohns, auf den Baustellen tätig geworden. Zum anderen macht die Tatsache deutlich, dass der Verstorbene im Betrieb des Sohnes zwar jeweils weisungsgebunden gearbeitet hat, er - jenseits der konkreten Helfertage - aber nicht in den Betrieb des Kläger arbeitnehmergleich eingegliedert gewesen ist. Dies wäre angesichts des - wenn zuletzt auch nur mit Kurzarbeit belegten - Vollzeitarbeitsverhältnisses des Verstorbenen bei der R.-AG auch gar nicht möglich gewesen. Damit erfüllt die Art und Weise der Tätigkeit des Verstorbenen im Betrieb seine Sohn genau die "Stellung", die § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII mit dem Begriff der "Wie-Beschäftigung" normiert. Sie ist nach dem Gesamttypus als arbeitnehmerähnlich zu ver-stehen.

Dass die arbeitnehmerähnliche Tätigkeit am Unfalltag ursächlich den Tod des Ehe-manns der Klägerin bewirkt hat, ist weder streitig noch zweifelhaft. Damit sind die Voraussetzungen dafür erfüllt, zugunsten der Klägerin Hinterbliebenenleistungen in gesetzlicher Höhe zu erbringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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