S 36 AS 7571/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
36
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 36 AS 7571/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anrechnung von Betriebskostenguthaben
Bemerkung
Betriebskostenguthaben mindern die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen für Unterkunft und Heizung im Anrechnungsmonat, nicht nur lediglich die als angemessen anerkannten Aufwendungen.
1. Der Bescheid vom 23.08.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2010 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung und Erstattung gewährter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen eines angerechneten Betriebskostenguthabens.

Die Klägerin bezieht seit dem Jahre 2005 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Sie bewohnte durchgehend als alleinige Bewohnerin eine Wohnung auf der L. Straße in D., für die zunächst eine Bruttokaltmiete von 342,56 EUR anfiel, mit Anpassung der Vorauszahlung für Betriebskosten ab Oktober 2003 eine Bruttokaltmiete von 348,43 EUR.

Mit Schreiben vom 21.12.2005 forderte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden auch: Beklagter) die Klägerin auf, ihre Kosten für die Unterkunft bis 31.05.2006 zu senken, da diese unangemessen seien. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei eine maximale Bruttokaltmiete von 252,45 EUR angemessen. Mit Bewilligungsbescheid vom 20.05.2006 erkannte der Beklagte nur noch eine Gesamtmiete von 299,25 EUR einschließlich Heizkosten von 42,95 EUR monatlich an. Auch in allen folgenden Bewilligungszeiträumen legte der Beklagte nicht mehr die tatsächliche Miete der Klägerin zugrunde, sondern begrenzte diese auf seine interne Angemessenheitsgrenze.

Mit Bescheid vom 02.05.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin, die über weiteres Einkommen nicht verfügte, Leistungen für den Zeitraum 01.06.2007 bis 30.11.2007 in Höhe von monatlich 644,25 EUR. Dabei erkannte er für Kosten für Unterkunft und Heizung monatlich 299,25 EUR an. Die Gesamtmiete der Klägerin für August 2007 betrug 429,86 EUR.

Am 19.05.2009 ging bei dem Beklagten die Betriebskostenabrechnung der Vermieterin der Klägerin vom 16.07.2007 für den Mietzeitraum 01.10.2005 bis 30.09.2006 ein, welche eine Gutschrift von 60,78 EUR auswies. Den Verrechnungsscheck über die Gutschrift löste die Klägerin ein; die Wertstellung erfolgte, wie der Beklagte durch am 26.01.2010 eingegangenen Kontoauszug erfuhr, am 24.07.2007.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23.08.2010 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid für August 2007 teilweise in Höhe von 60,78 EUR auf und forderte die Erstattung dieser Summe. Infolge der Betriebskostenabrechnung habe die Klägerin einen geldwerten Vorteil erzielt, der die ab Folgemonat des Zuflusses die Leistungen für Unterkunft und Heizung mindere. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 07.09.2010 Widerspruch, mit dem sie geltend machte, dass die Handlungsfrist der §§ 48 Abs. 4 Satz 2, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht beachtet worden sei und das Guthaben die tatsächlichen Aufwendungen und nicht die vom Grundsicherungsträger als angemessen erachteten Kosten für Unterkunft und Heizung mindere.

Mit Änderungsbescheid vom 19.10.2010 änderte der Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 23.08.2010 dahingehend ab, dass lediglich eine teilweise Aufhebung von 21,61 EUR erfolge und nur diese Summe zu erstatten sei, weil man den Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung im August korrigiert habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010 wurde der Widerspruch "nach Erteilung des geänderten Aufhebungs- und Erstattungsbescheides" als unbegründet zurückgewiesen.

Am 22.11.2010 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie weiter geltend macht, dass die Betriebskostenrückzahlung ihre tatsächlichen Aufwendungen für August 2007 - 423,60 EUR - minderte. Selbst aber wenn unter "Aufwendungen" die "angemessenen Aufwendungen" zu verstehen seien, wäre die Betriebskostenrückzahlung mit der Folge einer niedrigeren Erstattung auf einen höheren Ausgangswert anzurechnen, als es der Beklagte getan hat, da dessen Angemessenheitsgrenze nicht auf einem schlüssigen Konzept beruhe. Auch bei der Aufhebungsentscheidung sei die "richtige" Angemessenheitsgrenze zu beachten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 23.08.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass sich bereits aus den vorangegangenen Sätzen des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II (a.F.) ergebe, dass die angemessenen Aufwendungen zu mindern seien. Andernfalls würden im Ergebnis zum Teil unangemessene Kosten anerkannt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, welche zum Zeitpunkt der Entscheidung vorgelegen haben und der Entscheidungsfindung zu Grunde lagen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige und gemäß § 54 Abs. 1 SGG statthafte Anfechtungsklage hat in der Sache Erfolg.

Streitgegenständlich ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23.08.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2010, betroffen damit der Monat August 2010.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten.

2. Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung sind §§ 40 Abs. 1 SGB II, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, 330 Abs. 3 SGB III, Rechtsgrundlage der Erstattungsentscheidung §§ 40 Abs. 1 SGB II, 50 Abs. 1 SGB X.

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, §§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X, 330 Abs. 3 SGB III.

Eine derartige, nach Erlass des Bewilligungsbescheides eingetretene Änderung der Verhältnisse durch Erzielung von Einkommen liegt hier vor, wobei die Änderung infolge des durch § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der bis zum 31. 12.2010 geltenden Fassung d. Art 1 Nr 21 des "Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende" vom 20. Juli 2006, BGBl I, 1706) vorgegebenen Anrechungszeitraumes den dort bestimmten Monat betrifft (zum Vorrang des normativen Anrechungszeitraumes vor dem sonst geltenden Prinzip des tatsächlichen Zuflusszeitpunktes vgl. BSG, Urteil v. 30.07.2008 -B 14 AS 43/07 R; Urteil v. 07.05.2009 - B 14 AS 4/08 R, zit. n. juris). Die Klägerin erlangte die Rückzahlung im Juli 2007, so dass die Änderung nach der Konzeption des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II den Monat August 2007 beträfe.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen. Sind wie vorliegend der Leistungsbewilligung in diesem Monat wie auch in dem Zeitraum, den die Betriebskostenabrechnung betrifft, nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung der Leistungsberechnung zugrunde gelegt worden, sondern lediglich die auf die Angemessenheitsgrenze des Leistungsträgers gekürzten Kosten, stellt sich die Frage, inwieweit die volle Gutschrift anzurechnen ist (1) und von welchen "Aufwendungen" die Gutschrift abzuziehen ist, wobei gleich drei verschiedene Beträge in Betracht kommen (2):

(1) Anzurechnen ist die vollständige Gutschrift. Der Auffassung, wonach, stammt die "Ansparung" des Guthabens wie hier aus einer Zeit, in welcher der Leistungsträger wegen Überschreitens seiner Angemessenheitsgrenze nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung gewährte, nicht das volle Guthaben anzurechnen sei, sondern nur ein – etwa dem Verhältnis von tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu den als angemessen erachteten – prozentualer Anteil (Berlit in: LPK SGB II, 4. A. 2011, § 22 Rz 116), vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Eine derartige Einschränkung lässt sich weder dem Willen des Gesetzgebers noch dem Gesetzestext entnehmen (LSG Baden-Württemberg v. 20.01.2010 – L 3 AS 3759/09, Rz 36; SG Dresden v. 29.06.2010 - S 40 AS 390/09, Rz 24, zit. n. juris). § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II stellt lediglich eine Sonderregelung zu der Anrechnung von Einkommen i. S. d. § 11 SGB II dar, die eingeführt wurde, um den bei der vormaligen Anrechnung über § 11 SGB II häufig damit einhergehenden Abzug der Versicherungspauschale (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V) zu vermeiden und zugleich die Anrechnung dem kommunalen Träger zugute kommen zu lassen (vgl. BT-Drs. 16/1696, S. 26). Bei der Anrechnung von Einkommen aber ist regelmäßig allein auf den Zeitraum der Anrechnung abzustellen und nicht auf den Zeitraum, in dem es "erwirtschaftet" wurde (anders für eine Rückerstattung von Stromzahlungen, aber mit ausdrücklichem Hinweis auf den Unterschied zu Betriebskostenguthaben BSG v. 23.08.2011 - B 14 AS 185/10 R, zit. n. juris).

(2) Die in § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II genannten "Aufwendungen" könnten zum Ersten sein die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die der Hilfebedürftige an die Vermieterseite zu leisten hatte, zum Zweiten jener Betrag, den der Leistungsträger als angemessen anerkannte, zum Dritten schließlich jener Betrag, der als angemessen erachtet wird, wenn die tatsächlichen Aufwendungen zwar unangemessen erscheinen, die Angemessenheitsgrenze des Leistungsträgers aber nicht auf einem sog. schlüssigen Konzept beruht und daher eine andere Angemessenheitsgrenze unter den tatsächlichen Aufwendungen gilt (vgl. dazu BSG, Urteil v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09; SG Dresden, Urteil v. 29.06.2010 - S 40 AS 390/09, zit. n. juris).

Die Kammer hatte keinen Anlass, im Rahmen des § 48 SGB X eine inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides vom 02.05.2007 für den Monat August 2008 etwa dahingehend zu unternehmen, ob die seinerzeit von dem Beklagten herangezogene Angemessenheitsgrenze auf einem "schlüssigen Konzept" beruht. Dabei kann dahinstehen, ob dies schon deshalb ausscheidet, weil der Bewilligungsbescheid vom 02.05.2007 bestandskräftig geworden ist und es auch bleibt, soweit er nicht durch die hier angegriffenen Bescheide zu Recht von dem Beklagten aufgehoben worden ist (BSG v. 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R, Rz 16; LSG Nordrhein-Westfalen v. 28.04.2010 - L 12 AS 34/09, Rz 62; LSG Niedersachsen-Bremen v. 17.11.2010 – L 11 AS 926/10 B, Rz 11; LSG Sachsen-Anhalt v. 25.11.2010 - L 5 AS 39/08, zit. n. juris). Der Klägerseite ist diesbezüglich zuzugeben, dass das Bundessozialgericht an anderer Stelle bei streitgegenständlichen Aufhebungsbescheiden – jedenfalls zur Prüfung einer Änderung im Sinne des § 48 SGB X - eine inzidente Prüfung der materiell zustehenden Höhe der Leistungen vorzunehmen scheint und nicht die bestandskräftige Bewilligung, sondern die "wahre Rechtslage" zugrunde legt (vgl. BSG v. 18.01.2011 - B 4 AS 90/10 R, Rz 16, 17; BSG v. 03.03.2009 - B 4 AS 47/08 R, Rz 10).

Es spielt vorliegend die Angemessenheitsgrenze jedenfalls deshalb keine Rolle, da der Abzug der Summe des Betriebskostenguthabens nach Auffassung der Kammer ohnehin von den "tatsächlichen Aufwendungen" für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II vorzunehmen ist, hier mithin von der vollständigen Höhe der für August 2007 maßgeblichen Bruttokaltmiete nebst Heizkosten abzüglich der Warmwasserpauschale. Dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II ist nicht eindeutig zu entnehmen, welche "Aufwendungen" im Falle unangemessener oder als unangemessen erachteter Kosten der Unterkunft für die Minderung maßgeblich sein sollen. Die neue Vorschrift des § 22 Abs. 3 SGB II hat insoweit keine Klarstellung gebracht; der Gesetzesbegründung ist auch nicht zu entnehmen, weshalb das Wort "entstehenden" weggefallen ist. In der Rechtsprechung ist, soweit veröffentlicht, diese Frage noch nicht vertieft behandelt worden. Nach der 40. Kammer des Sozialgerichts Dresden sei die Minderung von den aus Sicht des Gerichtes angemessenen Aufwendungen vorzunehmen (SG Dresden, Urteil v. 29.06.2010 - S 40 AS 390/09, Rz 25, zit. n. juris). Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat die Minderung von den lediglich angemessen Aufwendungen vorgenommen, ohne dies allerdings betont oder problematisiert zu haben (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.01.2010 - L 3 AS 3759/09, Rz 3, 25, 27, zit. n. juris). Mag für den Abzug lediglich von den "angemessenen Aufwendungen", also den zustehenden Kosten, auch sprechen, dass § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II als Sondervorschrift zu dem - vormals bei Betriebskostenguthaben anwendbaren - § 11 SGB II eingeführt wurde, mithin wie anderes Einkommen auch auf den zustehenden Bedarf anzurechnen ist, so spricht die Systematik der Vorschrift des § 22 Abs. 1 SGB II doch deutlich dafür, dass die "tatsächlichen Aufwendungen" gemeint sind. Die Minderung erfolgt bereits auf Bedarfsebene, wobei man als Bedarf die tatsächliche Gesamtmiete - abzüglich der Warmwasserpauschale, da der Bedarf insoweit anderweitig gedeckt ist - anzusehen haben wird. Da gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen sind, kann davon ausgegangen werden, dass "Aufwendungen", fehlen einschränkende Attribute, die tatsächlichen Aufwendungen darstellen. Demzufolge wird den "Aufwendungen" in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II eigens das Attribut "angemessen" vorangestellt. In § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II wird dann erstmals der Begriff "Aufwendungen" ohne Attribut verwendet, wobei sich deutlich ergibt, dass damit die "tatsächlichen Aufwendungen" gemeint sind, denn im zweiten Halbsatz ist dann von dem "angemessenen Umfang" die Rede - was überflüssig wäre, wenn der Begriff der "Aufwendungen" des § 22 Abs. 1 SGB II die Angemessenheit bereits beinhalten würde. Schließlich spricht auch die Bezeichnung der "entstehenden Aufwendungen" in § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II dafür, dass damit die dem Hilfebedürftigen gegenüber dem Vermieter entstehenden Aufwendungen, mithin die tatsächlichen Mietkosten, gemeint sind. Der Zusatz "entstehenden" wäre andernfalls nur erklärlich, wenn damit die dem Leistungsträger entstehenden Aufwendungen gemeint wären, was indes einen abrupten Perspektivwechsel gegenüber den vorangegangenen Sätzen des § 22 Abs. 1 SGB II darstellen würde und somit kaum gemeint sein kann – zumal die dem Leistungsträger entstehenden Aufwendungen noch von ganz anderen Kriterien, wie etwa der Anrechung von Erwerbseinkommen, abhängen. Auch das Bundessozialgericht dürfte unter den Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II die "tatsächlichen Aufwendungen" verstanden haben (vgl. BSG v. 15.04.2008 - B 14/7b AS 58/06 R, Rz 37; in diesem Verständnis – trotz gegenteiligem Ergebnis - auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rz 27).

Im Ergebnis sind damit zwar Leistungsempfänger bei der Anrechnung von Betriebskostenguthaben besser gestellt, wenn ihre Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung im Anrechnungsmonat unangemessen hoch sind, indes kann dies durchaus als Ausgleich betrachtet werden, da ihre "Ansparung" des Guthabens häufig zum Teil auf Geldern beruht, welche anderswo aufgebracht werden mussten, weil ihr Leistungsträger bereits im Abrechnungszeitraum nicht die vollen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen hatte (daher ebenfalls für die Minderung auch von dem unangemessenen Teil: Lauterbach in: Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II, Rz 98, EL 42, Juni 2011).

Damit ergibt sich für August 2007, dass die Gesamtmiete der Klägerin von 429,86 EUR neben der Warmwasserpauschale von 6,26 EUR um das Betriebskostenguthaben von 60,78 EUR zu verringern war, so dass sich ein Betrag von 362,82 EUR ergibt. Da der Beklagte jedoch unter Berufung auf die Unangemessenheit der Miete ohnehin lediglich 299,25 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannte und bewilligte, wirkte sich das Betriebskostenguthaben nicht leistungsrelevant im Sinne einer Überzahlung aus. Demzufolge kann eine Rückforderung von Leistungen gemäß §§ 40 Abs. 1 SGB II, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht erfolgen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt dem Obsiegen der Klägerin.

3. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob in Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II bzw. des nunmehr einschlägigen § 22 Abs. 3 SGB II Betriebskostenguthaben bei Hilfebedürftigen, deren Kosten für Unterkunft und Heizung im Anrechnungsmonat unangemessen sind und deshalb nur teilweise anerkannt wurden, bereits auf Bedarfsebene die tatsächlichen Aufwendungen mindern oder aber nur die Aufwendungen in angemessener Höhe, ist nicht selten Gegenstand sozialrechtlicher Rechtsstreitigkeiten und hat obergerichtlich noch keiner Klärung erfahren.
Rechtskraft
Aus
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