S 35 AS 64/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 64/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 58/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 19/11 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 24.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2007 verurteilt, den Klägern über die bereits gewährten Unterkunftskosten hinaus weitere Unterkunftskosten für den Monat November 2006 in Höhe von insgesamt 10,80 EUR und für die Monate Dezember 2006 bis April 2007 in Höhe von insgesamt 19,48 EUR monatlich zu gewähren. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen erstattungsfähigen Kosten der Kläger zu 1/3.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Beklagten zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung von November 2006 bis April 2007.

Die 1962 geborene Klägerin ist die Mutter des 1988 geborenen Klägers. Sie beziehen seit 2005 laufend Leistungen nach dem SGB II. Zum 01.11.2005 zogen die Kläger in ihre jetzige Wohnung in der K.-Sp.-Straße in D ... Die Wohnung ist 77,53 qm groß und besteht aus drei Zimmern zuzüglich Küche, Bad und Flur. Die Grundmiete beträgt 364,68 EUR pro Monat. Die Betriebskostenvorauszahlung betrug bis einschließlich November 2006 128,46 EUR, seit Dezember 2006 beträgt sie 150,00 EUR monatlich. Die Heizkostenvorauszahlung beläuft sich auf 35,69 EUR monatlich. Insgesamt betrug die Miete damit bis einschließlich November 2006 528,83 EUR und seit Dezember 2006 beträgt sie 550,37 EUR.

Mit Bescheid vom 24.10.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitslosengeld II, wovon auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung 189,74 EUR pro Monat entfielen. Die Klägerin legte durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.11.2006 Widerspruch ein. Der Kläger, der Sohn der Klägerin, sei volljährig und in der Bedarfsgemeinschaft ebenfalls zu berücksichtigen. Zudem seien die Kosten für Unterkunft und Heizung in zu geringer Höhe bewilligt worden. Auch wenn nach Auffassung der Beklagten nur die halbe Miete zu übernehmen sei, weil der weitere Teil auf den Sohn entfalle, sei der Anteil zu niedrig. Die Beklagte erließ daraufhin den Änderungsbescheid vom 31.01.2007, mit dem der Sohn der Klägerin als Teil der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt wurde. Der Klägerin und dem Kläger wurden als Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils 189,74 bzw. 189,75 EUR monatlich bewilligt. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.02.2007 wandten sich die Kläger wiederum gegen die Höhe der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung, so dass die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2007 als im Übrigen unbegründet zurückwies. Sie übernehme nach § 22 SGB II die tatsächliche Miete nur insoweit, als sie angemessen sei. Die Wohnflächenobergrenze für 2 Personen betrage 60 qm, die Miethöchstgrenze für die Grundmiete liege bei 3,94 EUR je qm. Als Betriebskosten würden pauschal 1,79 EUR je qm übernommen. Für die Kläger ergebe sich daher eine zu übernehmende Grundmiete von 236,40 EUR und Betriebskosten in Höhe von 107,40 EUR, also insgesamt 343,80 EUR, die gezahlt würden. Die Heizkosten seien in tatsächlicher Höhe übernommen worden. Der Mietvertrag sei am 01.11.2005 ohne Zustimmung der Beklagten geschlossen worden. Deshalb komme eine Übernahme der vollen Kosten nicht in Betracht. Dies sei auch in der Vergangenheit bereits so gehandhabt worden.

Die Kläger haben durch ihre Prozessbevollmächtigten am 21.03.2007 Klage erhoben, mit der sie weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung begehren. Die Wohnfläche sei mit gut 77 qm und drei Zimmern angemessen. Der Kläger sei bereits 19 Jahre alt und brauche sein eigenes Zimmer. Die Wohnung bestehe den Haupträumen nach daher aus dem Schlafzimmer der Klägerin, einem Wohnzimmer und dem Zimmer des Klägers. Die Klägerin wohne zudem seit 28 Jahren in demselben Viertel und wolle dort auch bleiben. Die alte Wohnung sei noch teurer gewesen. Die Miete, die die Beklagte zu Grunde lege, stamme aus veralteten Mietspiegeln und sei den neueren Gegebenheiten nicht angepasst worden. Der aktuelle Mietspiegel der Stadt aus 2005 sehe für Wohnungen bis 70 qm Wohnfläche in der Baualtersklasse bis 1960, normale Wohnlage, einen Betrag von 4,36 EUR vor. Auf dieser Grundlage ergebe sich für eine Wohnfläche von 60 qm eine Grundmiete von 261,60 EUR und eine Gesamtmiete inklusive der tatsächlichen Betriebs- und Heizkosten von 425,75 EUR für November 2006 und seit Dezember 2006 447,29 EUR. Die Differenz dieser Beträge zu den bewilligten Beträgen werde mit der Klage geltend gemacht.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.10.2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 31.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2007 zu verurteilen, ihnen über die bereits gewährten Unterkunftskosten hinaus weitere Unterkunftskosten für den Monat November 2006 in Höhe von 46,26 EUR für Dezember 2006 in Höhe von 60,76 EUR und für Januar bis April 2007 in Höhe von je 67,80 EUR zu gewähren, hilfsweise die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig. Auch zu der von ihr als angemessen angesehenen Grundmiete und dem nach Berücksichtigung der Betriebskostenpauschale errechneten Bruttokaltmiete seien ausreichend Wohnungsangebote vorhanden. Dies gelte aktuell, habe aber auch im Juni und Dezember 2006 gegolten, was sich aus den beigefügten Listen ergebe. Zur Bestimmung des angemessenen Mietpreises seien aktuelle Werte herangezogen worden. Da Wohnungen im unteren Preissegment für Bezieher von Transferleistungen als ausreichend erachtet werden, sei von den im Mietspiegel ausgewiesenen unteren Werten für Wohnungen der Gruppen I bis II ein Abschlag von 5-10 % zu nehmen. Der angemessene Betrag von 3,94 EUR stehe insoweit im Einklang mit dem Mietspiegel 2005. Auch in dem von der Klägerin gewünschten Stadtteil seien entsprechende Wohnungen vorhanden. Im Falle von Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche helfe das Amt für Soziales und Wohnen weiter. Für die Kläger sei auch eine 2-Zimmer-Wohnung ausreichend, da sich beide je ein Wohn- und Schlafzimmer einrichten könnten.

Die Kläger sind der Ansicht, dass durch den von der Beklagten in ihrer Berechnung der Grundmiete vorgenommene Abschlag nur Wohnungen auf dem untersten Niveau berücksichtigt werden, was mit den Vorschriften des SGB II nicht in Einklang stehe. Hinsichtlich der Betriebskosten sei zudem zu berücksichtigen, dass sich einige Kosten nicht nach der Quadratmeterzahl der Wohnung, sondern nach der Personenzahl errechneten, was bei der Ermittlung der angemessenen Betriebskosten zu berücksichtigen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte und der die Kläger betreffenden Leistungsakte der Beklagten. Das Gericht hat ergänzend die Entscheidungen des Sozialgerichts Duisburg vom 22.01.2008, Az: S 7 (7, 25) AS 110/06 und vom 20.09.2007, Az: S 27 AS 357/05 beigezogen, die Mietspiegel von 1992 bis 2007 und die Auswertung einer Wohnungsmarktbeobachtung der Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen für Duisburg aus dem Jahr 2005/2006. Diese Akten und die genannten weiteren Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Versehentlich ist die ausdrückliche Erwähnung des Änderungsbescheides vom 31.01.2007, der dem Bescheid vom 24.10.2006 die für den Widerspruchsbescheid maßgebliche Gestalt gegeben hat, unterblieben.

Der Bescheid vom 24.10.2006 und der Änderungsbescheid vom 31.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2007 sind rechtswidrig und beschweren die Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Kläger haben für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 30.04.2007 einen Anspruch auf die Übernahme weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Zwischen den Beteiligten ist die Leistungsberechtigung der Kläger dem Grunde nach unstreitig. Auch wird von den Beteiligten übereinstimmend angenommen, dass die Kläger in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Streitig ist allein die Höhe der zu berücksichtigenden Kosten für Unterkunft und Heizung.

Der Anspruch der Kläger auf weitere Kosten der Unterkunft und Heizung ergibt sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) in der Fassung vom 20.07.2006. Danach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Bei der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II geht das Gericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) davon aus, dass diese in einer bestimmten Reihenfolge und als Einzelfallprüfung zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.2008, Az: B 11b AS 41/06 R; Urteil vom 27.02.2008, Az: B 14/7b AS 70/06 R; Urteil vom 07.11.2006, Az: B 7b AS 18/06 R und B 7b AS 10/06 R, sämtlich in Juris). Hierzu ist zunächst die maßgebliche Größe einer angemessenen Wohnung zu bestimmen und zwar typisierend anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus. Sodann ist der Wohnstandard festzulegen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher, grundlegende Bedürfnisse befriedigender und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Als Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen. In Einzelfällen sind bei kleineren Gemeinden größere, bei Großstädten kleinere räumliche Bereiche dankbar. Insoweit kommt es letztlich darauf an, ob das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht. Nach Festlegung dieses abstrakten Angemessenheitsmaßstabs muss im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung festgestellt werden, ob eine entsprechende bedarfsgerechte Wohnung im streitigen Zeitraum konkret verfügbar und zugänglich war. Bei nicht angemessenen tatsächlichen Unterkunftskosten ist in jedem Fall der Teil der Unterkunftskosten zu zahlen, der im Rahmen der Angemessenheit liegt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält das Gericht bei einer Bedarfsgemeinschaft, die aus zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einer Familie besteht, eine Wohnungsgröße von 60 qm für ausreichend und angemessen, da zwei Personen sich auch bei nur zwei Zimmern zumutbar jeweils ein Zimmer als Wohn- und Schlafraum einrichten können. Diese Quadratmeterzahl basiert auf der Ziffer 5.71 der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz 1990 (VV-WoBindG; Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1989, 1714 (1716)), die auch nach Aufhebung des Wohnungsbindungsgesetzes weiter anwendbar sind. Dies ergibt sich aus Ziffer 2 der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz vom 05.07.2004 (Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 2004, 660), wonach die Verwaltungsvorschriften auch für die Zeit nach Aufhebung des Wohnungsbindungsgesetzes und nach Inkrafttreten des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz - WoFG -) vom 13.09.2001 (Bundesgesetzblatt I, 2376) weiterhin entsprechend anzuwenden sind. Die Annahme, dass ein Wohnraum von 60 qm ausreichend ist, steht auch nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des BSG in der Entscheidung vom 07.11.2006, Az: B 7b AS 18/06 R. Danach ist bei der Bestimmung der Wohnungsgröße die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen, die sich nach Aufhebung des Wohnungsbindungsgesetz nach § 10 WoFG iVm dem jeweiligen Länderrecht richtet. Nach 2.22 der nordrhein-westfälischen Wohnraumförderbestimmungen wird für eine barrierefreie Wohnung, bestehend aus 2 Zimmern, Küche und Nebenräumen eine Wohnflächenobergrenze von 62 qm und für Rollstuhlfahrer von 70 qm angenommen. Da die Wohnraumförderbestimmungen keine Aufteilung der Wohnungen nach der Anzahl der Bewohner vornimmt, sondern nach der Anzahl der Räume und immer eine Barrierefreiheit voraussetzt, hält das Gericht diese Grenze nicht für zwingend in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem für das Erfordernis barrierefreien Wohnraumes keine Anhaltspunkte vorhanden sind. Vielmehr kann in einem solchen Fall auch auf die weiterhin geltende o.g. Ziffer 5.71 VV-WoBindG zurückgegriffen werden. Im Ergebnis gehen wohl auch die Kläger von der Angemessenheit einer 60 qm großen Wohnung aus, da die Beträge des Klageantrags auf weiteren Unterkunftskosten für 60 qm beruhen.

Die Wohnung der Kläger ist demnach mit einer Wohnungsgröße von 77,53 qm unangemessen.

Hinsichtlich des Wohnungsstandards hält das Gericht es grundsätzlich für ausreichend, dass auf einen qualifizierten Mietspiegel entsprechend § 558d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) abgestellt wird, um das untere Preissegment zu ermitteln. Insoweit ist das vom Mietspiegel erfasste Gebiet auch der Vergleichsmaßstab im Wohnort. Das Gericht geht mit der 27. Kammer des Sozialgerichts (SG) Duisburg in ihrer Entscheidung vom 20.09.2007, Az: S 27 AS 357/05 davon aus, dass Wohnort in diesem Sinne die Kommune ist, in der der Hilfebedürftige wohnt. Im Rahmen der abstrakten Angemessenheit ist, soweit ein qualifizierter Mietspiegel bei Großstädten nur für das gesamte Stadtgebiet existiert, eine weitere Unterteilung in kleinere Vergleichseinheiten nicht erforderlich. Dadurch bedingte Härten können ggf. bei der konkreten Angemessenheitsprüfung ausgeglichen werden.

Nach der Rechtsprechung des BSG scheint die Zugrundelegung eines vorhandenen, qualifizierten Mietspiegels nicht zwingend; es besteht danach auch die Möglichkeit, dass die einzelnen Leistungsträger ein eigenes schlüssiges Konzept als Basis für die Ermittlung des angemessenen Mietzinses verwenden, das auf stichhaltigen Erkenntnissen beruht (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.2008, Az: B 11b AS 41/06 R Rn. 23; Urteil vom 07.11.2006, Az: B 7b AS 18/06 R Rn. 23, wobei die Formulierung hier darauf hindeutet, dass einem qualifizierten Mietspiegel im Falle seines Vorliegens der Vorzug zu geben ist). Jedenfalls im Hinblick auf den hier streitigen Zeitraum geht das Gericht mit der 7. und der 27. Kammer des SG Duisburg davon aus, dass ein solches schlüssiges Konzept, das die örtlichen Verhältnisse dem qualifizierten Mietspiegel vergleichbar widerspiegelt, nicht vorliegt (vgl. SG Duisburg, Urteil vom 22.01.2008, Az: S 7 (7, 25) AS 110/06; Urteil vom 20.09.2007, Az: S 27 AS 357/05).

Maßgeblich ist daher im vorliegenden Fall der qualifizierte Mietspiegel der Stadt Duisburg aus dem Jahr 2005. Dieser Mietspiegel weist in 6 Gruppen jeweils differenziert nach dem Jahr der Bezugsfertigstellung die Quadratmeterpreise für normale und gute Wohnungslagen, hier wiederum differenziert nach der Wohnfläche auf. Angegeben sind jeweils für die einzelnen Wohnlagen ein Mindest- und ein Maximalwert sowie ein Mittelwert. Nach den Erläuterungen zum Mietspiegel liegen die meisten Wohnungen innerhalb des Stadtgebiets in normalen Wohnlagen. Solche Wohngebiete sind – so die Erläuterungen – zumeist dicht bebaut und weisen keine außergewöhnlichen Beeinträchtigungen durch Lärm oder Geruch auf. Bei stärkerem Verkehrsaufkommen müssen genügend Freiräume vorhanden sein, die diesen Nachteil ausgleichen. Dem gegenüber werden einfache Wohnlagen so erläutert, dass dort das Wohnen durch starke Geräusch-, Geruchs- oder Staubbelästigungen beeinträchtigt wird und diese Mängel nicht durch besondere Vorteile ausgeglichen sind (z.B. Frei- und Grünflächen). Nach den Erläuterungen 5.2 zum Mietspiegel können für einfache Wohnlagen Abschläge von 5% bis 10% erfolgen.

Auf dieser Grundlage hält das Gericht einen Grundmietzins (ohne Betriebskosten- und Heizkostenvorauszahlung) von 4,12 EUR für angemessen. Hinsichtlich der Ermittlung dieses Wertes schließt sich die Kammer der Berechnungsweise der 7. Kammer in der Entscheidung vom 22.01.2008, Az: S 7 AS (7, 25) AS 110/06 nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Diese führt dazu aus:

"Was die Ermittlung der konkreten Höhe der Angemessenheitsgrenze anhand des Mietspiegels angeht, hält es die Kammer [ ...] für gerechtfertigt, die Werte des Mietspiegels der Gruppen I. bis IV. zu berücksichtigen, womit es dem Betroffenen ermöglicht wird, Wohnungen bis zu einer Bezugsfertigstellung im Jahre 1984 anzumieten. Die Kammer hält dies mit dem Grundsatz für vereinbar, dass Empfängern von Transferleistungen nach der Rechtsprechung nur Wohnungen im unteren – nicht untersten – Bereich vergleichbarer Wohnungen im örtlichen Bezugsbereich zugänglich sein müssen. Die in dem einschlägigen Mietspiegel vorgenommene Aufteilung nach Wohnaltersgruppen stellt nicht vorrangig eine qualitative Staffelung der Wohnungen dar, weil auch ältere, gut gepflegte Wohneinheiten einen besseren Wohnstandard bieten können, als jüngere, weniger gut gepflegte. Auszuscheiden sind demnach nur solche Wohneinheiten, bei denen der Gesichtspunkt der Wohnqualität im Vordergrund steht. Dies sind aus Sicht der Kammer nur solche mit einer Bezugsfertigstellung ab dem Jahr 1984. Im Rahmen der bis 1984 bezugsfertig gewordenen Wohnungen erscheint es gerechtfertigt, es den Betroffenen zu ermöglichen, Wohnungen zu suchen, die vom Preis her bis an das Segment "normale Wohnlage" heranreichen. Dies kann rechnerisch dadurch geschehen, indem man jeweils den untersten Wert in den jeweiligen Gruppen für Wohnungen in normaler Wohnlage [ ...] zugrunde legt. Die jeweiligen Werte sind zu addieren und durch die Anzahl der Gruppen zu teilen, um hieraus einen entsprechenden Mittelwert zu bilden. Die Betroffenen erhalten damit die Möglichkeit, Wohnungen innerhalb des gesamten Segments einfacher Wohnungen in den genannten Gruppen zu suchen und ggf. anzumieten. Die Kammer hält diese eher großzügige Bemessung der Angemessenheitsgrenze auch deswegen für geboten, weil sich zum Einen aus dem aktualisierten Mietspiegel nach § 558d BGB vom 01.11.2007 für den Bereich der Stadt Duisburg indiziell ergibt, dass es zumindest in den unteren Baualtersgruppen zu einer Erhöhung des örtlichen Mietpreisniveaus gekommen ist [ ...] und zum Anderen gewährleistet sein muss, dass alle Hilfeempfänger jederzeit auf dem örtlichen Wohnungsmarkt eine unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles kostenangemessene, bedarfsgerechte menschenwürdige Unterkunft anmieten können (Berlit in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 22 Rz. 37 mwN)."

Soweit auch die Beklagte den von ihr ermittelten Wert für einen angemessenen Grundmietzins auf den Mietspiegel 2005 stützt, schließt sich das Gericht der zu Grunde liegenden Berechnung aus den oben ausgeführten Gründen nicht an.

Für die hier maßgeblichen Wohnungen "bis 70qm Wohnfläche" ergibt sich demnach die folgende Berechnung: (3,71 EUR + 3,87 EUR + 4,16 EUR + 4,74 EUR): 4 = 4,12 EUR.

Die Wohnung der Kläger ist somit auch hinsichtlich des Nettomietzinses unangemessen.

Zu diesem Betrag gab und gibt es auch ausreichend konkrete Unterkunftsalternativen für die Kläger, selbst in dem gewünschten Stadtteil. Dies zeigen die den streitgegenständlichen Zeitraum betreffenden Listen der Beklagten. Die Internetrecherche der Vorsitzenden vom 26.08.2008 hat auch aktuell alleine in Obermarxloh 10 Angebote im Rahmen der Angemessenheitsgrenzen gefunden. Im vorliegenden Fall erachtet das Gericht die vorgelegten Unterlagen der Beklagten auch für genügend, um die Prüfung der konkreten Angemessenheit vornehmen zu können. Die Kläger sind ohne Aufforderung zum Umzug in eine selbst gesuchte Wohnung umgezogen. Sie haben trotz des laufenden Leistungsbezug im Juli 2005 den Mietvertrag geschlossen, die Beklagte erst im Oktober 2005 von dem bevorstehenden Umzug informiert und die Wohnung tatsächlich zum 01.11.2005 bezogen. Sie haben sich nicht um eine Zusicherung des Leistungsträgers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft bemüht, und es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass eine abstrakt angemessene Wohnung konkret nicht verfügbar war.

Da die Beklagte die Heizkostenvorauszahlung in tatsächlicher Höhe übernimmt ist dieser Bestandteil der zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Auch hinsichtlich der zu übernehmenden Betriebskosten gilt der Grundsatz des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, dass die Kosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sind, soweit diese angemessen ist. Bei den übernommenen Betriebskostenvorauszahlungen hat die Beklagte für die angemessenen 60 qm eine Pauschale von 1,79 EUR je qm zu Grunde gelegt und im streitigen Zeitraum monatlich 107,40 EUR übernommen.

Das Gericht hat keine grundsätzliche Bedenken gegen die Vorgehensweise der Beklagten, die Betriebskostenvorauszahlungen auf der Grundlage eines pauschalierten Betrages je qm zu übernehmen. Denn die Pauschalierung dient der Verwaltungsvereinfachung und damit der beschleunigten Bearbeitung und Bescheidung der Anträge Hilfebedürftiger. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Pauschale in einer Weise bestimmt wurde, die in den meisten Fällen, die Kosten deckt. Dies ist vorliegend der Fall. Als Vergleichsmaßstab legt die Kammer den Betriebskostenspiegel für Deutschland des Deutschen Mieterbundes e.V. aus 2007 zu Grunde (vgl. http://www.mieterbund.de/pm20122007 1c.html), der auf der Auswertung von rund 17.000 Abrechnungen des Abrechnungsjahres 2006 beruht. Danach liegt die durchschnittliche monatliche Betriebskostenbelastung bei 1,75 EUR je qm und Monat. In diesem Betrag sind sämtliche denkbaren Betriebskostenarten enthalten, wobei das Gericht den Anteil für Heizkosten und Warmwasser herausgerechnet hat, da die Beklagte diese Kosten gesondert deckt. Die Pauschale der Beklagten in Höhe von 1,79 EUR übersteigt den Wert von 1,75 EUR und ist daher als sachgerecht anzusehen.

Im Hinblick auf den Monat November 2006 übernimmt die Beklagte zu Recht 107,40 EUR an Betriebskostenvorauszahlung. Dieser Betrag übersteigt sogar den Betrag, der zu zahlen wäre, wenn die tatsächliche Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 128,46 EUR auf 60 qm "heruntergebrochen" würde. Dann wäre nur ein Betrag von 99,41 EUR (128,46 EUR: 77,53 qm x 60 qm) zu übernehmen. Da die Berechnung der Beklagten insoweit für die Kläger günstiger ist und zudem im Einklang steht mit der Rechtsprechung des BSG, wonach auch bei nicht angemessenen tatsächlichen Unterkunftskosten in jedem Fall der Teil der Unterkunftskosten zu zahlen ist, der im Rahmen der Angemessenheit liegt (BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az: B 7b AS 10/06 R Rn. 25), hat das Gericht keine Bedenken, diese Berechnung im Hinblick auf den Monat November 2006 zu übernehmen. Für den Monat November 2006 ist demnach eine Grundmiete von 247,20 EUR, eine Heizkostenvorauszahlung von 35,69 EUR und die Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 107,20 EUR (Gesamtmiete: 390,29 EUR) zu übernehmen und daher ein Mehrbetrag in Höhe von 10,80 EUR (390,29 EUR - 379,49 EUR) von der Beklagten zu leisten.

Im Hinblick auf die Monate Dezember 2006 bis April 2007 sind darüber hinausgehende Kosten wegen der gestiegenen monatlichen Betriebskostenvorauszahlung zu übernehmen, da die Kläger eine höhere Betriebskostenvorauszahlung als 1,79 EUR je qm nachgewiesen haben. Die tatsächlichen Betriebskostenvorauszahlung beträgt monatlich 150,00 EUR und damit pro qm 1,93 EUR, was die von der Beklagten zu Grunde gelegte Pauschale von 1,79 EUR übersteigt. Da nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II die tatsächlichen Kosten zu übernehmen sind, soweit sie angemessen sind, ist für den genannten Zeitraum nicht die Pauschale zu Grunde zu legen, sondern es sind die tatsächlichen Kosten für 60 qm zu übernehmen (150,00 EUR: 77,53 qm x 60 qm = 116,08 EUR). Anhaltspunkte dafür, dass die Vorauszahlung unangemessen hoch angesetzt ist, liegen nicht vor. Sollte sich im Ergebnis nach der Endabrechnung eine Überzahlung ergeben, hat die Beklagte die Möglichkeit, dies im Nachhinein zu berücksichtigen. Für die Monate Dezember 2006 bis April 2007 ist demnach eine Grundmiete von 247,20 EUR, eine Heizkostenvorauszahlung von 35,69 EUR und die Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 116,08 EUR (Gesamtmiete: 398,97 EUR) zu übernehmen und daher ein Mehrbetrag in Höhe von 19,48 EUR (398,97 EUR - 379,49 EUR) von der Beklagten zu leisten. Soweit im Dezember 2006 ein Heizkostenguthaben zu Gunsten der Kläger berücksichtigt wurde, war dessen Herkunft und die Art und Weise der Berücksichtigung weder durch die vorliegenden Akten noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu klären. Es bleibt daher von der vorliegenden Berechnung unberührt bestehen.

Der Einwand der Kläger, dass bei den Betriebskosten eine Unterscheidung nach qm-bezogenen Kosten und solchen, die von der Anzahl der Bewohner abhängig ist, zu erfolgen hat, wird von der Kammer nicht geteilt. Denn die Pauschale je qm, soweit sie die Betriebskostenvorauszahlung abdeckt, bzw. das "Herunterbrechen" der tatsächlichen Kosten auf die angemessene qm-Zahl, das letztlich auch wieder in einem qm-Preis mündet, gewährleistet die zügige Sachbearbeitung, ohne den einzelnen unverhältnismäßig zu beeinträchtigen. Dass grundsätzlich auch verbrauchsabhängige Elemente in eine Pauschale einfließen können, zeigt die Festlegung der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB II, die ebenfalls durchschnittliche Erfahrungswerte umfasst und vereinheitlicht. Auch der Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes e.V. lässt die Kosten für bspw. Wasser / Abwasser in die Durchschnittsberechnung einfließen.

Eine über die im Ergebnis ermittelten Beträge hinaus gehende Leistung von Unterkunftskosten kommt auch nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Betracht. Danach werden die Kosten für Unterkunft und Heizung, auch wenn sie den angemessenen Umfang übersteigen, vorübergehend in tatsächlicher Höhe erbracht, solange es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, diese Aufwendungen zu senken. Diese Regelung ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Sie gewährt denjenigen Leistungsempfängern einen Bestandsschutz, die mit einer nach den Maßstäben des SGB II zu teuren Wohnung in den Leistungsbezug kommen und eine gewisse Zeit benötigen, um eine angemessene Wohnung zu finden (BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az: B 7b AS 18/06 R Rn. 24; Lang/Link in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage, § 22 Rn. 60b). Vorliegend sind die Kläger zum 01.11.2005 und damit während des Leistungsbezugs umgezogen. Den Mietvertrag hatten sie bereits im Juli 2005 geschlossen, die Beklagte wurde im Oktober 2005 informiert. Eine Zusicherung wurde weder beantragt noch erteilt. Die Beklagte zahlt seit dem 01.11.2005 die nach ihrer Rechtsauffassung angemessene Miete und dies bis zu dem hier streitigen Zeitraum auch unbeanstandet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.

Die Kammer hat die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Zulassung war erforderlich, da der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 270,22 EUR für die Kläger (begehrt waren insgesamt 378,22 EUR, gewährt wurden insgesamt 108,20 EUR) und mit 108,20 EUR für die Beklagte die in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannte Grenze jeweils nicht überschreitet.
Rechtskraft
Aus
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