L 5 KR 542/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 34 KR 191/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 542/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 12/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rev. durch Urteil zurückgewiesen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.08.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung der Kosten einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in Höhe von 2.315,20 Euro.

Die 1929 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin wurde wegen einer Aortenklappenstenose und der Notwendigkeit eines operativen Herzklappenersatzes in der Zeit vom 02.01. bis 14.01.2008 stationär im Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad P behandelt. Seitens des Sozialdienstes der vorgenannten Klinik wurde am 09.01.2008 die Gewährung einer Anschlussheilbehandlung beantragt, die auf Wunsch der Klägerin in der H-N-Klinik in Bad P, mit der die Beklagte einen Versor-gungsvertrag abgeschlossen hat, durchgeführt werden sollte. Es werde angefragt, ob es die Möglichkeit einer Teilkostenübernahme gebe. Als vorläufiger Aufnahmetermin sei der 14.01.2008 vereinbart worden.

Unter dem 09.01.2008 teilte die Beklagte dem Herz- und Diabeteszentrum Bad P mit, die Beklagte belege nur noch bestimmte Kliniken. Im Falle der Versicherten seien dies die N1-Klinik in Bad P (Transportservice) und das Gesundheitszentrum in M-Bad X (Transportservice). Aus den Antragsunterlagen ergäben sich keine medizinischen Gründe, die zwingend gegen eine Belegung dieser Kliniken sprächen. Sollten dennoch medizinische Gründe vorliegen, die lediglich eine Verlegung in die H-N-Klinik erlaubten, werde um Übersendung begründeter Unterlagen gebeten, damit eine Vorlage bei dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) veranlasst werden könne. Eine anteilige Kostenbeteiligung sei im Hinblick auf das Sachleistungsprinzip nicht möglich. Es werde gebeten, den Sachverhalt mit der Klägerin zu besprechen und mitzuteilen, für welche der Kliniken sie sich entschieden habe. Am 14.01.2008 begann die Klägerin die Rehabilitationsmaßnahme in der H-N-Klinik, ohne zuvor mit der Beklagten nochmals Kontakt aufzunehmen.

Nachdem der Beklagten aufgrund ihrer Rückfrage seitens des Herz- und Diabeteszentrum Bad P mitgeteilt worden war, dass die Klägerin die Rehabilitationsmaßnahme als Selbstzahlerin in der H-N-Klinik durchführe, lehnte sie mit Bescheid vom 14.01.2008 eine Kostenübernahme hinsichtlich der in der H-N-Klinik durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme ab. Unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes komme die begehrte Kostenübernahme nicht in Betracht. Da stationäre Anschlussrehabilitationsmaßnahmen nach dem Sachleistungsprinzip gewährt würden, sei eine Kostenbeteiligung des Versicherten in Höhe eventuell entstehender Mehrkosten nicht möglich.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, bei der H-N-Klinik handele es sich um eine zertifizierte Einrichtung, mit der ein Versorgungsvertrag geschlossen worden sei. Entsprechend den gesetzlichen Regelungen könne sie eine solche Einrichtung wählen und müsse nur die dadurch entstehenden Mehrkosten tragen. Im Übrigen sei die Kostendifferenz vergleichsweise gering und betrage etwa 370,- Euro. Durch die stationäre Rehabilitationsmaßnahme seien ihr Kosten in Höhe von 2.315,20 Euro entstanden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2008 hat die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Im System der gesetzlichen Krankenversicherung herrsche grundsätzlich das Sachleistungsprinzip. Eine Kostenerstattung scheide vorliegend schon deshalb aus, weil die Klägerin sich als Selbstzahlerin in die H-N-Klinik begeben habe, ohne die Entscheidung der Beklagten über den Antrag abzuwarten. Ein direkter Zusammenhang zwischen der Entstehung der Kosten und der Ablehnung der Maßnahme sei deshalb nicht gegeben.

Am 10.07.2008 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen, sie habe den Beschaffungsweg eingehalten. Bereits die Mitteilung der Beklagten vom 09.01.2008 habe sie als generelle Ablehnung der begehrten Kostenübernahme verstanden, da keine zwingenden medizinischen Gründe gegen eine Belegung der von der Beklagten benannten Kliniken vorgelegen hätten. Die Beklagte habe die Kostenübernahme auch zu Unrecht abgelehnt, denn ihr stehe ein Wahlrecht hinsichtlich der Rehabilitationseinrichtung zu, so dass lediglich die Mehrkosten seien von ihr zu tragen seien.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2008 zu ver- urteilen, an sie 2.315,20 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden verwiesen und ergänzend vorgetragen, die Klägerin sei von Anfang an auf die H-N-Klinik festgelegt gewesen. Entsprechend dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung habe die Klägerin die H-N-Klinik, mit der ein Versorgungsvertrag bestehe, gerade nicht wählen können. Die Auswahl habe allein die Beklagte unter Berücksichtigung ihres pflichtgemäßen Ermessens vorzunehmen.

Durch Urteil vom 26.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin den Beschaffungsweg eingehalten habe, jedenfalls seien in Höhe der Klageforderung bereits keine erstattungsfähigen Kosten vorentstanden, da die Klägerin keiner rechtswirksamen Vergütungsforderung der H-N-Klinik ausgesetzt gewesen sei.

Gegen das ihr am 08.09.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.10.2011 Berufung eingelegt. Sie hat vorgetragen, das Urteil verkenne die Rechtslage. Die angeblich fehlerhafte Rechnung sei im Hinblick auf die Kostenerstattung ohne Belang, da die Beklagte sie hierauf zu keinem Zeitpunkt hingewiesen habe. Die Klägerin habe auch den Beschaffungsweg eingehalten, da die Mitteilung vom 09.01.2008 eine endgültige Ablehnung der begehrten Kostenübernahme gewesen sei. Im Hinblick auf das Wahlrecht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei die Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.08.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 09.01.2008 und 14.01. 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2008 zu verurteilen, an sie 2.315,20 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Beschaffungsweg sei nicht eingehalten. Bei der Auswahl der Klinik habe sie die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens nicht überschritten, da die Wunschklinik kostenintensiver gewesen sei als die der Klägerin zur Auswahl gestellten Kliniken. In der N1-klinik Bad P wären Kosten in Höhe von 1.942,91 Euro und in dem Gesundheitszentrum M-Bad X in Höhe von 1.975,- Euro entstanden. Eine Erstattung der "sowieso-Kosten" komme unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen zur Kostenerstattung nicht in Betracht. Im Übrigen habe der Senat mit Urteil vom 14.05.2009 - L 5 KR 155/08 - die Rechtsauffassung der Beklagten bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von 2.315,20 Euro. Ebensowenig besteht ein Anspruch der Klägerin in Höhe der Kosten, die entstanden wären, wenn sie die Maßnahme in einer der von der Beklagten genannten Einrichtungen durchgeführt hätte.

Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Danach ist die Krankenkasse als Träger der medizinischen Rehabilitation zur Erstattung der Kosten für eine vom Versicherten selbst beschaffte Leistung dann verpflichtet, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder wenn sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (vgl. BSG Urteil vom 18.05.2011 - B 3 KR 12/10 R - m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die streitige Rehabilitationsmaßnahme unaufschiebbar i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX war.

Die Voraussetzungen gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 4 2. Alternative SGB IX sind ebenfalls nicht erfüllt.

Zwar fehlt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits an dem notwendigen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast der Klägerin. Denn unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens hat die Klägerin den Beschaffungsweg eingehalten. Sie hat sich die Leistung nämlich nicht besorgt, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. Die Klägerin hat bereits am 09.01.2008 die streitige Rehabilitationsmaßnahme bei der Beklagten beantragt, denn für die an diesem Tag seitens des Sozialdienstes des Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen erfolgte Antragstellung bestand - i.S. einer Vollmacht - das Einverständnis der Klägerin (vgl. dazu BSG Urteil vom 13.09.2011 - B 1 KR 25/10 R -). Diesen Antrag hat die Beklagte durch den - formlosen - Bescheid vom 09.01.2008 abgelehnt. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei dem Schreiben vom 09.01.2008 nicht lediglich um eine Beratung der Klägerin mit Hinweisen auf die rechtlichen Möglichkeiten der Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme, sondern gleichzeitig um einen Verwaltungsakt, in dem die begehrte Rehabilitationsmaßnahme in der H-N-Klinik abgelehnt wurde.

Die Klägerin hat mithin die Rehabilitationsmaßnahme nicht schon vor der Ablehnung seitens der Beklagten begonnen.

Es fehlt auch nicht an einer rechtswirksamen Vergütungsforderung der H-N- Klinik. Für stationäre Behandlungen gilt grundsätzlich nicht die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), so dass nicht zu beanstanden ist, dass der Klägerin seitens der H-N- Klinik ein täglicher Pflegesatz in Rechnung gestellt wurde. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin hier Vorschussleistungen geleistet hätte, die vor der Erteilung des ablehnenden Bescheides lagen.

Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin scheitert jedoch daran, dass die Ablehnung der stationären Rehabilitationsmaßnahme in der H-N-Klinik nicht zu Unrecht erfolgt ist. Der Kostenerstatungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sachleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung vgl. nur: BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 5/09 R -, SozR 4-2500 § 31 Nr. 15). Einen solchen Naturalleistungsanspruch auf stationäre Rehabilitation in der H-N-Klinik hatte die Klägerin jedoch nicht.

Maßgebende Vorschrift für die Leistungspflicht der Beklagten im Bereich der Medizinischen Rehabilitation ist hier § 40 SGB V. Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für das "Ob" einer Maßnahme der stationären Rehabilitation gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorlagen, wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Allerdings stehen gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V die Modalitäten der Leistungen sowie ihre nähere Ausgestaltung bezüglich Art, Beginn, Dauer, Durchführung und sonstiger Einzelheiten im pflichtgemäßen Ermessen der Krankenkassen. Dies umfasst auch die Auswahl der Rehabilitationseinrichtung (BSG, Urteil vom 23.07.2002 - B 3 KR 63/01 R -, BSGE 89, 294-305 = SozR 3-2500 § 111 Nr. 3; vgl. auch BSG, Urteil vom 15.11.1983 - 1 RA 33/83 -, SozR 2200 § 1236 Nr. 43). Die Entscheidung der Krankenkassen kann somit gerichtlich nur auf Ermessensfehler und -fehlgebrauch hin überprüft werden (vgl. §§ 39 SGB I, 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), wobei es den Gerichten verwehrt ist, eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens zu setzen (Jung in: Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2008, § 54, Rdn. 27). Maßstab für die Ausübung des Ermessens sind nach § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V die "medizinischen Erfordernisse des Einzelfalls". Von diesen medizinischen Erfordernissen hat sich die Krankenkasse leiten zu lassen. Maßnahmen und Entscheidungen der Krankenkassen sind jedoch ermessensfehlerhaft, soweit sie im Einzelfall den medizinischen Erfordernissen nicht Rechnung tragen (vgl. Höfler in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 40 SGB V, Rdn. 21).

Darüber hinaus dürfen bzw. müssen die Krankenkassen Wirtschaftlichkeits- und Kostengesichtspunkte berücksichtigen (BSG, Urteil vom 23.07.2002, a.a.O.; Wiemers in: jurisPK-SGB V, § 40 SGB V, Rdn. 28). Das von den Krankenkassen zu beachtende Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 2 Abs. 4, 12 Abs. 1 SGB V) hat dabei zur Folge, dass bei der Auswahl zwischen zwei oder mehr in gleicher Weise geeigneten, das gleiche Leistungsangebot bereithaltenden Einrichtungen grundsätzlich diejenige mit der Durchführung der Maßnahme zu beauftragen ist, die die geringsten Vergütungssätze anbietet (BSG, Urteil vom 23.07.2002, a.a.O.).

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen hat die Beklagte bei ihrer Auswahlentscheidung im Hinblick auf die vorgeschlagenen zwei Rehabilitationseinrichtungen und die Ablehnung der Kostenübernahme für eine Maßnahme in der H-N-Klinik die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens nicht überschritten. Die Durchführung der streitigen Maßnahme in den vorgeschlagenen Einrichtungen hätte den medizinischen Erfordernissen Rechnung getragen, wie auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird. Die Klägerin hat stets eingeräumt, dass es zwingende medizinische Gründe für die Durchführung der stationären Maßnahme in der H-N-Klinik nicht gab. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden dargelegt und zutreffend berücksichtigt, dass die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme in der von der Klägerin gewünschten Klinik kostenaufwändiger war als die Behandlung in den vorgeschlagenen Einrichtungen. Sie hat damit sowohl den in § 2 Abs. 4, 12 Abs. 1 SGB V als auch in § 19 Abs. 4 Satz 1 SGB IX verankerten Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Rechnung getragen. Bei einer Maßnahme in der N1-Klinik in Bad P wären lediglich Kosten in Höhe von 1.942,91 und in dem Gesundheitszentrum M-Bad X Kosten in Höhe von 1.975,- Euro (jeweils einschließlich Fahrkosten) entstanden. Angesichts dessen ergab sich zur Überzeugung des Senats keine Ermessensreduzierung dahin, dass eine medizinisch geeignete und gleichermaßen wirtschaftliche Durchführung der Rehabilitation ausschließlich in der H-N-Klinik möglich gewesen wäre. Die Beklagte war vielmehr nicht gehalten, den Wünschen der Klägerin i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB IX Rechnung zu tragen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich eine andere Rechtslage nicht aus den durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) angefügten Sätzen 2 und 3 des § 40 Abs. 2 SGB V. Danach können Versicherte neben den vertraglichen Rehabilitationseinrichtungen grundsätzlich auch andere Einrichtungen wählen. Hierbei muss es sich Einrichtungen handeln, die gemäß § 20 Abs. 2a SGB IX zertifiziert sind, deren Leistungsqualität also in einem von den Spitzenverbänden der Rehabilitationsträger vereinbarten einheitlichen und unabhängigen Verfahren bestätigt wurde (vgl. Höfler, a.a.O., Rdn. 26a). Die Vorschrift ist jedoch bereits ihrem Wortlaut nach nicht einschlägig, da die Beklagte auch mit der H-N-Klinik einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat. Soweit der Gesetzgeber darauf abstellt, dass ein "eingeschränktes Wahlrecht" nur unter Nichtvertragseinrichtungen besteht, macht er gleichzeitig deutlich, dass unter den Vertragseinrichtungen ein derartiges "Wahlrecht" nicht existiert. Vielmehr hat allein der Krankenversicherungsträger insoweit unter Berücksichtigung seines pflichtgemäßen Ermessens die Auswahl vorzunehmen.

Abgesehen davon ist weiter zu berücksichtigen, dass diese Regelung nicht zu einem uneingeschränkten Wahlrecht der Versicherten bei der Auswahl einer Rehabilitationseinrichtung führt, sondern lediglich regelt, dass Maßnahmen auch in Einrichtungen möglich sind, mit denen die betreffende Krankenkasse zwar keinen Versorgungsvertrag geschlossen hat, die jedoch gemäß § 20 Abs. 2a SGB IX durch die Spitzenverbände der Rehabilitationsträger zertifiziert sind.

Anderenfalls wäre die Vorschrift des § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V, die den Krankenkassen auch bei der Auswahl von geeigneten Einrichtungen Ermessen einräumt, überflüssig. Auch in den Gesetzesmaterialien finden sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber ein uneingeschränktes Wahlrecht der Versicherten einführen wollte. Es wird dort lediglich ausgeführt, dass Versicherte künftig das Recht erhalten, auch solche zertifizierten Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, mit denen die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen keine Versorgungsverträge abgeschlossen haben und dass etwaige Mehrkosten von den Versicherten zu tragen sind (vgl. BT-Drs. 16/3100 S. 106). Hätte der Gesetzgeber ein - bedingtes - Wahlrecht einführen wollen, hätte es nahe gelegen, eine § 39 Abs. 2 SGB V vergleichbare Regelung zu treffen. § 40 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V ist nach Auffassung des Senats somit in dem Sinn zu verstehen, dass Krankenkassen in den Fällen, in denen Versicherte im Rahmen des § 9 Abs. 1 SGB IX den Wunsch äußern, eine Maßnahme in einer lediglich zertifizierten Einrichtung ohne Versorgungsvertrag durchzuführen, dieser Wunsch nicht allein unter Hinweis auf den fehlenden Versorgungsvertrag abgelehnt werden darf.

Schließlich kommt auch eine Erstattung der Kosten, die ohnehin in einer der vorgeschlagenen Einrichtungen entstanden wären, nicht in Betracht. Das ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte die Kostenübernahme für die Durchführung der Maßnahme in der H-N-Klinik nicht zu Unrecht i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX abgelehnt hat und somit die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage für einen Erstattungsanspruch nicht erfüllt sind. Angesichts dessen konnte die Beklagte auch keine (gesonderte) Ermessensentscheidung über die Erstattung der sog. "Sowieso-Kosten" treffen (anderer Ansicht LSG Baden-Württemberg Urteil vom 01.08.2007 - L 4 KR 2071/05 -). Die Beklagte hat eine solche Erstattung vielmehr zutreffend unter Hinweis auf das Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung abgelehnt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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