S 11 AS 2428/11 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 11 AS 2428/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Mietwerterhebungen im Landkreis Wittenberg beruhen nicht auf schlüssigem Konzept
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für den Zeitraum 21. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 weitere Unterkunftskosten in Höhe von monatlich EUR 76,50 zu gewähren. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nunmehr noch über die Höhe der zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Der am ... 1976 geborene Antragsteller bezieht laufend Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Für seine Wohnung in W. hat er eine monatliche Gesamtmiete von EUR 400,00 zu zahlen. Hiervon entfallen EUR 300,00 auf die Grundmiete, EUR 50,00 auf die Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten und EUR 50,00 auf die Heizkostenvorauszahlungen (Blatt 598 der Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 28. April 2011 wies der Antragsgegner den Antragsteller darauf hin, dass die Unterkunftskosten unangemessen und damit nur für einen begrenzten Zeitraum zu übernehmen seien. Angemessen seien für Grundmiete und kalte Betriebskosten monatlich insgesamt EUR 273,50 (Blatt 68 ff. der Gerichtsakte). In der Wohnung lebt der Antragsteller allein. Sein minderjähriger Sohn besucht ihn jedoch mehrmals pro Woche und übernachtet auch regelmäßig bei ihm.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 21. Juli 2011 (Blatt 664 der Verwaltungsakte) gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen für September und Oktober 2011 in Höhe von monatlich EUR 772,00, für den Zeitraum November 2011 bis Februar 2012 in Höhe von monatlich EUR 695,50 (Blatt 47 der Gerichtsakte). Im zweiten Teilzeitraum berücksichtigte der Antragsgegner nur noch Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 323,50; hiervon entfielen EUR 50,00 auf Heizkosten. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 12. September 2011 Widerspruch ein (Blatt 53 der Gerichtsakte). In der Folgezeit änderte der Antragsgegner die Leistungshöhe für den streitigen Zeitraum wiederholt ab, ohne dabei die berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung zu verändern. Den Widerspruch wies der Antragsgegner im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2012 als unbegründet zurück.

Am 21. Dezember 2011 hat der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Dessau-Roßlau gestellt. Er habe durch die Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn einen erhöhten Wohnraumbedarf. Im Übrigen stellten die Mietwerterhebungen des Landkreises kein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dar.

Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller monatlich weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von EUR 76,50 ab Antragstellung bei Gericht zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Es sei nicht erkennbar, warum der Antragsteller von der Unschlüssigkeit der Erhebungen ausgeht.

Auf mehrfache Nachfrage des Vorsitzenden sah sich der Antragsgegner nicht in der Lage, in diesem Verfahren die erhobenen Daten zur Verfügung zu stellen. Außerhalb des gerichtlichen Verfahrens übersandte die ANALYSE & KONZEPTE Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien und Tourismus mbH, die die Mietwerterhebungen durchführte, die erhobenen Daten als passwortgeschützte Datei. Sowohl die Gesellschaft als auch der Landkreis als Auftraggeber erklärten jedoch ausdrücklich, diese Daten dürften den Beteiligten nicht zur Verfügung gestellt werden.

Die Gerichtsakte und Band III der Verwaltungsakte des Antragsgegners lagen vor und fanden bei der Entscheidung Berücksichtigung.

II.

Der Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, Rn. 5 ff.).

Einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis setzen nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG einen Anordnungsanspruch, also einen materiellen Anspruch, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend zu machen hätte, und einen Anordnungsgrund voraus, d. h. es muss eine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen. Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er hat einen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft.

Der Antragsteller ist erwerbsfähiger Leistungsberechtigter im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Er erhält damit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II Arbeitslosengeld II. Diese Leistungen umfassen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die tatsächlichen Aufwendungen des Antragstellers für seine Grundmiete und die Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten betragen vorliegend monatlich EUR 350,00. Diese Aufwendungen sind als Bedarf vollständig zu berücksichtigen, da sie nach dem Kenntnisstand der Kammer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht unangemessen sind.

a) Eine Begrenzung kommt vorliegend nicht auf den Betrag von EUR 273,50 in Betracht, der sich aus den Mietwerterhebungen zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis W. ergibt.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R; Bundessozialgericht, Urteile vom 20. August 2009, B 14 AS 41/08 R sowie B 14 AS 65/08 R; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R; Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 27/09 R; Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R) muss der Bestimmung der Angemessenheitswerte ein schlüssiges Konzept zugrunde liegen, welches dem Gericht zur Entscheidungsfindung vorzulegen ist. Ein Konzept liegt nach dieser Rechtsprechung vor, wenn der Ersteller planmäßig vorgegangen ist im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall (Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R).

Dabei kann die Kammer im Rahmen des Eilverfahrens offen lassen, ob der methodische Ansatz der Clusterbildung unter Berücksichtigung der ausgewählten Indikatoren (insbesondere Einkommensverhältnisse und Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen) überhaupt den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspricht (hiernach muss der Vergleichsraum aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur, insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden, Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Mai 2011, B 14 AS 132/10 R, Rn. 25). Zudem erschließt sich nicht unmittelbar, warum sämtliche Wohnungen mit einer Fläche von weniger als 35 m² von den Erhebungen ausgeschlossen wurden, zumal der Quadratmeterpreis bei diesen höher als bei größeren Wohnungen sein dürfte. Weiterhin ist fraglich, ob die reine Erhebung von Bestandsmieten geeignet ist, den Markt für Neuvermietungen zutreffend abzubilden; jedenfalls für Satzungen sieht § 22 c Abs. 1 Satz 3 SGB II auch die Berücksichtigung von Neuvertragsmieten vor. Dieser Markt für Neuvermietungen ist zudem hinsichtlich der Frage der Kostensenkungsmöglichkeiten der maßgebende. Ob es bei 10.000 Bedarfsgemeinschaften und weniger als 4.500 ausgewerteten Datensätzen unter Berücksichtigung des 40 %-Perzentils möglich ist, für alle Leistungsberechtigten angemessenen Wohnraum zu den errechneten Werten zur Verfügung zu stellen, kann hier ebenfalls offen bleiben. Bedenken gegen die Richtigkeit der Werte ergeben sich schließlich auch daraus, dass die Erhebungen zum Stichtag 1. Juli 2010 durchgeführt wurden und somit nicht erkennbar ist, ob durch die ermittelten Werte noch der aktuelle Wohnungsmarkt im Landkreis W. abgebildet wird.

Jedenfalls ist das Konzept nach den dem Gericht zur Entscheidung zur Verfügung stehenden Daten nicht schlüssig. Der Antragsgegner konnte nicht darlegen, wie der Wert von EUR 273,50 rechnerisch ermittelt wurde; die erhobenen Daten wurden weder dem Antragsteller noch dem Gericht in verwertbarer Form zur Verfügung gestellt. Zwar erhielt der Vorsitzende die erhobenen Daten außerhalb dieses Verfahrens. Sowohl von der Gesellschaft, die das Konzept erarbeitete, als auch vom Landkreis wurde jedoch unmissverständlich deutlich gemacht, dass diese Daten keinem Dritten zur Verfügung gestellt werden dürfen. Damit kann das Gericht seine Entscheidung auf diese Daten nicht stützen, § 128 Abs. 2 SGG (der auch im Falle einer Entscheidung durch Beschluss anwendbar ist, Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 142 Rn. 3 a). Der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz) ist prozessuales Grundrecht und nicht allein auf Grund einer Arbeitserleichterung für den Antragsgegner verzichtbar. Diesbezügliche Äußerungen vom am Verfahren nicht Beteiligten (Landkreis W., ANALYSE & KONZEPTE) konnte das Gericht nur mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen.

b) Andere bereite Quellen, wie beispielsweise Mietspiegel, sind für den Landkreis W. ebenfalls nicht verfügbar. In einem derartigen Fall, in dem selbst der Grundsicherungsträger nicht in der Lage oder bereit ist, die Angemessenheitsrichtlinie trotz Bedenken des Gerichts nachvollziehbar zu machen oder nachzubessern, ist es nach Auffassung der Kammer nicht Aufgabe der Sozialgerichte, für die streitgegenständlichen Zeiträume Angemessenheitsrichtlinien aufzustellen, zumal im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Amtsermittlungspflicht der Gerichte (§ 103 Satz 1 1. Halbsatz SGG) findet insoweit ihre Grenze in den Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 103 Satz 1 2. Halbsatz SGG); soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne Weiteres auf die Sozialgerichte über (Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 26).

Dennoch sind Unterkunftskosten nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht unbeschränkt, sondern nur bis zur Höhe der Angemessenheit zu übernehmen. Denn durch die steuerfinanzierten Grundsicherungsleistungen sollen nicht extrem hohe und damit "per se" unangemessene Unterkunftskosten getragen werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R, Rn. 27; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juni 2010, L 13 AS 4212/08, Rn. 33, zitiert nach Juris). Als einzige bereite Größe ist auf die maßvoll erhöhten Tabellenwerte zu § 12 WoGG zurückzugreifen. Diese Variante stellt auch das Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen als Grenze für die zu übernehmenden Kosten dar (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R, Rn. 27; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 27; Bundessozialgericht, Urteil vom 20. August 2009, B 14 AS 65/08 R, Rn. 21). Den Ausführungen des Bundessozialgerichts lässt sich nach Auffassung der Kammer dabei entnehmen, dass dieser Betrag die Kosten der Unterkunft nach oben begrenzen soll, Kosten, die hierüber liegen, mithin nicht zu übernehmen sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R, Rn. 27: "Die Grenze findet sich insoweit in den Tabellenwerten zu § 8 WoGG bzw nunmehr § 12 WoGG.").

Der Wohnort des Antragstellers gehört zur Mietstufe 3. Aus der Tabelle zu § 12 WoGG ergibt sich damit ein Höchstwert für die Grundmiete und kalte Betriebskosten in Höhe von monatlich EUR 330,00. Dieser Betrag ist noch um einen Sicherheitszuschlag zu erhöhen. Zwar wurde ein derartiger Zuschlag zu den Tabellenwerten von § 8 WoGG (alte Fassung) unter anderem auch mit den Anpassungen an Preissteigerungen begründet. Da die Werte nunmehr bereits wieder drei Jahre gültig sind, kommt diese Begründung zwar auch erneut in Betracht. Darüber hinaus ist ein Sicherheitszuschlag im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraumes erforderlich, weil beim Fehlen eines schlüssigen Konzept nicht mit Sicherheit beurteilt werden kann, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist. Der Zuschlag beruht damit nicht auf fehlenden Anpassungen an Preissteigerungen, sondern auf Unwägbarkeiten bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts; diese Unwägbarkeiten haften aber der neuen Wohngeldtabelle in gleicher Weise an wie die der alten Tabelle (Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 10. Mai 2011, S 45 AS 124/11 ER, Rn. 35, zitiert nach Juris, unter Hinweis auf Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 25. November 2010, L 6 AS 423/10 B ER). Hierfür hält die Kammer für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anteil von 10 % für angemessen (so auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12. August 2011, L 15 AS 173/11 B ER, Rn. 18, zitiert nach Juris). Mithin ergibt sich eine Angemessenheitsgrenze von EUR 363,00, die die Kosten des Antragstellers nicht übersteigen.

Für die Unangemessenheit der Heizkosten ist nichts ersichtlich, so dass auch diese – wie geschehen – in voller Höhe zu berücksichtigen sind.

c) Im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes kann damit offen bleiben, ob sich der Bedarf für Unterkunft und Heizung durch die Ausübung des Umgangsrechts erhöht (offen gelassen von Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R, Rn. 25).

2. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eine Eilbedürftigkeit ergibt sich jedoch nicht schon allein daraus, dass der Antragsteller Leistungen der Grundsicherung für die Zukunft geltend macht. Eine derartige Betrachtungsweise würde dazu führen, dass sämtliche Verfahren, die einen – teilweise – in der Zukunft liegenden Zeitraum betreffen, als Eilverfahren zu behandeln wären. Die dadurch entstehende Belastung der Gerichte würde dazu führen, dass ein – von Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz vorgesehener – effektiver Rechtsschutz durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht mehr gewährleistet wäre. Vielmehr ist die konkrete Situation des Antragstellers in jedem Einzelfall zu beachten. Dabei führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Erforderlich ist vielmehr eine existenzielle Notlage. Dem Antragsteller ist es bei der bestehenden Deckungslücke, die durch die – nicht mehr streitgegenständliche Sanktion – noch verstärkt wird, nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i. V. m. § 144 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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