L 3 U 61/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 142/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 61/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 133/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kann ein Versicherter aufgrund eines Arbeitsunfalls seinen bisherigen Beruf (hier: Offetdrucker) nicht mehr ausüben, und qualifiziert er sich im Folgenden zu einer höherwertigen Tätigkeit fort (hier: Betriebswirt), ist für die Bemessung der Verletztenrente dennoch der durchschnittliche Jahresarrbeitsverdienst eines Offsetdruckers auf Dauer maßgeblich.
Dies gilt auch dann, wenn sich be der späteren Bewilligung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen aufgurnd von Anrechnungsvorschriften Nachteile im Rahmen der gesetzlichen Rente ergeben.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des seiner Verletztenrente zugrunde liegenden Jahresarbeitsverdienstes (JAV) nach § 44 Abs.1 des Zehnten Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).

Der 1944 geborene Kläger beendete seine Ausbildung zum Offsetdrucker am 31.08.1961. Während seiner beruflichen Tätigkeit bei der Firma F.H. GmbH Druck- und Papierverwaltung in B-Stadt geriet er am 15.09.1964 mit seinem rechten Arm zwischen Druckerwalzen. Ihm wurde der rechte Arm amputiert. Mit Bescheid vom 24.02.1965 bewilligte die Beklagte ihm eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 v.H. ab 07.12.1964. Mit Bescheid vom 26.03.1965 über die Gewährung einer Dauerrente stellte die Beklagte als Unfallfolgen fest: "Verlust rechter Arm im mittleren Drittel des Oberarmes; reizlose teils fest haftende Narbenbildung." Anstelle der vorläufigen Rente nach einer MdE von 80 v.H. wurde beginnend ab 01.07.1965 eine Dauerrente nach einer MdE von 70 v.H. eingewiesen. Nach einer Umschulung von Dezember 1964 bis Februar 1967 war der Kläger seit März 1967 als Industriekaufmann tätig. Von Mai 1971 bis Juli 1974 studierte er an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie A. Betriebswirtschaft.

Den Berechnungen der Renten war das Jahreseinkommen des Klägers als Offsetdrucker zugrunde gelegt worden (10.909,73 DM). In den Folgejahren erfolgten die Rentenanpassungen auf der Grundlage des Jahresarbeitseinkommens als Offsetdrucker. Mit Bescheid vom 13.08.2004 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte dem Kläger ab 01.11.2004 Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Dort werden die Rente aus der Rentenversicherung in Höhe von 1.867,71 EUR und die bereinigten Leistungen aus der Unfallversicherung in Höhe von 818,64 EUR zu einer Gesamtsumme der Rentenbeträge in Höhe von 2.686,35 EUR aufaddiert. Weil die Summe der Rentenbeträge den Grenzbetrag, d.h. die Mindestrente aus der Rentenversicherung in Höhe von 1.867,71 EUR, übersteigt, mindert sich die gesetzliche Altersrente für schwerbehinderte Menschen auf 1.049,07 EUR brutto bzw. 955,18 EUR netto.

Die Bevollmächtigten des Klägers teilten mit Schriftsatz vom 18.12.2007 mit, dass bei ihm wegen seiner beruflichen Weiterentwicklung bis zum Betriebswirt auch der durchschnittliche JAV eines Betriebswirtes und nicht mehr der eines Offsetdruckers zugrunde zu legen sei. Sein Jahresgehalt als Betriebswirt habe zuletzt 64.950,00 EUR betragen. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass er zum Zeitpunkt des Unfallereignisses erst 19 Jahre alt gewesen sei.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.03.2008 ab, die Bescheide vom 24.02.1965 und 26.05.1965 zurückzunehmen und anstelle des JAV eines Offsetdruckers den eines Betriebswirts zugrunde zu legen. Grundlage der damaligen JAV-Berechnung sei die Verdienstbescheinigung der F.H. GmbH in B-Stadt vom 29.09.1964 gewesen. Danach habe der Kläger im Jahr vor dem Arbeitsunfall, also im Zeitraum vom 15.09.1963 bis zum 14.09.1964 ein Arbeitseinkommen von 10.544,77 DM erzielt. Zu diesem Betrag sei noch ein Ausfall an Arbeitseinkommen für den Zeitraum vom 30.09.1963 bis 13.10.1963 in Höhe von 364,96 DM hinzugerechnet worden, so dass sich ein JAV von 10.909,73 DM ergeben habe. Da der Kläger seine Berufsausbildung zum Unfallzeitpunkt bereits beendet gehabt habe, hätte eine JAV-Erhöhung nur nach § 573 Abs.2 RVO erfolgen können, wenn es durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich gewesen wäre, dass sich das Arbeitsentgelt von der Vollendung eines bestimmten Lebensalters ab, höchstens aber des 25. Lebensjahres, für Personen mit gleichartiger Tätigkeit erhöhe. Eine Lohnerhöhung von der Vollendung eines bestimmten Lebensalters an sei aber laut Mitteilung des damaligen Arbeitgebers nicht vorgesehen gewesen. Die tarifliche Erhöhung im vierten Gehilfenjahr sei nicht vom Lebensalter, sondern vom Erreichen eines bestimmten Berufsjahres abhängig gewesen und habe daher keine Berücksichtigung finden können. In diesem Zusammenhang müsse auch berücksichtigt werden, dass eine Überprüfung der damaligen Angaben zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich sei, da bei der Nachfolgefirma des Unfallbetriebs, der VG N. GmbH, gemäß einer telefonischen Nachfrage keine Lohnunterlagen aus dieser Zeit mehr vorlägen.

Die Bevollmächtigten des Klägers hoben mit Widerspruch vom 07.04.2008 hervor, dass die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Normen bezweifelt werde. Würde nicht mehr der durchschnittliche JAV eines Offsetdruckers, sondern der eines Betriebswirtes zugrunde gelegt, so würde auch die Relation zu der erzielten Rente aus der Rentenversicherung konform laufen. Der JAV sei daher nach billigem Ermessen heraufzusetzen. Hierbei sei insbesondere auch die Fähigkeit des Klägers zu beachten, welcher er es letztendlich zu verdanken habe, dass er trotz des Arbeitsunfalles ein Studium habe aufnehmen können. Hilfsweise sei eine Neufestsetzung vorzunehmen, da der Versicherungsfall vor Beginn einer Berufsausbildung eingetreten sei (hier: BWL-Studium).

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.03.2008 mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2008 zurück.

Mit der Klage vom 07.05.2008 beim Sozialgericht Augsburg (SG) haben die Bevollmächtigten des Klägers beantragt, den Bescheid vom 07.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2008 aufzuheben und den durchschnittlichen JAV auf mindestens 64.950,00 EUR festzusetzen.

Nach Anhörung der Beklagten zur Entscheidung mittels Gerichtsbescheid hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 07.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2008 mit Gerichtsbescheid vom 11.01.2010 abgewiesen. Zutreffend habe die Beklagte den der Verletztenrente zugrunde liegenden Jahresarbeitsverdienst am Arbeitseinkommen des Offsetdruckers und nicht des Betriebswirts orientiert. Die Bescheide vom 24.02.1965 und 26.05.1965 seien weder aufzuheben abzuändern. Die Beklagte habe den JAV bei der erstmaligen Gewährung einer Verletztenrente ordnungsgemäß nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) ermittelt. Anzusetzen sei das Arbeitseinkommen des Klägers im Jahre vor dem Arbeitsunfall bzw. das fiktive Arbeitseinkommen, welches durch eine entsprechende Tätigkeit als Offsetdrucker erzielt worden wäre. Eine Neuberechnung sei nicht vorzunehmen gewesen, da der Kläger zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles bereits seine Berufsausbildung zum Offsetdrucker beendet gehabt habe. Ebenso sei eine Anpassung des JAV ausgeschlossen. Der Kläger sei zwar zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles noch keine 25 Jahre alt gewesen. Ein nach dem Lebensalter gestaffelter Lohn sei aber nach den Auskünften des damaligen Arbeitgebers des Klägers weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehen gewesen. Aus denselben Gründen scheide eine Neufestsetzung des JAV nach dem SGB VII aus. Auch eine Erhöhung bzw. spätere Anpassung des JAV wegen Unbilligkeit sei nicht vorzunehmen. Vielmehr spiegele der JAV die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Versicherten vor dem Versicherungsfall wider. In Vorjahren erzielte Entgelte oder nach dem Versicherungsfall zu erwartende höhere Entgelte seien nicht zu berücksichtigen. Denn die Verletztenrente solle nach ihrer Zweckbestimmung in erster Linie den allgemeinen Lebensunterhalt sichern. Anders als im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht solle der Ausfall an Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in abstrakter und pauschalierender Ausgestaltung ausgeglichen werden. Maßgeblich seien hier der Grad der MdE und der JAV im Jahr vor dem Arbeitsunfall. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der seit Jahrzehnten weitgehend gleich gebliebenen Bestimmungen des JAV bestünden nicht.

Mit der hiergegen gerichtete Berufung vom 15.02.2010 stellen die Bevollmächtigten des Klägers den Antrag, den Gerichtsbescheid des SG vom 11.01.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einem seinen Berufsstand angepassten JAV als Berechnungsgrundlage für aufeinandertreffende Renten an die DRV von mindestens 64.950,00 EUR anzusetzen. Der Kläger habe nicht mehr als Drucker gearbeitet, sondern sei nach entsprechender beruflicher Weiterentwicklung in den letzten 30 Jahren als Betriebswirt tätig gewesen. Somit sei eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetreten, die eine Anpassung des JAV gebiete. Die Berücksichtigung der Verletztenrente bei der gesetzlichen Altersrente für schwerbehinderte Menschen bedeute letztendlich, dass ein junger Arbeitnehmer, der wie hier einen Unfall erleide, im Alter bei der gesetzlichen Altersrente erhebliche Nachteile hinzunehmen habe und wieder auf das soziale Niveau eines Druckers zurückgeführt werde. Um einen Gleichlauf von Verletztenrente und gesetzlicher Altersrente zu erzielen, so dass der berufliche Aufstieg des Klägers auch bei der gesetzlichen Rente berücksichtigt werde, sei es geboten, den JAV entsprechend anzuheben. Der Kläger werde auf seiner Druckertätigkeit mehr oder weniger "eingefroren", obwohl er im tatsächlichen Leben eine wesentlich bessere berufliche Kariere durchlaufen und sich trotz der Verletzung weiterqualifiziert und fortgebildet habe.

Der Bevollmächtigte des Klägers stellt den Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 11.01.2010 sowie den Bescheid vom 07.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2008 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 24.02.1965 und 26.05.1965 insoweit abzuändern, als mit Wirkung ab 02.01.2008 bei der Berechnung der Verletztenrente der durchschnittliche Jahresarbeitsverdienst eines Betriebswirts in Höhe von 64.950,00 EUR zugrunde zu legen ist.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes auf die beigezogenen Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage gegen den Bescheid vom 07.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2008 zutreffend mit Gerichtsbescheid vom 11.01.2010 abgewiesen. Die Bescheide vom 24.02.1965 und 26.05.1965 sind weder nach § 44 SGB X aufzuheben noch nach § 48 Abs.1 SGB X abzuändern. Anzuwenden sind hier die Vorschriften der §§ 570 ff Reichsversicherungsordnung (RVO), da sich der Arbeitsunfall vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches VII (SGB VII) zum 01.01.1997 ereignet hat (§ 212 SGB VII).

Unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.06.2002 (SozR 3-2700 § 224 Nr. 2) kommt eine Anwendung der entsprechenden Vorschriften des SGB VII nicht in Frage. Dies gilt hier auch für die Anwendung des § 90 Abs. 2 SGB VII. Eine Anwendung des § 90 Abs. 2 SGB VII auf "Altfälle" ist nach dem BSG ausgeschlossen, wenn Voraussetzung für die Erhöhung des JAV eine gesetzliche Voraussetzung ist, die vor dem Inkrafttreten des SGB VII noch nicht bestanden hat. § 214 Abs. 2 Satz 1 SGB VII führt nicht zu einer Rückwirkung des im SGB VII enthaltenen Rechts. Bei der hier streitigen Berücksichtigung der Feststellung des JAV nach de SGB X ist das vor dem 01.01.1997 geltende Recht anzuwenden (so auch Dalin in Lauterbach, Unfallversicherung, § 214, Rn. 7; Köhler in Hauck-Noftz, § 214 SGB VII, Rn. 5).

Die Beklagte hat der Berechnung der Verletztenrente richtig den durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienst (JAV) eines Offsetdruckers und nicht den eines Betriebswirts zugrunde gelegt, auch wenn der Kläger zum Unfallzeitpunkt erst 19 Jahre alt gewesen ist. Sie hat bei der erstmaligen Gewährung einer Verletztenrente den maßgeblichen JAV ausgehend von der Auskunft der F.H. GmbH Druck- und Papierverarbeitung in B-Stadt gemäß § 571 Abs.1 Sätze 1, 2 RVO zutreffend ermittelt. Anzusetzen war demnach das Arbeitseinkommen des Klägers im Jahre vor dem Arbeitsunfall bzw. das fiktive Arbeitseinkommen, welches durch eine entsprechende Tätigkeit als Offsetdrucker erzielt worden wäre.

Eine Neuberechnung nach § 573 Abs.1 RVO war ebenfalls nicht vorzunehmen, da der Kläger zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls am 15.09.1964 bereits seine Berufsausbildung zum Offsetdrucker am 31.08.1961 beendet hatte. Dies wird belegt durch den Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 13.08.2004 und den dortigen Versicherungsverlauf. Danach sind Zeiten der beruflichen Ausbildung zum Offsetdrucker einschließlich 31.08.1961 berücksichtigt. Ab dem 01.09.1961 bis zu dem Arbeitsunfall hat der Kläger durchgehend Pflichtbeiträge entrichtet, sieht man von einer dreimonatigen Krankheitszeit ab (Gesundheitsmaßnahme vom 07.01.1962 bis 30.04.1962).

Auch eine Anpassung des JAV nach § 573 Abs.2 RVO ist nicht möglich. Wenngleich der Kläger zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles noch keine 25 Jahre alt, sondern erst 19 Jahre alt gewesen ist, ist ein nach dem Lebensalter gestaffelter Lohn weder gesetzlich noch nach den Auskünften des damaligen Arbeitgebers des Klägers vertraglich vorgesehen gewesen. Die tarifliche Erhöhung im vierten Gehilfenjahr war nicht vom Lebensalter, sondern vom Erreichen eines bestimmten Berufsjahres abhängig und hat daher keine Berücksichtigung finden können.

Das Sozialgericht Augsburg hat daher zutreffend ausgeführt, dass die Bescheide vom 24.02.1965 und 26.05.1965 nicht im Wege einer Zugunstenentscheidung im Sinne von
§ 44 SGB X zu korrigieren sind (§ 153 Abs.2 SGG).

Dass der Kläger nach dem Arbeitsunfall vom 07.12.1964 bis 31.12.1966 eine berufliche Ausbildung zum Betriebswirt absolviert hat, für die Pflichtbeiträge entrichtet wurden, sowie die folgende berufliche Tätigkeit als Betriebswirt ist keine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S.v. § 48 Abs. 1 SGB X. Denn insoweit gehen §§ 571, 573 RVO als Spezialregelungen vor. Sie sehen eine Änderung der JAV für solche nach dem Versicherungsfall neu begonnenen oder aufgenommenen Ausbildung bzw. Tätigkeiten nicht vor.

Auch eine Festsetzung des Jahresarbeitsverdienstes im Rahmen von §§ 577, 575 RVO nach billigem Ermessen ist nicht möglich. Das Bundessozialgericht (BSG) hat vielmehr in ständiger Rechtsprechung mit Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 24/10 R (SGb 2011, 637-638) bestätigt, dass bei der Überprüfung des JAV die Fähigkeiten, die Ausbildung, die Lebensstellung und die Tätigkeit des Versicherten im Zeitpunkt des Versicherungsfalls (!) zu berücksichtigen sind. In Bezug auf die erreichte "Lebensstellung" ist darauf abzustellen, welche Einkünfte die Einkommenssituation des Versicherten geprägt haben. In zeitlicher Hinsicht ist zu prüfen, welche Einkünfte der Versicherte innerhalb der Jahresfrist vor dem Versicherungsfall erzielt hat. Seine Einnahmen aus Erwerbstätigkeit im maßgeblichen Jahreszeitraum sind mit dem Ergebnis der gesetzlichen Berechnung zu vergleichen. Durch diesen Vergleich ergibt sich, ob der nach gesetzlichen Vorgaben festgesetzte Betrag des JAV außerhalb jeder Beziehung zu den Einnahmen steht, die für den Versicherten zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls oder innerhalb der Jahresfrist vor diesem Zeitpunkt die finanzielle Lebensgrundlage gebildet haben. Die Festsetzung des JAV ist danach nicht in erheblichem Maße unbillig, wenn der somit ermittelte JAV den Fähigkeiten, der Ausbildung, der Lebensstellung und Tätigkeit des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat des Versicherungsfalls entspricht. Die Beklagte hat daher in nicht zu beanstandender Weise den JAV eines Offsetdruckers zugrunde gelegt und nicht den eines Betriebswirtes.

Der Gesetzgeber hat den Jahreszeitraum als Grundlage der Berechnung des JAV vielmehr bewusst gewählt, um eine zeitnahe Berechnungsgrundlage zu haben. Nur wenn besondere Umstände vorliegen, die sich auf diesen maßgeblichen Zeitraum auswirken und die eine erhebliche Unbilligkeit der Regelberechnung begründen (z.B. unterwertige Beschäftigung, Verdienstausfall innerhalb der Jahresfrist z.B. durch unbezahlten Urlaub), kann eine Korrektur des JAV wegen Unbilligkeit angezeigt sein (BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 24/10 R a.a.O. mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 03.12.2002 - B 2 U 23/02 R und BSG, Urteil vom 30.10.1991- 2 RU 61/90).

Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger aufgrund bestehender Anrechnungsvorschriften der Verletztenrente bei der Rentenberechnung der Altersrente (siehe Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 13.08.2004) auch gewisse Nachteile hinzunehmen hat, weil der rentenrechtlich maßgebliche Grenzbetrag sich aus dem Jahresarbeitsverdienst errechnet, der der Berechnung der Leistung aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, und dem Rentenfaktor für persönliche Entgeltpunkte. Insoweit bestehen jedoch keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der seit Jahrzehnten im Wesentlichen gleich gebliebenen Bestimmungen des JAV. Denn unabhängig von der Frage, ob Ansprüche auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die allein durch Beiträge der Arbeitgeber finanziert wird (vgl. § 723 Abs.1 RVO; § 51 Abs.1
SGB VII), überhaupt vom Schutzbereich des Art.14 Abs.1 Grundgesetz (GG) umfasst werden (offen gelassen: BVerfG, Beschluss vom 18.02.1988 - 1 BvR 1017/87), wird der Kläger vorliegend nicht in seinem Grundrecht auf Schutz des Eigentums verletzt. Sein Anspruch auf Verletztenrente wird nicht vermindert; damit fehlt es schon an einem Eingriff hinsichtlich seines Anspruchs auf Verletztenrente und somit an einem Eingriff in den Schutzbereich des Eigentums. Dieser liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn der Bestand an geschützten vermögenswerten Rechten in der Hand des Grundrechtsinhabers aufgrund einer gesetzlichen oder auf einem Gesetz beruhenden Maßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt vermindert wird (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16.03.2011 - 1 BvR 591/08 und 1 BvR 593/08 zu der ähnlich gelagerten Problematik der leistungsmindernden Anrechnung von Verletztenrenten auf "Hartz-IV-Leistungen").

Ein Anspruch auf Neuberechnung des JAV nach beruflicher Weiterqualifikation lässt sich aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht herleiten. Hier wirkt sich der von dem Kläger gerügte Nachteil vielmehr aufgrund von Anrechnungsvorschriften im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) aus. Soweit sich die Zahlungsansprüche auf Rente nach dem SGB VI wegen Verletztenrente verringern, ist die Beklagte als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung jedoch nicht einstandspflichtig.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts A. vom 11.01.2010 zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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