L 11 AS 675/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 747/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 675/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen der Verwertbarkeit von Immobilienvermögen
I. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.07.2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 04.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2009 werden aufgehoben. Der Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 22.12.2008 bis 31.08.2009 als Zuschuss zu zahlen. II. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1961 geborene Kläger beantragte erstmals am 15.09.2005 die Bewilligung von Alg II. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 04.10.2005 wegen des Vorhandenseins verschiedener Vermögenswerte (Sparbuchgutgaben; Bausparverträge; Lebensversicherungen) ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch nahm der Kläger zurück. Weitere Bewilligungsanträge lehnte der Beklagte mit den Bescheiden vom 27.03.2008 und 07.05.2008 wegen fehlender Mitwirkung bestandskräftig ab.

Mit seinem erneuten Antrag gab der Kläger am 22.12.2008 an, mit Ausnahme zweier Lebensversicherungen (A. Nr. 0027526 - Rückkaufwert: 7.735,78 EUR; K. Nr. 4396989 - Rückkaufwert: 3.990,15 EUR), bezüglich derer ein Verwertungsausschluss gemäß § 168 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vereinbart sei, sowie einer Riester-Rente über keine nennenswerten Vermögenswerte mehr zu verfügen. Die vormals vorhandenen Spar- und Bausparguthaben in Höhe von ca. 70.000.- EUR seien zwischenzeitlich aufgebraucht. Mit notariellem Vertrag (URNr. D 1190/2007) vom 30.07.2007 seien ihm von seinen Eltern ein Wohnhaus sowie - teilweise verpachtete - landwirtschaftliche Flächen übergeben worden. Seine Eltern hätten sich jedoch hinsichtlich des gesamten übertragenen Grundbesitzes ein Rückübertragungsrecht für den Fall vorbehalten, dass er ohne deren Zustimmung über den Grundbesitz verfüge. Dieser Rückübertragungsanspruch sei durch eine Vormerkung im Grundbuch dinglich gesichert. Zudem habe er bezüglich des an ihn übergebenen Grundbesitzes mit Zustimmung seiner Eltern seinem Sohn mit notarieller Urkunde ebenfalls vom 30.07.2007 (URNr. 1191/2007) die Übergabe dieses Grundbesitzes angeboten. An dieses Vertragsangebot sei er bis 31.07.2017 gebunden. Es sei ebenfalls durch eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch dinglich gesichert. Er selbst bewohne den ersten Stock des von seinen Eltern übergebenen Mehrfamilienhauses. Das Erdgeschoss werde von seinen Eltern genutzt, für die ein Wohnrecht im Grundbuch eingetragen sei. Das Dachgeschoss sei mangels finanzieller Mittel nicht ausgebaut. Eine Verwertung des Mehrfamilienhauses in der Form eines Verkaufs oder einer Beleihung, sei im Hinblick auf das Wohnrecht der Eltern sowie auf die aus dem Übergabevertrag resultierenden Verfügungsbeschränkungen nicht möglich.

Nachdem der Beklagte im Hinblick auf den geltend gemachten Verbrauch des Sparvermögens die Vorlage entsprechender Nachweise als erforderlich erachtete, sah er sich an einer Entscheidung gehindert und bewilligte dem Kläger auf dessen Anträge mit den Bescheiden vom 07.04.2009, 16.04.2009, 24.04.2009 und 29.04.2009 Vorschüsse in Höhe von insgesamt 400.- EUR. Auf Anfrage teilte die Gemeinde A-Stadt dem Beklagten mit, die Grundstücke des Klägers in den Gemarkungen K. und S. seien mit 1.- bis 2.- EUR/m² zu bewerten.

Mit Bescheid vom 04.06.2009 lehnte der Beklagte alle bis zu diesem Tag gestellten Anträge auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab. Der Kläger sei Eigentümer landwirtschaftlicher Nutzflächen (12.333 qm) deren Wert auf 18.499,50 EUR geschätzt werde. Zudem verfüge er über ein als unangemessen anzusehendes Mehrfamilienhaus. Weder das Wohnrecht seiner Eltern noch der im Übergabevertrag vom 30.07.2007 geregelte und dinglich gesicherte Rückübertragungsanspruch stehe einer Verwertung des Grundvermögens entgegen. Das Wohnrecht mindere lediglich den erzielbaren Erlös. Soweit die Eltern des Klägers den Rückübertragungsanspruch geltend machen würden, wäre dies als sittenwidrig anzusehen, weil dies in sittenwidriger Weise den normierten Nachrang der Leistungen der Grundsicherung unterlaufe. Er würde allein dem Zweck dienen, eine ansonsten nicht bestehende Bedürftigkeit zu Lasten des Grundsicherungsträgers entstehen zu lassen. Eine Bewilligung der Leistungen auf Darlehensbasis habe der Kläger abgelehnt. Mit Widerspruch vom 08.06.2009 - sowie im Rahmen eines zeitgleich eingeleiteten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes - brachte der Kläger ergänzend vor, der Verwertung des Immobilienbesitzes zu Lebzeiten seiner Eltern, die sich - so die Erklärung vom 16.06.2009 - weigerten einer Belastung oder dem Verkauf des Grundbesitzes zuzustimmen, stehe nicht nur deren Rückübertragungsanspruch entgegen, sondern er sei aufgrund des Vertragsangebotes vom 30.07.2007 an seinen Sohn zudem verpflichtet, den von seinen Eltern erhaltenen Grundbesitz lastenfrei an seinen Sohn weiter zu übertragen. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2009 zurück.

Auf den Antrag vom 21.08.2009, Alg II als hilfsweise Darlehen zu gewähren, bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 03.09.2009 für den Zeitraum vom 01.09.2009 bis 28.02.2010 Leistungen der Grundsicherung als Darlehen in Höhe von 460,14 EUR monatlich. Über den dagegen erhobenen Widerspruch ist bislang nicht entschieden. Ein Widerspruch gegen die entsprechenden Folgebescheide vom 26.02.2010 (Zeitraum 01.03.2010 bis 31.08.2010) und 05.10.2010 (Zeitraum 01.09.2010 bis 28.02.2010) ist nach Lage der Akten nicht ersichtlich. Anlässlich eines durch das Bayerische Landessozialgericht (LSG) eingeholten Gutachtens im Rentenverfahren L 18 R 186/08 stellte der beauftragte Gutachter auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung am 01.09.2010 fest, der Kläger sei voll erwerbsgemindert. Der Eintritt des Leistungsfalles sei mit der Rentenantragstellung anzunehmen.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.08.2009 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen. Sein Vermögen sei nicht verwertbar. Dies habe das SG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 9 AS 441/ 09 ER) bereits bestätigt. Die Beschwerde des Beklagten sei nur deshalb erfolgreich gewesen, weil im Hinblick auf das Anbieten einer darlehensweisen Gewährung ein Anordnungsgrund nicht vorgelegen habe. Im Übrigen sei er im Hinblick auf die notariellen Verträge gehindert, sein Immobilienvermögen zu verkaufen oder zu beleihen. Auch die bestehenden Lebensversicherungen würden seine Hilfebedürftigkeit nicht ausschließen. Alg II sei ihm als Zuschuss, hilfsweise als Darlehen zu gewähren.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.07.2010 unter Bezugnahme auf die Gründe der Widerspruchsentscheidung (§ 136 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG) abgewiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass die Geltendmachung eines Rückübertragungsanspruches seitens der Eltern des Klägers im Falle einer Verwertungsversuches als sittenwidrig anzusehen wäre, denn hierdurch würde der berechtigte Zugriff der Grundsicherungsträgers auf das Vermögen des Klägers vereitelt. Die berücksichtigungsfähigen Vermögenswerte überschritten ohne Zweifel die maßgeblichen Freibeträge. Bei prognostischer Betrachtung gebe es auch keine Anhaltspunkte, dass die Verwertung nicht innerhalb des Bewilligungsabschnittes - zumindest in der Form einer Beleihung - möglich gewesen wäre. Auch die vertragliche Verpflichtung des Klägers, das Grundeigentum auf seinen Sohn zu übertragen, stehe einer Verwertung nicht entgegen, selbst wenn die Schenkung vollzogen würde, denn im Falle der Verarmung des Schenkers bestehe ein Rückforderungsanspruch nach § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Anlass, dem Kläger Alg II als Darlehen zu gewähren, gebe es nicht. Der Kläger habe mehrfach die Bewilligung darlehensweiser Leistungen abgelehnt, so dass sein diesbezügliches Begehren treuwidrig erscheine. Der Klage fehle insoweit das Rechtsschutzbedürfnis.

Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt. Das SG gehe von unzutreffenden Vermögenswerten aus. Zudem seien die landwirtschaftlichen Flächen nicht innerhalb des in Rede stehenden Bewilligungszeitraumes tatsächlich verwertbar gewesen. Die vertraglichen Einschränkungen und Pflichten aus den notariellen Verträgen vom 30.07.2007 stellten eine besondere Härte dar, aufgrund derer eine Verwertung des Vermögens nicht zumutbar sei, insbesondere nachdem auch der Betreuer seines Vaters in vermögensrechtlichen Angelegenheiten auf der Einhaltung der vertraglichen Regelungen vom 30.07.2007 bestehe. Zuletzt seien auch die Ausführungen des SG zum Hilfsantrag nicht nachvollziehbar. Lediglich am 04.05.2009 sei die darlehensweise Bewilligung in Aussicht gestellt worden. Dies sei jedoch mit Auflagen verbunden gewesen, aufgrund derer er gegen seine vertraglichen Verpflichtungen hätte verstoßen müssen, so dass er sich nicht in der Lage gesehen habe, dies ohne weiteres zu akzeptieren. Nach dem stattgebenden Eilbeschluss des SG bedurfte dieses Problem keiner Thematisierung mehr, und unmittelbar nach der Beschwerdeentscheidung des LSG sei er bereit gewesen Darlehen in Anspruch zu nehmen. Ein treuwidriges Verhalten seinerseits liege daher nicht vor.

Der Kläger beantragt: 1. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg, Az: S 13 AS 747/09 vom 28.07.2010 wird aufgehoben 2. Der Bescheid vom 04.06.2009 in er Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2009 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab dem 22.12.2008 zuschussweise, hilfsweise als Darlehen bis zum 31.08.2009 zu erbringen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) hinsichtlich vorübergehender Verwertungshindernisse sei vorliegend nicht einschlägig, denn ernstliche Verwertungsbemühungen des Klägers seien nicht erkennbar.

Die Beteiligten haben für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG ihr Einverständnis erklärt.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerechte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG) und begründet. Das nur knapp begründete Urteil des SG ist aufzuheben. Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum vom 22.12.2008 bis 31.08.2009 dem Grunde nach Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss, denn in diesem Zeitraum ist der Kläger - insbesondere mangels verwertbaren Vermögens - als hilfebedürftig anzusehen. Der Bescheid des Beklagten vom 04.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2009 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG).

Gegenstand des Verfahrens sind allein Leistungen für Zeitraum vom 22.12.2008 bis 31.08.2009, denn durch den Antrag des Klägers vom 21.08.2009, Leistungen ab dem 01.09.2009 Alg II als Darlehen beziehen zu wollen, und durch den in diesem Zusammenhang am 03.09.2009 ergangenen Bescheid des Beklagten wird das streitgegenständliche Leistungsbegehren begrenzt (vgl. zur Begrenzung des Streitgegenstandes: BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b 59/06 R - Juris Rn.13 = NJW 2008, 2458ff).

Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind, und die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs 1 SGB II). Vorliegend ist der Kläger nach den gutachtlichen Feststellungen im Rentenverfahren L 18 R 186/08 zwar nur noch in der Lage weniger als 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein; Anhaltspunkte dafür, dass dieser Zustand bereits im streitgegenständlichen Leistungszeitraum vorgelegen hat, sind nicht nach Aktenlage nicht zu erkennen. Der Gutachter geht aufgrund des chronischen Entwicklungsprozesses zwar davon aus, der Kläger sei bereits seit der Rentenantragstellung (August 2004) als voll erwerbsgemindert anzusehen. Ein Nachweis dieses Umfanges der Erwerbsminderung kann jedoch frühestens für die Zeit ab der ambulanten Untersuchung am 01.09.2010 gesehen werden, denn dem Gutachten sind keine nachvollziehbaren Befunde zu entnehmen, die den Schluss auf einen früheren Eintritt der vollen Erwerbsminderung zuließen. Hilfebedürftig iS von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr. 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II ist, wer u.a. seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr. 2) sichern kann, und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Unabhängig davon, dass hinreichend nachvollziehbare Belege zur Höhe der Unterkunfts- und Heizkosten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorliegen, besteht ohne Zweifel ein Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes iSd 20 SGB II (bis 30.06.2009 monatlich 351.- EUR (SGB2 § 20 Abs 2 Bek 2008, BGBl I S 2008, 1102); bis 31.08.2009 359.- EUR (SGB2 § 20 Abs 2 Bek 2009, BGBl I S 2009, 1342)), den der Kläger nicht durch Einkommen zu decken vermag, so dass zumindest dem Grunde nach laufende Leistungen nach dem SGB II zu beanspruchen sind. Ausweislich des Übergabevertrages vom 30.07.2007 bestehen zwar bezüglich der übergebenen Grundstücke Pachtverhältnisse, in die die (jeweiligen) Übernehmer mit Übergang des Besitzes eingetreten sind. Die hieraus erzielten Pachteinnahmen fließen zumindest nach den Angaben des Klägers jedoch nicht ihm selbst, sondern seinem Vater zu. Zudem bezogen sich die jährlichen Pachteinnahmen in Höhe von insgesamt 240.- EUR nur zu einem geringen Teil auf den an ihn übergebenen Grundbesitz. Diese Angaben wird der Beklagte im Rahmen der Berechnung der Anspruchshöhe zwar noch zu prüfen haben, im Ergebnis bestehen jedoch mangels anderer Einkommensquellen keine Zweifel, dass der Kläger nicht in der Lage ist, seinen grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarf durch Einkommen zu decken.

Auch das Vorhandensein von Vermögen steht einem Leistungsbezug des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht entgegen. Nach § 12 Abs 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Hierunter zu verstehen sind bewegliche Sachen ebenso wie Immobilien und Forderungen. Als Verwertungsmöglichkeiten kommen hierbei der Verkauf oder die Verpfändung der Vermögenswerte in Betracht.

Als Vermögen sind u.a. nicht zu berücksichtigen (Nr. 4) ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder (Nr. 6) Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 12 Abs 3 SGB II). Vorliegend kann dahinstehen, dass das vom Kläger bewohnte Mehrfamilienhaus, in dem er lediglich eine Wohnung bewohnt, nicht als angemessenes Eigenheim (iSd § 12 Abs 3 Nr. 4 SGB II) angesehen werden kann. Zudem kann offen bleiben, dass die Verwertung dieses Hauses sowie der landwirtschaftlichen Nutzflächen, deren Eigentümer der Kläger ist, nicht ohne weiteres eine besondere Härte iSd § 12 Abs 3 Nr. 6 SGB II darstellt, so dass dieses Vermögen bereits aus rechtlichen Gründen unberücksichtigt bleiben müsste.

Die genannten Vermögensgegenstände waren bei - prognostischer Betrachtung - jedoch aus tatsächlichen Gründen innerhalb des streitgegenständlichen Leistungszeitraumes nicht verwertbar, so dass an den Kläger bis 31.08.2009 laufende Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss zu erbringen sind.

Nach § 9 Abs 4 SGB II ist hilfebedürftig auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. Ist eine sofortige Verwertung eines Vermögensgegenstandes nicht möglich, sind die Leistungen als Darlehen zu erbringen (§ 23 Abs 5 SGB II).Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können (vgl. Geiger in LPK- SGB II, 4. Aufl., § 12 Rn.10; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl, § 12 Rn. 31). Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch nach den rechtlichen Verhältnissen (vgl. BSG Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R - Juris Rn.29 = BSGE 98, 243). Die Verwertung muss für den Betroffenen einen Ertrag bringen, durch den er, wenn auch nur kurzzeitig, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensgegenstände, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, weil sie nicht marktfähig sind (vgl. BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 46/06 R - Juris Rn.12 = BSGE 99, 248 ff). Die Verwertbarkeit von Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II kann daher nur dann angenommen werden, wenn der Berechtigte in der Lage ist, die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln - autonom - herbeizuführen. Ist dagegen völlig ungewiss, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, so liegt bereits eine generelle Unverwertbarkeit iS des § 12 Abs 1 SGB II vor (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R- Juris Rn.22 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 12; Urteil vom 06.12.2007 - aaO Rn.15). Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II (vgl. BSG Urteil vom 27.01.2009 aaO Rn.23). Für diesen Zeitraum muss im vornherein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind, Hilfebedürftigkeit abzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R - Juris Rn.16 = FEVS 62, 337ff).

Unter Beachtung dieser rechtlichen Maßstäbe sind die vom Beklagten berücksichtigten Vermögensgegenstände, die zur ablehnenden Entscheidung vom 04.06.2009 geführt haben, das Mehrfamilienhaus des Klägers sowie die landwirtschaftlichen Nutzflächen zumindest im streitgegenständlichen Leistungszeitraum nicht als verwertbares Vermögen iSd § 12 Abs 1 SGB II anzusehen.

Nach Lage der Akten hat der Beklagte nach der Antragstellung des Klägers im Dezember 2008 erstmals am 04.05.2009 diesem gegenüber problematisiert, dass er sein Immobilienvermögen verwertet müsse, so dass der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt weder die Veranlassung noch die Möglichkeit hatte, überhaupt Verwertungsbemühungen zu unternehmen. Unabhängig davon gibt es im Hinblick auf den mit dem Übergabevertrag vom 30.07.2007 geregelten Rückübertragungsanspruch, den die Eltern des Klägers geltend machen können, soweit ohne deren Zustimmung über den Immobilienbesitz verfügt wird, keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Immobilienvermögen des Klägers bis zum 31.08.2009 überhaupt der Marktfähigkeit und damit seiner Verwertbarkeit bzw. einer tatsächlichen Verwertung hätte zugeführt werden können. Noch am 16.06.2009 hat der Vater des Klägers im Rahmen des Eilverfahrens ausdrücklich erklärt, er sei mit Verfügungen seines Sohnes, den übergebenen Immobilienbesitz zu belasten oder zu veräußern, nicht einverstanden, womit das Immobilienvermögen des Klägers noch als nicht marktfähig anzusehen war. Allein der durch die Vormerkung gesicherte Rückübertragungsanspruch hindert den Kläger rechtlich zwar nicht, die Immobilien zu verwerten, d.h. die für einen Eigentumsübergang oder dingliche Belastung erforderlichen Erklärungen wirksam gegenüber Dritten, d.h. potentiellen Käufern oder Darlehensgeber, abzugeben, um im Gegenzug Geldmittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zu erhalten. Soweit jedoch dingliche Verfügungen im Rang nach der Vormerkung im Grundbuch eingetragen werden, sind sie unwirksam, soweit sie das durch Vormerkung gesicherte Recht vereiteln oder beeinträchtigen (§ 883 Abs 2 Satz 1 BGB). Wollte der Kläger daher ohne Zustimmung seiner Eltern versuchen, den Immobilienbesitz zu verwerten, bestünde für einen Erwerber oder Darlehensgeber damit jedoch die Gefahr, dass dieser seinen in Bezug auf den Kläger dinglich gesicherten Anspruch durch die Rückabwicklung des Übergabevertrages 30.07.2007 verlieren könnte. Angesichts dieser Fallkonstellation ist es bei rationaler Betrachtungsweise als fernliegend anzunehmen, der Kläger könne sich durch den Verkauf oder eine dinglich gesicherte Darlehensaufnahme den Wert des Immobilienvermögens nutzbar machen, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Die Marktfähigkeit (d.h. Verwertbarkeit) der Immobilien wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn die Eltern des Klägers einer Verwertung zugestimmt hätten, was vorliegend im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedoch zu keinem Zeitpunkt geschehen ist, oder wenn der Kläger über ein vollstreckbaren Titel (iSd § 894 Zivilprozessordnung - ZPO) verfügen würde, durch den eine entsprechende Zustimmung fingiert wird. Letzteres liegt ebenfalls nicht vor, wobei diese Voraussetzung unabhängig davon, dass der Kläger tatsächlich keine entsprechende Klage auf Abgabe einer Willenserklärung erhoben hat, innerhalb des streitgegenständlichen Bewilligungsabschnittes bis 31.08.2009 nicht hätte herbeigeführt werden können.

Dem Kläger ist in diesem Zusammenhang auch nicht entgegen zu halten, keine Bemühungen zum Verkauf oder zur Beleihung unternommen zu haben, denn der Versuch, eine Zustimmung seiner Eltern zur Verwertung der Immobilien einzuholen, war im Hinblick auf die Erklärung seines Vaters vom 16.06.2009 bereits gescheitert, so dass die Immobilie ohnehin nicht marktfähig war.

Darüber hinaus hat es der Kläger auch nicht in vorwerfbarer Weise unterlassen gegen seine Eltern eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung iS einer Zustimmung zur Verwertung der Immobilien zu erheben, denn diese wäre mit einem erheblichen Prozessrisiko behaftet. Vorliegend wäre nämlich die Geltendmachung eines Rückübertragungsanspruches durch die Eltern des Klägers - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht ohne weiteres als sittenwidrig (iSd § 138 BGB) anzusehen. Dem Recht der Sozialhilfe und der Grundsicherung ist kein Grundsatz zu entnehmen, dass einem Leistungsempfänger Familienvermögen zur Verfügung zu stellen ist, um einen Leistungsträger zu entlasten (vgl. idS OLG Karlsruhe, Urteil vom 8.10.1992 - 9 U 168/91 - Juris Rn.32 = FamRZ 1993, 482ff). Soweit Vermögen tatsächlich verschenkt worden ist, ist die Geltendmachung eines durch Vormerkung gesicherten Rückforderungsanspruches des Schenkers allenfalls dann ausgeschlossen, wenn dies im Rahmen eines vorwerfbaren Zusammenwirkens des Sozialleistungsempfängers und des Vormerkungsberechtigten erfolgt, um die nachrangige Verpflichtung staatlicher Sozialeistungsträger zu unterlaufen (vgl. VGH München, Beschluss vom 25.04.2001 - 12 ZB 01.553 - Juris Rn.7). Nach Lage der Akten gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Weigerung der Eltern des Klägers, einer Verwertung des Immobilienvermögens zuzustimmen, oder die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruches allein dem Zweck dienen würde, den Nachrang der Grundsicherung zu unterlaufen.

Die vertraglichen Regelungen vom 30.07.2007 zielen in ihrer Gesamtheit im Wesentlichen darauf ab, dem Sohn des Klägers, dem Enkel der Schenker, das Immobilienvermögen - wohl im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge - zukommen zu lassen, wobei dies jedoch nicht vor einem bestimmten Zeitpunkt geschehen soll, so dass ein Durchgangserwerb in der Person des Klägers als denkbarer Lösungsansatz erscheint. Um dies zu gewährleisten, im Wesentlichen aber um das Vermögen vor Verschwendung durch den Kläger zu schützen, erscheint es insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Klägers mit Geld legitim, wenn sich die Eltern des Klägers ein Rückforderungsrecht vorbehalten und dieses dinglich abgesichert haben. Ein solches Rückübertragungsrecht geltend zu machen, wäre den Eltern des Klägers auch nicht per se sondern allenfalls unter Beachtung der Gesamtumstände als sittenwidrig entgegenzuhalten. Vorliegend gilt es jedoch zu beachten, dass eine gerichtlich erzwungene Zustimmung der Eltern sich allein darauf beziehen könnte, der Verwertung einer Immobilie allgemein zuzustimmen, ohne sich Einwendungen gegen die Verwendung des erzielten Erlöses vorbehalten zu können. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger sein eigenes Vermögen von mehr als 70.000.- EUR innerhalb von drei Jahren nahezu aufgebraucht hat, gibt es jedoch durchaus nachvollziehbare Aspekte, die einen Rückforderungsanspruch und einen Zustimmungsvorbehalt des Schenkers in Bezug auf das verschenkte Vermögen zweckmäßig und geboten erscheinen lassen. Soweit die Eltern des Klägers daher ihren Rückübertragungsanspruch geltend machen würden, wäre zwar der Nachrang der Grundsicherung ausgehebelt, anderseits ließe sich das Vermögen aber nur durch ihre Weigerung vor Verlust schützen, so dass unter Abwägung dieser Aspekte mit einer Geltendmachung eines Rückübertragungsanspruches nicht ein kollusives Zusammenwirken des Klägers und seiner Eltern zum Nachteil des Grundsicherungsträgers im Vordergrund stünde, sondern das legitime Interesse des Schenkers, die Verwendung des verschenkten Vermögens selbst zu bestimmen. Im Ergebnis ist dem Kläger daher nicht anzulasten, dass er im Hinblick auf das erhebliche Prozessrisiko bislang nicht versucht hat, eine Zustimmung seiner Eltern bzw. eine Zustimmung des inzwischen bestellten Betreuers für die Angelegenheiten der Vermögenssorge seines Vaters zur Verwertung der Immobilien gerichtlich herbeizuführen.

Soweit darüber hinaus verwertbares Vermögen in Form von Lebensversicherungen vorhanden ist, stehen diese der Bewilligung von Alg II nicht entgegen. Sowohl die zur Altervorsorge vorgesehenen Lebensversicherungen, deren Rückkaufswert zum 22.12.2008 mit 11.725,93 EUR (A.: 7.735,78 EUR; K.: 3.990,15 EUR) zu bewerten war, als auch die staatliche Förderrente (Riestervertrag) des Klägers überschreiten die maßgeblichen Freibetragsgrenzen nicht. Vom Vermögen ist die Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge abzusetzen, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet (§ 12 Abs 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II), womit der vom Kläger mit 10.- EUR monatlich besparte Riester- Vertrag Hilfebedürftigkeit nicht ausschließt (vgl. hierzu auch Geiger in LPK- SGB II, 4. Aufl., § 12 Rn. 24). Darüber hinaus sind nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II vom Vermögen geldwerte Ansprüche abzusetzen, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250.- EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (und seines Partners), höchstens jedoch jeweils den nach Satz 2 maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigt. Für den 1961 geborenen Kläger war für den Zeitpunkt der Antragstellung am 22.12.2008 ein derartiger Altersvorsorgefreibetrag in Höhe von 11.750.- EUR (= 47 Jahre x 250 EUR/ Lebensjahr) maßgeblich, den die Rückkaufswerte (11.725,93 EUR) der Lebensversicherungen (A.; K.), für die ein Verwertungsausschluss nach § 168 VVG, der die Voraussetzungen der § 12 Abs 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II erfüllt, vereinbart war, nicht überschritten haben.

Der Beklagte war daher gemäß § 130 Abs 1 Satz 1 SGG (lediglich) dem Grunde nach zu verurteilen, dem Kläger Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum vom 22.12.2008 bis 31.08.2009 als Zuschuss zu bezahlen, denn es steht fest, dass der Klägers - mangels hinreichendem Einkommen oder berücksichtigungsfähigem Vermögen - Zahlungen zu erwarten hat, zu deren Höhe der Beklagte jedoch noch umfangreiche Ermittlungen durchzuführen haben wird. Bislang gibt es keine hinreichenden Ermittlungen insbesondere zur Höhe der tatsächlichen bzw. angemessenen Heizkosten, denn der Beklagte hat selbst für die Zeiträume ab dem 01.09.2009, ab denen er Leistungen darlehensweise erbracht hat, in unzutreffender Weise auf den Heizmittelbedarf des Klägers im Jahr 2008 abgestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des Beklagten.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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