L 4 AS 1210/11 NZB

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 28 AS 7005/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 4 AS 1210/11 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im dem Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 31. Mai 2011 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Zulassungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen. Sie ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG auch nicht statthaft, denn der maßgebliche Beschwerdewert von mehr als 750 Euro wird nicht erreicht. Die Klägerin begehrt die - zumindest teilweise - Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 30. März 2010, mit welchem Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis zum 30. November 2009 in Höhe von 629,08 Euro aufgehoben wurden und deren Erstattung verlangt wird. Damit wird eine Beschwer von mehr als 750 Euro erkennbar nicht erreicht.

Die Berufung war auch nicht nach § 144 Abs. 2 SGG - in dem Urteil oder auf die Beschwerde durch das Landessozialgericht - zuzulassen. Dies kommt nur in Betracht, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).

Der Rechtsstreit hat entgegen der Auffassung der Klägerin keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Sache dann, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist. Eine grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist und zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheitlichkeit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Für die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts abzustellen (vgl. den Senatsbeschluss vom 8. September 2011 - L 4 AS 855/11 NZB).

Sofern die Klägerin die Rechtsfrage, welche Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit von Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen zu stellen sind, als grundsätzlich klärungsbedürftig ansieht, führt dieses Vorbringen nicht zu einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist bereits durch das Bundessozialgericht (BSG) höchstrichterlich geklärt (vgl. BSG, Urteile vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R, 15. Dezember 2010 - B 14 AS 92/09 R und 17. Dezember 2009 - B 4 AS 20/09 R sowie B 4 AS 30/09 R, jeweils nach juris). Das BSG hat insoweit u.a. ausgeführt: " Das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 SGB X verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts klarstellende Funktion zu (BSG Urteil vom 15. Mai 2002 - B 6 KA 25/01 R-juris). Unbestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (vgl auch BSG Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R - juris). Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG, Urteil vom 6. Februar 2007 - B 8 KN 3/06 R)."

Das BSG hat damit grundlegende Ausführungen zu den Anforderungen an die Bestimmtheit von Aufhebungsentscheidungen gemacht. Die Erfüllung dieser Anforderungen ist im Einzelfall durch die Tatsacheninstanzen zu prüfen - rechtfertigt aber keine Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung.

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Bestimmtheitsanforderungen an Erstattungsentscheidungen. Insoweit hat das BSG zwischenzeitlich (Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R, juris) wie folgt ausgeführt: "Das Bestimmtheitserfordernis als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt zum einen, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (näher BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN). Zum anderen muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden (BVerwGE 123, 261, 283)." Das BSG hat in seinem vorgenannten Urteil vom 7. Juli 2011 explizit ausgeführt, dass bei einer Erstattung aufgrund einer Teilaufhebung statt eines Gesamtbetrags eine Konkretisierung dieses Betrags für die einzelnen Wochen nicht erforderlich ist. Auch ist es nach Rechtsprechung des BSG nicht erforderlich, dass im Rahmen der Festsetzung der zu erstattenden Leistung nach den einzelnen Leistungsarten (insbesondere also Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung) unterschieden wird.

Auch der Verweis der Klägerin auf die Ausführungen des BSG (Urteil vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 92/09 R, juris), wonach "angesichts der teilweise umfangreichen Bewilligungsbescheide nicht in jedem Falle (so etwa, wenn Nebeneinkommen gemäß §§ 11, 30 SGB II zu berücksichtigen ist)" von einer Bestimmtheit im o.g. Sinne ausgegangen werden kann, rechtfertigt kein Zulassung der Berufung. Insoweit handelt es sich - wie bereits aufgezeigt - um eine Frage des Einzelfalles, die nicht die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG rechtfertigt. Darüber hinaus ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die angegriffene Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung zu unbestimmt gewesen wäre. Bei der erfolgten teilweisen Aufhebung für den Monat September 2009 und der gänzlichen Aufhebung der Monate Oktober und November 2009 lässt sich schon anhand eines einfachen Vergleiches der ursprünglichen Bewilligung und der Aufhebungs- und Erstattungsbescheides feststellen, für welchen Zeitraum was und in welcher Höhe erfolgt (Aufhebung) bzw. verlangt wird (Erstattung). Dies gilt vorliegend erst Recht, da dem angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für den einzigen Monat mit Teilaufhebung (September 2009) noch ein entsprechender Berechungsbogen beigefügt wurde.

Die Voraussetzungen von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegen ebenfalls nicht vor. Der Klägerin ist es nicht gelungen, die Entscheidung tragenden, abstrakten Rechtssätze in dem Urteil des Sozialgerichts einerseits und in einer höchstrichterlichen Rechtsprechung andererseits gegenüberzustellen und zu begründen, weswegen diese unvereinbar sind sowie weiter darzutun, dass das Sozialgericht bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufstellt und nicht etwa nur das Recht fehlerhaft angewendet hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Berufung wegen einer Divergenz. Im Übrigen sind auch Ausführungen zu verlangen, denen hinreichend klar entnommen werden kann, dass das Urteil auf der Abweichung beruht (vgl. zum Ganzen: Senatsbeschluss vom 8. September 2011, ebenda m. w. N.) Hierfür hat die Klägerin nichts vorgetragen. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils ist nicht im Ansatz erkennbar, dass das Sozialgericht der Rechtsprechung des BSG bewusst widersprochen hat und abweichend hiervon andere Maßstäbe aufstellen wollte. Eine - bewusste - Abweichung von der Rechtsprechung eines Landessozialgerichts liegt schon deshalb nicht vor, da sich das Urteil des Sozialgerichts mit landessozialgerichtlicher Rechtsprechung überhaupt nicht auseinandersetzt.

Verfahrensmängel nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG haben die Kläger nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§ 73a SGG in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung).

Der Beschluss ist unanfechtbar; mit der Zurückweisung der Beschwerde durch den Senat wird das Urteil rechtskräftig (§§ 145 Abs. 4 Satz 4, 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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