L 5 AS 339/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AS 742/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 339/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 17. August 2009 wird geändert und der Bescheid des Beklagten vom 17. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2007 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2006 zurückzunehmen, soweit die Leistungsbewilligung für November 2005 über den Betrag von 428,75 EUR hinaus aufgehoben und für den gesamten Zeitraum ein über 1.336,33 EUR hinausgehender Betrag zur Erstattung gestellt worden ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin und Berufungsklägerin wendet sich im Überprüfungsverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten.

Die im Jahr 1951 geborene, seit dem Jahr 2000 dauernd getrennt lebende Klägerin stellte am 12. Juli 2005 bei dem Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 15. Juli 2005 beantragte sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, zum 1. August 2005 gab sie ihr Gewerbe (Telekommunikationsdienstleistungen, Internetzugänge u.a.) auf und kündigte ihr Geschäftslokal.

Gemeinsam mit ihrem Angestellten, Herrn R H ..., bewohnte die Klägerin eine 56 m² große Wohnung, für die ab Oktober 2005 eine Gesamtmiete iHv 459,73 EUR (Kaltmiete: 260,73 EUR, Heizkosten inklusive Warmwasser: 142,00 EUR, Betriebskosten: 57,00 EUR) zu zahlen war. Nach der Vermieterbescheinigung waren die Klägerin und R H ... Mieter der Wohnung. Die Klägerin bezeichnete ihren Mitbewohner als Untermieter und legte einen am 6. Juni 2005 geschlossenen Untermietvertrag vor, den der Beklagte nicht als relevant erachtete.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 3. August 2005 bewilligte der Beklagte u.a. für die Zeit vom 1. August 2005 bis zum 31. Januar 2006 Leistungen an die Klägerin iHv 542,75 EUR. Neben der Regelleistung iHv 331,00 EUR berücksichtigte er Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) iHv insgesamt 211,75 EUR.

Am 1. Oktober 2005 nahm die Klägerin eine auf ein halbes Jahr befristete geförderte Beschäftigung im Rahmen des Projekts "Tradition und Zukunft" auf. Eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden wurde mit einem Bruttomonatslohn iHv 1.125,00 EUR vergütet. Das Entgelt wurde jeweils zum 10. des Folgemonats ausgezahlt. Hiervon setzte die Klägerin die Bundesagentur für Arbeit mit Veränderungsmitteilung vom 27. September 2005 und den Beklagten mit Mitteilung vom 10. Oktober 2005 in Kenntnis. Nach der Einkommensbescheinigung des Arbeitgebers vom 14. November 2005 erzielte die Klägerin im Oktober 2005 ein sozialversicherungspflichtiges Entgelt iHv 862,50 EUR, von dem ein Nettobetrag iHv 674,91 EUR zur Auszahlung gelangte. Ergänzend ist in der Bescheinigung vermerkt, dass die Klägerin für sieben Tage Krankengeld bezog. Bei einem vollen Monatsgehalt iHv 1.225,00 EUR werde ein Nettobetrag iHv 845,98 EUR ausgezahlt.

Nach den Bescheinigungen der AOK S.-A. vom 8. und 23. Februar 2012 wurde das Krankengeld iHv 131,58 EUR für die Zeit vom 19. bis zum 24. Oktober 2005 am 23. Januar 2006 auf das Konto der Klägerin überwiesen.

Mit Schreiben vom 2. Januar 2006 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung von Leistungen iHv 1.622,92 EUR im Zeitraum vom 1. November 2005 bis 31. Januar 2006 an. Aufgrund des Einkommens aus dem Beschäftigungsverhältnis habe sie in dem Zeitraum keinen Leistungsanspruch gehabt. Sie habe die Überzahlung verursacht, da sie eine erhebliche Veränderung in ihren persönlichen Verhältnissen verspätet angezeigt habe. Hierzu führte die Klägerin unter dem 16. Januar 2006 aus, sie habe am 27. September 2005 eine Veränderungsmitteilung abgegeben und nachfolgend noch eine Gesamtmeldung durch den Maßnahmeträger. Sie habe sich korrekt verhalten.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. März 2006 hob der Beklagte die Bewilligung der Leistungen für die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Januar 2006 ganz iHv monatlich 542,75 EUR auf. Die Klägerin habe nach Erlass des Bescheids Einkommen erzielt, das zum Wegfall des Anspruchs geführt habe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Dieser Aufhebungstatbestand sei verschuldensunabhängig. Entscheidend sei, dass das erzielte Einkommen den Leistungsanspruch entfallen lasse. Die bereits erbrachten Leistungen seien nach § 40 Abs. 2 SGB II iVm § 50 SGB X zu erstatten. Es seien 56% der KdU-Leistungen mit Ausnahme der Heizungs- und Warmwasserkosten nicht zu erstatten. Es ergebe sich ein monatlicher Erstattungsbetrag iHv 453,79 EUR.

Dagegen legte die Klägerin am 16. März 2006 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2006 als unbegründet zurückwies. Der Klägerin sei erstmalig im November 2005 Lohn aus dem Arbeitsverhältnis zugeflossen. Das bereinigte Nettoeinkommen iHv 573,48 EUR übersteige ihren Bedarf iHv 542,75 EUR, sodass kein Leistungsanspruch bestehe. Die tatsächlichen Einkommensverhältnisse hätten sich erst nach Erlass des Bewilligungsbescheids verändert. Die Voraussetzungen von § 48 Abs. 2 Nr. 3 und 4 SGB X seien gegeben und daher die Bewilligung für die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Januar 2006 ganz aufzuheben. Es handele sich um eine gebundene Verwaltungsentscheidung, Ermessen sei nicht auszuüben. Die erbrachten Leistungen seien nach Maßgabe von § 50 Abs. 1 SGB X iVm § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II zu erstatten. 56% der zu berücksichtigenden KdU, mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasserbereitung, müssten nicht erstattet werden. Die Klägerin habe KdU-Leistungen iHv 211,75 EUR erhalten. 56 % der Kaltmiete und Betriebskosten – ohne Heizung und Warmwasser – iHv 158,56 EUR betrügen 88,96 EUR, sodass von den KdU-Leistungen monatlich 122,79 EUR zurückzuzahlen seien. Mit der Regelleistung ergebe sich ein Erstattungsbetrag von monatlich 453,79 EUR. Insgesamt seien von den zu Unrecht erbrachten Leistungen (1.628,25 EUR) 1.361,37 EUR zu erstatten.

Dagegen hatte die Klägerin erst nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist am 7. August 2006 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben, die sie nach Hinweis auf die Verfristung zurücknahm. Am 20. September 2006 stellte sie zu Protokoll der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Bescheid vom 6. März 2006 sei nicht zu beanstanden. Da die Klägerin zwischenzeitlich umgezogen war, wurde der Bescheid nach vergeblicher Übersendung an die alte Adresse am 3. November 2006 an die neue Anschrift versandt. Am 27. November 2006 legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie nicht weiter begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2007 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der bestandskräftige Bescheid vom 6. März 2006 sei nicht zurückzunehmen, weil die Entscheidung nicht fehlerhaft sei.

Am 24. April 2007 hat die Klägerin beim SG Klage erhoben. Der Beklagte lege falsche Tatsachen zu Grunde, wenn er davon ausgehe, sie habe die Überzahlung verursacht, weil sie die Veränderung ihrer Verhältnisse verspätet angezeigt habe. Sie weise den Vorwurf, ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen zu sein, von sich. Im Erörterungstermin vom 11. Juni 2009 hat das SG darauf hingewiesen, dass die Aufhebungsentscheidung (auch) auf § 48 Abs. 2 Nr. 3 SGB X gestützt sei. Es komme nicht auf ein Vertrauen des Leistungsempfängers an. Zugleich hat das SG darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung mittels Gerichtsbescheid beabsichtigt sei, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. August 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin werde durch die Bescheide im Überprüfungsverfahren nicht in ihren Rechten verletzt. Der Bescheid vom 6. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2006 sei rechtmäßig. Vom Einkommen iHv 1.125,00 EUR verbleibe nach Abzug des Grundfreibetrags nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II und der Freibeträge nach § 30 Nr. 1 und 2 SGB II ein bereinigtes Nettoeinkommen iHv 573,48 EUR, das den Bedarf iHv 542,75 EUR übersteige. Die Klägerin sei im Zeitraum von November 2005 bis einschließlich Januar 2006 nicht hilfebedürftig gewesen. Der Beklagte habe seine Bewilligung aufzuheben und die Leistungen nach Maßgabe des § 50 SGB X zurückzufordern gehabt. Es seien nach § 40 Abs. 2 SGB II 56% der KdU – mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung – zu erstatten. Diese seien zutreffend berechnet, sodass der Beklagte zu Recht einen Betrag iHv 1.361,37 EUR zurückfordere.

Gegen das ihr am 31. August 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. September 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen sowie auf Entscheidungen des Sozialgerichts Dortmund (Urteil vom 22. Juli 2009, Az. S 28 AS 228/08) und des Sozialgerichts Koblenz (Urteil vom 5. April 2007, Az. S 11 AS 635/06) verwiesen.

Auf Nachfrage der Berichterstatterin haben sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 5. März 2010 und die Klägerin mit Schreiben vom 13. Mai 2011 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 17. August 2009 und den Bescheid des Beklagten im Überprüfungsverfahren vom 17. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, seinen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2006 zurückzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der letztlich angegriffene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei rechtmäßig. Es gebe keinen Grund, diesen im Zugunstenverfahren aufzuheben. Die Klägerin habe keine neuen rechtserheblichen Tatsachen vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG erhoben worden. Sie ist auch statthaft iSv § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach ist die Berufung ohne Weiteres zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt gerichtet ist, 750,00 EUR übersteigt. Hier ist im Überprüfungsverfahren letztlich eine Erstattungsforderung iHv 1.361,37 EUR im Streit.

Die Berufung ist teilweise begründet. Überwiegend hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Lediglich zu einem Teilbetrag der Aufhebung iHv 114,00 EUR und der Erstattungsforderung iHv 25,04 EUR ist die Klage begründet.

Gegenstand des Klageverfahrens ist das zulässige Begehren der Klägerin, die Ablehnung ihres Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X mit Bescheid des Beklagten vom 17. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den bestandskräftig gewordenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2006 zurückzunehmen.

Die auf Aufhebung der Ablehnung des Überprüfungsantrags gerichtete Anfechtungsklage hat zu einem geringen Teil Erfolg, denn der zugrundeliegende Bescheid ist teilweise rechtswidrig. Die Klägerin hat insoweit einen Rücknahmeanspruch aus § 44 SGB X.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Das Tatbestandsmerkmal der zu Unrecht nicht erbrachten Sozialleistungen ist bereits erfüllt, wenn sich der Verwaltungsakt dem Gegenstand nach auf eine Sozialleistung bezieht (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 44 RN 13); § 44 Abs. 1 SGB X ist auch auf die Rückforderung von Sozialleistungen anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1996, Az.: 11 RAr 31/96, juris RN 15-16). Denn es macht keinen rechtserheblichen Unterschied, ob ein ursprünglich rechtswidriger Verwaltungsakt zur Folge gehabt hat, dass der Bürger nicht erhalten hat, was ihm zusteht, oder aber, ob er ursprünglich zwar die in Rede stehenden Leistungen zuerkannt und erhalten hat, nachträglich aber der Verwaltungsakt, mit dem die Leistung bewilligt worden ist, wieder zurückgenommen wurde (§ 48 SGB X) und damit derselbe Zustand eingetreten ist, wie er bestanden hätte, wenn die Leistung von Vornherein nicht bewilligt worden wäre und der Bürger deshalb die Leistung nach § 50 SGB X erstatten muss.

Durch den hier streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid steht die Klägerin so, als wäre ihr SGB II-Leistungsantrag für den streitigen Zeitraum (vom 1. November 2005 bis zum 31. Januar 2006) überwiegend – denn einen Teil der bezogenen Leistungen darf sie behalten – abgelehnt worden.

Ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden Recht. Insoweit war zu überprüfen, ob der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2006 auf die herangezogene Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt werden konnte. Dies ist der Fall, wenngleich die Aufhebung für den Monat Oktober 2005 zu weit ging.

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung – soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt – mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung iVm § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) ist in den vorgenannten Fällen der Verwaltungsakt auch für die Vergangenheit aufzuheben. Damit scheidet eine Ermessensausübung aus. Es handelt sich in jedem Fall um eine gebundene Entscheidung des Leistungsträgers. Auch bei Überzahlungen, die allein durch den Leistungsträger verschuldet sind, ist der Bewilligungsbescheid rückwirkend, zum Zeitpunkt seines Erlasses aufzuheben und eine Erstattung zu verlangen (vgl. Conradis in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 40 RN 14).

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X liegen vor. Aufgrund des Zuflusses von Erwerbseinkommen in den Monaten November 2005 bis Januar 2006 hat sich eine wesentliche Veränderung der Sachlage im Vergleich zu derjenigen ergeben, die dem Bewilligungsbescheid vom 3. August 2005 zugrunde lag. Insoweit war der Beklagte berechtigt, den Bewilligungsbescheid teilweise aufzuheben.

Der Aufhebungsbescheid ist hinreichend bestimmt iSv § 33 SGB X. Dem Verfügungssatz ist eindeutig zu entnehmen, dass der Beklagte die Leistungsbewilligung für die vorgenannten Monate iHv je 542,75 EUR vollständig aufgehoben hat. Der Aufhebung steht nicht die Jahresfrist des gemäß § 48 Abs. 4 SGB X entsprechend anzuwendenden § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entgegen. Danach muss, wenn es um die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit geht, die Behörde dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme des Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Diese Frist hat der Beklagte eingehalten. Sie begann frühestens mit seiner Kenntnis von der Einkommenserzielung und der Höhe der zugeflossenen Beträge aufgrund der Einkommensbescheinigung des Arbeitgebers, die vom 14. November 2005 stammt. Der Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 6. März 2006 erfolgte rechtzeitig.

Einer Anhörung gemäß § 24 SGB X bedurfte es hier nicht, weil im vorliegenden Fall einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst wurden. In einem solchen Fall kann gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X von einer Anhörung abgesehen werden.

Das erzielte Erwerbseinkommen führte im streitbefangenen Zeitraum gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X im Monat November 2005 zu einer Verringerung des Hilfebedarfs und in den Monaten Dezember 2005 und Januar 2006 zu dessen vollständigem Wegfall, sodass die Leistungsbewilligung insoweit aufzuheben war (§ 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr.1 SGB II iVm § 330 Abs. 2 SGB III).

Zum Umfang der gerichtlichen Prüfung im Fall einer grundsicherungsrechtlichen Einkommensanrechnung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X lassen sich – für ursprünglich, d.h. ohne Berücksichtigung der Änderung rechtswidrig belastende Bewilli-gungsentscheidungen – verschiedene Auffassungen vertreten:

Nach einer Ansicht bezieht sich die Bestandskraft des Bewilligungsbescheids allein auf den ausgewiesenen Zahlbetrag und nicht auf die dem einheitlichen Leistungsanspruch nach dem SGB II zugrundeliegenden Berechnungselemente. Daher sind bei einer Teilaufhebung, durch die der Leistungsträger die Bestandskraft der Bewilligung teilweise beseitigt, alle Leistungsvoraussetzungen dem Grund und der Höhe nach zu prüfen. Geht man vom einheitlichen Zahlungsanspruch (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2007, Az.: B 11b AS 15/06 R, juris RN 42; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007, Az.: B 14/7b AS 42/06 R, juris RN 17; BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, Az.: B 4 AS 100/10 R, juris RN 38 ) aus, können Berechnungselemente, die keine eigenständige Regelung eines abtrennbaren Teils der Bewilligungsentscheidung darstellen, nicht in Bestandskraft erwachsen (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2011, Az.: B 14 AS 165/10 R, juris RN 16; zum Arbeitslosengeld: BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994, Az.: 11 RAr 41/94, juris RN 15; zur Arbeitslosenhilfe: BSG, Urteil vom 29. Juni 2000, Az.: B 11 AL 85/99 R, juris RN 23, 28; zur Rente: BSG, Urteil vom 9. Juni 1988, Az.: 4/1 RA 57/87, juris RN 20). Daher führt eine Teilaufhebung der Bewilligungsentscheidung dazu, dass die dem Zahlbetrag zugrundeliegenden, unselbstständigen Berechnungselemente neu zu prüfen sind.

Es handelt es sich um einen (negativen) Höhenstreit, denn die vorliegende Konstellation ist das Spiegelbild des Höhenstreits nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X, wenn beispielsweise eine Betriebskostennachforderung zu einem höheren Leistungsanspruch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung führt (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2010, Az.: B 4 AS 62/09 R, juris RN 12; Urteil vom 24. November 2011, Az.: B 14 AS 121/10, juris RN 12; Urteil vom 23. August 2011, Az.: B 14 AS 165/10 R, juris RN 18). Klageziel in Fällen der Einkommensanrechnung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist danach, die Aufhebung ganz oder zumindest teilweise zu beseitigen, um die bestandskräftig bewilligten Leistungen behalten zu können. Soweit der Leistungsträger mit dem Aufhebungsbescheid die Bestandskraft des ursprünglichen Bescheids durchbricht, steht die Rechtmäßigkeit der Bewilligung – im Umfang der Aufhebungsentscheidung – wieder im Streit. In beiden Fällen ist der aktuelle, "echte" und nicht der bislang festgestellte Leistungsanspruch zu berechnen.

Unter Zugrundelegung dieser Auffassung bestünde vorliegend weiterer Ermittlungsbedarf. Die Klägerin erfüllte vor dem Einkommenszufluss die Voraussetzungen für eine Leistungsbewilligung nach den §§ 19 iVm 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie war erwerbsfähig, im zu Leistungen berechtigenden Alter und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Beklagte war von einem monatlichen Hilfebedarf iHv 542,75 EUR/Monat ausgegangen und hatte entsprechende Leistungen mit Bewilligungsbescheid vom 3. August 2005 gewährt. Dabei hatte er einen Anspruch auf KdU iHv 211,75 EUR/Monat angenommen. Er hatte die Hälfte der Miet- und Heizkosten abzüglich eines Betrags von 22,22 EUR für Warmwasserbereitung zu Grunde gelegt. Der Senat hätte dann zu prüfen, ob der Klägerin ein höherer Anspruch auf KdU wegen des lediglich iHV 5,97 EUR/Monat vorzunehmenden Abzugs für Warmwasserbereitung (BSG, Urteil vom 19. März 2008, Az.: B 11 AS 13/06 R, juris RN 20) zustand. Gleichfalls wäre zu klären, ob die Klägerin auch aufgrund des Untermietvertrags einen höheren Anspruch auf KdU gehabt hätte. Sollte es sich dabei um eine ernsthafte zivilrechtliche Vereinbarung gehandelt haben und hätte die Klägerin mit dem Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft gelebt, käme eine Aufteilung nach Kopfteilen nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11b AS 61/06 R, juris). Dann stünden ihr KdU in Höhe der vollen Mietkosten abzüglich des Anteils für Warmwasserbereitung und der Untermiete iHv 150,00 EUR zu. Eine zu hohe Leistungsbewilligung könnte sich indessen ergeben, wenn – wie der Beklagte zwischenzeitlich vermutet hatte – eine nichteheliche Lebensgemeinschaft vorgelegen hatte und ggf. Einkommen des Partners auf den Gesamtbedarf anzurechnen wäre.

Nach der vom Senat bislang in ständiger Rechtsprechung vertretenen anderen Auffassung in Fällen einer vollständigen Aufhebung der bewilligten Leistungen führt aber die Bestandskraft der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung dazu, dass im Fall der Einkommensanrechnung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nur die angefochtene Aufhebungsentscheidung und der dieser zugrunde liegende Sachverhalt Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle sind. Die Klägerin hat gegen den Bewilligungsbescheid vom 3. August 2005 keinen Widerspruch erhoben, so dass dieser gemäß § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend geworden ist. Dies führt dazu, dass der Leistungsanspruch und der diesem zugrunde liegende Sachverhalt nicht zu überprüfen sind. Denn die Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts reicht nur soweit, wie eine wesentliche Änderung vorliegt (vgl. Urteil des Senats vom 25. November 2010, Az.: L 5 AS 39/08; so auch: BSG, Urteil vom 30. September 2008, Az.: B 4 AS 29/07 R, juris RN 16; BSG, Urteil vom 13. Juli 2010, Az.: B 8 SO 11/09 R, juris RN 16; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17. November 2010, Az.: L 11 AS 926/10 B). Die nachträgliche Anrechnung des Einkommens lässt die leistungsrechtliche Bedarfsberechnung unberührt. Insoweit wirkt die bestandskräftige Leistungsbewilligung fort, denn grundsätzlich kann über einen Änderungsbescheid nach § 48 Abs. 1 SGB X keine allgemeine Fehlerkorrektur erfolgen (vgl. KassKomm-Steinwedel, § 48 SGB X RN 27; Castendieck in Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage, § 54 RN 25; Schnapp in GK-SGB X 1, § 48 RN 62; Berchthold in Berchthold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, RN 365).

Etwas anderes gilt, wenn im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid Einwände hinsichtlich der bestandskräftig bewilligten Leistungen geltend gemacht werden. Diese sind als Antrag nach § 44 SGB X anzusehen und entsprechend dieser Bestimmung zu prüfen (BSG, Urteil vom 21. März 2002, B 7 AL 44/01R, juris; Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, Seite 1755, RN 10). In diesen Fällen sind jedoch neben der materiellen Rechtslage auch der mögliche Zeitraum der rückwirkenden Leistungserbringung (§ 40 Abs. 1 SGB II iVm § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X) sowie ggf. die Pflicht zur gebundenen Nachbewilligung für die Vergangenheit (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X) zu beachten. Die Klägerin hat im Rahmen der Rechtsbehelfe gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid keine Einwendungen hinsichtlich der ursprünglich bewilligten Leistungen gemacht, die hinsichtlich der bewilligten KdU als Antrag nach § 44 SGB X angesehen werden könnten.

Ein über die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufgeführten Sachverhalte hinausgehender, rückwirkender Eingriff in die Bestandskraft der Bewilligungsentscheidung ist bereits vom Wortlaut der Vorschrift ausgeschlossen ("soweit"). Aber auch wenn man den Wortlaut für auslegungsbedürftig hielte, ergäbe die Auslegung nichts anderes.

Die Sonderregelung des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X zeigt - für die Fälle einer ursprünglich zu hoch bewilligten Leistung - vielmehr, dass nach der Systematik des Gesetzes grundsätzlich die Bestandskraft der Bewilligungsentscheidung unangetastet bleiben soll und die Prüfung der Aufhebungsentscheidung nur soweit geht, wie einer der im Gesetz genannten Tatbestände betroffen ist. Die Bestandskraft des Verwaltungsakts soll nur ausnahmsweise im Fall des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X durchbrochen werden. Einer solchen Ausnahmeregelung hätte es nicht bedurft, wenn der Gesetzgeber davon ausginge, dass bereits nach der Grundregelung des § 48 Abs. 1 SGB X die Bestandskraft der Bewilligungsentscheidung über die zur Aufhebung berechtigenden Tatbestände hinaus durchbrochen werden solle.

Des Weiteren spricht aus systematischen Gesichtspunkten auch der direkte Regelungszusammenhang mit § 44 SGB X gegen eine solche Auslegung. In § 44 SGB X ist ausdrücklich geregelt, unter welchen Bedingungen und nach welchem Prüfungsmaßstab die in § 77 SGG normierte Bestandskraft durchbrochen werden kann. Der Gesetzgeber hat hier unter dem Titel "Bestandskraft des Verwaltungsaktes" mit den §§ 44 ff. SGB X Kriterien aufgestellt, wonach zu entscheiden ist, ob dem Prinzip der Rechtssicherheit oder dem Gebot der Gerechtigkeit der Vorrang gebührt. Es sind die Funktionsfähigkeit der Judikative und der Verwaltung, die Gewaltenteilung, die Verwaltungseffizienz und der Vertrauensschutz der Beteiligten zu berücksichtigen. Die Bestandskraft bleibt der Grundsatz; denn an ihr besteht aus Gründen der Rechtssicherheit ein hohes rechtsstaatliches Interesse (Schütze in: von Wulffen, Kommentar, SGB X, 7. Auflage 2010, vor §§ 44 - 49, RN 8).

Eine andere Auslegung widerspräche auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Denn sie würde denjenigen Kläger bevorteilen, der einem Aufhebungs- und Erstattungsanspruch des Beklagten ausgesetzt ist, die formellen Voraussetzungen für eine rückwirkende Leistungskorrektur nach § 44 SGB X aber nicht erfüllt. Hier würde eine Prüfung des Anspruchs "dem Grunde und der Höhe nach" dazu führen, dass die Bestandskraft auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 44 SGB X durchbrochen wird. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung gegenüber anderen Klägern, über deren Leistungen ebenfalls bestandskräftig und nicht mangels entsprechender Antragstellung über § 44 SGB X korrigierbar entschieden wurde, erkennt der Senat nicht.

Es war daher hier nach Auffassung des Senats nicht zu prüfen, inwieweit der Hilfebedarf der Höhe nach zutreffend berechnet war. Die Klägerin hatte den Bewilligungsbescheid nicht angefochten; die darin über den zu Grunde liegenden Sachverhalt getroffene Entscheidung ist für die Beteiligten bindend geworden und bleibt es auch, soweit sie nicht durch den hier angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. März 2006 wegen des nachträglichen Einkommenszuflusses abgeändert worden ist. Die Klägerin hat auch im streitgegenständlichen Klageverfahren keine Einwände gegen die ursprünglich bewilligten KdU erhoben.

Unter Berücksichtigung des der bestandskräftigen Leistungsbewilligung zu Grunde liegenden Bedarfs (542,75 EUR) konnte die Klägerin in den Monaten des streitigen Zeitraums – bis auf den Monat November 2005, in dem ein Restleistungsanspruch verbleibt – ihren Lebensunterhalt aus ihrem anrechenbaren Einkommen decken.

In den Monaten Dezember 2005 und Januar 2006 ist der Klägerin ihr Erwerbseinkommen aus dem Bruttoentgelt iHv 1.125,00 EUR, das zu einem regelmäßigen Nettoeinkommen iHv 845,98 EUR führte, ungeschmälert zugeflossen.

Das Bruttoeinkommen ist gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB II zunächst um die gezahlte Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge iHv 279,02 EUR zu bereinigen. Es ist der Grundfreibetrag für Erwerbstätige nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II iHv 100,00 EUR abzuziehen, dann der weitere Freibetrag nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 SGB II von 20% iHv 140,00 EUR und der weitere Freibetrag gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB II von 10% iHv 32,50 EUR anzurechnen. Weitere Abzugsbeträge nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 bis 8 SGB II hat die Klägerin nicht geltend gemacht; diesbezüglich ist auch nichts ersichtlich. Insgesamt ergeben sich Abzüge iHv 551,52 EUR, die zu einem anrechenbaren Einkommen iHv 573,48 EUR führen.

Dieses übersteigt den bestandskräftig festgestellten Gesamtbedarf und die entsprechend gewährten monatlichen Leistungen iHv 542,75 EUR. Es besteht in den Monaten Dezember 2005 und Januar 2006 kein SGB II-Leistungsanspruch der Klägerin.

Für den Monat November 2005 ergibt sich ein anderes Ergebnis, weil der Klägerin aufgrund ihrer einwöchigen Arbeitsunfähigkeit ein geringeres Erwerbseinkommen ausgezahlt wurde. Sie hatte für diesen Monat einen Krankengeldanspruch, der von der zuständigen Krankenversicherung, der AOK S ...-A , jedoch erst mit der Anweisung am 23. Januar 2006 erfüllt worden ist. Diesen Umstand hat der Beklagte bei Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nicht beachtet.

Da der Klägerin das Krankengeld im November 2005 nicht zugeflossen ist, kann allein das in diesem Monat tatsächlich bezogene Erwerbseinkommen bei der Berechnung ihres SGB II-Leistungsanspruchs berücksichtigt werden. Dieses betrug 862,50 EUR brutto. Hiervon sind Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge iHv 187,59 EUR abzuziehen. Mit den weiteren Abzügen aus dem Grundfreibetrag für Erwerbstätige (100,00 EUR) und den weiteren Freibeträgen (20%: 140,00 EUR; 10% 6,25 EUR) ergeben sich Gesamtabzüge iHv 433,84 EUR, die zu einem anrechenbaren Erwerbseinkommen iHv 428,66 EUR führen.

Zieht man dieses von dem bestandskräftig festgestellten Bedarf, der der bewilligten Leistung iHv 542,75 EUR entspricht, ab, verbleibt ein Leistungsanspruch iHv 114,09 EUR – gemäß § 41 Abs. 2 SGB II gerundet: 114,00 EUR. In dieser Höhe ist der ursprüngliche Bewilligungsbescheid für November 2005 weiterhin bindend. Die vollständige Aufhebung der Bewilligung durch den Beklagten ist daher teilweise – iHv 114,00 EUR – rechtswidrig.

Die Klägerin hat nur noch im November 2005 einen (geringeren) SGB II-Leistungsanspruch gegen den Beklagten. In den Monaten Dezember 2005 und Januar 2006 stand ihr aufgrund des bedarfsdeckenden Einkommens kein Leistungsanspruch zu. Der Beklagte war daher berechtigt, im Hinblick auf die Einkommenserzielung, die erst nach Erlass des Bewilligungsbescheids eingetreten ist, denselben gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben.

Die Erstattungsforderung, die ebenfalls keinen formellen Bedenken begegnet, beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB X. Danach sind erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, wobei die Behörde die zu erstattenden Leistungen durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen hat.

Zusätzlich und zugunsten der Klägerin greift im vorliegenden Fall bei der Erstattung für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 die Ausnahmevorschrift des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Danach sind abweichend von § 50 SGB X 56% der berücksichtigten Kosten für die Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für die Heizungs- und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten sind, wenn es sich – wie hier in den genannten beiden Monaten – um eine vollständige Aufhebung der Bewilligung handelt, die auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt ist.

Die Klägerin hat für Dezember 2005 und Januar 2005 von dem Kaltmietanteil iHv von 130,37 EUR und dem Betriebskostenanteil iHv 28,50 EUR jeweils 56 %, d.h. 73,00 EUR und 15,96 EUR, insgesamt 88,96 EUR, nicht zu erstatten. Dieser Betrag ist von den gewährten Gesamtleistungen iHv 542,75 EUR (KdU einschließlich Heizkosten iHv 211,75 EUR, Regelleistung iHv 331,00 EUR) abzuziehen. Es ergibt sich für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 ein monatlicher Erstattungsbetrag iHv 453,79 EUR/Monat.

Auf die Erstattung für November 2005 ist § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht anwendbar, da die Bewilligung in diesem Monat aufgrund des verbleibenden Leistungsanspruchs iHv 114,00 EUR nur teilweise aufzuheben war (§ 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II).

Der Senat teilt nicht die in Teilen der Literatur (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 40 RN 28) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken an der Regelung des § 40 Abs. 1 SGB II (jetzt: § 40 Abs. 4 SGB II). Es ist nicht gleichheitswidrig, Fälle einer teilweisen Leistungsaufhebung sowie Fälle einer auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 oder § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gestützten Aufhebung anders zu behandeln, als die einer vollständigen Leistungsaufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Die Regelung soll den Wegfall des Anspruchs auf Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) kompensieren. Im Fall einer teilweisen Leistungsaufhebung besteht keine Notwendigkeit einer Kompensation. Der Betroffene steht weiterhin im SGB II-Leistungsbezug und hat daher keinen Leistungsanspruch nach WoGG. In den anderen genannten Fällen erfolgt die Korrektur der rechtswidrigen Leistungsbewilligung aufgrund einer dem Betroffenen vorwerfbaren (Mit)-Verursachung. Dies hat der Gesetzgeber als nicht schutzwürdig erachtet und daher von Kompensationsleistungen abgesehen.

Die Erstattungsforderung besteht in der Differenz zwischen den tatsächlich gewährten Leistungen (542,75 EUR) und dem fortbestehenden Leistungsanspruch (114,00 EUR). Sie beträgt 428,75 EUR für November 2005.

Für den dreimonatigen Rückzahlungszeitraum ergibt sich ein zu erstattender Gesamtbetrag iHv 1.336,33 EUR (2 x 453,79 EUR + 428,75 EUR).

Soweit der auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid rechtmäßig ist, war der klageabweisende Gerichtsbescheid des SG vom 17. August 2009 nicht zu beanstanden. Soweit der Aufhebungsbescheid iHv 114,00 EUR und der Erstattungsbescheid iHv 25,04 EUR (für November 2005) rechtswidrig ist, hat der Beklagte mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 und Widerspruchsbescheid vom 4. April 2007 den Überprüfungsantrag der Klägerin gemäß § 44 SGB X zu Unrecht abgelehnt. Er war zu dessen Korrektur zu verpflichten.

Soweit die Klägerin ausführt, sie habe sich nicht pflichtwidrig verhalten und insbesondere die Aufnahme der Erwerbstätigkeit rechtzeitig angezeigt, trifft dies zu, ist aber rechtlich unerheblich. Die auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützte Aufhebung ist verschuldensunabhängig – wie der Beklagte bereits im Widerspruchsbescheid und das SG im Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt haben. Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen der Sozialgerichte Dortmund und Koblenz betreffen andere Vorschriften und sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Anlass für eine Kostenteilung bestand nicht, da der Beklagte im Verfahren nur zu einem geringen Teilbetrag im Verhältnis zum insgesamt streitigen Betrag (unter 10 %) unterlegen ist.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG vorliegen. Es ist im Einzelnen nicht geklärt, inwieweit im Fall einer auf § 48 SGB X gestützten teilweisen Aufhebung der Leistungsbewilligung der Bewilligungsbescheid im Übrigen, bzw. die Berechnungselemente der Bedarfsberechnung, bestandskräftig bleiben bzw. zu überprüfen sind. Die Klärung dieser Frage hat im vorliegenden Fall Auswirkungen auf den Umfang der Aufhebung und die Höhe der Erstattungsforderung.
Rechtskraft
Aus
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