L 19 AS 137/12 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 657/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 137/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.12.2011 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für eine gegen einen Sanktionsbescheid gerichtete Klage.

Die am 00.00.1977 geborene Klägerin ist Mutter einer mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Tochter (geboren am 00.00.2004). Sie steht im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgerichts - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Am 06.09.2010 unterzeichnete die Klägerin eine erste, sowie am 28.09.2010 eine weitere, die erste ersetzende Eingliederungsvereinbarung. Diese enthält unter Ziffer 2 mit der Überschrift "Bemühungen von Frau L zur Eingliederung in Arbeit" folgenden Passus:

"Sie bewerben sich zeitnah, d.h. spätestens am dritten Tag nach Erhalt des Stellenangebots, auf Vermittlungsvorschläge, die Sie von der Agentur für Arbeit erhalten haben und reichen das Begleitschreiben wieder beim Vermittler ein. Unaufgeforderter Nachweis von 5 Bewerbungen, auch um befristete Stellen, auch bei Zeitarbeitsfirmen, durch persönliche Abgabe der Nachweiskarten im zuständigen Kundenbüro Team 000 während der Öffnungszeiten - spätestens bis zum letzten geöffneten Tag des Monats".

Bei dem Kundenbüro Team 000 handelt es sich um den Empfang bzw. das Foyer der Räumlichkeiten des Beklagten.

Die Eingliederungsvereinbarung enthält einen mit "Rechtsfolgenbelehrung" überschriebenen Abschnitt. Dieser enthält u.a. folgende Regelung:

"Wenn Sie erstmals gegen die Eingliederungsbemühungen verstoßen (siehe Nr. 2 Bemühungen), wird das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30% der für sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II abgesenkt".

Die Klägerin bewarb sich im Oktober 2010 auf fünf Stellen und wollte nach ihrem Vortrag die Nachweiskarten über die Bewerbungen bei dem Beklagten persönlich abgeben. Dazu habe sie sich an eine Sachbearbeiterin der Leistungsabteilung des Beklagten in deren Büro gewandt. Diese habe ihr mitgeteilt, dass sie die Nachweiskarte auch in den Briefkasten auf der Etage werfen könne, was die Klägerin auch getan habe. Aus diesem Grund habe die Klägerin nicht länger einen Sinn darin gesehen, die Nachweiskarten persönlich abzugeben. Die Nachweiskarten für die folgenden Monate hat sie auf dem Postweg zu übersandt.

Nachdem für den Monat November keine Nachweiskarten eingegangen waren, hörte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 01.12.2010 zu einer beabsichtigten Absenkung des Arbeitslosengeldes II gemäß § 31 SGB II an. Die Klägerin sei ihrer Pflicht aus der Eingliederungsvereinbarung nicht nachgekommen, den Nachweis von fünf Bewerbungen durch persönliche Abgabe spätestens bis zum letzten geöffneten Tag des Monats zu erbringen.

Die Klägerin führte hierzu aus, ihr sei es nach der Eingliederungsvereinbarung erlaubt und möglich, sich bis zum 30. eines jeden Monats auf Arbeitsgebote zu bewerben. Erst mit der Abgabe der letzten Bewerbung am 30.11.2010 sei sie verpflichtet, ihre Nachweise der Eigenbemühungen bei dem Beklagten einzureichen. Geschehe dies auf dem Postweg, so erhalte der Beklagte die Nachweise frühestens drei Tage, ggf. - aufgrund der Postverteilung innerhalb des Beklagten - noch später.

Der Beklagte senkte mit Bescheid vom 13.12.2010 den der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 zustehenden Anteil des Arbeitslosengeldes II um 30% der maßgeblichen Regelleistung ab. Konkret bezifferte er den Absenkungsbetrag auf 107,70 EUR pro Monat. Zur Begründung gab er an, die Klägerin habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ihre in der Eingliederungsvereinbarung vom 28.09.2010 festgelegten Pflichten nicht umfassend erfüllt. Sie sei verpflichtet gewesen, Bewerbungsnachweise durch persönliche Vorsprache bis zum 30.11.2010 einzureichen. Dieser Verpflichtung sei sie nicht nachgekommen. Soweit die Klägerin die Auffassung vertrete, sie sei nur verpflichtet, sich bis zum 30.11.2010 zu bewerben und könne dies auch postalisch nachweisen, treffe dies nicht zu. Gerade auch die persönliche Vorsprache sei eine wesentliche Verpflichtung der Klägerin aus der Eingliederungsvereinbarung gewesen.

Am 17.12.2010 ging die Nachweiskarte für den Monat November 2011 beim Beklagten ein.

Gegen den Bescheid vom 13.12.2010 legte die Klägerin am 20.12.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, in der Pflicht zur persönlichen Übergabe liege dann kein Sinn, wenn die Nachweise auch in den behördeninternen Briefkasten eingelegt werden könne. Relevant sei allein der Nachweis der Eigenbemühungen an sich. Dieser sei geführt worden. Überdies sei die Tochter der Klägerin seit Mitte November an einer Bronchitis mit linksseitiger Lungenentzündung erkrankt gewesen. Die Sanktionierung sei damit unverhältnismäßig.

Am 23.12.2010 stellte die Klägerin beim Sozialgericht einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Mit Beschluss vom 20.01.2011 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Es führte im Wesentlichen aus, die Klägerin habe gegen eine zumutbare Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung verstoßen. Ihre Auffassung, sie habe bis zum Ende des Monats Zeit sich zu bewerben und könne die Nachweise auch im Folgemonat einreichen, finde in der Eingliederungsvereinbarung keine Stütze. Der Verstoß gegen den rechtzeitigen Nachweis der Eigenbemühungen rechtfertige die Sanktionierung in der vorgenommenen Höhe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Am 22.02.2011 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht erhoben und beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 13.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Darüber hinaus hat sie beantragt,

ihr unter Beiordnung des Rechtsanwaltes T, L, Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Mit Beschluss vom 19.12.2011, der Klägerin zugestellt am 28.12.2011, hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt T abgelehnt. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.

Am 03.01.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Beschwerde gegen den Beschluss vom 19.12.2011 eingelegt. Eine nähere Begründung hat sie - trotz entgegenstehender Ankündigung - nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Verfahrensakte S 18 AS 4999/10 ER und die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Prozesskostenhilfe steht der Klägerin nach § 73 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht zu, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach gebotener summarischer Prüfung keine hinreichende Erfolgsaussicht aufweist.

Die Klägerin hat den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II erfüllt. Danach verletzen Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie sich trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis weigern, die in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen. Durch die Eingliederungsvereinbarung vom 28.09.2010 einigten sich die Beteiligten, dass die Klägerin unaufgefordert einen Nachweis über monatlich fünf Bewerbungen durch persönliche Abgabe der Nachweiskarten im zuständigen Kundenbüro Team 000 während der Öffnungszeiten - spätestens bis zum letzten geöffneten Tag des Monats - erbringt. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin - worauf das Sozialgericht zutreffend im Rahmen seines Beschlusses über die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinweist - objektiv nicht nachgekommen, obwohl es ihr subjektiv möglich und zumutbar im Sinne des § 10 SGB II gewesen wäre.

Dieses Versäumnis ist der Klägerin subjektiv vorwerfbar (vgl. hierzu BSG Urteil vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R = juris Rn 28). Die in der Eingliederungsvereinbarung getroffene Regelung war eindeutig. Sie bot keinen Spielraum für die von der Klägerin vorgenommene Lesart, wonach sie lediglich fünf Bewerbungen nachweisen müsse und der Nachweis auch im Folgemonat erbracht werden könne. Dem steht der klare Wortlaut der Vereinbarung entgegen, wonach der Nachweis spätestens bis zum letzten geöffneten Tag des Monats erbracht werden muss. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin nach ihrem Vorbringen von der Beklagten in einem konkreten Fall auf die Möglichkeit hingewiesen worden ist, die Nachweise in den auf der Etage befindlichen Hausbriefkasten einzuwerfen. Hieraus durfte die Klägerin nicht den Schluss ziehen, auch der Versand per Post mit der Möglichkeit eines späteren Zugangs sei noch von der Eingliederungsvereinbarung gedeckt. Der Beklagte hat nachvollziehbar ausgeführt, dass durch den fristgerechten Nachweis der Bewerbungsbemühungen auch der zeitnahe Informationsfluss zwischen Behörde und Leistungsempfängerin gewährleistet werden sollte. Dies ist bei einer verspäteten Übermittlung der Bewerbungsbemühungen nicht in diesem Maße gewährleistet. Die vereinbarte Frist zum Nachweis ist vor diesem Hintergrund sinnvoll. Eine Sanktionierung scheidet daher auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bzw. des Übermaßverbots aus.

Der Senat vermag keinen wichtigen Grund i.S.v. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu erkennen (zum Begriff des wichtigen Grundes, vgl. BSG Urteil vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R = juris Rn 29). Ein solcher wird auch nicht durch die Behauptung der Klägerin begründet, ihre Tochter sei im November erkrankt gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass die Erkrankung den Weg der Klägerin zu den Räumlichkeiten des Beklagten ausgeschlossen hätte, sind nicht ersichtlich.

Schließlich bestehen auch keine Bedenken dahingehend, dass die Klägerin nicht hinreichend über die Rechtsfolgen ihres Verhaltens belehrt worden ist. Die in der Eingliederungsvereinbarung enthaltene Rechtsfolgenbelehrung muss konkret, richtig und vollständig sein und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus seinem Verhalten für ihn ergeben, wenn hierfür kein wichtiger Grund vorliegt (BSG Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 53/08 R = juris; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R; BSG Urt. v. 01.06.2006 - B 7a 26/05 R; v). Die Klägerin ist in der Eingliederungsvereinbarung klar und eindeutig darauf hingewiesen worden, dass ein Verstoß gegen die unter Ziffer 2 der Eingliederungsvereinbarung aufgeführten Bemühungen beim erstmaligen Verstoß eine Sanktion in Höhe von 30% der für sie maßgeblichen Regelleistung nach sich zieht. Damit sind der Klägerin für ein konkretes Fehlverhalten klar die Konsequenzen vor Augen geführt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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