L 23 SO 9/12 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 90 SO 2837/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 9/12 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Der Kläger begehrt im Beschwerdeverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das von ihm vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 90 SO 2837/10 geführte Klageverfahren. In diesem begehrt der Kläger die Verpflichtung des Beklagten, unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2010 die Mietkosten für eine Wohnung in Höhe von monatlich 580,00 EUR in der Zeit vom 01.02.2010 bis einschließlich April 2011 zu übernehmen.

Der Kläger bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau eine Wohnung in B, K, für die bis zum 31. Januar 2011 ein Mietzins in Höhe von insgesamt 580,00 Euro zu entrichten war. Seit dem 01. Februar 2011 beträgt die Miete monatlich 596,00 Euro.

Der Kläger befand sich vom 17. November 2008 bis 20. April 2011 in Strafhaft. Bis zum 31. Januar 2010 wurden die Kosten für die Wohnung vom Träger der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II – über den Leistungsanspruch der Ehefrau auch während der Inhaftierung des Klägers übernommen. Ab dem 01. Februar 2010 befand sich die Ehefrau in einer Ausbildung und erhielt vom Träger nach dem SGB II noch einen Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II a.F. in Höhe von monatlich 82,00 Euro. Seit seiner Haftentlassung bewohnt der Kläger wieder zusammen mit der Ehefrau die Wohnung.

Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Mietkosten während seiner Haftzeit lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 2010 ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 22. November 2010 zurückgewiesen.

Mit der daraufhin am 27. Dezember 2010 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehrt der Kläger sinngemäß, ihm noch für die Zeit seiner Inhaftierung Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – zum Unterhalt der Wohnung zu gewähren.

Den Antrag, Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Verfahren zu gewähren, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 23. November 2011 abgelehnt.

Gegen den am 01. Januar 2012 zugestellten Beschluss richtet sich die am 02. Januar 2012 beim Sozialgericht Berlin eingegangene Beschwerde, mit der weiterhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt wird.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2011 aufzuheben und ihm für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 90 SO 2837/10 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt H G beizuordnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidung wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 114 Zivilprozessordnung ZPO i. V. m. § 73 a Abs. 1 Satz Sozialgerichtsgesetz – SGG – steht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, entgegen, dass sich die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg für die Rechtsverfolgung der Klägerin in erster Instanz nicht bejahen lässt.

Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der Prozesskostenhilfe erfolgt nur eine vorläufige Prüfung (Baumbach, ZPO, Kommentar, § 114 Rn. 80). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist dann zu bejahen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.). Überspannte Anforderungen sind hierbei nicht zu stellen (BVerfG, Beschluss vom 07. April 2000, 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936).

In Anwendung dieser Maßstäbe kann vorliegend eine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Klage nicht angenommen werden.

Ein Anspruch auf Übernahme von Kosten der Unterkunft gegen den Beklagten als Träger der Sozialhilfe ist hier nicht erkennbar.

Soweit der Kläger die Übernahme von Kosten der Unterkunft für den Zeitraum ab Februar 2010 bis zu seiner Haftentlassung geltend macht, scheitert ein solcher hier zunächst nicht daran, dass die Bedarfslage in der Vergangenheit liegt. Grundsätzlich gilt nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten sog. "Aktualitätsgrundsatz", dass Bedarfe, die nicht mehr vorhanden sind, auch nachträglich nicht mehr zu decken sind (vgl. BSG, Urteile v. 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 und - B 8/9b AY 5/07 R - FEVS 60, 248-252 und v. 26.08.2008 - B 8 SO 26/07 R - FEVS 60, 350-356). Da von der Vermieterin jedoch weiter ausstehende Mietzahlungen für die Zeit ab Februar 2010 von dem Kläger gefordert werden, könnte der Kläger einen Anspruch auf (nachträgliche) Übernahme der Kosten der Unterkunft dann haben, wenn er zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Bedarfs alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Hilfegewährung erfüllt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, B 9b SO 5/06 R, juris sowie zuvor zum Bundessozialhilfegesetz schon BVerwGE 90, 154).

Wie bereits der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt hat, scheiterte ein Anspruch auf bedarfsdeckende Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen eines Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – (§§ 27, 29 SGB XII in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung, § 35 SGB XII n.F.) bereits daran, dass der Unterkunftsbedarf des Klägers während seiner Inhaftierung in der Haftanstalt gedeckt war.

Zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistungen bei dem Beklagten konnte allein ein Anspruch nach §§ 67, 68 SGB XII bestehen, deren Voraussetzungen jedoch ebenfalls nicht vorlagen.

Nach § 67 SGB XII haben Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, einen Anspruch auf Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Nach § 68 Abs. 1 SGB XII umfassen die Leistungen alle Maßnahmen, die notwendig sind, um die Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern und ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere Beratung und persönliche Betreuung, aber auch Hilfen und Maßnahmen bei der Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung. Zu diesen Leistungen gehören hauptsächlich Hilfen in Form von Beratung und persönlicher Betreuung eines Hilfebedürftigen. Bestandteil der Hilfen können jedoch auch Geld- und Sachleistungen sein, soweit die vorrangigen Hilfen diesen Bedarf nicht abdecken (§ 67 Satz 2 SGB XII).

Der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Lebensverhältnisse wird in § 1 Abs. 2 der Verordnung zu § 69 SGB XII - Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten - (VO) anhand der dort genannten Beispiele konkretisiert. Danach bestehen besondere Lebensverhältnisse bei Personen, die aus einer geschlossenen Einrichtung entlassen werden. Dies betrifft auch die Entlassung aus der Haft. Dem Inhaftierten kann Obdachlosigkeit drohen, wenn er nicht in seine Wohnung zurückkehren kann. Insoweit ist die Hilfe zur Erhaltung der Wohnung (§ 4 VO) auch präventiv, weil sie im Hinblick auf eine bevorstehende, konkret abzusehende Entlassung erforderlich ist (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 17.09.2009 - L 18 SO 111/09 B ER - Juris).

Der Kläger gehörte nicht zu den Personen, bei denen im Sinne von § 1 Abs. 3 VO besondere soziale Schwierigkeiten der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft entgegenstehen. Nach § 1 Abs. 3 VO liegen soziale Schwierigkeiten dann vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, u.a. im Zusammenhang mit Straffälligkeit. Soziale Schwierigkeiten allein und damit Lebensschwierigkeiten allgemeiner Art reichen nicht aus. Die sozialen Schwierigkeiten müssen vielmehr von einer solchen Intensität sein, dass dem Betroffenen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nicht nur vorübergehend entweder nicht oder nur erheblich eingeschränkt möglich ist (Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Komm., 3. Aufl. § 67 Rn. 14 m.w.N.; Beschluss des Senats vom 04.05.2010, L 23 SO 46/10 B ER, juris). Eine wesentliche Teilhabeeinschränkung in diesem Sinne ist hier weder dargetan noch sonst erkennbar. Eine Entwicklung solcher Schwierigkeiten war während der Haft auch nicht absehbar. Da im vorliegenden Fall mit dem für den Kläger anteiligen Kosten der Unterkunft nicht die Entrichtung des gesamten Mietzinses gesichert werden konnte, war auch nicht erkennbar, dass eine Zahlung durch den Beklagten überhaupt einen – unterstellten – Eintritt sozialer Schwierigkeiten durch einen Verlust der Wohnung hätte abwenden können. Die Ehefrau des Klägers hat offenbar den auf sie entfallenden Teil der Unterkunftskosten nicht vollständig entrichtet, was aus der zur Gerichtsakte gereichten Forderungsaufstellung der Vermieterin hervorgeht.

Sofern der Kläger geltend macht, dass eine Neuanmietung eines Wohnraumes nach Haftentlassung für ihn "faktisch" nicht möglich gewesen sei, da er und seine Ehefrau keine Bescheinigung über Mietschuldfreiheit einem potentiellen Wohnungsanbieter hätten vorlegen können, führt dies ebenfalls nicht zu einem Anspruch nach §§ 67, 68 SGB XII. Die Schwierigkeiten, bei bestehenden Mietschulden neuen Wohnraum anzumieten, sind Lebensschwierigkeiten allgemeiner Art, denen der Kläger mithilfe des für ihn zuständigen Jobcenters (etwa durch Mietübernahmeerklärungen gegenüber einem neuen Vermieter) begegnen kann (Beschluss des Senats v. 04.05.2010, L 23 SO 46/10 B ER, a.a.O., Rn. 15)

Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Übernahme der nunmehr bestehenden Mietschulden. Ein Anspruch auf Übernahme der Schulden nach § 36 Abs. 1 SGB XII (§ 34 Abs. 1 SGB XII a.F.) ist hier allein deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger dem Grunde nach Leistungsberechtigter nach dem SGB II und auch hilfebedürftig nach § 9 SGB II ist (§ 21 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB II).

Nach allem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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