L 3 U 543/10 ZVW

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 U 175/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 543/10 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Kläger verunglückte auf dem Weg von der Arbeitsstelle nach Hause, indem er auf der Landstraße von der Fahrbahn abkam und sich mit dem Fahrzeug überschlug. Der Unfall passierte unmittelbar vor seinem Heimatort. Ein Nachbar haIf ihm aus dem Fahrzeug und er ging nach dessen Aussagen heimwärts. Eine weitere Aufklärung war nicht mehr möglich. Mehrere Stunden später wurde bei der Aufnahme im Krankenhaus eine BAK von 1, 5 Promille festgestellt und das Vorliegen einer Alkoholerkrankung diagnostiziert. Ein eingeholtes Gutachten ergab, dass nicht mehr nachweisbar ist, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt überhaupt alkoholisiert war und in welchem Umfang. Der bei ihm vorliegende chronische Alkohokonsum konnte keine andere Beurteilung rechtfertigen.
Im Fall einer Alkoholerkrankung oder einer Alkoholabhängigkeit im Sinne eines rauscharmen Trinkens bzw. eines gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauchs mit gesteigerter Alkoholtoleranz ist der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Wegeunfällen nur dann ausgeschlossen, wenn im konkreten Einzelfall durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen ist, dass Fahruntüchtigkeit vorlag und diese die allein wesentliche Ursache des Unfalls war. Die Feststellung der BAK allein gibt in diesen Fällen keine ausreichende Sicherheit für die Dosis-Wirkungsbeziehung, da der chronische Alkoholkonsum eine erhöhte Alkoholtoleranz bewirken kann. Das Vorliegen von Fahruntüchtigkeit bedarf in diesen Fällen einer individuellen Beurteilung. Kann Fahruntüchtigkeit auch unter Berücksichtigung weiterer Beweisanzeichen nicht nachgewiesen werden, bleibt der grundsätzlich bestehende Versicherungsschutz erhalten.
Kann eine BAK überhaupt nicht festgestellt werden, liegt also nicht nur ein „Beweisdefizit“ vor, sondern fehlt jeglicher Beweis einer Alkoholisierung, kann nur dann ausnahmsweise aus einem oder einigen wenigen Beweisanzeichen auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Verletzten geschlossen werden, wenn diese so typisch für eine Alkoholbeeinflussung sind, dass andere Erklärungen für die betreffenden Verhaltensweisen so gut wie ausgeschlossen sind.
Das Abkommen von gerader Fahrbahn reicht insoweit als Fahrfehler zum Nachweis der Fahruntüchtigkeit nicht aus. Dieser Fehler kann z.B. auch durch Einschlafen, Unaufmerksamkeit oder Ablenkung verursacht worden sein. Der Fahrfehler war im zugrundeliegenden Fall nicht so schwerwiegend, dass er auf alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit schließen lässt. Eindeutige Beweisanzeichen waren nicht gegeben. Auch ein sog. Summationsbeweis mit einer Vielzahl einzelner für sich genommen nicht ausreichender Beweisanzeichen war nicht feststellbar.
Kann absolute oder relative Verkehrsuntüchtigkeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, geht dies nach Ausschöpfung aller Beweismittel zu Lasten der Beklagten, bei der die Feststellungslast dafür liegt. Ist eine Feststellung der BAK zum Unfallzeitpunkt nicht vorliegend, weil der Versicherte sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, kann dies grundsätzlich im Rahmen der Beweiswürdigung ausreichend berücksichtigt werden. Die von der Beklagten geltend gemachten Beweisschwierigkeiten rechtfertigen weder eine Art „Beweislastumkehr“ noch die Annahme eines Beweisnotstandes und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen. Dies würde dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung widersprechen. Eine „Umkehr der Beweislast“ scheidet daher im Unfallversicherungsrecht grundsätzlich aus.
Im Übrigen hat die Beklagte verkannt, dass der Gesetzgeber den Heimweg als grundsätzlich versicherte Tätigkeit erachtet und die insoweit bestehende allgemeine Verkehrsgefahr als versicherte Unfallursache auch tatsächlich rechtlich wesentlich mitgewirkt hat, so dass die Unfallkausalität gegeben ist. Die Kausalität einer anderen Ursache muss im Einzelfall nachgewiesen sein. Dabei muss der inneren Ursache im Vergleich zur allgemeinen Verkehrsgefahr im Rahmen der Abwägung überragende Bedeutung zukommen. Es kann grundsätzlich nicht allein an den Konsum von Alkohol angeknüpft werden und deshalb der Versicherungsschutz versagt werden. Verbotswidriges Handeln an sich schließt den Versicherungsschutz gerade nicht aus (§ 7 Abs.2 SGB VII). Auch haben generalpräventive Erwägungen im Unfallversicherungsrecht keinen Platz. Es ist grundsätzlich Sache des Strafrechts, alkoholbedingtes Verhalten zu ahnden.
Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze können die im Unfallversicherungsrecht erforderliche Einzelfallbetrachtung nicht entbehrlich machen. Erforderlich ist der Nachweis einer entsprechenden Wirkung der Alkoholisierung im Einzelfall mit einer überragenden Bedeutung für das Unfallgeschehen.
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.03.2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2006 aufgehoben und festgestellt, dass der Verkehrsunfall vom 05.09.2005 ein Arbeitsunfall ist.

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung des Verkehrsunfalls vom 05.09.2005 als Arbeitsunfall.

Der 1958 geborene Kläger, Mitarbeiter des Bauhofs der Gemeinde R., erlitt am 05.09.2005 auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstelle gegen 15.50 Uhr auf der Gemeindeverbindungsstraße A-Stadt einen Verkehrsunfall, indem sein Wagen in einer Linkskurve nach links von der Fahrbahn abkam. Das Fahrzeug überschlug sich und kam in einer Wiese zum Liegen. Der Kläger zog sich eine Fraktur der Halswirbelsäule zu. Weitere Personen waren nicht beteiligt. Bei dem Unfall entstand ein Sachschaden in Höhe von 550,00 EUR. Der Kläger wurde wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt. Ermittlungen wegen einer Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr wurden nicht eingeleitet.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die Akten der Staatsanwaltschaft R. sowie die Unterlagen des Krankenhauses St. J., R., bei. Aus den Akten der Staatsanwaltschaft ergibt sich, dass der Zeuge B., der nur einige Meter von der Unfallstelle entfernt wohnt, dem Kläger unmittelbar nach dem Unfall aus dem Fahrzeug geholfen hat. Dieser gab gegenüber der Polizei an, der Kläger sei nur leicht am Arm verletzt gewesen und sei gleich nach dem Unfall in Richtung R. weggegangen. Der Zeuge erklärte, seiner Ansicht nach sei der Kläger nicht betrunken gewesen. Die Suche der Polizei nach dem Kläger blieb erfolglos. Aus den Krankenunterlagen ergibt sich, dass dieser am Unfalltag um 20.30 Uhr im Krankenhaus St. J. in R. aufgenommen wurde. Der Kläger wurde von einer - nicht mehr zu ermittelnden Person - dorthin gebracht. Es wurden eine Fraktur des zweiten Halswirbels und das Vorliegen einer Alkoholerkrankung festgestellt. Die Blutentnahme im Krankenhaus ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,5 ‰. Vermerkt wurde, dass der Kläger bei der Einlieferung angegeben habe, er sei bei der Montage eines Hundezwingers gegen 16.30 Uhr von der Staffelei gefallen.

Mit Bescheid vom 23.03.2006 lehnte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ab. Beim Kläger habe aufgrund der BAK von 1,5 ‰ absolute Fahruntüchtigkeit vorgelegen. Da es keinen Hinweis auf eine andere Unfallursache gebe, sei die durch den Alkoholgenuss bedingte Fahruntüchtigkeit die allein rechtlich wesentliche Ursache für das Zustandekommen des Unfalls gewesen.

Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er habe den Alkohol erst nach dem Unfall zu sich genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei bei optimalen Verkehrsverhältnissen von der Fahrbahn abgekommen. Dies lasse sich nicht anders erklären, als dass sich der Unfall ausschließlich aufgrund von alkoholbedingtem Fehlverhalten ereignet habe. Es liege bei ihm ein chronischer Alkoholabusus vor. Der Kläger habe wahrheitswidrig und in der Absicht, den unter Alkoholeinfluss verschuldeten Verkehrsunfall zu verschleiern, bei der stationären Aufnahme im Krankenhaus St. J. angegeben, dass er von einer Staffelei gefallen sei.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2006 zu verurteilen, das Ereignis vom 05.09.2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die Akten der Staatsanwaltschaft R. (Az.: 145 Js 24528/05 STA) sowie die Akten des Landgerichts R. (Az.: 3 O 2632/06) beigezogen und hat eine schriftliche Zeugenaussage des Herrn C., eines Arbeitskollegen des Klägers, vom 12.02.2009 eingeholt. Dieser hat dargelegt, er könne nicht beurteilen, was der Kläger zu sich genommen habe. Der Kläger habe während der Arbeit Fahrtätigkeiten mit dem Unimog übernommen, wie z.B. das Holen von Asphalt, Zement und Kies.

Der Kläger hat vorgetragen, genauere Angaben zum Trinken nach dem Unfall könne er nicht machen, da er für die Zeit nach dem Unfall keine Erinnerung mehr habe. Er gehe jedoch davon aus, dass er aufgrund der erheblichen Schmerzen auch Schnaps getrunken habe, um diese zu betäuben.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers sei die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen. Beim Kläger sei von absoluter Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt auszugehen. Bei ihm bestehe eine Alkoholkrankheit. Unter Würdigung aller Umstände sei es völlig unglaubwürdig, dass die bei ihm festgestellte BAK nur auf einen angeblichen Nachtrunk zurückzuführen sei. Da keine sonstigen Unfallursachen erwiesen seien, sei nach der Erfahrung des täglichen Lebens davon auszugehen, dass die Alkoholisierung des Klägers die allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen sei.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Es liege ein Arbeitsunfall vor, da er sich auf dem Heimweg von der Arbeit befunden habe. Fahruntüchtigkeit habe zum Unfallzeitpunkt nicht vorgelegen.

Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts die Zeugen C. und D. in den mündlichen Verhandlungen vom 08.04.2010 und 27.05.2010 einvernommen. Hinsichtlich des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschriften vom 08.04.2010 und vom 27.05.2010 verwiesen. Die Beklagte hat hilfsweise geltend gemacht, ein verkehrsmedizinisch-psychologisches Sachverständigengutachten unter stationären Bedingungen zum Thema "Fahruntauglichkeit in Folge bestehender Alkoholerkrankung" einzuholen, z.B. in der Fachklinik E., zum Beweisthema "Absolute Fahruntauglichkeit des Klägers zum Unfallzeitpunkt wegen der bestehenden Alkoholkrankheit" sowie die Revision (Thema: Beweisanforderungen hinsichtlich des Nachweises der absoluten Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholeinflusses bei Vereitelung der Feststellungen zum Unfallhergang durch den Kläger) zuzulassen.

Mit Urteil vom 27.05.2010 hat der Senat auf die Berufung des Klägers den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.03.2009 und den Bescheid des Beklagten vom 23.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2006 aufgehoben und festgestellt, dass der Verkehrsunfall vom 05.09.2005 ein Arbeitsunfall ist. Das Vorliegen von absoluter Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt sei nicht nachgewiesen, da eine zeitnahe Bestimmung der BAK nicht möglich sei. Aufgrund der bestehenden Alkoholerkrankung des Klägers ergebe sich keine andere Beurteilung. Die Gesamtschau aller Beweisanzeichen lasse zur Überzeugung des Senats nicht den Schluss zu, dass relative Fahruntüchtigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne. Ein alkoholtypisches Verhalten sei nicht nachzuweisen. Insbesondere sei es nicht ausreichend, dass der Kläger von der Landstraße in einer Linkskurve von der Fahrbahn abgekommen sei. Auch die Zeugenaussagen, insbesondere des Zeugen B. und des Zeugen C. ergäben keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger zum Unfallzeitpunkt eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit vorgelegen habe. Der Zeuge C. habe ausgesagt, der Kläger habe seine Arbeit völlig unauffällig und ordnungsgemäß wie jeden Tag verrichtet. Er habe zudem die Fahrdienste mit dem Unimog übernommen und ohne Probleme seine Arbeit bewältigt. Der Zeuge habe in keinster Weise ein alkoholtypisches Verhalten während der Arbeitszeit feststellen können, sondern habe im Gegenteil ausgesagt, der Kläger habe einen völlig normalen Eindruck hinterlassen. Diese Aussage sei bestätigt durch die Zeugenaussage des Herr B., der den Kläger unmittelbar nach dem Unfall aus dem Fahrzeug geholfen habe. Auch dieser habe gegenüber der Polizei auf Nachfrage erklärt, dass der Kläger keinen betrunkenen Eindruck auf ihn gemacht habe. Der Senat könne sich nicht den Mutmaßungen der Beklagten anschließen, dass das unerlaubte Entfernen vom Unfallort allein wegen einer unterstellten Fahruntüchtigkeit erfolgt sei.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde erhoben (Az.: B 2 U 221/10 B). Sie hat dazu ein Gutachten nach Aktenlage des Dr. R., Facharzt für Neurologie, vom 16.08.2010 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, eine absolute Fahrunsicherheit könne auch im Wege der Rückrechnung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Es sei jedoch von relativer Fahruntüchtigkeit aufgrund der bestehenden Alkoholabhängigkeit auszugehen. Nach dem Pflegebericht hätten sich am Folgetag des Unfalls im Krankenhaus Entzugserscheinungen gezeigt. Bei Spiegeltrinkern (oder auch Delta-Alkoholikern) bestehe eine starke körperliche Abhängigkeit, aber kaum Kontrollverlust. Während der Spiegel sinke, bestehe Delir-Gefahr und möglicherweise steigende Fahrunsicherheit. Die vom Kläger vorgebrachte Amnesie würde für das Vorliegen dieses Krankheitsbildes passen. Wenn am Vortag des Unfalls 2,1 ‰ um 24:00 Uhr vorgelegen hätten und er um 14:00 Uhr am Unfalltag komplett nüchtern gewesen wäre, dann hätte das Delir zum Unfallzeitpunkt beginnen können. Diese hypothetischen Rechnungen zeigten plausibel, dass aufgrund der beim Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehenden Alkoholabhängigkeit relative Fahrunsicherheit angenommen werden könne.

Mit Beschluss vom 09.11.2010 hat das BSG das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Entscheidung des Senats stehe oder falle mit der Frage, ob der Kläger infolge der Alkoholkrankheit im Unfallzeitpunkt absolut fahruntüchtig gewesen sei. Dazu sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens - ggf. unter stationären Bedingungen - erforderlich. Es sei zu klären, ob von der später gemessenen BAK auf diejenige im Unfallzeitpunkt zurückgerechnet werden könne und ob die konkrete beim Kläger vorliegende Art der Alkoholerkrankung einen Rückschluss auf die Fahrtauglichkeit oder -untauglichkeit im Unfallzeitpunkt erlaube. Die Beweiserhebung zum Bestehen absoluter Fahruntüchtigkeit sei nachzuholen.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die Akten der Deutschen Rentenversicherung insbesondere hinsichtlich der nach dem Unfall durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik F. beigezogen und hat ein Gutachten der Dr. P., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Sozialmedizin, Verkehrsmedizinische Qualifikation, Suchtqualifikation, vom 24.02.2011 mit ergänzender Stellungnahme vom 29.09.2011 eingeholt.

Dr. P. hat ausgeführt, beim Kläger sei absolute Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Weder lasse sich eine bestimmte BAK zum Unfallzeitpunkt nachweisen noch seien entsprechende Feststellungen aufgrund der Auswirkungen der beim Kläger vorliegenden Alkoholabhängigkeit im Sinne eines rauscharmen Trinkens möglich.

Beim Kläger sei ein seit vielen Jahren bestehender überhöhter regelmäßiger Alkoholkonsum gegeben. Es sei von einem gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauch bzw. einer bestehenden Alkoholabhängigkeit im Sinne eines rauscharmen Trinkens auszugehen. Ob eine Abhängigkeit im engeren Sinne vorgelegen habe, lasse sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen.

Die spätere Einschätzung des Sozialpädagogen im Rahmen der ambulanten Rehabilitation, dass der Kläger als sogenannter "Spiegeltrinker nach Jellinek" einzuschätzen sei, sei nicht beweisend für eine Alkoholabhängigkeit im engeren Sinn oder für das Vorliegen einer Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt. Das Verhalten des Spiegeltrinkers (oder Delta-Alkoholikers) sei nach den zugrundeliegenden Ausführungen von Jellinek aus dem Jahr 1960 zwar durch die gleichmäßige Aufnahme von großen Mengen Alkohol gekennzeichnet. Damit werde aber nichts über die Trinkmengen ausgesagt, da je nach Individuum unterschiedlich viel Alkohol benötigt werde, um eben den "Spiegel", d.h. die Blutalkoholkonzentration, die zum gewünschten Effekt führe, aufrecht zu erhalten. Da der Kläger das Trinken aber auch nach seinen Aussagen gegenüber dem Sozialpädagogen vor allem auf die Freizeit verlagert habe, nachdem er im Gemeindebauhof als Bauhofarbeiter übernommen worden sei, spreche die Verteilung des Alkoholkonsums gegen die Notwendigkeit eines konstanten Spiegels. Zudem habe der Kläger nach dem Unfall zwar eine Entwöhnungsbehandlung vorgenommen, diese jedoch aus eigener Initiative angefangen und schon abstinent begonnen.

Eine bestimmte BAK zum Unfallzeitpunkt könne auch mittels Rückrechnung der später festgestellten BAK nicht festgestellt werden und hätte darüber hinaus unter Berücksichtigung der beim Kläger vorliegenden Erkrankung keine gesicherte Feststellung einer bestimmten Wirkung zur Folge. Es sei weder zu klären, ob überhaupt und wenn, in welchem Umfang der Kläger zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert gewesen sei und inwieweit ein bestimmter Alkoholisierungsgrad auf ihn in seiner damaligen Verfassung Auswirkungen gehabt hätte unter Berücksichtigung der bei ihm bestehenden Alkoholtoleranz. Gesteigerte Toleranzen seien im Sinne einer Minderung der alkoholbedingten Störung einzelner Funktionen bei Gewöhnung an Alkohol möglich. Es bestünden im Fall eines chronischen Alkoholkonsums Unterschiede in der Alkoholwirkung intra- und interindividuell. Bei gleicher BAK könne die Wirkung des Alkohols sehr unterschiedlich sein. Für eine konkrete Bestimmung der BAK zum Unfallzeitpunkt fehlten ausreichende Anknüpfungstatsachen, die eine Rückrechnung sinnvoll durchführbar machten. Beim Kläger sei nicht sicher bekannt, was er am Unfalltag bis um 16.00 Uhr getrunken habe. Seine und die Angaben des Kollegen sprächen hier übereinstimmend von einer Halben Bier zur Brotzeit. Dies ergebe beim Kläger keine relevante BAK. Auch sei unbekannt, wann der Kläger nach 16.00 Uhr mit dem Trinken hochprozentiger Alkoholika begonnen habe, in welcher Geschwindigkeit er welche Menge zu sich geführt habe und wann er zuletzt getrunken habe. Auch seien bei chronischem Alkoholkonsum nicht die üblichen Abbaugeschwindigkeiten zugrundezulegen. Es fehle zudem eine für die Rückrechnung empfohlene zweite Blutentnahme. Bei derart vielen Unbekannten entbehre jede Art der Berechnung einer vernünftigen Grundlage.

Auch die beim Kläger vorliegende Alkoholabhängigkeit im Sinne eines rauscharmen Trinkens lasse nicht den Schluss auf eine Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt zu. Es hätten zum Unfallzeitpunkt keine krankheitswertigen psychopathologischen Auffälligkeiten vorgelegen. Eine krankheitswertige Einschränkung kognitiver Funktionen sei möglich, aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisbar.

Entgegen der Auffassung des Dr. R. sei nicht davon auszugehen, dass zum Unfallzeitpunkt um 16.00 Uhr ein Alkoholdelir mit entsprechender Fahrunsicherheit vorgelegen habe. Dies ergebe sich aus den Aussagen des Kollegen, des Ersthelfers am Unfallort und den fehlenden vegetativen Zeichen bei der Aufnahme im Krankenhaus. Die beim Kläger nach dem Unfall folgende komplette Amnesie sei nicht Ausdruck eines Entzugsdelirs, sondern mit Wahrscheinlichkeit auf einen sogenannten Black-Out im Zusammenhang mit einer rasch steigenden Blutalkoholkonzentration zurückzuführen, wie sie beim raschen Genuss größerer Mengen Schnaps zwanglos entstehe. Hier seien die Angaben des Klägers mit der Begutachtungsliteratur in Übereinstimmung zu bringen. Soweit Dr. R. eine Proberechnung vornehme, indem er am Vortag des Unfalls eine Alkoholisierung mit einer BAK von 2,1 ‰ um 24.00 Uhr annimmt, sei dies nicht überzeugend, da für eine derartige Alkoholisierung keinerlei Hinweise vorlägen. Die später festgestellte vegetativ-delirante Symptomatik könne auch durch die Umstände des Traumas mit HWK-Fraktur mitgefördert worden sein und entspreche ebenfalls nicht dem Vollbild eines Alkoholdelirs mit mehrtägigem schweren Ausprägungsgrad.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Herrn A. C. und Frau G. C. als Zeugen vernommen. Herr C. hat erneut ausgesagt, dass er keine Auffälligkeiten habe feststellen können. Er habe mit dem Kläger zusammen am Vormittag eine Brotzeit eingenommen, bei der jeder eine Halbe Bier getrunken habe, die sie von zu Hause mitgenommen hätten. Eine Mittagspause hätten sie arbeitsbedingt nicht gemacht. Frau C. hat dargelegt, dass die Lebensgefährtin des Klägers am Unfalltag bei ihnen völlig aufgelöst angerufen habe, weil der Kläger einen Unfall gehabt habe und keiner wisse, wo er verblieben sei. Sie hätten sie daher aufgesucht und ihr beigestanden. Im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Die Beklagte ist der Auffassung, es sei eine Beweislastumkehr vorzunehmen. Da eine BAK-Feststellung aufgrund des unerlaubten Entfernens vom Unfallort und der sehr spät erfolgten Aufnahme in das Krankenhaus vom Kläger vereitelt worden sei, treffe nicht die Beklagte die Beweislast für das Vorliegen absoluter Fahruntauglichkeit zum Unfallzeitpunkt, sondern der Kläger habe nachzuweisen, dass er fahrtüchtig gewesen sei. Zumindest sei dem Beweisnotstand der Beklagten im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.03.2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2006 aufzuheben und festzustellen, dass der Verkehrsunfall vom 05.09.2005 ein Arbeitsunfall ist.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.03.2009 als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen (Thema: Kommt es zu einer Beweislastumkehr bei einer Vereitelung der Feststellungen zum Unfallhergang).

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.03.2009 ist aufzuheben, weil der Kläger einen Anspruch auf Feststellung hat, dass der Verkehrsunfall vom 5.09.2005 ein Arbeitsunfall ist. Der Bescheid vom 23.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2006 ist rechtswidrig und aufzuheben.

Der Versicherte kann vom zuständigen Versicherungsträger nach § 102 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) die Feststellung eines Versicherungsfalles, hier eines Arbeitsunfalles, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (BSG vom 07.05.2011, B 2 U 17/10 R, SozR 4-2700 § 11 Nr.1 Rdn.15f).

Nach § 8 Abs.1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs.1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitserstschaden oder zum Tod führen (Abs.1 Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. BSG vom 29.11.2011, B 2 U 10/11 R, BSG vom 18.01.2011, B 2 U 9710 R, BSGE 107, 197).

Eine versicherte Tätigkeit liegt auch beim Zurückliegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit vor (§ 8 Abs.2 Nr.1 SGB VII).

Die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls sind für den Unfall des Klägers am 05.09.2005 zur Überzeugung des Senats nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme erfüllt. Der Kläger befand sich als Autofahrer auf dem Heimweg von der Arbeitsstelle und stand damit grundsätzlich unter Versicherungsschutz. Er hat einen versicherten Wegeunfall erlitten.

Der Versicherungsschutz des Klägers ist nicht aufgrund einer Alkoholisierung ausgeschlossen.

Ein alkoholbedingter Leistungsausfall hinsichtlich der Wegefähigkeit lag nicht vor. Dieser ist nur dann anzunehmen, wenn entsprechende Beweisanzeichen gegeben sind, die es nahe legen, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt alkoholbedingt zu einer zweckgerichteten Absolvierung des Weges nicht mehr imstande gewesen ist (vgl. Keller in Hauck/ Noftz, SGB VII, § 8 Rdn.277 mwN). Dafür fehlen jegliche Anhaltspunkte.

Auch ein alkoholbedingter Leistungsabfall als allein wesentliche Unfallursache kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Wegen Trunkenheit ist der ursächliche Zusammenhang bei Unfällen im Straßenverkehr nur zu verneinen, wenn ein alkoholbedingter Leistungsabfall vorliegt, der die - allein wesentliche - Ursache des Unfalls ist. Voraussetzung ist, dass der alkoholbedingte Leistungsabfall derart stark ist, dass ihm im Vergleich zur versicherten Ursache - der Verrichtung zur Zeit des Unfalls - überragende Bedeutung für das Eintreten des Unfallereignisses beizumessen ist, die versicherte Ursache nicht mehr als wesentlich für das Unfallereignis zu bewerten und daher die Unfallkausalität zu verneinen ist. Ein typischer Anwendungsfall für die alkoholbedingte Herabsetzung der Leistungsfähigkeit ist die eingeschränkte Fahrtüchtigkeit von Kraftfahrern, weil der Alkoholgenuss ihre Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt.

Fahruntüchtigkeit ist nach den Definitionen des Strafrechts gegeben, wenn der Fahrzeugführer nicht in der Lage ist, das Fahrzeug eine längere Strecke so zu steuern, dass er den Anforderungen des Straßenverkehrs, auch bei plötzlichem Auftreten schwieriger Verkehrslagen, so gewachsen ist, wie es von einem durchschnittlichen Fahrzeugführer zu erwarten ist (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 315c Rdn.4, § 316 Rdn.6 mwN). Die Fahruntüchtigkeit hängt danach vom Ausmaß der alkoholbedingten Änderung der Leistungsfähigkeit und der Beeinträchtigung der Gesamtpersönlichkeit des Fahrzeugführers ab, strafrechtlich auch vom Ausmaß der von ihm ausgehenden Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist die strafrechtliche Einordnung auch für das Sozialrecht maßgebend. Voraussetzung ist daher das Vorliegen absoluter oder relativer Fahruntüchtigkeit. Diese muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Unfallzeitpunkt festgestellt werden können. Ist eine dahingehende Feststellung nicht möglich, ist nach der Rechtsprechung des BSG die versicherte Tätigkeit als Unfallursache im Rechtssinne zu betrachten (BSG, 8 RU 66/77, BSGE 45, 285 ff., 290; BSG, 30.01.2007, B 2 U 23/05 R).

Die Einordnung nach absoluter und relativer Fahruntauglichkeit ist insoweit missverständlich, als sie sich nicht nach dem Grad der Trunkenheit, der Qualität der alkoholbedingten Leistungsminderung oder der Ursache unterscheidet, sondern allein hinsichtlich der Art und Weise, wie der Nachweis der Fahruntüchtigkeit als psychophysischer Zustand herabgesetzter Gesamtleistungsfähigkeit zu führen ist (Krasney, Alkoholkrankheit und Arbeitsplatz - aus juristischer Sicht, MedSach 101 (2005), 87ff., 90). Es handelt sich mithin um Schlagworte für die Methoden zur Feststellung der Fahrunsicherheit, also um eine beweisrechtliche Thematik. "Relative" Fahrunsicherheit ist keine mindere Form der Fahruntüchtigkeit, sondern der gesetzliche Grundfall des § 316 StGB (Fischer, aaO, § 316 Rdn.12).

Absolute Fahruntüchtigkeit beschreibt die Unwiderleglichkeit des Indizwertes der BAK, nicht ein Maß von Fahruntüchtigkeit (Fischer, aaO, § 316 Rdn.13). Sie beruht auf der Festlegung von Grenzwerten, deren Überschreiten von der Rechtsprechung des BGH als (unwiderleglicher) Erfahrungssatz für das Vorliegen von Fahruntüchtigkeit angesehen wird (kritisch Scheffler/Halecker, BA 41/2004, 422 ff., 424, 431 insbesondere bei Alkoholtoleranz). Die Grenzwerte haben die Bedeutung einer allgemeinen Beweisregel. Für alle Kraftfahrer gilt zur Feststellung absoluter Fahruntüchtigkeit der Grenzwert von 1,1‰. Das BSG hat sich dieser Rechtsprechung des BGH (vgl. bereits BGH, Urteil vom 22.04.1969, 1 StR 90/69, NJW 1969, 1578ff.; BGH, Beschluss vom 28.06.1990, 4 StR 297/90, NJW 1990, 2393ff., 2394 mwN) im Interesse der Rechtseinheit und der Rechtssicherheit angeschlossen (BSG, Urteil vom 25.11.1992, 2 RU 40/92; BSG, Urteil vom 23.09.1997, 2 RU 40/96; BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R; bei krankheitsbedingten Alkoholkonsum: vgl. BSG, Urteil vom 19.09.1974, RU 236/73, BSGE 38, 127; BSG, Urteil vom 27.11.1985, 2 RU 75/84, SozR 2200 § 548 Nr.77 = BSGE 59, 193). Bei dem Grenzwert von 1,1 ‰ ist danach jeder Kraftwagenfahrer, unabhängig von sonstigen Beweisanzeichen, absolut fahruntüchtig. "Absolute" Grenzwerte für Drogen und Medikamentenwirkungen gibt es nicht. Auch absolute Fahruntüchtigkeit aufgrund körperlicher Mängel ist begrifflich zweifelhaft. Es kommt insoweit auf Art, Maß und ggf. Kompensation der Beeinträchtigung im Einzelfall an (Fischer, aaO, § 315 c Rdn.4c).

Bei absoluter Fahruntüchtigkeit wird nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich ohne weitere Beweisanzeichen im Wege des Anscheinsbeweises die Kausalität und die überragende Bedeutung der Folgen der Alkoholisierung für den Unfall vermutet (Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, BSGE 98, 79 ff.).

Relative Fahruntüchtigkeit ist gegeben, wenn eine BAK unter den absoluten Grenzwerten festgestellt ist und die konkreten Umstände des Einzelfalles erweisen, dass die Rauschmittelwirkung zur Fahruntüchtigkeit geführt hat. Es handelt sich um eine Beurteilung der konkreten Rauschmittelwirkung zum Zeitpunkt des Unfalls (Fischer, aaO, § 316 Rdn.14, 15).

Entscheidend für den Nachweis (relativer) Fahruntüchtigkeit ist die Gesamtheit aller Beweisanzeichen. Erforderlich ist, dass neben der BAK aus weiteren Beweisanzeichen in Form von alkoholtypischen Ausfallerscheinungen darauf geschlossen werden kann, dass der Versicherte wegen der Folgen des Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Als Beweisanzeichen für Fahruntüchtigkeit gelten die Fahrweise des Klägers, insbesondere ungewöhnliche Fahrfehler, Fahren in Schlangenlinien, plötzliches Bremsen, aber auch sein Verhalten vor, bei und nach dem Unfall. Sind keine eindeutigen Beweisanzeichen feststellbar, kann eine Fahruntüchtigkeit nur aufgrund einer erheblichen Anzahl für sich allein genommen nicht beweiskräftiger Merkmale einer Alkoholbeeinflussung festgestellt werden, die zusammen die Überzeugung von der Fahruntüchtigkeit vermitteln (sog. Summationsbeweis, vgl. BSG, Urteil vom 02.02.1978, 8 RU 66/77; Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R, BSGE 98, 79 ff.).

Zur Würdigung dieser Beweisanzeichen ist zu beachten, dass ein Fehlverhalten nur dann eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit beweist, wenn es nicht ebenso gut andere Ursachen haben kann, wie z.B. Unaufmerksamkeit, Leichtsinn, Übermüdung. Je geringer die festgestellte BAK ist, desto höhere Anforderungen sind an den Beweiswert dieser sonstigen Beweisanzeichen zu stellen, um eine allein wesentliche Verursachung des Unfalls durch eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zu bejahen.

Rechtsprechung und herrschende Meinung in der Strafgerichtsbarkeit (BGH 19, 243; vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 316 Rdn.31 mwN; Kudlich, BeckOK StGB § 315c Rdn.21, 21.4) gehen in Anwendung des Zweifelssatzes davon aus, dass bei BAK-Werten von unter
0,3 ‰ eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht in Betracht kommt. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen wird vereinzelt die Feststellung relativer Fahruntüchtigkeit dennoch als möglich erachtet (Fischer, aaO, § 316 Rdn.38 mwN).

Kann eine BAK überhaupt nicht festgestellt werden, liegt also nicht nur ein "Beweisdefizit" vor, sondern fehlt jeglicher Beweis einer Alkoholisierung, kann daher nur dann ausnahmsweise aus einem oder einigen wenigen Beweisanzeichen auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Verletzten geschlossen werden, wenn diese so typisch für eine Alkoholbeeinflussung sind, dass andere Erklärungen für die betreffenden Verhaltensweisen so gut wie ausgeschlossen sind.

Die Feststellung relativer Fahruntüchtigkeit ist somit auch bei Fehlen einer Blutentnahme oder bei einer nicht lege artis durchgeführten Untersuchung der BAK nicht generell ausgeschlossen. Sie setzt aber den Nachweis voraus, dass sonstige Umstände zweifelsfrei auf durch Alkoholkonsum verursachte Fahruntüchtigkeit schließen lassen (Fischer, aaO, § 316 Rdn.38 mwN).

Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass weder absolute noch relative Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen ist. Die beim Kläger vorliegende Alkoholabhängigkeit im Sinne eines rauscharmen Trinkens kann eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen, sondern erfordert vielmehr den konkreten Nachweis einer entsprechenden Wirkung der Alkoholisierung im Einzelfall aufgrund der dadurch gegebenen Alkoholtoleranz.

Nach den überzeugenden Ausführungen der Dr. P. ist nicht mehr zu klären, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang alkoholisiert war. Eine Rückrechnung der BAK aufgrund des im Krankenhaus gemessenen BAK-Wertes von 1,5‰ ist nicht sinnvoll möglich, da weder die Alkoholmenge, die bis zum Unfallzeitpunkt getrunken wurde, noch die Alkoholmenge nach dem Unfallzeitpunkt festzustellen war. Auch eine für Rückrechnungen erforderliche zweite Blutentnahme ist nicht erfolgt. Hinzu kommt, dass der beim Kläger vorliegende gewohnheitsmäßige Alkoholmissbrauch nicht die üblichen Abbaugeschwindigkeiten von 0,1 bis 0,15 ‰ pro Stunde nahelegt. Mangels Vorliegen ausreichender Anknüpfungstatsachen entbehrt damit nach den Ausführungen der Dr. P. jede Art der Berechnung einer vernünftigen Grundlage.

Es ist zur Überzeugung des Senats nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass der Kläger bis zum Unfallzeitpunkt überhaupt eine erhebliche Menge an Alkohol zu sich genommen hat. Die Zeugenaussage des Arbeitskollegen hat ergeben, dass lediglich zur Arbeitspause am Vormittag ein Bier getrunken worden ist. Eine Mittagspause hat nicht stattgefunden. Der Kläger hat ohne Auffälligkeiten seine Arbeit verrichtet und dabei insbesondere die Fahrdienste mit dem Unimog übernommen. Auch der Kläger selbst hat für den Senat glaubhaft angegeben, bis zum Unfallzeitpunkt keinen weiteren Alkohol zu sich genommen zu haben. Im Rahmen der später durchgeführten ambulanten Therapie hat er ebenfalls angegeben, während der Tätigkeit im Bauhof keinen Alkohol zu konsumieren und auch vor dem Unfall keinen Alkohol getrunken zu haben. Der Zeuge zum Unfallzeitpunkt, Herr B., hat ebenfalls keine Alkoholisierung festgestellt, sondern ausgesagt, der Kläger habe nicht den Eindruck hinterlassen, überhaupt alkoholisiert gewesen zu sein. Dr. P. hat darauf hingewiesen, dass sich bei Zugrundelegung des angegebenen und von dem Kollegen bestätigten Konsums von einem Bier eine relevante BAK nicht ergeben hat.

Der nach dem Gutachten der Dr. P. beim Kläger seit vielen Jahren bestehende überhöhte regelmäßige Alkoholkonsum allein lässt nicht den Schluss auf eine erhebliche Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt zu.

Dabei war zum einen festzustellen, dass beim Kläger keine Alkoholabhängigkeit im engeren Sinn vorliegt. Für eine körperliche Abhängigkeit spricht zwar das am Folgetag des Unfalls festgestellte delirante Syndrom. Dieses gilt üblicherweise als klares Zeichen für eine körperliche Abhängigkeit. Hiervon gibt es allerdings auch Ausnahmen. Gegen eine Abhängigkeit sprechen nach dem Gutachten der Dr. P. die zum Unfallzeitpunkt nur gering erhöhten Leberwerte und die normalen Laborwerte bei der Blutuntersuchung (MCV-Wert). Abgesehen von dem deliranten Syndrom sind auch keinerlei vegetativen Entzugserscheinungen beobachtet worden. Die vom Kläger geschilderte Fähigkeit, in bestimmten Situationen vorübergehend zu trinken und dann wieder aufzuhören, spricht ebenfalls gegen eine stärkergradige körperliche Abhängigkeit. Festzustellen waren beim Kläger aber eine Alkoholabhängigkeit im Sinne eines rauscharmen Trinkens bzw. eines gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauchs. Eine dauerhafte Alkoholisierung kann daraus aber nicht abgeleitet werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger von dem Sozialpädagogen bei der ambulanten Reha als sog. Spielgeltrinker nach Jellinek (Jellinek, The Disease Concept of Alkoholism, New Haven 1960) eingeordnet worden ist. Dr. P. hat in ihrem überzeugenden Gutachten darauf hingewiesen, dass nach dieser - heute nicht mehr gebräuchlichen - Einteilung ein Spiegeltrinker zwar einen gleichbleibenden Alkoholspiegel braucht, um überhaupt "funktionieren" zu können. Beim Kläger fehlen aber derartige Anzeichen, da er den Konsum kontrollieren kann und auch freiwillig die Reha bereits abstinent angetreten hat. Darüber hinaus lassen sich auch bei einem Spielgeltrinker keine Rückschlüsse aufstellen, wie viel der einzelne an Alkohol konsumiert haben muss, da die Wirkung der Alkoholisierung verschieden ist, so dass unterschiedlich viel Alkohol benötigt wird, um den Spiegel im Sinne der BAK, die zu dem gewünschten Effekt führt, aufrecht zu erhalten.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, er gehe davon aus, nach dem Unfall Schnaps getrunken zu haben, steht dies nach den Ausführungen der Dr. P. in Übereinstimmung mit der vom Kläger zugleich angegebenen Amnesie für die Zeit nach dem Unfallgeschehen. Eine erhebliche Zunahme der BAK in kurzer Zeit kann derartige Erinnerungslücken nach den medizinischen Erfahrungswerten verursachen.

Es war daher weder eine Alkoholisierung überhaupt noch eine bestimmte BAK zum Unfallzeitpunkt nachzuweisen. Darüber hinaus hat die beim Kläger vorliegende Alkoholabhängigkeit im Sinne eines rauscharmen Trinkens bzw. eines gewohnheitsmäßigen Alkoholmissbrauchs nach den Ausführungen der Dr. P. zur Folge, dass selbst eine festgestellte BAK nicht den gesicherten Schluss auf eine entsprechende Wirkung zulassen würde. Regelmäßiger überhöhter Alkoholkonsum mit langjährigem schädlichem Gebrauch führt zu gesteigerten Toleranzen im Sinne einer Minderung der alkoholbedingten Störung einzelner Funktionen. Bei gleicher BAK kann die Wirkung des Alkohols bei verschiedenen Personen unterschiedlich sein. Unterschiede in der Alkoholwirkung können intra- wie interindividuell gegeben sein. Es bestehen daher bereits Zweifel, ob die BAK-Feststellung allein im Fall des Klägers sicher auf eine Fahruntüchtigkeit hinweisen kann.

Darüber hinaus kann die beim Kläger vorliegende Alkoholabhängigkeit im Sinne eines gewohnheitsmäßigen Gebrauchs auch keine krankheitsbedingte Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt nach dem Gutachten der Dr. P. begründen. Dadurch bedingte psychopathologische Auffälligkeiten sind nicht festgestellt. Auch eine entsprechende Einschränkung kognitiver Funktionen ist nicht ausreichend nachgewiesen.

Entgegen den Darlegungen des Dr. R. ist auch nicht davon auszugehen, dass zum Unfallzeitpunkt ein Alkoholdelir und dadurch eine Fahrunsicherheit vorgelegen haben. Dies ist bereits deswegen nicht überzeugend, als Dr. R. die Annahme eines entsprechenden Delirs mit einer Alkoholisierung von 2,1 ‰ am Vortag um 24.00 Uhr verbindet, die in keiner Weise belegt ist. Auch ist das Vorliegen eines Alkoholdelirs weder zum Unfallzeitpunkt noch später nachgewiesen. Dr. P. hat nachvollziehbar dargelegt, dass das Alkoholdelir die schwerste Form des Alkoholentzugssyndroms darstellt. Zum Unfallzeitpunkt wurden vom Zeugen B. keine dahingehende Auffälligkeiten festgestellt. Die tatsächlich am Folgetag im Krankenhaus aufgetretenen Symptome entsprechen vielmehr einer vegetativ deliranten Symptomatik, die durch die Umstände des Traumas mit HWK-Fraktur mitgefördert wurde. Es handelte sich nicht um das Vollbild eines Alkoholdelirs mit mehrtägigem schweren Ausprägungsgrad, sondern um einen Zustand, den man auch als Prädelir bezeichnen könnte und der durch Medikamente abgefangen werden kann. Auf Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt kann daraus nicht geschlossen werden.

Zur Überzeugung des Senats sind auch im Übrigen keine ausreichenden Beweisanzeichen festzustellen, die auf eine (relative) Fahruntüchtigkeit hinweisen. Ohne Feststellung der BAK oder einer Alkoholisierung an sich kann ein Fahrfehler allein nur dann als Beweis für alkoholbedingte Fahruntauglichkeit gewertet werden, wenn er besonders gravierend oder außergewöhnlich verkehrswidrig ist und auf Alkoholbeeinflussung schließen lässt. Ein solcher eindeutiger Fehler lag hier nicht vor. Das Abkommen von gerader Fahrbahn kann zwar ein Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit sein, da es bei vielen auf Alkoholgenuss beruhenden Verkehrsunfällen festzustellen ist. Für sich allein genommen oder auch im Zusammenhang mit weiteren, eine Alkoholbeeinflussung nicht oder nur wenig kennzeichnenden Verhaltensweisen reicht ein solcher Fahrfehler aber zum Nachweis der Verkehrsuntüchtigkeit nicht aus. Dieser Fehler kann z.B. auch durch Einschlafen, Unaufmerksamkeit oder Ablenkung verursacht worden sein. Der Fahrfehler ist mithin nicht so schwerwiegend, dass er auf alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit schließen lässt. Zudem hat der Zeuge B., der dem Kläger unmittelbar nach dem Unfall aus dem Fahrzeug geholfen hat, ausdrücklich auf Nachfrage erklärt, dass der Kläger keinen betrunkenen Eindruck auf ihn gemacht hat. Auch der Arbeitskollege Herr B. bestätigte, dass der Kläger keinerlei Auffälligkeiten gezeigt hat. Allein die Tatsache, dass der Kläger sich unerlaubt vom Unfallort entfernt hat, lässt keine andere Beurteilung zu. Der Senat schließt sich nicht den Mutmaßungen der Beklagten an, dass das Entfernen vom Unfallort allein wegen einer unterstellten Fahruntüchtigkeit erfolgt ist oder der Verschleierung einer Alkoholisierung dienen sollte. Der Kläger schien zunächst keine größeren Verletzungen zu haben und verunfallte unmittelbar an seinem Wohnort. Weitere Unfallbeteiligte waren nicht gegeben.

Kann absolute oder relative Verkehrsuntüchtigkeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, geht dies nach Ausschöpfung aller Beweismittel zu Lasten der Beklagten, bei der die Feststellungslast dafür liegt. Ist eine Feststellung der BAK zum Unfallzeitpunkt nicht gegeben, weil der Versicherte sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, kann dies grundsätzlich im Rahmen der Beweiswürdigung ausreichend berücksichtigt werden. Die von der Beklagten geltend gemachten Beweisschwierigkeiten rechtfertigen weder eine Art "Beweislastumkehr" noch die Annahme eines Beweisnotstandes und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu allgemeingültigen Beweiserleichterungen. Dies würde dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs.1 Satz 1 SGG) widersprechen. Die Möglichkeit einer "Umkehr der Beweislast" wird daher im Unfallversicherungsrecht nach überwiegender Auffassung zutreffend grundsätzlich verneint (vgl. BSG, Urteil vom 25.05.1972, RU 38/96, SozR 3-1500 § 128 Nr.11; BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 25/03 R; BSG, Urteil vom 02.12.2008, B 2 U 26/06, BSGE 102, 111, 118; BSG, Urteil vom 31.01.2012, B 2 U 2/11 R; vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Aufl., § 103 Rdn.15 ff.; vgl. kritisch Keller in Hauck/ Noftz, SGB VII, § 8 Rdn.338; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 Rdn.5a). Im Übrigen hat die Rechtsprechung des BSG bereits erhebliche "Beweiserleichterungen" durch die Anwendung des Anscheinsbeweises gebilligt, die bei nachgewiesener Fahruntüchtigkeit die Kausalität der Alkoholisierung und ihre überragende Bedeutung für das Unfallereignis unterstellen. Weitere "Beweiserleichterungen" auch für die Feststellung der Fahruntüchtigkeit sind weder erforderlich noch zu rechtfertigen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG begründet insbesondere ein vorliegender chronischer Alkoholkonsum als "innere Ursache" keine Vermutung der absoluten oder relativen Fahruntüchtigkeit. Vielmehr ist zu beachten, dass aufgrund der gesteigerten Alkoholtoleranz bei Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit der Nachweis von Fahruntüchtigkeit im Einzelfall erforderlich ist. Da die Dosis-Wirkungsbeziehung nach dem Gutachten der Dr. P. unterschiedlich sein kann, ist die konkrete Rauschmittelwirkung zum Unfallzeitpunkt nachzuweisen und durch ein Sachverständigengutachten zu klären, ob (absolute) Fahruntüchtigkeit vorlag. Bei einer Alkoholerkrankung "funktionieren" die Betroffenen je nach Ausmaß der Toleranz teilweise nur in einem gewissen Alkoholspiegelbereich, andererseits können auch Entzugserscheinungen, Anhaltspunkte für ein Delir oder sonstige krankheitsbedingte Erscheinungen für das Unfallgeschehen eine Rolle spielen. Das Vorliegen einer Alkoholerkrankung kann demnach nicht zu einer Beweiserleichterung für den Unfallversicherungsträger führen, sondern es bedarf im Gegenteil stets des Nachweises der Fahruntüchtigkeit durch ein Sachverständigengutachten. Kann durch ein Sachverständigengutachten bzw. durch entsprechende medizinische Feststellungen nicht geklärt werden, ob tatsächlich unter Zugrundelegung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Auswirkungen von Alkohol auf die Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung des konkret festgestellten Maßes der Alkoholisierung und der Leistungsfähigkeit des Versicherten zum Unfallzeitpunkt Fahruntüchtigkeit vorlag, kommt lediglich die Feststellung von (relativer) Fahruntüchtigkeit unter Berücksichtigung weiterer Beweisanzeichen in Betracht. Kann auch diese nicht festgestellt werden, ist entsprechend den Grundsätzen zur möglichen Mitwirkung einer inneren Ursache am Eintritt des Unfallereignisses die versicherte Tätigkeit, also die allgemeine Verkehrsgefahr, als wesentliche Unfallursache anzuerkennen.

Im Übrigen verkennt die Beklagte, dass der Gesetzgeber den Heimweg als grundsätzlich versicherte Tätigkeit erachtet und die insoweit bestehende allgemeine Verkehrsgefahr als versicherte Unfallursache auch tatsächlich rechtlich wesentlich mitgewirkt hat, so dass die Unfallkausalität gegeben ist. Die Kausalität einer anderen Ursache muss im Einzelfall nachgewiesen sein. Dabei muss der inneren Ursache im Vergleich zur allgemeinen Verkehrsgefahr im Rahmen der Abwägung überragende Bedeutung zukommen. Es kann grundsätzlich nicht allein an den Konsum von Alkohol angeknüpft werden und deshalb der Versicherungsschutz versagt werden. Verbotswidriges Handeln an sich schließt den Versicherungsschutz gerade nicht aus (§ 7 Abs.2 SGB VII). Auch haben generalpräventive Erwägungen im Unfallversicherungsrecht keinen Platz. Vermutungen, allgemeine Erfahrungssätze oder eine objektiv erhöhte Unfallgefahr können die im Unfallversicherungsrecht erforderliche Einzelfallbetrachtung nicht entbehrlich machen. Erforderlich ist der Nachweis einer entsprechenden Wirkung der Alkoholisierung im Einzelfall mit einer überragenden Bedeutung für das Unfallgeschehen.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.03.2009 war daher aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Zur Frage der Feststellungslast liegt bereits ausreichende höchstrichterliche Rechtsprechung vor.
Rechtskraft
Aus
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