S 3 AS 3496/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AS 3496/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
1. Der Stadtratsbeschluss des Stadtrates der Landeshauptstadt Dresden vom 24.02.2005 zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft beruht nicht auf einem schlüssigen Konzept.
2. Anstelle der Stadtratsbeschlüsse kann nicht auf den qualifizie
I. Der Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 wird aufgehoben und der Beklagten wird verpflichtet, unter Abänderung seiner Bescheide vom 19.04.2006, in Gestalt des Änderungsbescheides vom 09.01.2007, der Klägerin Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 unter Berücksichtung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 362,44 EUR zu zahlen.
Klarstellend wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin für Mai bis Oktober 2010 monatlich weitere 63,19 EUR zu zahlen hat.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen, außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsfähige nach dem SGB II vom Beklagten die Bewilligung höherer Unterkunftskosten für Mai bis Oktober 2006.

Die 1979 geborene Klägerin ist alleinstehend und bezieht seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsfähige nach dem SGB II. Sie bewohnt eine 49,24 qm-Wohnung, deren Grundmiete anfangs 251,76 EUR zuzüglich warmer Betriebskosten in Höhe von 79,00 EUR betrug. Zum 01.09.2005 wurde die Miete verändert auf Nettokaltmiete in Höhe von 248,66 EUR zuzüglich Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 120,00 EUR.

Mit Bescheid vom 24.10.2005 bewilligte der Beklagte der Klägerin eine Betriebskostennachzahlung, obwohl die Zahlung unangemessen sei und wies die Klägerin im Bescheid auf die Notwendigkeit des sparsamen Umgangs hin, da andernfalls im Wiederholungsfall nur die angemessenen Betriebskosten übernommen werden könnten. Mit Schreiben vom 26.10.2005 forderte der Beklagte die Klägerin dazu auf, Ihre Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken. Für einen Ein-Personen-Haushalt sei höchstens eine Bruttokaltmiete von 252,45 EUR zuzüglich Heizkosten von maximal 46,80 angemessen. Auf diesen Wert habe die Klägerin ihr Kosten bis 31.03.2006 zu senken. Sollte ihr dies nicht möglich sein, habe sie hiermit die Gelegenheit zur Stellungnahme, in deren Folge der Beklagte prüfen werde, ob eine Ausnahme möglich sei. Mit Schreiben vom 23.11.2005 teilte die Klägerin mit, dass ihr bei Erstantragstellung gesagt worden sei, dass sie in der Wohnung bleiben könne. Hieran sie ihr auch sehr gelegen, da sie erheblich an Einrichtungsgegenständen investiert habe. Zudem wohnten im Gebäude auch die Eltern der Klägerin, die sie im Haushalt unterstütze. Mit Schreiben vom 13.12.2005 teilte der Beklagte der Klägerin nochmals mit, dass ihre Unterkunftskosten unangemessen hoch seinen und die von der Klägerin vorgebrachten Gründe nicht geeignet seien, ausnahmsweise die überhöhten Kosten zu übernehmen. Ab 01.04.2006 werde die Klägerin den unangemessenen Mietteil selbst übernehmen müssen, wenn sie nicht umziehe.

Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 28.02.2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bewilligungsbescheid vom 19.04.2006 Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 in Höhe von monatlich 630,25 EUR, unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 299,25 EUR. Am 12.09.2006 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie eine befristete Tätigkeit aufgenommen habe. Am 23.10.2006 legte sie ihre Lohnbescheinigung für September 2006 vor, wonach sie brutto 645,90 EUR, netto 511,09 EUR verdient hatte und im Oktober ausgezahlt erhielt. Mit Änderungsbescheid vom 09.01.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin wegen Anrechnung des Einkommens für Oktober 2006 nur 342,34 EUR.

Am 28.01.2010 beantragte die Klägerin ohne weitere Begründung die Überprüfung aller Bewilligungsbescheide für den Zeitraum April 2006 bis April 2010.

Mit Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010 wies der Beklagte den Antrag zurück und führte aus, dass die Bewilligungsbescheide auch nach nochmaliger Prüfung nicht zu beanstanden seien.

Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 09.03.2010 Widerspruch mit der Begründung, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht in vollem Umfang berücksichtigt seien und auch die Warmwasserpauschale nicht in gesetzlicher Höhe abgezogen sei. Der Widerspruch wende sich gegen die Absenkung der Unterkunftskosten auf 308,70 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid (W 2979/10) vom 03.05.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Absenkung der Unterkunftskosten sei entsprechend dem Stadtratsbeschluss vom 24.02.2005 erfolgt. Erst mit Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.09.2009 sei festgestellt worden, dass der Stadtratsbeschluss nicht den Anforderungen entspricht und die Grenzwerte vielmehr an der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Inneren zur Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen als Ersatzwohnraum vom 27.06.2005 auszurichten wären. Der vorliegend angefochtene Bescheid sei davor aber bereits bestandskräftig gewesen, so dass das BSG-Urteil auf den streitgegenständlichen Zeitraum nicht angewendet werden könne. Die Rechtsbehelfsbelehrung lautete: "Gegen diese Entscheidung kann jeder Betroffene für sich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe beim Sozialgericht Dresden, Klage erheben." Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten ausweislich des dortigen Eingangsstempels am 04.05.2010 per Empfangsbekenntnis zugestellt. Das Empfangsbekenntnis, in dem der Prozessbevollmächtigte mit seiner Unterschrift bestätigte, den Widerspruchsbescheid am 04.05.2010 erhalten zu haben, wurde am 05.05.2010 an den Beklagten zurückgefaxt.

Mit Schreiben vom 04.06.2010, beim Sozialgericht Dresden (Nachtbriefkasten) am 04.06.2010 eingegangen erhob der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin gegen diesen Widerspruchsbescheid Klage, mit der Begründung, dass die Klägerin deutlich höhere Unterkunftskosten gehabt habe und dass das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 22.09.2009 zudem für einen Ein-Personen-Haushalt von 50qm, nicht nur 45qm angemessener Wohnfläche ausgegangen sei. Soweit ein Mietspiegel zur Grundlage gemacht werde sei zu berücksichtigen, dass dieser jedenfalls keine aktuelle Aussage über die Verfügbarkeit des angemessenen Wohnraums geben könne. Zudem müssten zumindest getrennte Erhebung bzgl. des aktuell bewohnten Bestandswohnraums und des Preisgefüges des freien Wohnraumes erstellt werden.

Die Klägerin beantragt, den Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung seiner Bescheide vom 19.04.2006, in Gestalt des Änderungsbescheides vom 07.01.2007 der Klägerin Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006 unter Berücksichtung einer angemessenen Wohnfläche von 49,24 Quadratmetern in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trug im Klageverfahren vor, die Absenkung der Unterkunftskosten beruhe auf dem damals gültigen Stadtratsbeschluss. Die diesbezüglichen Bescheide seien vor der Entscheidung durch das Bundessozialgericht bestandskräftig gewesen. Erst mit dieser liege eine ständige Rechtsprechung vor, so dass aufgrund der Regelung des § 330 SGB III keine Änderung für den davor liegenden Zeitraum möglich sei. Mit dem Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 seien die Angemessenheitsgrenzen neu definiert worden, wonach für einen Ein-Personen-Haushalt eine Bruttokaltmiete von 276,00 EUR angemessen sei, zuzüglich angemessener Heizkosten. Das IWU-Gutachten sei sowohl für die Zeit ab November 2011 als auch für davor liegende Zeiträume aussagekräftig. Etwas anders gelte auch nicht deshalb, weil der Gutachter selbst von einer Rückrechnung nur bis Dezember 2008 ausging und mit Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 die vorangegangenen Stadtratsbeschlüsse nur mit Wirkung ab 01.12.2010 aufgehoben worden seien. Der Beklagte nimmt auf das Gutachten im einzelnen Bezug. Infolge der Index-Rückrechnung auf den streitgegenständlichen Zeitraum sei vorliegend von einer angemessenen Bruttokaltmiete von 272,00 EUR monatlich auszugehen. Die Klägerin habe warme Betriebskosten von 120,00 EUR gehabt. Nach dem Gutachten des Instituts wohnen und Umwelt GmbH (IWU), das das Gutachtenentwickelt habe, auf dessen Grundlage der Stadtrat seinen neuen Beschluss gefasst habe, entfallen statistisch auf die Heizkosten 48,9 % der warmen Betriebskosten, mithin vorliegend nach Abzug der Warmwasserpauschale (in Höhe von 6,26 EUR monatlich) 52,42 EUR. Die angemessenen Kosten der Unterkunft betrügen somit bis 324,42 EUR. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung lies der Beklagte vortragen, dass man nun doch 50 qm angemessene Wohnfläche zugrunde lege und daher von einer angemessenen Bruttokaltmiete in Höhe von 287,00 EUR (224,00 EUR Nettokaltmiete + 63,00 EUR kalte Betriebskosten) ausgehe.

Das Gericht hat die veröffentlichten kommunalen Bürgerumfragen aus 2002, 2005 und 2007, die Stadtratsbeschlüsse zu den angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II vom 24.02.2005, 24.01.2008 und 24.11.2011, das Schreiben der Stadt Dresden an den Beklagten vom 16.03.2010 zu den Stadtratsbeschlüssen von 2005 bis 2008 bzgl. der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung, das Gutachten des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) GmbH zur Ermittlung von Richtwerten für Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft für die Stadt Dresden vom 24.10.2011, die Stellungnahme der IWU zur Anwendung des IWU-Gutachtens für zurückliegende Zeiträume vom 16.02.2012 sowie die Stellungnahme der IWU zum Beschluss des Sozialgerichts Dresden im Verfahren S 10 AS 6969/11 ER beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Für das weitere vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, sowie die Verwaltungsakte des Beklagten (Nr. 07402BG0012818), deren Inhalt Gegenstand der Entscheidung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit ihr nicht höhere Unterkunftskosten gewährt wurden. Diese Bescheide waren daher aufzuheben und der Beklagte zu verurteilen, den Bewilligungsbescheid vom 19.04.2006, in Gestalt des Änderungsbescheides vom 07.01.2007 abzuändern und die tatsächlichen Unterkunftskosten (abzüglich der Warmwasserpauschale) zu zahlen.

I. Die Klägerin hat den Streitgegenstand zulässig auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 Rn. 13). Ein Bescheid kann im Einzelfall jedoch gleichwohl mehrere abtrennbare Verfügungen enthalten. Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei dem Betrag, der für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II bewilligt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 01.06.2010, B 4 AS 60/09 R, zitiert nach Juris Rn. 13 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungsbewilligung im Übrigen nicht der Rechtsordnung entspräche, sind nicht gegeben.

II. Die von der Klägerin angegriffenen Bescheide sind dem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X zugänglich. Gemäß § 44 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Überprüfungsantrag wurde am 04.02.2010 für Zeiträume bis April 2006 zurück gestellt. Dies war auch zulässig, da gemäß § 44 Abs. 4 SGB X Im Falle der Aufhebung Leistungen für Zeiträume bis zu 4 Jahren vor der Rücknahme (zuzüglich des Jahres der Antragstellung) erbracht werden. Die Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II, die den Anwendungsbereich des § 44 SGB X für den Bereich des SGB II auf ein Jahr vor Rücknahme beschränkt, trat erst mit Wirkung vom 01.04.2011 in Kraft und ist daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Die Überprüfung kann nicht, wie durch den Beklagten geschehen, durch Verweis auf § 40 Abs. 2 Ziff. 2 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 1 SGB III abgelehnt werden. § 330 SGB III schränkt den Anwendungsbereich des § 44 SGB X für das SGB II und SGB III insoweit ein, als die Rücknahme des rechtswidrig nicht begünstigenden Verwaltungsaktes, der in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Bundesagentur für Arbeit (bzw. den Leistungsträger) ausgelegt wurde, nur mit Wirkung für die Zeit nach dem Bestehen einer ständigen Rechtsprechung erfolgt. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift wäre, dass sich die ständige Rechtsprechung hinsichtlich der der Verwaltungsentscheidung zugrundeliegenden Rechtsnorm geändert hat. Allerdings entscheid auch das Bundessozialgericht, dass es für die Anwendbarkeit der norm erforderlich ist, dass sämtliche Grundsicherungsträger bundesweit die betreffende Norm einheitlich ausgelegt hätten (Vgl. Urteil des BSG vom 21.06.2011, Az.: B 4 AS 118/10 R und vom 15.12.2010, Az.: B 14 AS 61/09 R). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die erheblichen Abweichungen der örtlichen Rechtsvorschriften, mit denen der Begriff der Angemessenheit in § 22 SGB II ausgelegt wird, zeigt, dass von einer einheitlichen Praxis nicht die Rede sein kann.

Gemäß § 44 SGB X, der gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der bis 01.04.2011 gültigen Fassung einschränkungslos) auch im Rahmen des Grundsicherungsrechts Anwendung findet, ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Im vorliegenden Fall wurde das Recht unrichtig angewandt, weil der Beklagte zu niedrige Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft festgelegt und in der Folge zu niedrige Leistungen gewährt hat. Die Bewilligungsverwaltungsakte waren daher aufzuheben. Dies hat der Beklagte aber mit dem Überprüfungsbescheid vom 04.02.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2010 abgelehnt, so dass der Überprüfungsbescheid die Klägerin in ihren Rechten verletzt und deshalb aufzuheben war. Der Überprüfungsantrag wurde am 04.02.2010 gestellt, so dass der streitgegenständliche Zeitraum der Überprüfung bzw. Nachzahlung von Leistungen gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1, 3 SGB X (4 Jahre zurück ab Stellung des Überprüfungsantrages – vorliegend also bis Februar 2006) zugänglich ist.

III. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf höhere Leistungen für ihre Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II.

Die Klägerin erfüllt, wie auch die Leistungsbewilligung zeigt, die Leistungsvoraussetzungen des § 7 SGB II. Ebenso unstreitig ist die zeitweilige Einkommensanrechnung in den betroffenen Zeiträumen teilweise aus Erwerbslohn oder aus Arbeitslosengeld I.

Ihr Anspruch umfasst auch die alleinstreitgegenständlichen Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung begrenzt somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach (vgl. Urteil des BSG vom 01.06.2010, Az.: B 4 AS 60/09 R, Rnr. 16). Dabei ist die Angemessenheit der Wohnungskosten in mehreren Schritten zu prüfen.

Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil des BSG vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09, Rnr. 13) wird zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt und in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. In einem dritten Schritt ist nach Maßgabe der Produkttheorie zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist. Das heißt, Ziel der Ermittlungen des Grundsicherungsträgers ist es, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren und so die angemessene Miete feststellen zu können (BSG a.a.O. Rnr. 17).

1. Die Größe der angestrebten Wohnung der Antragstellerin von ca. 49,24 qm für eine Person ist auch im streitgegenständlichen Zeitraum abstrakt angemessen. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. dazu das "Oberwiesental"-Urteil des BSG vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 70/08 R, Rnr. 13 bis 15) war hierfür auf die in der bis 31.12.2009 gültigen Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Innenministeriums zur Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen als Ersatzwohnraum im Rahmen des Stadtumbaus vom 27.06.2005 – VwV Ersatzwohnraum – (Sächs. ABl. S. 682) festgesetzten Werte abzustellen. Danach wurden neue Flächenobergrenzen für die Wohnraumförderung festgesetzt, die für eine Person von 50 qm in einer Einraumwohnung und 60qm in einer Zwei-Raum-Wohnung ausgeht. Nach Ansicht der Kammer ist sich hier am unteren Wert zu orientieren, da im Rahmen des SGB II nur Grundbedürfnisse abzudecken sind. Wenn 50qm-Wohnungen als förderfähig anzusehen sind, dann sind sie auch grundsätzlich ausreichend, um menschenwürdige Wohnverhältnisse zu schaffen. Auf die Anzahl der tatsächlich vorhandenen Zimmer kann im Rahmen der Angemessenheitsprüfung insoweit nicht abgestellt werden (vgl. auch SG Dresden, Urteil vom 02.11.2011, Az.: S 10 AS 4150/10 und Urteil des SG Dresden vom 28.02.2012, Az.: S 29 AS 7524/10).

2. Örtlicher Vergleichsraum für die Prüfung der angemessenen Mietkosten ist das Gebiet der Landeshauptstadt Dresden. Dieses umfasst einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und der verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet und eine Ghettobildung vermeidet.

3. Fraglich ist, welcher Quadratmeterpreis auf dem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung dieser Größe im Zeitraum ab Mai 2006 im Vergleichsraum, d.h. in Dresden, zu zahlen und damit angemessen ist. Bei der Angemessenheitsprüfung sind nach der Rechtsprechung des BSG die Heizkosten nicht zu berücksichtigen; die Angemessenheit der Heizkosten ist vielmehr isoliert zu prüfen (vgl. Urteil des BSG vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 36/08 R).

Nach der durch die Kammervertretenen Rechtsansicht beruhen die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 19.04.2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 09.01.2007, auf einen Betrag von monatlich insgesamt 299,25 EUR begrenzten Mietkosten nicht auf einem schlüssigen Konzept (vgl. dazu BSG, Urteile vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R – und vom 20.08.2009 – B 14 AS 41/08 R – und – B 14 AS 65/08 R – jeweils zitiert nach Juris). Abgesehen davon, dass weder der Bescheid vom 19.04.2006 noch die nachfolgenden Änderungsbescheide erläutern, wie sich der Betrag von 299,25 EUR zusammensetzt, benennen weder der Bescheid vom 19.04.2006 noch die nachfolgenden Änderungsbescheide die Grundlage bzw. das Konzept, auf dessen Grundlage der nach Meinung der Beklagten angemessene Mietpreis festgesetzt wurde. Erst die Begründung des Widerspruchsbescheides durch den Beklagten lässt sich entnehmen, dass dieser seiner Entscheidung einen Beschluss des Stadtrates der Landeshauptstadt Dresden vom 24.02.2005 zugrunde gelegt hat. Im Rahmen des Klagevortrags führt der Beklagte dann weiter aus, dass nunmehr der neue Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 auch rückwirkend auf frühere Zeiträume anzuwenden sei und insoweit eine Rückrechnung (der im Jahr 2011 vom Beklagten für 45 qm als angemessen betrachteten 276,00 EUR Bruttokaltmiete) erfolgen könne, in deren Ergebnis eine Nettokaltmiete für 50 qm in Höhe von 287,00 EUR angemessen sei, zuzüglich Heizkosten.

a) Nach der Rechtsprechung des BSG, der die Kammer folgt, kann ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln innerhalb des Vergleichsraumes nur dann gewährleistet werden, wenn die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines überprüfbaren so genannten "schlüssigen Konzeptes" erfolgt. Das schlüssige Konzept soll hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden. Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel im Sinne der §§ 558c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und 558d BGB abstellen. Ein qualifizierter Mietspiegel kann jedoch als Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete im Vergleichsraum geeignet sein (vgl. Urteil des BSG vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 27/09 R; BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R und Urteile vom 20.08.2009, Az.: B 14 AS 41/08 R und B 14 AS 65/08 R). Nach der Rechtsprechung des BSG erfordert ein "Konzept" ein planmäßiges Vorgehen des Grundssicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Das Konzept ist schlüssig, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R): 1. Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung). 2. Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnung – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße. 3. Es muss Angaben über den Beobachtungszeitraum enthalten. 4. Es muss die Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel) festlegen. 5. Der Umfang der eingezogenen Daten muss repräsentativ sein. 6. Die Datenerhebung muss valide sein. 7. Anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze der Datenauswertung müssen eingehalten sein. 8. Das Konzept muss Angaben über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwerte oder Kappungsgrenze) enthalten.

b) Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung liegt jedenfalls dem Stadtratsbeschluss vom 24.02.2005 und 24.01.2008 kein schlüssiges Konzept zugrunde, ebenso wenig wie die im Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 vom Beklagten als angemessen betrachteten Werte auf frühere Zeiträume zurückgerechnet werden können.

aa) Der Beklagte hat erstmals im Klageverfahren vorgetragen, dass das vom Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten des Institutes Wohnen und Umwelt (IWU) über die "Ermittlung von Richtwerten für Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft für die Stadt Dresden" vom 24.10.2011 durch Rückrechnung zur Grundlage für die Ermittlung von Angemessenheitswerten auch für zurückliegende Zeiten gemacht werden könne. Das Gutachten liegt dem Gericht vor, weitere Stellungnahmen wurden im Rechtstreit übersandt bzw. durch Bezugnahme auf den Vortrag in Parallelrechtstreiten der Klägerin vom Beklagten eingeführt. Jedenfalls können diese dort gefundenen Werte nicht der Verwaltungsentscheidung zugrunde gelegen haben.

• Von der Möglichkeit der Rückrechnung der im "IWU-Gutachten" gefundenen Werte auf Zeiten vor 2008 scheint auch das Institut für Wohnen und Umwelt, das das dem Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 zugrundeliegende Gutachten erstellt hat, nicht auszugehen. Vielmehr wird in dessen Stellungnahme vom 16.02.2012, anders als im Vortrag des Beklagten, lediglich von einer Rückrechnung auf Sachverhalte gesprochen, denen der Mietspiegel von 2008 zugrunde gelegt werden kann, also für Zeiten ab Dezember 2008. Dies dürfte aber vorliegend schon deshalb ausgeschlossen sein, weil ein Sachverhalt aus dem Jahr 2006 in Streit steht.

• Auch darüber hinaus scheidet vorliegend eine Rückrechnung aus, da die Landeshauptstadt Dresden selbst diese Möglichkeit nicht eröffnet hat. Der Umstand allein, dass das dem Stadtratsbeschluss zugrundeliegende Gutachten eine solche Rückwirkung entwirft reicht nicht dazu aus, diese auch anzunehmen. Vielmehr hat die Landeshauptstadt Dresden selbst in Ziffer 6 ihres Stadtratsbeschlusses vom 24.11.2011 die vorangegangenen Beschlüsse vom 24.01.2008 und vom 24.02.2005 nur für die Zeit ab 01.12.2010 aufgehoben, so dass diese für die Zeit davor weiterhin Gültigkeit haben. Der Vortrag des Beklagten im vorliegenden Verfahren, wonach der Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 auf Sachverhalte noch (weit) vor 2010 zurückwirken soll und die Stadtratsbeschlüsse von 2005 und 2008 vollumfänglich auch für Zeiten vor 2010 aufgehoben seien, entbehrt somit jeglicher rechtlicher Grundlage. Im Ergebnis widerspricht sich die Landeshauptstadt Dresden nach Auffassung der Kammer selbst, wenn sie einerseits davon ausgeht, dass aufgrund der dem Gutachten zugrundeliegenden Datengrundlage auf deren Anwendbarkeit ab Dezember 2010 ausgegangen und der Beschluss entsprechend abgefasst wird, gleichzeitig aber von der Möglichkeit einer Index-Rückrechnung der Gutachtens-Ergebnisse für Zeiträume davor ausgegangen wird, "um laufenden Klageverfahren zügig abschließen zu können", obgleich die Stadtratsbeschlüsse aus 2005 und 2008 für diesen Zeitraum fortgelten. Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung kann dies höchstens als Kalkulationsgrundalge für eine vergleichsweise Einigung dienen, vorausgesetzt der Widerspruchsführer/ Kläger ist damit einverstanden.

• Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass zudem erhebliche Zweifel an der Methodik der Index-Rückrechnung bestehen, die im IWU-Gutachten vorgeschlagen wird. Es ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, wie ein bundeseinheitlicher Index gleichermaßen auf alle Kommunen bundesweit angewendet Auskunft darüber geben soll, welche Mieten in Dresden in der Vergangenheit angemessen waren. Der örtliche Vergleichsmaßstab wird dabei ausgeschaltet. Die herangezogenen rechtlichen Regelungen (§ 558d BGB) beziehen sich nur auf die Zukunft, nicht auf die Vergangenheit. Dies liegt schon daran, dass eine Rückrechnung auf die Vergangenheit auch grundsätzlich nicht erforderlich erscheint, da für die Vergangenheit Werte aus dem Mietspiegel vorliegen, die der Beklagte der Methode des von ihm zugrunde gelegten Gutachtens unterziehen könnte. Wenn bzw. soweit er in der Vergangenheit keine ausreichende Datengrundalge geschaffen hat, kann dies nicht zu Lasten der Kläger gehen (so auch Urteil der 29. Kammer des SG Dresden vom 28.02.2012, Az.: S 29 AS 7524/10). Eine Indexierung ist nur in die Zukunft hinein erforderlich, für die noch keine Werte vorliegen können. Nur in dieser Weise wird der Index auch im Rahmen des § 558d BGB verwendet, nämlich für eine Fortschreibung, nicht eine Rückrechnung. Diese Fortschreibung des Mietspiegels dient unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung der Mieten der Anpassung des Mietspiegels zumindest an die Rate der Geldentwertung. Nach Auffassung der Kammer hat die Index-Fortschreibung des qualifizierten Mietspiegels damit schon eine ganz andere Zielrichtung als die Festsetzung von Angemessenheitsgrenzen im Grundsicherungsrecht.

• Zur darüber hinaus erheblichen Kritik am IWU-Gutachten als Basis für die neuen, mit Stadtratsbeschluss vom 24.11.2011 festgelegten Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft sei hier, da es letztlich für den streitgegenständlichen Zeitraum mangels Rückrechnungsmöglichkeit nicht darauf ankommt, nur Bezug genommen auf den ausführlichen Beschluss der 10. Kammer des Sozialgerichts Dresden vom 16.12.2011, Az.: S 10 AS 6969/11 ER, der sich die Kammer nach eigener Prüfung hinsichtlich der Kritikpunkte anschließt. An dieser Kritik ändert sich auch nichts durch die nachträgliche Stellungnahme des IWU-Instituts vom 16.02.2012. Insoweit führte bereits die 29. Kammer des SG Dresden (S 29 AS 7524/10) zutreffend aus:

"Die vom Beklagten erst nach Fristablauf vorgelegte Stellungnahme des IWU zu dem zitierten Beschluss der 10. Kammer vermag die darin vorgebrachten grundsätzlichen Bedenken gegen die Wahl der Datengrundlage nicht auszuräumen. Insbesondere geht sie nicht auf die Ausführungen der 10. Kammer ein, dass das IWU der Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen auch Daten zugrunde gelegt hat, die nicht den vom BSG an die Aktualität und Validität entsprechenden Anforderungen entsprechen, indem es neben den Mietspiegeldaten und den Bestandsdaten der Landeshauptstadt Dresden über die SGB II- und XII-Bezieher sowie neben den aus der Kommunalen Bürgerumfrage 2010 (Datenerhebung im September 2010) erhobenen Daten außerdem eine Befragung des Sachgebiets Wohnungsfürsorge unter den acht größten Wohnungsunternehmen in Dresden (Stand Oktober 2010), eine Befragung von 30 mittelgroßen Vermietern durch das Stadtplanungsamt (Stand Juli 2011), eine Auswertung des Mikrozensus (Datengrundlage aus den Jahren 2003 bis 2006), eine Erhebung aus der Internetdatenbank immodaten.net (Erhebungszeitraum nicht angegeben) sowie eine Recherche auf dem Internetportal wg-gesucht.de (Erhebungszeitraum ebenfalls nicht angegeben) als wesentliche Grundlagen für die Berechnung der Angemessenheitsgrenze herangezogen hat, also Daten, die jedenfalls teilweise noch vor In-Kraft-Treten des SGB II erfasst worden sind bzw. deren Erhebungszeitraum unklar ist. Daraus grundsicherungsrelevante Schlüsse zu ziehen, mag statistisch vertretbar erscheinen, überzeugt aber rechtlich nach wie vor nicht.

Die Rückrechnung der Werte aus dem IWU-Gutachten von 2011 entbehrt damit jeglicher rechtlicher und logischer Grundlage.

bb) Soweit die Landeshauptstadt Dresden in ihrem Stadtratsbeschluss vom 24.2.2005 für einen 1-Personenhaushalt die Angemessenheitsgrenze bei einer Bruttokaltmiete von 252,45 EUR und Heizkosten in Höhe von 46,80 EUR angesetzt hat, und die Kosten der Unterkunft der Klägerin entsprechend beschränkt, sind diese Beträge nicht anzuwenden, denn dabei handelt es sich nicht um eine zutreffende Bestimmung der Angemessenheitsobergrenze.

Nach den oben (unter 3a) genannten Maßgaben, die sich das erkennende Gericht zu Eigen macht, ist die von der Landeshauptstadt Dresden in dem genannten Stadtratsbeschluss vom 24.02.2005 festgelegte Bruttokaltmiete als Obergrenze nicht auf der Grundlage eines sogenannten "schlüssigen Konzeptes" ermittelt. Denn die Landeshauptstadt Dresden hat die ihr zur Verfügung stehenden, Daten fehlerhaft ausgewertet und insbesondere nicht nach der Wohnungsgröße differenziert (vgl. auch S 40 AS 390/09).

Zwar geht auch die 3. Kammer des Sozialgerichts Dresden davon aus, dass die qualifizierten Mietspiegel, die dem Gericht nebst den dazugehörigen Methodenberichten vorliegen, als Datengrundlage für die Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete für einfachen Wohnraum grundsätzlich geeignet sind und schließt sich damit der Rechtsprechung der 40. und 29. und 10. Kammer des Sozialgerichts Dresden an (vgl. Urteil vom 29.06.2010, Az.: S 40 AS 390/09, S 29 AS 7574/10 vom 28.02.2012, S 10 AS4150/10 vom 02.11.2011). Allerdings hat die Landeshauptstadt Dresden die ihr zur Verfügung stehenden Daten nicht korrekt ausgewertet. Es fehlt vor allem an einer Differenzierung nach der Wohnungsgröße. Die Methode der Stadt, aus allen Wohnungsgrößen ein arithmetisches Mittel zu bilden führt dazu, dass kleine Wohnungen, wie sie auch vorliegend streitgegenständlich sind, künstlich preiswert gerechnet werden, da ein Durchschnitt unter Einbeziehung größerer Wohnungen mit niedrigeren Quadratmeterpreisen gebildet wurde. Dies spiegelt aber jedenfalls nicht die Kosten wieder, die für die Anmietung einer nach Quadratmetern angemessenen Wohnung aufgebracht werden müssen (vgl. hierzu auch Urteile des SG Dresden vom 21.12.2010, Az.: S 29 AS 6468/10 und S 29 AS 3225/10 für den Zeitraum ab 2008, der sich aber methodisch nicht von der vorgehensweise im vorangegangenen Zeitraum unterscheidet).

Anders als die 40. Kammer (a.a.O.) und mit der 29. Kammer (a.a.O.) sieht die 3. Kammer des Sozialgerichts Dresden jedoch keine Möglichkeit, aufgrund der gegebenen Datengrundlagen entsprechend den Vorgaben des Bundessozialgerichts selbst korrekte Angemessenheitswerte zu berechnen. Dies scheitert daran, dass nach den Vorgaben des BSG eine Bruttokaltmiete zu ermitteln ist, der Mietspiegel aber nur Auskunft über die Nettokaltmiete gibt.

Für das Gericht ist nicht nachvollziehbar, worauf die vom Beklagten als Grundlage seines Stadtratsbeschlusses von 2005 angenommenen Werte für kalte Betriebskosten beruhen. Die Stadt Dresden merkte insoweit in ihrem Schreiben vom 16.03.2010 selbst an: "Mit Beschluss des Stadtrates vom 24.02.2005 wurden 2,30 EUR je qm für die Gesamtbetriebskosten (kalte und warme Betriebskosten) als angemessen festgelegt. Davon sind 55 % dieses Betrages (1,26 EUR je qm) für die kalten Betriebskosten (Nebenkosten) und 45% dieses Betrages (1,04 EUR je qm) für die warmen Betriebskosten (Heizkosten) zur Feststellung der angemessenen Obergrenzen jeweils zugeordnet worden."

Wie die Landeshauptstadt auf diese Zahlen und die pauschale Aufteilung kommt, ist nicht dargelegt worden und kann vom Gericht nicht nachvollzogen werden. Vielmehr ergibt sich aus der kommunalen Bürgerumfrage von 2002 ein (wie auch immer) nach Haushalten gewichteter Durchschnittswert für kalte Betriebskosten von 1,39 EUR pro qm und Heizkosten von 1,00 EUR pro qm, wobei sich für Menschen in der Situation der Klägerin (ohne Partner und weiblich, Haushalt mit Einkommen bis 700,00 EUR, 1-Personen-Haushalt, im Stadtteil Pieschen) in der Auswertungstabelle zur Frage gleich vier verschiedene Einzelwerte ergeben (1,60 EUR/qm, 1,27 EUR/qm, 1,50 EUR/qm oder 1,54EUR/qm). Die pauschale Zuordnung, deren prozentuale Aufteilung weder belegt noch irgendwie nachvollziehbar ist, kann nicht zur Grundlage einer den Anforderungen des BSG entsprechenden Berechnung der Angemessenheit gemacht werden.

Auch aus der kommunalen Bürgerumfrage 2005 ergeben sich keine Zahlen, die die vom Beklagten angenommenen Werte (nachträglich) rechtfertigen könnten. Dort sind kalte Betriebskosten von 1,29 EUR/ qm im Durchschnitt errechnet worden, die ebenfalls nicht mit dem noch für 2006 und 2007 angewendeten Wert von 1,26 EUR übereinstimmen sondern noch darunter liegen. Zudem leiden auch diese aktuelleren Zahlen daran, dass ihre Berechnung nicht nachvollziehbar ist. Die Ergebnisse der Kommunalen Bürgerumfrage 2005 wurden ebenfalls veröffentlich, und in deren Frage 30 wurde nach Betriebskosten gefragt. Hier bildete der Beklagte aus den Angaben der Befragten einen Mittelwert (arithmetisches Mittel) gewichtet nach Haushalten und berechnete daraus insgesamt monatliche kalte Betriebskosten von 1,29 EUR je qm. Allerdings kann die Kammer der Kommunalen Bürgerumfrage 2005 nicht entnehmen, dass es sich um eine repräsentative Befragung handelt und wie die Gewichtung ("nach Haushalten"?) der Angaben vorgenommen wurde. Insbesondere hat die Landeshauptstadt Dresden versäumt, bei der Bürgerumfrage danach zu differenzieren, ob die Betriebskosten ganz oder teilweise nach Anzahl der Personen oder allein nach der Größe der Wohnfläche umgelegt werden. Darüber hinaus lassen sich aus dem Tabellenteil der Auswertung der Kommunalen Bürgerumfrage 2005 wiederum erheblich unterschiedliche Werte entnehmen. So ergibt sich, dass Personen ohne Partner im Erhebungszeitraum zwischen 1,22 und 1,98 EUR/m² Betriebskosten gezahlt haben. Für gering verdienende Haushalte und Alleinerziehende sind gar keine Angaben entnehmbar, erst ab einem Nettoeinkommen von 1250,00 EUR ergeben sich 0,95 EUR je qm. Für einen 1-Personen-Haushalt werden 1,55 EUR angegeben und differenziert nach Stadtteilen ergeben sich Werte zwischen 0,99 EUR und 1,83 EUR. Auffällig ist jedoch, dass der für die Stadtteile Pieschen - Kaditz, Mickten und Trachau angegebene Wert von 1,06 EUR nicht in den vorhergehenden Gruppen (Haushaltsgröße, Haushaltsnettoeinkommen, Befragte mit Partner und Befragte ohne Partner) zu finden ist. Für den (großen) Stadtteil Gorbitz wurden keine Angaben in die Tabelle aufgenommen. Da schon die volle Datengrundlage nicht bekannt ist, auf der diese "gewichteten" Zahlen beruhen und diese Werte dermaßen lückenhaft und variabel sind, lässt sich hieraus nach der hier vertretenen Rechtsansicht im Wege des arithmetischen Mittelwertes keine rechnerisch nachvollziehbare Durchschnittszahl ermitteln, die dem tatsächlichen Hilfebedarf gerecht würde.

Die Antwortdaten, die den kommunalen Bürgerumfragen zugrunde lagen, stehen dem Gericht nicht zur Verfügung, so dass auch kein nachvollziehbares Rechenwerk erstellt werden kann.

c) Nach der Rechtsprechung des BSG dürfen dann, wenn es an lokalen Erkenntnismöglichkeiten mangelt, hilfsweise die Werte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zu § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung (a. F.) angewendet werden, die zudem durch einen maßvollen Zuschlag zu erhöhen sind (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R – und Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R – zitiert nach Juris). Die Landeshauptstadt Dresden war nach der von 2002 bis 2008 geltenden Wohngeldverordnung (WoGV) - Anlage (zu § 1 Abs. 4) Mietenstufen der Gemeinden (§ 8 des Wohngeldgesetzes) nach Ländern ab 1. Januar 2002 - (vgl. BGBl. I 2001 Seiten 2727 bis 2756) der Stufe 3 zuzuordnen. Die maximal angemessenen (kalten) Unterkunftskosten würden bei einem 1-Personen-Haushalt nach der bis 31.12.2008 geltenden Tabelle zu § 8 WoGG a.F. monatlich 300,- EUR betragen. Erhöht man diesen Wert (maßvoll) um 10 % (so z. B. SG Braunschweig, Urteil vom 09.09.2009 – S 33 AS 2716/08, Randnr. 19; SG Koblenz, Gerichtsbescheid vom 20.05.2010 – S 16 AS 444/08 – Randnr. 42), d.h. um 30,00 EUR, wäre monatlich eine Bruttokaltmiete bis zu 330,00 EUR angemessen.

Die Grundmiete für die Wohnung der Klägerin betrug im streitigen Zeitraum 248,66 EUR und die warme Betriebskostenvorauszahlung betrug 120,- EUR, d.h. die tatsächlichen, warmen Kosten der Unterkunft betrugen insgesamt 368,66 EUR. Da keine anderen Anhaltspunkte für die Aufteilung der Betriebskosten gegeben sind, können diese nur hälftig geteilt werden, so dass von einer Bruttokaltmiete auszugehen ist, die mit 308,66 EUR auch bei nur geringer Erhöhung noch im Rahmen der Grenzen der Wohngeldtabelle liegen. Damit lagen die tatsächlichen (kalten) Kosten der Unterkunft im streitigen Zeitraum nicht über der Angemessenheitsgrenze nach dem WoGG.

d) Hinzu kommen die tatsächlichen Heizkosten, deren Vorauszahlung der mit Erdgas versorgten Wohnung der Kläger monatlich 60,00 EUR betrug. Da in der Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser auch Energiekosten für die Zubereitung von Warmwasser enthalten waren, sind diese entgegen der Auffassung der Kläger nach dem Grundsatzurteil des BSG vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R – (NZS 2009 S. 53), dem die Kammer nach eigener Prüfung folgt, aus den Kosten der Unterkunft herauszurechnen, da die Kosten für die Haushaltsenergie bereits zu 1,8029 % im Regelsatz enthalten sind. Demnach waren bei einem Regelsatz von 345,- EUR für die Klägerin 6,22 EUR von den (tatsächlichen) Heiz- und Warmwasserbereitungskosten abzuziehen. Damit betrugen die tatsächlichen Kosten der Heizung der Klägerin im Mai bis Oktober 2006 monatlich 53,78 EUR. Nach dem bundeseinheitlichen Heizkostenspiegel für das Jahr 2006 sind bei einem (erd-)gasbeheizten Gebäude mit über 1000 qm Wohnfläche jährliche Kosten von 12,40 EUR je Quadratmeter noch angemessen, mithin im Fall der Klägerin 50,88 EUR.

e) Auf der Grundlage der Produkttheorie sind nun die maximal abstrakt angemessenen Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung, vorliegend 380,88 EUR (330,00 EUR Bruttokaltmiete + 50,88 EUR Heizkosten) mit den tatsächlichen Gesamtkosten in Höhe von 362,44 EUR (308,66 EUR + 60,00 EUR - 6,22 EUR ) zu vergleichen. Im Ergebnis waren die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum angemessen. Damit waren der Klägerin von der Beklagten Kosten der Unterkunft und Heizung für Mai bis Oktober 2006 von 362,44 EUR zu gewähren bzw. in die Berechnung einzustellen. In die Berechnung einbezogen wurden mit Bescheid vom 19.04.2006 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 07.01.2007 monatlich nur 299,25 EUR, d.h. für den Zeitraum Mai bis Oktober 2006 waren der Klägerin für ihre Unterkunfts- und Heizkosten weitere Leistungen in Höhe von monatlich 63,19 EUR zuzusprechen.

Im Ergebnis war der Klage stattzugeben, die auf die Gewährung der nach dem Gesetz angemessenen KdU unter Berücksichtigung einer tatsächlichen und angemessenen Wohnfläche der Klägerin von 49,24 qm gerichtet war.

III. Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung in der Hauptsache, § 193 SGG.

IV. Die Berufung ist nicht kraft Gesetzes zulässig, § 144 Abs. 1 SGG. Sie war aber wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Beim Sozialgericht Dresden sind eine Vielzahl von Fällen anhängig, die die gleiche Rechtsfrage, nämlich die Angemessenheit der in den Stadtratsbeschlüssen der Landeshauptstadt Dresden vom 24.2.2005 und 24.1.2008 sowie 24.11.2011 niederlegten Obergrenzen für Unterkunftskosten zum Gegenstand haben.
Rechtskraft
Aus
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