L 19 AS 2007/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AS 1052/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 2007/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 60/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Revison durch Urteil des BSG als unzulässig verworfen
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 21.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2010 Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 in Höhe von monatlich 271,57 EUR zu bewilligen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen für Heizkosten umstritten.

Die am 00.00.1970 geborene Klägerin bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Sie bewohnt seit April 2004 eine Wohnung in der M-Straße in I mit einer Wohnflächengröße von 48 qm. Laut Mietvertrag belief sich die monatliche Miete ursprünglich auf 153,60 EUR, die monatliche Nebenkostenvorauszahlung - ohne Heizung und Warmwasser - auf 34,25 EUR. Die Wohnung wird mit Gas beheizt. Der monatliche Abschlag für Gas betrug im Jahr 2004 57,00 EUR. Die Wohnung befindet sich in einem Haus mit einer Gesamtwohnfläche von ca. 300 m2, wobei das Haus um das Jahr 1900 errichtet wurde. Die Zubereitung des Warmwassers erfolgt nicht über die Heizungsanlage, der Heizkessel des Etagenheizofens befindet sich im Wohnzimmer der Wohnung der Klägerin. Während die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) zunächst die Heizkosten in voller Höhe übernahm, kürzte sie mit Bescheid vom 22.12.2005 die Leistungen unter Berücksichtigung der Richtlinien der Stadt I für die Zeit ab dem 01.02.2006 auf 0,86 EUR/qm und bewilligte fortan 41,28 EUR pro Monat für Heizkosten. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, in dem sie vortrug, die hohen Heizkosten seien auf die baulichen Gegebenheiten zurückzuführen. Der Beklagte wies den Widerspruch am 22.02.2006 zurück. Im Zeitraum vom 11.01.2005 bis 04.01.2006 verbrauchte die Klägerin ausweislich der Abrechnung ihres Energieversorgungsunternehmens, der Stadtwerke I, 15.120 kWh Gas. Den Antrag auf Übernahme einer Nachforderung in Höhe von 67,00 EUR für Gas lehnte der Beklagte ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte zurück.

Im Rahmen eines Klageverfahrens (S 11 AS 72/06 SG Gelsenkirchen) verpflichtete sich der Beklagte zur Übernahme von Heizkosten in Höhe von 67,00 EUR ab dem 01.02.2006 und von 87,00 EUR für die Zeit vom 01.03.2006 bis 31.05.2006.

Ausweislich der Rechnung vom 14.01.2008 verbrauchte die Klägerin in der Zeit vom 05.01.2006 bis 04.01.2007 12.325 kWh und in der Zeit vom 05.01.2007 bis 04.01.2008 insgesamt 16.066 kWh Gas. Für die Zeit ab Februar 2008 erhöhte sich der monatliche Abschlag für Gas auf 97,00 EUR.

Ab dem 01.04.2008 übernahm der Beklagte Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 189,45 EUR Miete und Nebenkostenvorauszahlungen sowie 92,00 EUR Heizkosten, mithin monatlich 281,45 EUR.

Am 29.01.2009 legte die Klägerin die Abrechnung der Stadtwerke I für den Zeitraum vom 05.01.2008 bis 06.01.2009 vor, wonach der Gasverbrauch 19.186 kWh betrug. Die monatlichen Vorauszahlungen für Gas erhöhten sich auf 133,00 EUR. Mit Bescheid vom 29.01.2009 übernahm der Beklagte die Heizkostenvorauszahlungen in dieser Höhe und bewilligte für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 31.05.2009 Kost für Unterkunft und Heizung in Höhe von 322,45 EUR.

Mit Schreiben vom 29.01.2009 wurde der Klägerin von dem Beklagten mitgeteilt, die Prüfung ihrer Heizkosten habe ergeben, dass diese unangemessen hoch seien. Dabei erachtete der Beklagte einen jährlichen Verbrauch von 148 kWh/m2 für angemessen. Der Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass - sollte sie sich nicht bemühen, die Heizkosten zu senken - ab dem 01.06.2009 nur noch die als angemessenen angesehenen Kosten übernommen werden würden.

Die Klägerin teilte dem Beklagten mit, dass ihr infolge baulicher Unzulänglichkeiten der Wohnung wie ungedämmte Außenwände, undichte Fenster und die Heizungsanlage aus dem Jahr 1985 eine Kostensenkung trotz aller Bemühungen nicht möglich sei.

Im Februar 2009 legte die Klägerin ein Schreiben ihrer Vermieterin vor, wonach die Nettokaltmiete ab dem 01.04.2009 168,00 EUR und die Nebenkosten 39,49 EUR, mithin insgesamt 207,49 EUR ohne Heizung betrugen. Mit Bescheid vom 27.02.2009 berücksichtigte der Beklagte diese Mieterhöhung und bewilligte nunmehr 340,49 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung (207,49 EUR +133,00 EUR) für die Zeit von April bis einschließlich Mai 2009. Entgegen seiner Ankündigung vom 29.01.2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 06.05.2009 für den Zeitraum vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 sowie mit Bescheid vom 02.11.2009 für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis 31.05.2010 Leistungen nach dem SGB II weiterhin unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 340,49 EUR (207,49 EUR + 133,00 EUR).

Im Februar 2010 legte die Klägerin dem Beklagten eine Rechnung der Stadtwerke I vor, wonach der Verbrauch der Klägerin an Gas in der Zeit vom 07.01.2009 bis zum 05.01.2010 18.585 kWh betrug. Der neue monatliche Abschlag ab April 2010 wurde mit monatlich 127,00 Euro bestimmt. Mit Schreiben vom 17.02.2010 verwies der Beklagte auf sein Schreiben vom 29.01.2009, wonach die Heizkosten unangemessen hoch seien. Zur Prüfung, ob die Heizkosten - wie von der Klägerin vorgetragen - baubedingt so hoch sind, solle der Bedarfsermittlungsdienst die Wohnung in Augenschein nehmen.

Mit Bescheid vom 17.02.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin für März 2010 Leistungen nach dem SGB II Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 228,75 EUR, wobei er ein Guthaben aus Heizkostenvorauszahlungen von 105,74 EUR berücksichtigte, sowie Leistungen für den Zeitraum von April bis einschließlich Mai 2010 unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 334,49 EUR (207,49 EUR + 127,00 EUR).

Im März 2010 nahm der Bedarfsermittlungsdienst des Beklagten eine Hausbesichtigung vor. Er stellte fest, es handele sich bei der von der Klägerin bewohnten Wohnung um eine unterkellerte Wohnung im Erdgeschoss. Die Außenwände seien nicht gedämmt, die Fenster nur teilweise isolierverglast. Anfang März 2010 teilte die Klägerin mit, die Bruttokaltmiete betrage ab dem 01.04.2010 monatlich 203,64 EUR. Mit Bescheid vom 02.03.2010 bewilligte der Beklagte daraufhin der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum April bis einschließlich Mai 2010 in Höhe von 330,64 EUR (203,64 EUR + 127,00 EUR).

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.04.2010 bewilligte der Beklagte - unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 29.01.2009 - der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2010 bis zum 30.11.2010, in Höhe von 611,18 EUR monatlich. Die Kosten für Unterkunft und Heizung waren festgesetzt mit insgesamt 252,18 EUR, worin 48,54 EUR für Heizkosten enthalten waren. Der hiergegen vom der Klägerin am 30.04.2010 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2010 zurückgewiesen.

Mit ihrer Klage vom 14.05.2010 hat die die Klägerin auf die schlechte Isolierung der Wohnung sowie auf den Zustand der Heizungsanlage hingewiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2010 zu verurteilen, ihr weitere Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 01.06.2010 bis zum 30.11.2010 in Höhe von monatlich 127,00 Euro unter Beachtung der bereits hierfür bewilligten Leistungen für Heizkosten zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von dem Sachverständigen für Heizungstechnik Dipl.-Ing. (FH) T. Dieser hat in seinem Gutachten festgestellt, dass die Heizkosten der Klägerin über dem Durchschnitt liegen. Dies folge zunächst aus dem baulichen Zustand der Wohnung sowie dem veralteten Heizkessel. In erster Linie sei der erhöhte Verbrauch dem Heizverhalten der Klägerin zuzurechnen. So habe die Raumtemperatur bei dem Ortstermin mit 22°C um 2°C höher als die übliche Normaltemperatur gelegen. Der zu erwartende Wärmeverbrauch bei der Wohnung der Klägerin sei unter Beachtung des Bundesweiten Heizkostenspiegels mit 10.032 kWh im Jahr zu bemessen, unter Beachtung der VDI-Richtlinie 2067 ergebe sich eine übliche Jahreswärmemenge von 12.921 kWh.

Die Klägerin ist dem Ergebnis der Begutachtung entgegengetreten. So sei sie mietvertraglich verpflichtet, in der Zeit von 7.00 bis 23.00 Uhr eine Temperatur von 21 °C in der Wohnung vorzuhalten, so dass die gutachterliche Darstellung bezüglich der Normaltemperatur von 20°C unzutreffend sei. Der Beklagte wies darauf hin, dass das Gutachten das unwirtschaftliche Heizverhalten der Klägerin bestätige. Dagegen entspreche es bezüglich des üblichen Wärmeverbrauchs nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach es stets aus den kommunalen bzw. bundesweiten Heizkostenspiegel ankomme.

Mit Urteil vom 13.10.2011, der Klägerin zugestellt am 20.10.2011, hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 21.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2010 Leistungen für Heizkosten in der Zeit vom 01.06.2010 bis zum 30.11.2010 in Höhe von monatlich 67,93 EUR unter Beachtung der hierfür bereits bewilligten Leistungen zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Berufung nach § 114 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen. Auf den Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.

Am 21.11.2011, einem Montag, hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 13.10.2011 eingelegt. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, es seien die tatsächlich angefallenen Heizkosten in voller Höhe zu übernehmen.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.10.2011 abzuändern und die Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2010 zu verurteilen, ihr Leistungen für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 Leistungen für Heizkosten in Höhe von 127,00 EUR unter Beachtung der bereits hierfür bewilligten Leistungen für Heizkosten zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, nach der Rechtsprechung des BSG komme eine Übernahme höherer Kosten als bislang nicht in Betracht.

Die Klägerin hat eine vom 10.02.2011 datierende Abschlussrechnung der Stadtwerke I für den Zeitraum vom 06.01.2010 bis 05.01.2011 eingereicht. Danach belief sich der Gasverbrauch der Klägerin in der Zeit vom 06.10.2010 bis zum 30.09.2010 auf 12.002 kWh und in der Zeit vom 01.10.2010 bis 05.01.2011 7.699 auf kWh. Im Zeitraum 06.01.2010 bis 30.09.2010 betrug der Arbeitspreis (inkl. Umsatzsteuer) 6,61 ct/kWh, im Zeitraum vom 01.10.2010 bis 05.01.2011 6,13 ct/kWh. Der Grundpreis belief sich pro Jahr auf 179,88 EUR.

Nach Auskunft des Deutschen Mieterbundes wurde der Bundesweite Heizspiegel 2011, der das Abrechnungsjahr 2010 betrifft, am 12.10.2011 veröffentlicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig (vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 99/10 R = juris Rn 11). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.

Die Berufung ist jedoch im Ergebnis unbegründet.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagen kein Anspruch auf höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II für die Zeit vom 01.06.2010 bis zum 30.11.2010 zu, als im Urteil des Sozialgerichts bewilligt. Lediglich der Tenor war zu korrigieren. Soweit das Sozialgericht den Beklagten zur Zahlung von Heizkosten in Höhe von mtl. 67,93 EUR verurteilt hat, war dieser Tenor des Urteils rechtsfehlerhaft, da die reinen Heizkosten keinen separaten Streitgegenstand darstellen (vgl. etwa BSG Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R = juris Rn 13 m.w.N.). Streitgegenstand ist vielmehr die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung insgesamt (vgl. zur Frage der Kosten für Unterkunft und Heizung als abtrennbarer Streitgegenstand, BSG Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 86/09 R = juris Rn 10 m.w.N.). Die Klägerin hat im streitbefangenen Zeitraum die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II insofern dem Grunde nach erfüllt, als sie in diesem Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 97a SGB II noch nicht erreicht sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt hat und erwerbsfähig i.S.v. § 8 SGB II gewesen ist. Sie war auch hilfebedürftig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II.

Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II für die Zeit vom 01.06.2010 bis zum 30.11.2010 zu als durch das Urteil des Sozialgerichts zugesprochen.

Der Anspruch der Klägerin auf Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II beläuft sich für diesen Zeitraum auf insgesamt 271,14 EUR pro Monat und setzt sich aus Unterkunftskosten von 203,64 EUR (1) und Heizkosten von 67,50 EUR (2) zusammen. Entsprechend der Rundungsvorschrift des § 41 SGB II stünden der Klägerin mithin im streitgegenständlichen Zeitraum monatliche Kosten für Unterkunft in Höhe von 271,00 EUR zu. Aufgrund des Verbots der reformatio in peius hatte der Senat neben den Unterkunftskosten in Höhe von 203,64 EUR die vom Sozialgericht ermittelten 67,93 EUR bei der Berechnung der Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R = juris Rn 14 m.w.N.).

1. Im streitbefangenen Zeitraum hat der Beklagte die tatsächlich angefallenen - und im Übrigen auch angemessenen - Unterkunftskosten, zusammengesetzt aus Miete und monatlich anfallenden Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 203,64 EUR, übernommen. Höhere Kosten als die tatsächlich entstandenen, kann die Klägerin nicht beanspruchen. 2. Hinsichtlich der Heizkosten steht der Klägerin ein Anspruch in Höhe von 67,50 EUR zu. Die von der Klägerin gegenüber ihrem Energieversorgungsunternehmen im streitgegenständlichen Zeitraum geschuldeten Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 127,00 EUR waren unangemessen hoch.

Bei der Frage der Angemessenheit der Heizkosten ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung) ein konkret-individueller Maßstab anzulegen, (BSG Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R = juris Rn 23 ff; Urteil vom 20.08.2009 -B 14 AS 41/08 R = juris Rn 24 ff.; Urteil vom 02.07.2009 - B 14 B 14 AS 36/08 R = juris Rn 15 ff.).

Anhaltspunkte dafür, dass Heizkosten unangemessen hoch sind, folgen im Allgemeinen daraus, dass die tatsächlich anfallenden Kosten die durchschnittlich aufgewandten Kosten aller Verbraucher für eine Wohnung der den abstrakten Angemessenheitskriterien entsprechenden Größe signifikant überschreiten. Zur Bestimmung eines solchen Grenzwertes sind für den Regelfall einer mit Öl, Erdgas oder Fernwärme beheizten Wohnung die von der D gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegel" bzw - soweit diese für das Gebiet des jeweiligen Trägers fehlen - der "Bundesweite Heizspiegel" heranzuziehen (vgl. zu alledem BSG Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R = juris Rn 21 ff.; BSG Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R = juris Rn 32 ff.; BSG Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 65/08 R = juris Rn 26 ff.; BSG Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R = juris Rn 42 ff.).

Da ein kommunaler Heizspiegel für I nicht existiert, ist - nach obigen Grundsätzen - auf den bundesweiten Heizspiegel zurückzugreifen, aus dem sich Vergleichswerte für öl-, erdgas- und fernwärmebeheizte Wohnungen gestaffelt nach der von der jeweiligen Heizungsanlage zu beheizenden Wohnfläche ergeben, die hinsichtlich des Heizenergieverbrauchs zwischen "optimal", "durchschnittlich", "erhöht" und "extrem hoch" unterscheiden.

Maßgeblich abzustellen ist hierbei - soweit es um die Frage der im laufenden Bewilligungszeitraum zu übernehmenden monatlichen Heizkosten geht - aus Gründen der Rechtssicherheit auf den zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlichen Heizspiegel (vgl. insoweit auch Urteile des Senats vom 12.01.2012 - L 19 AS 1322/11 = juris Rn 44; vom 12.03.2012 - L 19 AS 174/11 = juris Rn 47 jeweils zur Frage der Anwendbarkeit von Betriebskostenspiegeln). Der Senat verkennt hierbei nicht, dass diesem Heizspiegel die Werte des Vorjahres zugrunde liegen und damit z.B. klimatische Besonderheiten oder Schwankungen des Energiepreises im streitgegenständlichen Zeitraum keine Berücksichtigung finden können. Dem Beklagten stehen indes für die gegenüber den Leistungsberechtigten zu treffenden Entscheidungen hinsichtlich der Höhe der Kosten der Unterkunft keine anderen Werte zur Verfügung. Zudem wird nach Auffassung des Senats nur eine solche Sichtweise den Anforderungen an eine Massenverwaltung gerecht, was die hiermit einhergehende Pauschalierung rechtfertigt (vgl. zur Frage der Pauschalierung in Verfahren der Massenverwaltung auch BSG Urteil vom 17.03.2009 - B 14 AS 63/07 R = juris Rn 27). Die vom Senat vertretene Sichtweise führt auch nicht zu einer unbilligen Benachteiligung der Leistungsberechtigten. Sollte sich später herausstellen, dass die zugrundegelegten Werte des bisherigen Heizspiegels für den streitgegenständlichen Zeitraum zu niedrig bemessen gewesen sein sollte, so kann der Leistungsberechtigte dies etwa geltend machen, wenn sein Energieversorger bei der Jahresabrechnung eine Nachforderung anmeldet (vgl. dazu auch Bayerisches LSG Beschluss vom 27.04.2012 - L 7 AS 241/12 B ER = juris Rn 17).

Bei der Frage der Angemessenheit der Heizkosten ist als Grenzwert abzustellen auf das Produkt aus dem Wert, der auf "extrem hohe" Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeutet (rechte Spalte), und dem Wert, der sich für den Haushalt des Hilfebedürftigen als abstrakt angemessene Wohnfläche nach den Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 10 Abs 1 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) bzw § 5 Abs 2 Wohnungsbindungsgesetz aF (WoBindG) ergibt. Insofern wird der Wert für extrem hohe Heizkosten nur bezogen auf die angemessene Quadratmeterzahl zu Grunde gelegt, was bereits ein Korrektiv hinsichtlich der Höhe der Heizkosten darstellt, zugleich aber auch die Vergleichbarkeit der Heizkosten mit denen einer typischerweise angemessenen Wohnung ermöglicht. Der Grundsicherungsempfänger kann im Regelfall die tatsächlichen Heizkosten nur bis zur Obergrenze aus dem Produkt des Wertes für extrem hohe Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche (in Quadratmetern) geltend machen (vgl. etwa BSG Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R = juris Rn 43).

Überschreiten die konkret geltend gemachten tatsächlichen Heizkosten den auf dieser Datengrundlage ermittelten Grenzwert, besteht Anlass für die Annahme, dass diese Kosten auch unangemessen hoch im Sinne des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind, da die so gewählte Grenze bereits unwirtschaftliches und tendenziell unökologisches Heizverhalten berücksichtigt. Darüber hinausgehende Heizkosten entstehen dann offensichtlich aus einem Verbrauch, der dem allgemeinen Heizverhalten in der Bevölkerung nicht mehr entspricht. Ein Grenzwert auf Grundlage der ungünstigsten Verbrauchskategorie trägt dabei auch schon dem Gesichtspunkt Rechnung, dass die im Einzelfall entstehenden Heizkosten von Faktoren abhängen, die dem Einfluss des Hilfesuchenden weitgehend entzogen sind. Empfänger von Arbeitslosengeld II, deren angemessene Aufwendungen für die Unterkunft sich an Wohnungen des unteren Marktsegments orientieren, dürften dabei typischerweise auf älteren Wohnraum mit einem unterdurchschnittlichen Energiestandard verwiesen werden. Soweit jedoch der genannte Grenzwert erreicht ist, sind auch von einem Hilfebedürftigen Maßnahmen zu erwarten, die zur Senkung der Heizkosten führen (BSG Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R = juris Rn 23; BSG Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R = juris Rn 33). Soweit in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts darauf hingewiesen wird, es seien Fälle denkbar, in denen auch ein darüber hinausgehender Heizenergieverbrauch noch angemessen sei, kann dies nach Auffassung des Senats in Konsequenz der Rechtsprechung des BSG nur für solche Fälle gelten, in denen persönliche oder gesundheitliche Besonderheiten vorliegen (z.B. auszehrende Erkrankungen ggf. verbunden mit Kachexie, Bettlägerigkeit oder sonstige weitgehende Immobilität, usw.). Solche Besonderheiten sind bei der Klägerin weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit - u.a. unter Bezugnahme auf das Heizgutachten - bauliche Mängel bzw. Mängel in der Heizungsanlage vorgetragen werden, hat dies bereits - im Rahmen der auch vom Bundessozialgericht als zulässig erachteten Pauschalierung - in den Abstufungen des Heizspiegels ("niedrige Kosten" bis" zu hohe Kosten") ihren Niederschlag gefunden.

Im streitgegenständlichen Zeitraum ist von einer abstrakt angemessenen Wohnfläche für die alleinstehende Klägerin von 50 qm auszugehen. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (vgl. BSG Terminbericht Nr. 28/12 vom 16.05.2012 zum Urteil des Senats vom 16.05.2011 - L 19 AS 2202/10; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R = juris Rn 22 m.w.N). Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich demnach nach den Werten, welche die Bundesländer aufgrund § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) vom 13.09.2001 bzw. aufgrund des § 5 Abs. 2 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R = juris Rn 15 m.w.N.) erlassen haben, wobei auf die im jeweiligen streitgegenständlichen Zeitraum gültigen Verwaltungsvorschriften abzustellen ist (vgl. BSG Urteile vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R = juris Rn. 15 und vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R = juris Rn 15). Die danach maßgeblichen landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen zu § 10 WoFG, die zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Land Nordrhein-Westfalen heranzuziehen sind (vgl. hierzu BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R = juris Rn 16), nämlich Nr. 5.7 der VV-WoBindG, sind nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz für den sozialen Wohnungsbau vom Bund auf die Bundesländer - wie auch das WoFG - mit Wirkung zum 31.12.2009 außer Kraft getreten. Nr. 19 Satz 2 der WNB (MBl. NRW 2010, 1), die zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des am 01.01.2010 in Kraft getretenen WFNG NRW vom 08.12.2009 (GV NRW 2009, 772) erlassen worden sind, ordnet an, dass die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nrn. 8 bis 8b.3 und 22 und der Anlage mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft treten. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum (vgl. § 18 WFNG NRW, der Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG ist (vgl. LT-Drs. 14/9394 S. 96)) sind ab dem 01.01.2010 die in Nr. 8. 2 der WNB, welche die Regelung der Nr. 5.7 VV-WoBindG ersetzt, angesetzten Werte der Wohnflächen maßgeblich. Nr. 8.2 der WNB weist im Vergleich zu Werten nach Nr. 5.7 VV-WoBindG höhere Werte aus. Als angemessene Wohnfläche für einen 1-Personen-Haushalt sieht Nr. 8.2 der WNB anstelle von bisher 45 qm eine Wohnfläche von 50 qm vor (vgl. BSG Terminbericht Nr. 28/12 vom 16.05.2012 zum Urteil des Senats vom 16.05.2011 - L 19 AS 2202/10).

Der hier maßgebliche bundesweite Heizspiegel 2010 weist für mit Erdgas beheizte Wohnung nach obigen Vorgaben folgende Grenzwerte aus:

Gebäudefläche: 100-250 qm: 16,20 EUR je qm/Jahr Gebäudefläche: 251-500 qm: 15,50 EUR je qm/Jahr Gebäudefläche: 501-1.000 qm: 14,80 EUR je qm/Jahr Gebäudefläche: ) 1.000 qm: 14,40 EUR je qm/Jahr.

Im vorliegenden Fall ist der Wert für eine Gebäudefläche von 100-250 qm zugrunde zu legen. Der Heizspiegel stellt dem Grunde nach auf zentralbeheizte Gebäude ab, gilt jedoch auch für Wohnungen (vgl. BSG Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R = juris Rn 22 ff.). Ein Vergleich der Werte ergibt, dass die Heizkosten pro Quadratmeter sinken, je größer die zu beheizende Fläche ist. Vor diesem Hintergrund ist es bei der Klägerin, deren Wohnung mit einer Etagenheizung beheizt wird, gerechtfertigt, den Wert von 16,20 EUR (100-250 qm) zugrunde zu legen.

Hieraus ergeben sich pro Jahr angemessene Heizkosten in Höhe von 50 qm x 16,20 EUR EUR/qm, also von 810,00 EUR, was monatlichen Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 67,50 EUR entspricht. Da die Warmwasserbereitung nicht über die Heizungsanlage erfolgt, war ein weiterer Abschlag nicht vorzunehmen.

Die von der Klägerin begehrte Übernahme der Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 127,00 EUR scheidet demgegenüber aus, da diese Heizkosten entsprechend obiger Ausführungen unangemessen sind. Eine Übernahme kommt auch nicht in entsprechender Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Betracht, da der Beklagte die Klägerin wirksam zur Senkung der Heizkosten aufgefordert hat (vgl. dazu BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R = juris Rn 18; Urteil des Senats vom 12.01.2012 - L 19 AS 1322/11 = juris Rn 49; Urteil des Senats vom 12.03.2012 - L 19 AS 174/11 = juris Rn 55). Der Beklagte hat erstmals mit Schreiben vom 29.01.2009 die Klägerin zur Kostensenkung aufgefordert, die Heizkosten aber in vollem Umfang weiterbewilligt. Der Beklagte hat sich mit Schreiben vom 17.02.2010 erneut an die Klägerin gewandt und mitgeteilt, die Heizkosten seinen weiterhin zu hoch. In diesem Schreiben hat der Beklagte die vorgenannte Kostensenkungsaufforderung vollumfänglich in Bezug genommen. Das erneute Schreiben vom 17.02.2010 genügte damit allen Anforderungen an eine wirksame Kostensenkungsaufforderung (vgl. dazu BSG Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 14/08 R = juris Rn 28). Insbesondere sind die Aufklärungs-, Warn- und Hinweisfunktionen für den hier streitigen Zeitraum gewahrt.

Soweit das Sozialgericht lediglich über die Höhe der Heizkosten entschieden hat, war dies - wie oben dargelegt - unzulässig, da die reinen Heizkosten keinen separaten Streitgegenstand darstellen (vgl. etwa BSG Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R = juris Rn 13 m.w.N.). Vielmehr war über die Kosten für Unterkunft und Heizung insgesamt zu entscheiden. Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils war entsprechend zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
Saved