L 4 AS 367/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 26 AS 2029/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 367/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Oktober 2010 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren höhere Leistungen für ihre Unterkunft unter Berücksichtigung der Prämien einer von der Klägerin zu 1 abgeschlossenen Privat-Haftpflichtversicherung.

Die Kläger bezogen im streitgegenständlichen Zeitraum laufende Leistungen unter Einschluss von Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Klägerin zu 1 schloss am 1. Juni 2006 den Mietvertrag über die Wohnung ab, die sie seither mit ihren drei minderjährigen Kindern, den übrigen Klägern, bewohnt. Der Mietvertrag erklärt unter § 30 "Sonstige Vereinbarungen" u.a. die Anlage I zum Vertragsbestandteil. Laut Nr. 10 der Anlage I zu dem Mietvertrag verpflichtet sich der Mieter, "für die Dauer der Mietzeit eine Privat-Haftpflicht-Versicherung" abzuschließen. Am 7. Juni 2006 schloss die Klägerin zu 1 bei der H.-Versicherung AG eine Privathaftpflichtversicherung ab.

Am 3. Juni 2008 beantragten die Kläger sinngemäß die Übernahme der Prämien zur Privat-Haftpflichtversicherung mit der Begründung, ihr Vermieter verlange eine solche Versicherung. Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 9. Juni 2008 ab: Da die Klägerin zu 1 nicht im Bezug von Arbeitslosengeld II stehe, könne ihr auch keine Versicherungspauschale als Abzug vom Einkommen gewährt werden. Den am 26. Juni 2008 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 17. Juli 2008 zurück.

Auf die am 12. August 2008 erhobenen Klage hin verurteilte das Sozialgericht den Beklagten am 11. Oktober 2010 unter Aufhebung der genannten Bescheide, die Beiträge zur Haftpflichtversicherung i.H.v. 16,83 Euro vierteljährlich als Kosten der Unterkunft zu übernehmen: Zu den Aufwendungen für die Unterkunft könnten auch andere als die üblichen Nebenkosten gehören, wenn sie integraler Bestandteil des Mietverhältnisses und als unausweichliche Nebenkosten nicht disponibel seien. Vermeidbar oder aushandelbar sei die entsprechende Klausel des Mietvertrages nicht gewesen. Es bestehe auch ein inhaltlicher Zusammenhang zum Mietverhältnis. Auf die Rechtmäßigkeit der mietvertraglichen Klausel habe es nur dann ankommen können, wenn der Klägerin eine etwaige Rechtswidrigkeit und somit Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre, wofür es aber keine Anhaltspunkte gebe. Über eine solche Konstellation hinaus stünden die Leistungen für Unterkunft nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht unter einem allgemeinen Rechtmäßigkeitsvorbehalt. Dem Beklagten bleibe somit nur die Möglichkeit eines Kostensenkungsverfahrens. Die Berufung ließ das Sozialgericht vorsorglich zu.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 16. November 2010 zugegangene Urteil am 24. November 2010 Berufung eingelegt: Wann und in welchem Umfang Kosten für persönliche und nicht gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen des Leistungsberechtigten anzuerkennen seien, ergebe sich abschließend aus § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II; hier: in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung, a.F.) sowie aus § 6 Abs. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V). Weiterhin sei der Abschluss einer Privat-Haftpflichtversicherung auch nicht wirksam mietvertraglich vereinbart worden, sondern ergebe sich aus einem an die Hausordnung gehefteten "Merkblatt". Weitere diesbezügliche Hinweise, Sanktionsandrohungen oder auch eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Versicherung während der Miet-zeit enthalte das Merkblatt nicht. Da die abgeschlossene Versicherung generell Haftpflichtschäden der Kläger abdecke, sei auch zu bezweifeln, dass der Versicherungsschutz vornehmlich dem Vermieter oder der Mietsache zugutekomme. Insoweit drohe eine Bevorzugung der Kläger vor anderen Leistungsberechtigten, die die Kosten ihrer Haftpflichtversicherung mangels Einnahmen nicht im Wege von § 11 Abs. 2 SGB II a.F. absetzen könnten. Schließlich sei es dem Vermieter unbenommen gewesen, selbst eine entsprechende Versicherung abzuschließen und die Aufwendungen hierfür als Betriebskosten auf die Mieter umzulegen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angegriffene Urteil: Die Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung ergebe sich aus dem Mietvertrag und sei Voraussetzung für den Abschluss dieses Vertrages gewesen.

Der Senat hat am 9. August 2012 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte sowie die Leistungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist statthaft und jedenfalls kraft der vorsorglich ausgesprochenen Zulassung durch das Sozialgericht zulässig (zur Möglichkeit einer vorsorglichen Zulassung vgl. nur Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 144 Rn. 46), jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil ist rechtmäßig. Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten zu höheren Leistungen unter Berücksichtigung auch der Prämien für die Privat-Haftpflichtversicherung verurteilt.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist ein Anspruch der Kläger auf regelmäßig wiederkehrende Übernahme der vierteljährlich fällig werdenden Prämien für ihre Privat-Haftpflichtversicherung. Dieser Streitgegenstand ist in zeitlicher Hinsicht nicht auf den zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung laufenden Bewilligungsabschnitt oder auf den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht begrenzt. Vor allem ist auch unschädlich, dass die Kläger nicht auch spätere Bescheide über die Bewilligung laufender Leistungen unter dem Aspekt der Aufwendungen für ihre Haftpflichtversicherung angegriffen haben. Da die streitigen Leistungen nicht monatlich anfallen, sind sie nicht Bestandteil der monatlich erbrachten laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Die Kläger haben Anspruch auf Übernahme auch der Prämien für ihre Privat-Haftpflichtversicherung aus Mitteln der Grundsicherung für Arbeitsuchende gem. § 22 Abs. 1 SGB II, denn es handelt sich um angemessene Kosten der Unterkunft. Zu den Kosten einer nicht im Eigentum des Leistungsberechtigten stehenden Unterkunft i.S.d. § 22 Abs. 1 SGB II gehört der Mietzins inklusive derjenigen Kosten, die sich aus dem Mietvertrag ergeben und für den Leistungsberechtigten unvermeidbar sind, d.h. von denen er sich nicht vertraglich freizeichnen oder die er nicht isoliert kündigen kann (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 2/10 R; BSG, Urteil vom 7.5.2009, B 14 AS 14/08 R). Anerkannt ist vor allem die Übernahme der Kosten einer mit vom Mietvertrag umfassten Garage (Lauterbach, in: Gagel, SGB II / SGB III, 45. Ergänzungslieferung 2012, § 22 Rn. 21) oder eines Anschlusses an das Kabelfernsehen (Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 23). Auch die ggf. gesondert im Mietvertrag "ausgeworfenen" Aufwendungen für die Möblierung bei der Anmietung möblierten Wohnraums gehören zum Bedarf nach § 22 SGB II (BSG, Urteil vom 7.5.2009, B 14 AS 14/08 R). Angesichts dieser nur "gelockerten" Anbindung der Kosten an den eigentlichen Wohnbedarf erscheint es folgerichtig, auch die Kosten einer Privat-Haftpflichtversicherung des Mieters als Kosten der Unterkunft i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II aufzufassen, wenn der Mietvertrag – wie hier – dem Mieter den Abschluss einer solchen Versicherung zwingend auferlegt.

Hierbei kommt es - wie das Sozialgericht zutreffend feststellt - nicht maßgeblich auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der entsprechenden Klauseln an, sondern auf die tatsächliche Abwicklung des Mietverhältnisses. Zwar dürfte mehr gegen als für die Wirksamkeit einer mietvertraglichen Klausel sprechen, die den Mieter zum Abschluss einer Privat-Haftpflichtversicherung verpflichtet. Neben der vom Sozialgericht zitierten Entscheidung des Landgericht Berlin (Urteil vom 16.9.1992, 26 O 179/09) hat auch das Landgericht München (Urteil vom 3.7.1997, 7 O 18843/96) eine solche Klausel als unwirksam angesehen. Obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung scheint insoweit allerdings nicht vorzuliegen. Der deutsche Mieterbund teilt diese Auffassung mit der Begründung, eine solche Klausel sei überraschend (www.mieterbund.de/3144html). § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II steht jedoch nicht unter einem Rechtmäßigkeitsvorbehalt. Der vierte Senat des Bundessozialgerichts hat hierzu ausgeführt (Urteil vom 22.9.2009, B 4 AS 8/09 R): Diese Auslegung entspricht auch dem aus der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck der Vorschrift. Mit der Regelung über die Leistungen für Unterkunft und Heizung wollte der Gesetzgeber die Kosten wie in der Sozialhilfe in tatsächlicher, angemessener Höhe berücksichtigen. Hierbei sollen die zu beachtenden Voraussetzungen den sozialhilferechtlichen Regelungen entsprechen (BT-Drucks 15/1516, S. 57). Es entspricht folglich dem Zweck der Vorschrift, die existenziellen notwendigen Bedarfe der Unterkunft und Heizung sicher zu stellen (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 15c). Das Ziel der Sicherstellung der insoweit entstehenden Bedarfe kann nur verwirklicht werden, wenn sich die Leistungsgewährung an den tatsächlich entstehenden Aufwendungen ausrichtet. Hierbei ist zudem in Rechnung zu stellen, dass eine rechtliche Bewertung der mietvertraglichen Beziehungen und der zu Grunde liegenden tatsächlichen Umstände für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen selbst in einer Vielzahl von Fällen praktisch unmöglich sein wird. Insoweit kann beispielhaft auf das Recht auf Minderung der Miete wegen Mängeln (§ 536 BGB) verwiesen werden, das zwar Kraft Gesetzes entsteht, nach Grund und Umfang aber in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft sein kann. Zudem treffen denjenigen, der sich im Streitfall auf das Recht beruft, zum Teil weitgehende Darlegungs- und Beweispflichten (vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand: September 2009, § 22 RdNr 27).

( ...)

Schließlich würde infolge des Grundsatzes der Kopfteilung der Unterkunftskosten die Begrenzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung auf rechtmäßig zu leistende Zahlungen auch Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft betreffen, die weder am Abschluss des Mietvertrages beteiligt waren, noch Kenntnis von dessen Inhalt haben.

Mit seiner an der tatsächlichen Abwicklung des Mietverhältnisses orientierten Betrachtungsweise setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 19.2.2009 (B 4 AS 48/08 R, RdNr 16). Zwar hat der Senat diese Entscheidung hinsichtlich der Nebenkosten auf die in § 2 Betriebskostenverordnung aufgeführten Betriebskosten abgestellt, jedoch ist damit auch die Leistungsgewährung bei Nebenkosten nicht unter einen allgemeinen Rechtmäßigkeitsvorbehalt gestellt worden. Vielmehr diente der Hinweis auf § 2 Betriebskostenverordnung ersichtlich lediglich dazu abzugrenzen, welche Positionen grundsätzlich als erstattungsfähige Nebenkosten anzusehen sind. Für die Nebenkosten gelten im Wesentlichen die gleichen Überlegungen wie oben dargelegt.

Der Senat schließt sich diesen Erwägungen nach eigener Prüfung an. Eine unangemessene Belastung der Allgemeinheit lässt sich dadurch vermeiden, dass der Leistungsträger – worauf das Sozialgericht den Beklagten auch hingewiesen hat – das Kostensenkungsverfahren betreibt (BSG a.a.O.). Diese Lösung gewährleistet sozialrechtlich einen angemessenen Interessenausgleich: Der Mieter wird die mietrechtliche Lage von sich aus kaum überblicken können und befindet sich wirtschaftlich zumeist in einer deutlich unterlegenen Position. Erst recht machtlos ist er, wenn der Vermieter den Abschluss des Mietvertrages tatsächlich vom Nachweis einer Haftpflichtversicherung abhängig macht.

Die Anerkennung von Prämien einer Haftpflichtversicherung steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Schadensersatzansprüche etc. des Vermieters aufgrund nicht ordnungsgemäßen Gebrauchs nicht zu den Kosten der Unterkunft gehören (BVerwG, Urteil vom 3.6.1996, 5 B 24/96). Unterschieden werden muss zwischen derartigen Ansprüchen und den Sicherungsmitteln, derer sich der Vermieter üblicherweise bedient. Eine mietvertragliche Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung dient zumindest einem ähnlichen Zweck wie die vom Mieter zu stellende und grundsicherungsrechtlich anerkannte Kaution.

Die vom Beklagten hiergegen vorgebrachten grundsätzlichen Einwände greifen nicht durch: Die Regelungen über die Berücksichtigung von Versicherungsbeiträgen bei der Anrechnung von Einkommen (§ 11 Abs. 2 SGB II a.F; jetzt § 11b SGB II iVm Alg II-V) stellen keine abschließende Sonderregelung für die Behandlung von (Haftpflicht-) Versicherungsprämien im SGB II dar. Hiergegen spricht zunächst der tatsächliche Befund: Dass die Prämien zur Wohngebäudeversicherung zu den Kosten einer im Eigentum des Leistungsberechtigten stehenden Unterkunft gehören, ist allgemein anerkannt (BSG, Urteil vom 24.2.2011, B 14 AS 61/10 R; Sächsisches LSG, Urteil vom 23.1.2012, L 7 AS 3/09; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.9.2011, L 12 AS 5858/10). Was die Umlage der Prämien einer vom Vermieter abgeschlossenen Versicherung als Teil der Nebenkosten angeht, so ist der Beklagte – wie er in der Berufungsbegründung betont – ohne Weiteres bereit, sie als Kosten der Unterkunft anzuerkennen. Einen weiteren Fall der Übernahme von Versicherungsprämien außerhalb der Berechnung anzurechnenden Einkommens enthält § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Grundsätzlich lässt sich den Anrechnungsvorschriften - insbesondere in systematischer und teleologischer Hinsicht - nicht die weitreichende Bedeutung einer abschließenden Regelung für Versicherungsprämien beimessen. Ihr Normzweck liegt in der Ermittlung der Einkommenshöhe als Teil der Bedürftigkeitsprüfung. Sie sollen einerseits sicherstellen, dass nur Einkommen angerechnet wird, das tatsächlich für den Lebensunterhalt zu Verfügung steht, andererseits dieses Einkommen nur um solche Abzüge vermindern, die den Lebensverhältnissen der Bezieher aufstockender Grundsicherungsleistungen angemessen sind. Der Regelungszweck des – gedanklich nachgeschalteten – § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist ein anderer: Alles, was der Leistungsberechtigte für die Befriedigung seines Bedarfes an Unterkunft aufwenden muss, ist übernahmefähig im Rahmen der Kosten der Unterkunft.

Ob der Versicherungsschutz hingegen – worauf der Beklagte abstellt – vornehmlich dem Vermieter zugutekommt, ist demgegenüber unbeachtlich, denn es kommt nicht auf den inhaltlichen Bezug zur Unterkunft an, sondern darauf, dass der Leistungsberechtigte die Verpflichtung zum Abschluss der Haftpflichtversicherung in dem Vertrag eingegangen ist, der ihm auch die Unterkunft sichert. Die hiermit im Ergebnis verbundene Privilegierung der betroffenen Leistungsberechtigten ist von der Allgemeinheit hinzunehmen. Wirtschaftlich kommt sie in erster Linie demjenigen zugute, der durch ein Verhalten des versicherten Leistungsberechtigten geschädigt wird und sich dann an den Haftpflichtversicherer halten kann. Die wirtschaftliche Privilegierung des haftpflichtversicherten Leistungsberechtigten besteht im Wesentlichen darin, dass er auch nach einem Ende des Leistungsbezugs nicht mit Schadensersatzansprüchen belastet ist (ein Ergebnis, das ebenso gut durch ein Insolvenzverfahren o.ä. eintreten kann). Eine (Lasten-) Verteilungsgerechtigkeit, die auch solche (keinesfalls häufig auftretenden) Ungleichbehandlungen vermeidet, ist nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen erfüllt, unter denen die Versicherungsprämien als Kosten der Unterkunft berücksichtigungsfähig sind. Zwar scheint der Nachweis einer Privat-Haftpflichtversicherung keine Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrages gewesen zu sein, jedoch ist er mietvertraglich vereinbart worden. Dass dies nicht in dem als Mietvertrag bezeichneten Schriftstück, sondern in der vom Mietvertrag ausdrücklich einbezogenen Anlage geschehen ist, ist unbeachtlich. Für eine Möglichkeit zur Freizeichnung von dieser vertraglichen Verpflichtung ist nichts ersichtlich. Soweit der Beklagte weiterhin darauf abhebt, das "Merkblatt" enthalte keine "weiteren diesbezüglichen Hinweise, Sanktionsdrohungen oder auch eine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Versicherung während der Mietzeit", ist letzteres bereits nicht richtig. Eine Formulierung, wonach eine Versicherung "für die Dauer der Mietzeit" abzuschließen sei, ist bei Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont so zu verstehen, dass der Mieter diese Versicherung für die Dauer der Mietzeit aufrechterhalten muss. Auch der Verweis auf fehlende Sanktionsdrohungen greift nicht durch. Wenn das Bundessozialgericht (Urteil vom 22.9.2009, B 4 AS 8/09 R; aus neuerer Zeit auch Urteil vom 24.11.2011, B 14 AS 15/11 R) den Leistungsträger bei Zweifeln an der (zivilrechtlichen) Wirksamkeit einer mietvertraglichen Vereinbarung auf das sog. Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II verweist, so verhindert dies, dass der Mieter in eine Lage gerät, in der er sich im Vertrauen auf die Unwirksamkeit der Klausel dem – wirtschaftlich in der Regel stärkeren – Vermieter gegenüber offen vertragswidrig verhalten muss. Diesem Gesichtspunkt kommt besondere Bedeutung zu, solange – wie hier – das Mietverhältnis noch andauert und der Leistungsberechtigte Grund hat, Störungen in diesem Vertragsverhältnis zu vermeiden. Ob und inwieweit dies auch im Zusammenhang mit der Beendigung des Mietverhältnisses gilt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24.11.2011, B 14 AS 15/11 R zu den Kosten einer Auszugsrenovierung), braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Da der Beklagte im vorliegenden Fall kein Kostensenkungsverfahren eingeleitet hat und es überdies für die rechtsunkundigen Kläger kaum erkennbar ist, wie sie sich gegen eine mietvertragliche Klausel wehren sollen, kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei den Klägern zumutbar gewesen, die Haftpflichtversicherung zu kündigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

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Rechtskraft
Aus
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