L 4 SO 86/12 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 SO 25/12 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 86/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 14. März 2012 insoweit aufgehoben, als der Antragsgegner damit zur vorläufigen Übernahme der Kosten für ein möbliertes Zimmer verpflichtet wurde.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig ab 18. Mai 2012 bis zur Bescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 7. Februar 2012 sowie bei Zurückweisung des Widerspruchs und anschließender fristgerechter Klageerhebung bis zur Entscheidung im 1. Rechtszug, längstens jedoch für ein Jahr, Leistungen nach § 67 SGB XII durch den Verein Soziale Hilfe e.V., A-Stadt, in Form des Betreuten Wohnens, mit nach den Betreuungsplänen des vorgenannten Vereins 20 Fachleistungsstunden/Monat für 6 Monate und 16,5 Fachleistungsstunden/Monat für dann zunächst vorläufig weitere 6 Monate zu gewähren hat.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C. BX. bewilligt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist im einstweiligen Rechtsschutz streitig, ob der Antragsgegner verpflichtet ist, dem Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache ambulante Hilfeleistungen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 67 Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) in der Form des Betreuten Wohnens einschließlich der Kosten eines möblierten Zimmers zu gewähren.

Der Antragsteller war zur Vollstreckung einer mit Urteil des Landgerichts Z. vom 25. Juni 1996 angeordneten Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Q-Stadt untergebracht. Mit Beschluss des Landgerichts B-Stadt vom 21. Juni 2011, Az.: xxxxx, war die Entlassung des Antragstellers aus der Sicherungsverwahrung zwar bereits mit Ablauf des 30. September 2011 zur Bewährung angeordnet worden, diese Entlassung hatte das Landgericht B-Stadt dann mit weiterem Beschluss vom 27. September 2011 jedoch wieder aufgehoben, weil das insoweit geplante Entlassungssetting nicht umzusetzen war. Es fehle bereits an einer ordentlichen Wohnmöglichkeit; der Antragsteller müsse praktisch auf die Straße oder, was der Sache nach dasselbe sei, in ein unbetreutes Männerwohnheim entlassen werden. Insoweit liege es nahe, dass der Antragsteller den damit notwendig einhergehenden Belastungen nicht gewachsen wäre. Damit sei ein unverzichtbarer Teil der hinreichend günstigen Kriminalprognose im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entfallen, ohne dass dem Antragsteller in diesem Zusammenhang ein Vorwurf zu machen sei, sondern es lediglich die zuständigen Stellen nicht vermocht hätten, ihm eine hinreichend stabile Umgebung anzubieten. Das Gericht werde die Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung unverzüglich erneut aussprechen, wenn eine hinreichende Entlassungssituation geschaffen worden sei.

Der Verein Soziale Hilfe e.V., A-Stadt, bot dem Antragsteller die Möglichkeit der Anmietung eines möblierten Zimmers sowie des betreuten Wohnens an.

Mit Schreiben vom 26. Januar 2012 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner eine Kostenzusage für eine solche Betreuung und konkretisierte unter dem 1. Februar 2012 sein Begehren auf die Gewährung von Leistungen nach § 67 SGB XII. Unter Darstellung der Hilfebedarfe wurde ein "Integrierter Behandlungs-/Rehabilitationsplan - IBRP" der Sozialen Hilfe e.V., A-Stadt, vorgelegt, wonach der erforderliche Hilfebedarf bei 20 Fachleistungsstunden pro Monat für 6 Monate, dann bei 16,5 Fachleistungsstunden für die nächsten 1,5 Jahre liege.

Mit ohne Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 7. Februar 2012 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Aus den Beschlüssen des Landgerichts B-Stadt und einem weiteren Beschluss des Oberlandesgerichts JU. gehe zwar unzweifelhaft hervor, dass der Antragsteller vom Gericht u. a. die Auflage bekommen habe, eine Wohnung mit einem kontrollierenden sozialen Netzwerk (Betreutes Wohnen) für eine vorzeitige Entlassung aus der Sicherungsverwahrung nachzuweisen; hier liege jedoch eine Versorgungslücke vor, da nicht geregelt sei, wer für die Übernahme der Kosten zuständig sei, wenn ein in Sicherungsverwahrung Inhaftierter vorzeitig aus dieser entlassen werde. Diese Versorgungslücke sei zunächst zwischen Justiz- und Sozialministerium zu klären.

Hiergegen legte der Antragsteller am 21. Februar 2012 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, es werde zu Unrecht darauf verwiesen, dass für den Fall der Entlassung von Sicherheitsverwahrten besondere Zuständigkeitsregelungen einzuhalten wären. Er habe Leistungen nach § 67 SGB XII beantragt zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach der Haftentlassung. Diese Voraussetzungen lägen auch vor, wobei der Antragsgegner nach den gesetzlichen Voraussetzungen für die Umsetzung und Unterstützung von Menschen in besonderen Lebenslagen zuständig sei. Für den Antragsteller sei mittels eines Gutachtens der Bedarf an Unterstützung mit zwei Stunden wöchentlich für die ersten sechs Monate in seiner eigenen Wohnung gesehen bzw. für eine Stunde für ein weiteres Jahr glaubhaft gemacht worden.

Am 21. Februar 2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Kassel den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und vorgetragen, bei Entlassung aus der Strafhaft auch jetzt mit gefundener Wohnmöglichkeit - gehöre er zu dem leistungsberechtigten Personenkreis. Eine Eingliederung in die Gesellschaft sei vor allem aus dem Gesichtspunkt des bei ihm vorliegenden "Institutionalismus-Syndroms" anzunehmen. Aufgrund der langjährigen Inhaftierung sei eine Gewöhnung an die in der Haft bestehenden Abläufe und Verpflegung eingetreten. Hier habe er eine seelische Anpassung vollzogen, die im Rahmen des Betreuten Wohnens aufgebrochen werden könne. Zudem sei bei ihm eine Deprivation festgestellt worden, der durch eine Resozialisierung begegnet werden sollte. Es sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller im Rahmen der regelmäßig zu erfolgenden Begutachtung zur Fortdauer der Sicherungsverwahrung untersucht worden sei. Dabei sei festgestellt worden, dass die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung nicht mehr vorliegen würden, da der Antragsteller aus Alters-, Gesundheitsgründen und mangels weiter anzunehmender Gefährlichkeit zu entlassen sei. Insofern sei der Vergleich zu anderen aus der Strafhaft zu entlassenden Personen auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG bzw. der des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht möglich, da es sich hier um eine reguläre, vorzeitige Entlassung mit Bewährung handeln würde. Die sachliche Zuständigkeit des Antragsgegners für die beantragten Leistungen folge dabei aus dem Hessischen Ausführungsgesetz zum SGB XII, wonach der örtliche Sozialhilfeträger für die Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel zuständig sei. Dieser sei nach § 98 SGB XII bei Formen des ambulanten betreuten Wohnens der Antragsgegner. Ein Abwarten des Widerspruchsverfahrens sei ihm darüber hinaus aus den vorgenannten Gründen nicht zuzumuten.

Der Antragsgegner hat vorgetragen, der Gesetzgeber habe es bislang versäumt, darüber zu entscheiden, wer für die nach der Entlassung notwendigen Maßnahmen zu tragenden Kosten zuständig sei. Insoweit sei die Frage offen, wer hinsichtlich der nach den Vorgaben des BVerfG schnellstmöglich zu entlassenden Personen die Kosten der Nachsorge trage. Zwar sei am 13. Oktober 2011 eine Vereinbarung über die Integration von Strafgefangenen in Hessen durch das Hessische Justizministerium, das Hessische Sozialministerium, die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit, den Hessischen Städtetag, den Hessischen Landkreistag, den Landeszusammenschluss für Straffälligenhilfe in Hessen und den Landeswohlfahrtsverband Hessen unterzeichnet worden. Zur Entlassung anstehende Sicherungsverwahrte seien dagegen keine Strafgefangenen und deshalb von dieser Vereinbarung nicht erfasst. Diese Ansicht werde sowohl vom Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) wie auch vom Hessischen Landkreistag mitgetragen. Konsequenterweise sei die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Hessischen Strafvollzugsgesetz deshalb auch besonders geregelt und vom Strafvollzug insoweit abgetrennt worden. § 74 Strafvollzugsgesetz bestimme darüber hinaus, dass die Strafvollzugsbehörden die Entlassung vorzubereiten hätten, den Sicherungsverwahrten zu beraten und ihm zu helfen hätten, Arbeit, Unterkunft und persönlichen Beistand für die Zeit nach der Entlassung zu finden. Die Unterlassungen des Gesetzgebers hätten bei alledem zur Folge, dass die Justiz letztlich eine Regelung über die Kostentragung fällen müsse, was gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoße. Im Übrigen sei in der Tatsache, dass das Land Hessen zwar über seine Justizverwaltung Voraussetzungen für die Entlassung des Antragstellers bindend festgelegt habe, deren Kostentragung jedoch nunmehr vollumfänglich dem Antragsgegner aufbürden wolle, ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung zu sehen. Der Verein Soziale Hilfe e.V. weise insoweit selbst darauf hin, dass der Antragsteller intensiv betreut werden müsse, wobei der im betreuten Wohnen ansonsten übliche Betreuungsschlüssel bei 1: 15 liege, hier jedoch ein solcher von 1: 6 als notwendig angesehen werde. Allein dies zeige den Unterschied zu Personen, die üblicher Weise aus einer Haft entlassen würden. Wenn das Gericht insoweit auf § 43 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) verweise, sehe man dessen Voraussetzungen bereits deswegen nicht als erfüllt an, weil es sich beim Land Hessen nicht um einen Sozialleistungsträger handele. Im Übrigen sei der Antragsteller erwerbsfähig, so dass hier auch nicht der Antragsgegner für die Erbringung der hier streitigen Hilfen zuständig sei, sondern, wenn überhaupt, allenfalls der Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Bei alledem bestehe kein Anordnungsanspruch, da nach wie vor nicht gesehen werde, inwieweit der Antragsgegner sachlich für die beantragten Leistungen zuständig sei.

Mit Beschluss vom 14. März 2012 hat das Sozialgericht dem Antragsgegner aufgegeben, dem Antragsteller, einsetzend mit der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung, vorläufig bis zur Bescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 7. Februar 2012 sowie bei Zurückweisung des Widerspruchs und anschließender fristgerechter Klageerhebung bis zur Entscheidung im 1. Rechtszug, Leistungen nach § 67 SGB XII durch den Verein Soziale Hilfe e.V., A-Stadt, in Form des Betreuten Wohnens, mit nach den Betreuungsplänen des vorgenannten Vereins 20 Fachleistungsstunden/Monat für 6 Monate und 16,5 Fachleistungsstunden/Monat für dann zunächst vorläufig weitere 6 Monate zu gewähren; dies bis zum Einsetzen einer Leistungsgewährung durch das hierfür zuständige Jobcenter im gesetzlichen Umfang zzgl. der Kosten, die durch das dem Antragsteller vom vorgenannten Verein zur Verfügung gestellte, möblierte Zimmer entstünden. Die Kammer sehe einen Anordnungsanspruch für eine Regelungsanordnung als gegeben an. Die beantragten Leistungen würden dabei auch unter dem Gesichtspunkt einer Entlassung aus der Sicherungsverwahrung auf Bewährung aus den Ausführungen des Antragstellers heraus, die sich die Kammer zu Eigen mache, zumindest im konkreten, individuellen Einzelfall des Antragstellers, dem Grunde nach von § 67 SGB XII erfasst, ohne dass es hierbei darauf ankomme, dass der nach summarischer Prüfung nicht zu beanstandende und im Ergebnis auch mit dem Gutachten des Dr. med. WW. in Einklang stehende, vom Verein Soziale Hilfe e.V. veranschlagte zeitliche Umfang der zu gewährenden Hilfen, den eines "regelhaften" Betreuten Wohnens überschreite. Auch insoweit bleibe auf den Einzelfall abzustellen, wobei der vom vorgenannten Verein erstellte IBRP gerade diesem Einzelfall tatsächlich und nachvollziehbar Rechnung trage. Es liege insoweit eine konkret individuelle Hilfeplanung vor, aus der der ermittelte Hilfeumfang sowohl vom Inhalt als auch vom zeitlichen Umfang her individuell nachvollzogen werden könne, ohne auf einer in erster Linie lediglich allgemeinen Leistungsbeschreibung zu basieren. Dass die Betreuung ggf. eine intensivere individuelle Befassung mit dem Antragsteller als im ansonsten "vorgehaltenen" Umfang beinhalte, bleibe also zumindest in der vorliegenden Fallgestaltung genauso unbeachtlich, wie das vom Antragsgegner für sich in Anspruch genommene Fehlen einer ausdrücklichen Zuweisung von Fallgestaltungen der vorliegenden Art in den Zuständigkeitsbereich der Sozialhilfe. Der grundsätzliche Anspruch nach § 67 SGB XII bleibe hiervon jedenfalls unberührt. Ob und inwieweit das Land Hessen dem zuständigen Sozialhilfeträger dabei einen finanziellen Ausgleich einräume, lasse diesen Anspruch jedenfalls nicht entfallen und sei allein auf politischer Ebene zu klären. Insoweit seien Entlassungsvoraussetzungen dann aber auch nicht von der Justizverwaltung selbst vorgegeben worden, sondern von einem - was der Antragsgegner verkenne - unabhängigen Gericht. Dies beinhalte damit gleichzeitig auf der Grundlage des weiteren Vorbringens des Antragstellers auch einen Anordnungsgrund im o. a. Sinne. Ein weiteres Zuwarten sei dem Antragsteller - wie von ihm geltend gemacht - nicht zumutbar, wobei Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund abschließend auch im Sinne einer zumindest vorläufigen Kostenübernahme bis zum Einsetzen einer Leistungsgewährung durch das hierfür zuständige Jobcenter dann auch hinsichtlich der Kosten zur Anwendung gelangten, die durch das dem Antragsteller vom vorgenannten Verein zur Verfügung gestellte möblierte Zimmer entstünden. Die Befristung auf vorläufig ein Jahr trage dem Charakter einer einstweiligen Anordnung Rechnung.

Gegen den ihm am 15. März 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 28. März 2012 über das Sozialgericht Kassel Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 4. Mai 2012 hat der Senat die Beiladung der Beigeladenen zu 1) und 2) gemäß § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgesprochen. Am 18. Mai 2012 ist der Antragsteller aufgrund des Beschlusses des Landgerichts B-Stadt vom 2. April 2012 aus der Justizvollzugsanstalt entlassen worden.

Der Antragsgegner trägt im Wesentlichen vor, bereits der Tenor des angegriffenen Beschlusses sei zu unbestimmt, da das Sozialgericht einerseits die vorläufige Leistung auf ein Jahr befristet habe, gleichzeitig der Tenor vorschreibe, dass die vorläufige Leistungsgewährung bei Zurückweisung des Widerspruchs bis zu Entscheidung im ersten Rechtszug zu erfolgen habe. Eine Entscheidung im ersten Rechtszug innerhalb eines Jahres sei zweifelhaft. Auch werde die Höhe der Kosten der zu übernehmenden Leistungen nicht beziffert. Materiell-rechtlich sei die Beigeladene zu 1) vorrangig für die Übernahme der Unterkunftskosten zuständig, da der Antragsteller voll erwerbsfähig sei. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I sei nicht erfüllt, da nicht zwischen mehreren Leitungsgegnerin streitig sei, wer zur Leistung verpflichtet sei, nach dem er – der Antragsgegner – bislang ausschließlich in Anspruch genommen werde. Im Hinblick auf zu erwartende Ansprüche auf Überbrückungsbeilhilfe nach § 75 Hessisches Strafvollzugsgesetz und etwaige Ansprüche auf Arbeitslosengeld I sei nicht nachgewiesen, dass der Antragsteller die Unterkunftskosten nicht aus anderweitigen Mitteln decken könne. Darüber hinaus sei er der Antragsgegner – jedenfalls nicht zur Übernahme von Kosten der Unterkunft für Zeiten verpflichtet, zu denen der Antragsteller sich noch in Sicherungsverwahrung befunden habe. Dies verstoße gegen das Bedarfsdeckungsprinzip. Weiter sei es Aufgabe der Strafvollzugsbehörden, mithin des Beigeladenen zu 2), die Vorbereitung der Wiedereingliederung des Antragstellers durchzuführen. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil zur Sicherungsverwahrung vom 4. Mai 2011 (Az.: 2 BvR 2333/08 u. a.) festgestellt, dass die Strafvollzugsbehörden dazu verpflichtet seien, während der laufenden Sicherungsverwahrung Vollzugspläne zu erstellen, aus denen sich im Einzelnen ergebe ob und in welcher Weise dem Untergebrachten eine realistische Wiedereingliederung in die Gesellschaft geboten werden könne und die durch die Entlassung entstehenden Risikofaktoren für die Allgemeinheit minimiert werden könnten. Dass dem Gesetzgeber eine Regelungsfrist eingeräumt worden sei, bedeute nicht, dass die Entlassung in keiner Form vorbereitet werde mit der Folge der ausschließlichen Kostentragungspflicht des Sozialhilfeträgers. Originär zuständig für die Erstellung, Durchführung und Kostentragung eines Integrationsplanes sei der Beigeladene zu 2), denn die Integration der vorzeitig aus der Sicherungsverwahrung zu entlassenden Personen sei dem Aufgabenkreis des Justizvollzugs zuzurechnen. Die Situation des Antragstellers sei derjenigen eines aus der Haft entlassenen Strafgefangenen vergleichbar, für die die soziale Wiedereingliederung in die Gesellschaft in Form der Bewährungshilfe gem. § 56d StGB, insbesondere § 56d Abs. 3 StGB geregelt sei, deren Ausgestaltung und Finanzierung den Ländern obliege. Die Zuständigkeitsfrage könne auch nicht offen bleiben, da es sich beim Beigeladenen zu 2) nicht um einen Sozialleistungsträger handele, das allgemeine Verwaltungsrecht jedoch keinen Erstattungsanspruch eines vorläufig leistenden Leistungsträgers kenne. Der Rechtsanspruch des Antragstellers gegen den Beigeladenen zu 2) ergebe sich unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz. Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (Az.: 1 BvL 1/09) zur Verfassungswidrigkeit der Regelleistungen nach dem SGB II ergebe sich, dass das Gericht in Fällen, in denen der Gesetzgeber es über Jahre hinweg versäumt habe, einen Leistungsanspruch eines Leistungsberechtigten im Gesetz zu verankern, einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf die Leistung sehe.

Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 14. März 2012 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller trägt vor, es bestehe zurzeit keine gesetzliche Regelung zu Lasten des Beigeladenen zu 2) speziell für die Nachbetreuung von Inhaftierten, die aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Die angeordnete Führungsaufsicht berühre die Hilfen nach § 67 SGB XII nicht. Zu letzteren zählten auch die Maßnahmen zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung, so dass auch Kosten der Unterkunft übernommen werden könnten. Weder Bewährungshilfe noch Führungsaufsicht dienten dazu eine soziale Eingliederung zu fördern und zu stützen, andere Hilfen zur Wiedereingliederung nach Haft in die Gesellschaft seien nicht normiert. Es liege auch keine Regelungslücke vor, da es bei § 67 SGB XII auf den Grund der Inanspruchnahme der Hilfen nach dem Wortlaut ausdrücklich nicht ankomme. Die Pflicht des Staates zur Gewährung von Hilfen bestehe neben der Prävention - etwa durch Auflagen an die zur Bewährung zu entlassenden Personen, sich in regelmäßigen Abständen zu melden oder Drogenkontrollen durchführen zu lassen - begleitend auch darin, weitere Hilfen zu gewähren, die soziale Fertigkeiten und Strukturen beträfen. Eines Anspruchs unmittelbar auf Grundlage der Verfassung als "Haft-Nachsorge" bedürfe es nicht.

Der Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsatz vom 14. Mai 2012 zunächst mitgeteilt, dass der Antragsteller dort keine Anträge gestellt habe. Mit Bescheid vom 9. Juli 2012 hat der Beigeladene zu 1) sodann auf einen Antrag vom 11. Juni 2012 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2012 bis 30. November 2012 für die Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt.

Der Beigeladene zu 2) hat unter näherer Angabe von Einzelmaßnahmen dargetan, dass die Justizvollzugsanstalt Q-Stadt mannigfache Entlassungsvorbereitungen für den zwischenzeitlich unter Führungsaufsicht stehenden Antragsteller getroffen habe.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist nur soweit aus dem Tenor ersichtlich begründet.

Im Übrigen hat das Sozialgericht zutreffend in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss erkannt, dass der Antragsteller hinsichtlich der Leistungen zur Überwindung besonderer sozialen Schwierigkeiten gemäß §§ 67 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch Sozialhilfe – (SGB XII) sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Nach § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage dagegen offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, 927, und vom 15. Januar 2007, 1 BvR 2971/06, juris).

Zunächst sind hinsichtlich der vom Antragsteller begehrten Kosten der Unterkunft die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben.

Zwar wäre der Antragsgegner gemäß § 43 SGB I als erstangegangener Sozialleistungsträger jedenfalls für eine vorläufige Leistungsgewährung zuständig geworden (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Beschluss des 7. Senats des HLSG vom 9. September 2011, Az. L 7 SO 190/11 B ER, juris RdNr. 9 ff.), jedoch hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Denn wie sich aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen ergibt, hat der Antragsteller die Kosten der Unterkunft für die Zeit seit der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung am 18. Mai 2012 bis zum 31. Mai 2012 aus eigenen Mitteln, nämlich dem bei Entlassung gezahlten Überbrückungsgeld in Höhe von insgesamt 1.496,00 EUR decken können. Der Einsatz des Überbrückungsgeldes zur Deckung des Bedarfs an Kosten der Unterkunft und Heizung war dem Antragsteller auch zuzumuten (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage 2012, § 86b RdNr. 35), da es materiell-rechtlich als gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen zu beurteilen ist. Es handelt sich dabei um eine zweckbestimmte Einnahme, die gemäß § 51 Abs. 1 Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung - Strafvollzugsgesetz (StVollzG) zu bilden ist, um den notwendigen Lebensunterhalt der Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung aus der Haft zu sichern (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. April 2009, L 12 AS 5623/08, juris). Seit 1. Juni 2012 bezieht er aufgrund des Bescheids des Beigeladenen zu 1) vom 9. Juli 2012 Leistungen nach § 22 SGB II zur Deckung der Kosten für Unterkunft und Heizung.

Die Voraussetzungen für die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, im tenorierten Umfang Leistungen zur Überwindung besonderer sozialen Schwierigkeiten gemäß §§ 67 ff. SGB XII zu erbringen, liegen indessen vor, Anordnungsanspruch und grund sind glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller hat zunächst glaubhaft gemacht, dass er zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehört.

Hiernach sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind (§ 67 Abs. 1 S. 1 SGB XII).

Der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten wird in § 1 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (VO nach § 69 SGB XII) konkretisiert. Danach leben Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten, wenn besondere Lebensverhältnisse derart mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, dass die Überwindung der besonderen Lebensverhältnisse auch die Überwindung der sozialen Schwierigkeiten erfordert. Nachgehende Hilfe ist Personen zu gewähren, so weit bei ihnen nur durch Hilfe nach dieser Verordnung der drohende Wiedereintritt besonderer sozialer Schwierigkeiten abgewendet werden kann (Abs. 1). Besondere Lebensverhältnisse bestehen bei fehlender oder nicht ausreichender Wohnung, bei ungesicherter wirtschaftlicher Lebensgrundlage, bei gewaltgeprägten Lebensumständen, bei Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung oder bei vergleichbaren nachteiligen Umständen. Besondere Lebensverhältnisse können ihre Ursache in äußeren Umständen oder in der Person des Hilfesuchenden haben (Abs. 2). Soziale Schwierigkeiten liegen vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, insbesondere im Zusammenhang mit der Erhaltung oder Beschaffung einer Wohnung, mit der Erlangung oder Sicherung eines Arbeitsplatzes, mit familiären oder anderen sozialen Beziehungen oder mit Straffälligkeit (Abs. 3).

Danach sind von besonderen Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten betroffen sowohl Personen, die aus der Strafhaft entlassen werden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17. September 2009 - L 18 SO 111/09 B ER - Juris), als auch solche, die sich – wie der Antragsteller - in der vergleichbaren Situation der Entlassung aus der langjährigen Sicherheitsverwahrung befinden. Soziale Schwierigkeiten allein und damit Lebensschwierigkeiten allgemeiner Art reichen indessen nicht aus. Die sozialen Schwierigkeiten müssen vielmehr von einer solchen Intensität sein, dass dem Betroffenen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nicht nur vorübergehend entweder nicht oder nur erheblich eingeschränkt möglich ist (vgl. hierzu näher Bieback in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2012, § 67 Rn. 14 ff. m. w. N.). Eine solche erhebliche Einschränkung hat der Antragsteller glaubhaft gemacht und ist zwischen den Beteiligten dem Grunde nach auch unstrittig. Denn nach dem psychiatrischen Gutachten des Dr. WW. vom 8. Dezember 2011 ist nachvollziehbar, dass der Antragsteller nach langjähriger Sicherungsverwahrung eine "seelische Anpassung" vollzogen hat, die das Fußfassen im Leben außerhalb der Haftanstalt erschwert. Als Folge des vom Sachverständigen so genannten "Institutionalismus-Syndroms" muss der Antragsteller erst wieder lernen, Beziehungen unter den Bedingungen der Freiheit einzugehen und zu entwickeln sowie in einer modernen Gesellschaft, die ihm nicht vertraut ist, eine Rolle zu finden. Beim Antragsteller kommen die beschriebenen Probleme der von Deprivation geprägten Lebensgeschichte erschwerend hinzu. Aus dem Gutachten wird darüber hinaus glaubhaft, dass der Antragsteller diese Schwierigkeiten nicht aus eigener Kraft zu überwinden vermag; neben verbindlichen sozialen Kontakten benötigt er regelmäßige Kontrolle, praktische Unterstützung und Begleitung im Alltag sowie Beratung, Training und Schulungen, mithin Hilfen, um sich wieder in die Gemeinschaft einzugliedern und zu befähigen, seine Schwierigkeiten bei dieser Integration aktiv zu überwinden.

Der Umfang der erforderlichen Hilfen ist sowohl durch das Gutachten des Dr. WW. als auch den Integrierten Behandlungs-/Rehabilitationsplan des Sozialen Hilfe e.V., A-Stadt, glaubhaft gemacht, wonach ein Hilfebedarf von zunächst 20 Fachleistungsstunden/Monat für die Dauer von sechs Monaten nach der Entlassung und darüber hinaus 16,5 Fachleistungsstunden/Monat für die Dauer von weiteren 1,5 Jahren besteht. Soweit der Antragsgegner einwendet, der vom Verein Soziale Hilfe e.V. angegebene Betreuungsschlüssel von 1: 6 übersteige den sonst üblichen Betreuungsschlüssel von 1: 15 erheblich, kann der Senat hieraus keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass es sich bei den erforderlichen Hilfen nicht um solche nach §§ 67 ff. SGB XI handelt. Denn bereits aus § 68 Abs. 1 SGB XII ergibt sich zwanglos, dass die Leistungen alle Maßnahmen umfassen, die notwendig sind, um die Schwierigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern und ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere Beratung und persönliche Betreuung, ohne dass diese Maßnahme dem Grundsatz nach zeitlich oder hinsichtlich ihrer Intensität beschränkt wären. Vielmehr bemessen sich Art und Umfang der Maßnahmen nach dem Ziel, die Hilfesuchenden zur Selbsthilfe zu befähigen, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen und die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu sichern (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VO zu § 69 SGB XII).

Vorrangige Leistungen im Sinne von § 67 Satz 2 SGB XII kommen nicht in Betracht. Aus dem psychiatrischen Gutachten des Dr. WW. ergibt sich insbesondere – und das ist für den Senat in Ermangelung anderer Anhaltpunkte auch nicht in Frage zu stellen – dass der Antragsteller nicht durch eine Behinderung im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in der Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt ist.

Soweit Leistungen nach §§ 67 ff. SGB XII dem allgemeinen Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII unterliegen, ist ein vorrangig verpflichteter Leistungsträger nicht gegeben. Zunächst sind weder die Bundesagentur für Arbeit, von der der Antragsteller gegenwärtig Arbeitslosengeld I bezieht, noch der Beigeladene zu 1), der die Kosten der Unterkunft trägt, vorrangig leistungsverpflichtet, denn beide Träger sind für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht zuständig.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners besteht auch keine vorrangige Leistungsverpflichtung des Beigeladenen zu 2), denn hierfür fehlt es an einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage, aus der sich ein vorrangiger Leistungsanspruch ergeben könnte.

Der Beigeladene zu 2) ist zwar – worauf der Antragsgegner auch hingewiesen hat - gemäß § 68 Abs. 1 i. V. m. § 16 Hessisches Strafvollzugsgesetz verpflichtet gewesen, den Antragsteller frühzeitig auf die Entlassung aus der Unterbringung vorzubereiten, indessen hat der Beigeladene zu 2) im Einzelnen dargelegt, welche Entlassungsvorbereitungen für den Antragsteller durchgeführt wurden und dass damit die gesetzliche Verpflichtung aus dem Strafvollzugsgesetz erfüllt wurden. Welche weiteren, einfach gesetzlich geregelte Leistungsansprüche des Antragstellers sich darüber hinaus ergeben sollten, ist nicht ersichtlich und konnte auch vom Antragsgegner nicht dargetan werden.

Soweit der Antragsgegner seine Zuständigkeit unter Berufung aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Abrede zu stellen versucht, verkennt er grundlegend die Funktion dieser grundgesetzlichen Gewährleistungen. Träger des Grundrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG ist der Antragsteller, nicht der Antragsgegner. Als Teil der staatlichen Gewalt ist es nach Art.1 Abs. 1 Satz 2 GG die Pflicht des Antragsgegners, die Menschenwürde des Antragstellers zu achten und zu schützen. Dementsprechend hat er im Rahmen seiner durch das SGB XII begründeten gesetzlichen Leistungspflicht dem Antragsteller die existenzsichernden Leistungen der Eingliederungshilfe zu erbringen und kann dies nicht mit dem Verweis auf unbestimmte Ansprüche gegen andere Träger verweigern. Solche wären erst dann rechtlich erheblich, wenn sie gesetzlich bestimmt sind (§ 40 Abs. 1 SGB I), was vorliegend nicht der Fall ist.

Nichts anderes ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen, das bereits mehrfach entschieden hat, dass der Leistungsanspruch auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG zwar dem Grunde nach von der Verfassung vorgegeben ist, sein Umfang jedoch nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden kann. Er hängt von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation der Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und ist danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012, 1 BvL 10/10 u. a., juris RdNr. 92, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09 u. a., juris RdNr. 138 m. w. N).

Schließlich hat der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn die einstweilige Anordnung ist zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig. Dies ergibt sich zwanglos bereits aus den vom Antragsteller vorgelegten Beschlüssen des Landgerichts B-Stadt, wonach die vorzeitige Entlassung aus der Sicherungsverwahrung von dem Entlassungssetting abhängig gemacht wird und im Näheren insbesondere von der Sicherstellung der Finanzierung einer ordentlichen Wohnmöglichkeit sowie eines strukturierten Entlassungsumfelds. Die zwischenzeitlich zum 18. Mai 2012 erfolgte Entlassung aus der Unterbringung ist ausweislich des Beschlusses vom 2. April 2012 daher allein wegen der vorläufig durch den angegriffenen erstinstanzlichen Beschluss gesicherten Kostentragung erfolgt. Dies bedeutet, dass ohne die Regelungsanordnung mit einer erneuten Aufhebung der Aussetzung der Sicherungsverwahrung nach § 454a StPO – wie schon im Beschluss des Landgerichts B-Stadt vom 27. September 2011 – zu rechnen wäre. Im Hinblick auf die insoweit drohenden erneuten freiheitsentziehenden Maßnahmen und des sich hieraus ergebenden Grundrechtsbezugs, ist dem Antragsteller das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache offensichtlich nicht zuzumuten.

Die Kostenentscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Antragsteller ganz überwiegend obsiegt hat.

Dem Antragsteller war nach alledem Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG für das Beschwerdeverfahren zu gewähren.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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