L 4 KR 284/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1340/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 284/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Anspruch auf Krankengeld trotz fehlender ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wegen Fehleinschätzung des die Arbeitsunfähigkeit nachträglich bescheinigenden Vertragsarzts

NZB B 1 KR 107/12 B
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts wie folgt neu gefasst wird:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 15. März 2011 verurteilt, der Klägerin vom 25. Oktober bis 29. November 2010 Krankengeld unter Anrechnung bereits gezahlten Arbeitslosengelds zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für die Zeit vom 25. Oktober 2010 bis 29. November 2010 Anspruch auf Krankengeld hatte.

Die 1950 geborene Klägerin war als Bürokraft bei der Firma C. Verpackungssysteme Vertriebs GmbH in W. versicherungspflichtig beschäftigt und deswegen versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 30. September 2010. Bis zum Zeitpunkt der Beendigung erhielt die Klägerin Arbeitsentgelt.

Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M.-W. bescheinigte der Klägerin Arbeitsunfähigkeit mit der Erstbescheinigung vom 28. September 2010 bis voraussichtlich Sonntag, den 24. Oktober 2010. Als Diagnosen gab sie F 33.1 G (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode; gesicherte Diagnose), F 34.1 G (anhaltende affektive Störung, Dysthymia; gesicherte Diagnose) an. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin hierauf Krankengeld für die Zeit vom 01. bis 24. Oktober 2010 in Höhe eines täglichen Krankengelds von EUR 47,30.

Am Montag, dem 25. Oktober 2010 bescheinigte Ärztin M.-W. der Klägerin mit einem Auszahlschein für Krankengeld Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres. Als Diagnose gab sie wiederum F 33.1 G an. Die Beklagte lehnte es ab, der Klägerin ab 25. Oktober 2010 Krankengeld zu zahlen (Bescheid vom 26. Oktober 2010). Zur Begründung führte sie aus, der Gesetzgeber sehe vor, dass bei Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld am Tag nach der ärztlichen Feststellung entstehe. Das Bundessozialgerichts (BSG) habe hierzu ergänzend entschieden, dass sich der Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich nach dem Versicherungsverhältnis richte, das am Tag nach der ärztlichen Feststellung bestehe (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 37/06 R -, SozR 4-2500 § 46 Nr. 2). Da die Arbeitsunfähigkeit am 25. Oktober 2010 ärztlich festgestellt worden sei, seien die Verhältnisse am 26. Oktober 2010 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bestehe für die Klägerin jedoch keine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld mehr, da ihr Arbeitsverhältnis zum 30. September 2010 beendet worden sei.

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin, die ab 25. Oktober 2010 Arbeitslosengeld bezog, geltend, bei ihr habe seit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 28. September 2010 ein medizinisch unverändertes Krankheitsbild bestanden, so dass aus ärztlicher Sicht auf Grund der Diagnose und des dabei bestehenden typischen Krankheitsverlaufs die ganze Zeit Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Es handele sich nicht um eine Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit mit den von der Beklagten genannten Folgen, sondern um eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit seit 28. September 2010. Dies habe zum einen zur Folge, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld aus dem bis zum 30. September 2010 bestehenden Arbeitsverhältnis bestanden habe und zum anderen, dass weiterhin die letzte berufliche Tätigkeit für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich sei und nicht etwa der allgemeine Arbeitsmarkt aufgrund der mittlerweile eingetretenen Arbeitslosigkeit (Verweis auf BSG, Urteil vom 07. Dezember 2004 - B 1 KR 5/03 R -, SozR 4-2500 § 44 Nr. 3). Außerdem werde auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Oktober 2007 (L 8 KR 228/06, in juris) hingewiesen, nach welchem gerade bei psychiatrischen Erkrankungen eine persönliche Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erforderlich sei, wenn der MDK von der eindeutigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den behandelnden Facharzt abweichen wolle. Ohne diese persönliche Untersuchung durch den MDK läge eine völlig unzureichende medizinische Sachverhaltsaufklärung vor, mit der die Beklagte die ihr obliegende Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen schuldhaft verletze. Die Klägerin legte eine Bescheinigung der Ärztin M.-W. vom 28. Oktober 2010 vor, wonach aus ärztlicher Sicht aufgrund der Diagnose und aufgrund des dabei bestehenden typischen Krankheitsverlaufes davon auszugehen sei, dass für den zwischen beiden Bescheinigungen entstandenen Zeitraum keine Genesung eingetreten sei und aus medizinischer Sicht auch in dieser Zeit Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 15. März 2011). Die Grundsätze, dass erst mit dem Tag nach der ärztlichen Feststellung der Anspruch auf Krankengeld beginne, resultierten aus dem Urteil des BSG vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 2/07 R -, in juris. Nach diesem Urteil fänden diese Grundsätze nicht nur bei der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, sondern auch bei aufeinanderfolgenden Leistungszeiträumen Anwendung. Die ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit hätte durch die die Klägerin behandelnden Ärzte nur dadurch dokumentiert werden können, dass eine erneute Untersuchung spätestens am 24. Oktober 2010 hätte durchgeführt werden müssen. Tatsächlich sei der weitere Nachweis der Arbeitsunfähigkeit erst am 25. Oktober 2010 erfolgt. Dieser hätte einen Anspruch auf Krankengeld erst ab 26. Oktober 2010 zur Folge. Die den Anspruch auf Krankengeld erhaltende Mitgliedschaft nach § 192 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe am 24. Oktober 2010 mit dem Ende des Krankengeldanspruchs geendet. Ab 25. Oktober 2010 hätte der Versicherungsschutz durch die Familienversicherung sichergestellt werden können, die keinen Anspruch auf Krankengeld beinhalte.

Die Klägerin erhob am 14. April 2011 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) mit dem Begehren auf Zahlung von Krankengeld über den 24. Oktober 2010 hinaus. Über ihr bisheriges Vorbringen hinaus führte die Klägerin aus, seitens der behandelnden Ärztin M.-W. sei die Arbeitsunfähigkeit mit der Erstbescheinigung bis zum 24. Oktober 2010 (einem Sonntag) bescheinigt worden und ihr, der Klägerin, ein Folgetermin zum 25. Oktober 2010 gegeben worden. Sie, die Klägerin, habe aus ihrer Sicht davon ausgehen müssen, dass die entsprechende Untersuchung am 25. Oktober 2010 rechtzeitig gewesen sei. Dass die rechtzeitige Feststellung der selbst seitens der Beklagten nicht mehr bestrittenen objektiv zutreffenden Würdigung der über den 24. Oktober 2010 hinaus bestehenden Arbeitsunfähigkeit durch die behandelnde Ärztin unterblieben sei, liege daher nicht in ihrem Verantwortungsbereich und könne sich daher auch nicht zu ihren Lasten auswirken. Für den Fall, dass die Beklagte doch die objektiv bestehende Arbeitsunfähigkeit bestreiten sollte, sei auf das Urteil des BSG vom 07. Dezember 2004 (B 1 KR 5/03 R a.a.O.) hingewiesen, in dem das BSG ausführe, dass dem Versicherten, der bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Krankengeld gehabt habe, dieses bei unveränderten Verhältnissen bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer bzw. bis zu dem Zeitpunkt zu gewähren sei, zu dem aus er von sich aus eine ihm gesundheitlich zumutbare Beschäftigung aufnehme.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies ergänzend noch einmal darauf, dass die Klägerin, um den Nachweis der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit zu erbringen, sich spätestens am 24. Oktober 2010 erneut in ärztliche Behandlung hätte begeben und Arbeitsunfähigkeit bestätigen lassen müssen. Ärztin M.-W. habe in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft (hierzu im Folgenden) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie die Klägerin auf die Möglichkeit der Behandlung und Unterstützung durch den Hausarzt hingewiesen habe. Somit habe die Möglichkeit bestanden, dass die Klägerin sich vor Ablauf des 24. Oktober 2010 die Arbeitsunfähigkeit durch den Hausarzt verlängern lasse. Dies habe sie nicht getan.

Das SG zog die die Klägerin betreffende Leistungsakte der Bundesagentur für Arbeit, wonach der Klägerin unter Zugrundelegung einer Anspruchsdauer von 720 Tagen ab dem 25. Oktober 2010 Arbeitslosengeld bewilligt und gezahlt wurde, bei und hörte Ärztin M.-W. als sachverständige Zeugin. Die Ärztin gab an (Auskunft vom 20. Juni 2011), die Klägerin befinde sich seit Jahren wegen rezidivierender depressiver Episoden in ihrer Behandlung. Am 20. September 2010 habe die Klägerin sie erneut aufgesucht. Am 28. September 2010 sei eine Krankschreibung bis zum 24. Oktober 2010 erfolgt. Nach einem Praxisurlaub sei ihre Praxis dann erst ab 25. Oktober 2010 wieder geöffnet gewesen. Da am 28. September 2010 der schlechte Zustand der Klägerin und die bekannte Latenz des Wirkeintritts bei medikamentöser antidepressiver Behandlung eine rasche Besserung ausgeschlossen habe und ihr Praxisurlaub bevor gestanden habe, habe sie mit der Klägerin die Strategie der weiteren medikamentösen Behandlung besprochen und mit ihr vereinbart, dass sie sich zur Unterstützung der weiteren Behandlung und im Notfall zwischenzeitlich an ihren Hausarzt wenden solle. Weiterhin habe sie die Möglichkeit gehabt, regelmäßig Kontakt zu ihrem Psychotherapeuten aufzunehmen. Am 25. Oktober 2010 sei die Klägerin erneut in ihrer Praxis erschienen. Sie sei insgesamt bezüglich der depressiven Symptomatik etwas gebessert gewesen, es hätten aber weiterhin Symptome der Depression bestanden und eine Arbeitsunfähigkeit sei weiterhin gegeben gewesen. Das Erkrankungsbild sei auch ab 25. Oktober 2010 eindeutig so ausgeprägt gewesen, dass es auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsunfähigkeit begründet habe. Geendet habe die Arbeitsunfähigkeit am 29. November 2010. Die Ärztin fügte einen Arztbrief des Diplom-Psychologen Nuber vom 16. November 2009, bei dem sich die Klägerin seit 30. Oktober 2009 in Behandlung befindet, sowie einen eigenen Befundbericht für den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit vom 23. November 2010 und "Feststellungen nach dem Schwerbehindertenrecht" vom 09. April 2010 bei.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2011 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2011 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin über den 24. Oktober 2010 hinaus bis zum 29. November 2010 Krankengeld zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V, der zur Kosteneinsparung einen "Karenztag" beinhalte, stehe dem Anspruch der Klägerin auf Krankengeld nicht entgegen. In mehreren grundlegenden Urteilen vom 26. Juni 2007 (u.a. B 1 KR 37/06 R a.a.O.) vertrete das BSG die Auffassung, dass diese Vorschrift auch dann zur Anwendung komme, wenn ein arbeitsunfähiger Versicherter die Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit und die (weitere) Auszahlung seines Krankengeldes geltend mache. Nach dem in diesen Urteilen auch in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 08. November 2005 (B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1) komme ein rückwirkender Anspruch auf Zahlung von Krankengeld in Betracht, wenn der Versicherte ursprünglich alles für die Anspruchsentstehung erforderliche und ihm Zumutbare unternommen habe sowie die Gründe, die zum Anspruchsverlust führten, in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fielen. Bei "strikter" Anwendung der Grundsätze ergebe sich vorliegend in der Tat, dass die Klägerin ab dem 25. Oktober 2010 unabhängig von ihrem Gesundheitszustand vom Krankengeldbezug ausgeschlossen wäre. Unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben erscheine die "strikte" Anwendung von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V im vorliegenden Sachverhalt aber unverhältnismäßig. Mit dem Krankengeld bzw. der Aufrechterhaltung des Krankenversicherungsschutzes werde der Kernbereich des Grundrechts auf "Leben und körperliche Unversehrtheit" berührt. Das "Verschulden" der Klägerin, von einem Arztbesuch spätestens am 24. Oktober 2010 abgesehen zu haben, könne nur als geringe Obliegenheitsverletzung eingestuft werden. Denn die Notwendigkeit zur Wahrung des Krankengeldanspruchs bzw. zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit spätestens am 24. Oktober 2010 ärztlich attestieren zu lassen, sei für sie nicht erkennbar gewesen. Sie habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass es ausreiche, wie mit der Ärztin M.-Wulf vereinbart, am 25. Oktober 2010 erneut die Sprechstunde aufzusuchen. Dies gelte umso mehr als § 5 Abs. 3 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) bei Ausstellung einer Folgebescheinigung durchaus die Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit um bis zu zwei Tage erlaube. Somit ergebe eine Abwägung der widerstreitenden Interessen, dass zumindest bei der Ausstellung einer Folgebescheinigung unverschuldete, nur einen Tag umfassende Lücken, die zum vollständigen Verlust des Krankengeldes und ggf. des gesamten Krankenversicherungsschutzes führten, eine "strikte" Anwendung von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V nicht rechtfertigen könnten. Denn diese Rechtsfolge erscheine zur Erreichung des gesetzlichen Ziels (Karenztag zur Einsparung, Vermeidung von Manipulationen bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit) "übermäßig" und folge im Übrigen auch nicht zwingend aus dem Wortlaut der Norm. Denn die "Feststellung der Arbeitsunfähigkeit" beschränke sich nicht zwangsläufig nur auf das schlichte Ausfüllen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Vielmehr wohne der "Feststellung der Arbeitsunfähigkeit" stets auch ein wertender Erkenntnisprozess inne, so dass es mit dem Wortlaut der Vorschrift durchaus vereinbar sei, in Einzelfällen auch eine ärztlich begründete rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit mit einzubeziehen. Der Zeugenauskunft der Ärztin M.-W. könne in diesem Zusammenhang entnommen werden, dass sie, die Ärztin, der Klägerin am 28. September 2010 bis zum Ende des Praxisurlaubs am 24. Oktober 2010 Arbeitsunfähigkeit attestiert und für den ersten Öffnungstag der Praxis am 25. Oktober 2010 einen erneuten Behandlungstermin vergeben habe. Dies verdeutliche, dass Ärztin M.-W. offenkundig davon ausgegangen sei, bei diesem Ablauf seien die sozialen Rechte der Klägerin in ausreichender Weise gewahrt. Wenn ihr bewusst gewesen wäre, dass die erneute Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 25. Oktober 2010 um einen Tag verspätet sein könnte und daher ein Verlust des Krankengeldanspruchs drohen würde, hätte sie sicherlich das Ende der Arbeitsunfähigkeit erst auf den 25. Oktober 2010 datiert. Dass Ärztin M.-W. hiervon abgesehen habe, könne nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Hieran ändere auch der Einwand nichts, dass Ärztin M.-W. der Klägerin ausdrücklich empfohlen habe, sie solle sich während ihres Urlaubs im Notfall an ihren Hausarzt wenden bzw. mit ihrem Psychotherapeuten Kontakt aufnehmen. Diese Empfehlung sei in erster Linie therapeutisch motiviert gewesen und offenkundig nicht ausgesprochen worden, um den Krankengeldanspruch der Klägerin zu sichern. Unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses stehe für es, das SG, fest, dass die Klägerin bis zum 29. November 2010 durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Dem Krankengeldanspruch bis zum 29. November 2010 stehe nicht entgegen, dass die Klägerin während dieses Zeitraums Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erhalten habe, denn die Zahlung von Arbeitslosengeld bringe das Krankengeld nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V nur dann zum Ruhen, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des laufenden Arbeitslosengeldbezugs eintrete und die Arbeitsagentur für die Dauer von sechs Wochen das Arbeitslosengeld nach § 126 SGB III (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) fortzuzahlen habe. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, bewende es bei § 142 Satz 1 Nr. 2 SGB III (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung), wonach das Krankengeld dem Arbeitslosengeld vorgehe. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ergebe sich, dass die Klägerin seinerzeit bis zum 29. November 2010 Arbeitslosengeld zu Unrecht bezogen habe, denn die Arbeitsunfähigkeit sei schon vor dem Einsetzen des Arbeitslosengeldes eingetreten, so dass die Voraussetzungen des § 126 SGB III (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) nicht vorgelegen hätten. Dies habe zur Konsequenz, dass der Zeitraum vom 25. Oktober bis zum 29. November 2010 die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes nicht mindere (vgl. § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung), denn die Arbeitsagentur habe mit der Zahlung des Arbeitslosengeldes in Wirklichkeit den Anspruch der Klägerin auf Krankengeld erfüllt (§ 107 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Den entsprechenden Nachzahlungsbetrag könne die Klägerin nur unter Berücksichtigung etwaiger Erstattungsansprüche der Bundesagentur für Arbeit beanspruchen.

Gegen das ihr am 21. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Januar 2012 Berufung eingelegt. Die Auffassung des SG, dass ein Karenztag von Krankenkassen zu tolerieren sei, werde vom BSG in den Urteilen vom 26. Juni 2007 nicht geteilt. In einem weiteren Urteil vom 02. November 2007 (B 1 KR 12/07 R in juris) habe das BSG eindeutig dargestellt, dass die Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit an dem Tag erfolgen müsse, bis zu dem bisher Arbeitsunfähigkeit bescheinigt gewesen sei. Um den Anspruch auf Krankengeld weiter erhalten zu können, hätte die Klägerin spätestens am 24. Oktober 2010 weitere Arbeitsunfähigkeit feststellen lassen müssen. Dies habe sie nicht getan, damit scheide die weitere Zahlung von Krankengeld aus. Unabhängig davon könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Fehler der Ärztin M.-W. bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 28. September 2010 dazu geführt habe, dass sie, die Ärztin, die Klägerin nur bis 24. Oktober 2010 arbeitsunfähig geschrieben habe. Das SG habe offensichtlich einen Fehler darin gesehen, dass das Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit mit dem Ende des Praxisurlaubs der Ärztin M.-W. zusammengefallen sei. Es habe offengelassen, bis zu welchem Zeitpunkt die Ärztin M.-W. die Klägerin hätte arbeitsunfähig schreiben müssen, ohne dass von einem Fehler der Ärztin auszugehen gewesen wäre. Die Schlussfolgerungen des SG müssten dazu führen, dass in allen Fällen, in denen ein Arzt einem Patienten bis Samstag oder Sonntag Arbeitsunfähigkeit bescheinige, ein Fehler des Mediziners vorliege, wenn der Kläger erst am darauffolgenden Montag wieder in der Praxis erscheine, um die Arbeitsunfähigkeit verlängern zu lassen. Diese Betrachtungsweise stimme mit den Entscheidungen des BSG nicht überein. Einem Vertragsarzt obliege im Zusammenhang mit der Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit die Beurteilung, ob ein Versicherter die zuletzt ausgeübte Beschäftigung wieder aufnehmen könne. Seine Beurteilung habe ausschließlich medizinische Inhalte. Aus den vorliegenden Unterlagen ließen sich keine Hinweise entnehmen, dass Ärztin M.-W. bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ein Fehler unterlaufen sei. Die Vorgehensweise der Ärztin entspreche der üblichen Praxis. Keinesfalls könne eine Pflichtverletzung der Ärztin festgestellt werden, die ihrem, der Beklagten, Verantwortungsbereich zugerechnet werden könne. Im Gegenteil, sie, die Ärztin, habe der Klägerin von vornherein Arbeitsunfähigkeit für rund vier Wochen bescheinigt. Nicht Aufgabe eines Vertragsarztes könne es hingegen sein, das Versicherungsverhältnis bzw. den Versicherungsschutz eines Patienten zu beurteilen. Deshalb könne von der Ärztin M.-W. nicht gefordert werden, dass sie nach der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit vom 28. September 2010, die Klägerin darüber zu beraten habe, wie der weitere Versicherungsschutz ausschließlich sichergestellt sein könne. Vielmehr wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, sich mit ihr, der Beklagten, in Verbindung zu setzen, um zu klären, ob durch das beendete Versicherungsverhältnis sich Konsequenzen auf den Krankengeldanspruch ergeben würden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2011 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Dies habe die sachverständige Zeugenauskunft der Ärztin M.-W. noch einmal bestätigt (hierzu im Folgenden).

Der Senat hat Ärztin M.-W. erneut als sachverständige Zeugin gehört. Sie hat angegeben (Auskunft vom 30. April 2012), dass die Klägerin von ihr vom 28. September bis einschließlich Sonntag, den 24. Oktober 2010, krankgeschrieben worden sei. Ihre Praxis sei nach dem 28. September 2010 wegen Urlaubs geschlossen gewesen. Sie sei davon ausgegangen, dass die Klägerin im Falle einer Besserung eventuell ihre Arbeit am 25. Oktober 2010 wieder aufnehmen könne bzw. sich arbeitsuchend melden könne. Bei Fortbestehen der Erkrankung habe sie ihr zur Klärung und Optimierung der weiteren Therapie am 25. Oktober 2010 einen Termin angeboten und bei Bedarf sollte hierbei auch eine weitere Krankschreibung erfolgen. Weitere Auszahlscheine seien bis zum 29. November 2010 ausgestellt worden.

Auf Nachfrage des Senats hat Ärztin M.-Wulf unter dem 05. Juni 2012 ausgeführt, sie sei nicht davon ausgegangen, dass bei einer Krankschreibung, die den Sonntag, den 24. Oktober 2010, einschließe, die erforderliche Folgebescheinigung am Montag, den 25. Oktober 2010, zu solchen Problemen mit der Krankenkasse führe würde, zumal die Klägerin eindeutig über den gesamten Zeitraum erkrankt gewesen sei. Da es sich bei ihrer Krankschreibung um eine Erstbescheinigung gehandelt habe, die einen Zeitraum von unter sechs Wochen umfasst habe, sei sie zum Zeitpunkt der Ausstellung nicht davon ausgegangen, dass sich die Frage des Krankengeldes stelle. Sie habe die Frage, an welchem Tag die Klägerin ggf. die Folgebescheinigung während ihrer Abwesenheit ausstellen lassen solle, mit der Klägerin nicht besprochen. Soweit sie ihren Aufzeichnungen entnehmen könne, habe sie im Gespräch mit der Klägerin in erster Linie betont, dass sie sich im Falle einer Verschlechterung der Erkrankung während ihrer, der Ärztin, Abwesenheit an ihren Hausarzt, der die Klägerin auch schon sehr lange kenne, wenden solle. Dabei habe sie weniger formelle Fragen, sondern krankheitsbedingte Notwendigkeiten betont.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten. Denn die Klägerin hätte für den im Berufungsverfahren streitigen Zeitraum vom 25. Oktober bis 29. November 2010 Anspruch auf Krankengeld in Höhe von EUR 1.702,80.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist - im Ergebnis - nicht begründet. Da bezüglich des erbrachten Arbeitslosengelds der Anspruch der Klägerin gegen die zur Leistung verpflichtete Beklagte in Höhe des Arbeitslosengeldes als erfüllt gilt (§ 107 SGB X) und der Klägerin deshalb für die Zeit des Arbeitslosengeldbezugs nur der Differenzbetrag zwischen dem Arbeitslosengeld und dem gegebenenfalls höheren Krankengeld zusteht, ist der Urteilstenor des SG mit der Maßgabe jedoch neu zu fassen, dass der Klägerin unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 26. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2011 Krankengeld für die Zeit vom 25. Oktober bis 29. November 2010 nur in der Höhe zu gewähren ist, soweit der Anspruch auf Krankengeld nicht bereits durch die Zahlung von Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum erfüllt ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08. November 2005 - B 1 KR 30/04 R a.a.O.).

Nach 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn - abgesehen von den hier nicht gegebenen Fällen stationärer Behandlung - die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Diese Voraussetzungen sind für die Zeit vom 25. Oktober bis 29. November 2010 gegeben. Die Klägerin war arbeitsunfähig (1.). Sie war mit Anspruch auf Krankengeld versichert, der Anspruch auf Krankengeld war entstanden und der Beklagten gemeldet (2.a bis 2.c). Des Weiteren war die Arbeitsunfähigkeit durchgehend ärztlich festgestellt (2.d) und dem Anspruch standen keine Ausschlussgründe entgegen (2.e). Allerdings ist der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld in der Höhe erfüllt, in der die zuständige Agentur für Arbeit der Klägerin für denselben Zeitraum Arbeitslosengeld zahlte (3.).

1. Die Klägerin war im Zeitraum vom 25. Oktober bis 29. November 2010 arbeitsunfähig. Der Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit ergibt sich aus dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret feststehenden Versicherungsverhältnis. Tritt - wie bei der Klägerin - die Arbeitsunfähigkeit während eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ein, ist die zuletzt tatsächlich ausgeübte Tätigkeit zunächst maßgeblich. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten kann (z.B. BSG, Urteil vom 08. November 2005 - B 1 KR 18/04 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 7). Die maßgebliche, zuletzt von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit war diejenige einer Bürokraft. Diese Tätigkeit konnte die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht mehr verrichten. Bei ihr bestand eine Depression. Dies entnimmt der Senat der Erstbescheinigung der Ärztin M.-W. vom 28. September 2010, ihrem Auszahlschein vom 25. Oktober 2010 und ihren Auskünften vom 24. Juni 2011 sowie 30. April und 05. Juni 2012. Die Beklagte hat die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin auch nicht bestritten.

2. Im Zeitraum vom 25. Oktober bis 29. November 2010 war die Klägerin auch Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld.

a) Das bei Entstehen eines Anspruchs auf Krankengeld bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krankengeld hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 37/06 R - a.a. O. und vom 05. Mai 2009 - B 1 KR 20/08 R - SozR 4-2500 § 192 Nr. 4; zuletzt BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 - B 1 KR 19/11 R - in juris; jeweils m.w.N.). Die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten als versicherungspflichtig Beschäftigte endete nicht am 30. September 2010 mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses, das für die Versicherungspflicht bei der Beklagten maßgeblich war. Zwar endet nach § 190 Abs. 2 SGB V die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet. Allerdings blieb nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten über den 30. September 2010 hinaus erhalten. Nach dieser Vorschrift bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger unter anderem erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld besteht oder diese Leistung bezogen wird. Die Klägerin hat bis 24. Oktober 2010 Krankengeld bezogen. Im Anschluss hat sie zwar kein Krankengeld mehr bezogen. Sie hatte aber am 25. Oktober 2010 einen Anspruch auf Krankengeld. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten bestand dieser Anspruch auch noch am 25. Oktober 2010.

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in anderen Fällen als bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld setzt damit - abgesehen vom hier nicht gegebenen Fall einer stationären Behandlung - voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit vertragsärztlich festgestellt wird. Abzustellen ist grundsätzlich auf den Tag, der dem Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 37/06 R - a.a.O.; zuletzt BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 - B 1 KR 19/11 R - in juris). Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist keine reine Formalität, sondern Voraussetzung der Entstehung des Anspruchs auf Krankengeld. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender Arbeitsunfähigkeit sollen beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten. Als Regelfall geht das Gesetz davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Die Krankenkasse soll durch die Ausschlussregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V davon freigestellt werden, die Voraussetzungen eines verspätet gemachten Krankengeldanspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen und so die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegen treten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsunfähigkeit einleiten zu können (vgl. BSG, Urteil vom 08. November 2005 - B 1 KR 30/04 R - a.a.O. m.w.N. Für das Verständnis von § 46 SGB V als Vorschrift über den Zahlungsanspruch, während der "Grundanspruch" bereits durch den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entstehe (so noch Urteil des Senats vom 12. Dezember 1997 - L 4 KR 1128/95 - in juris), bietet das Gesetz keinen Anhalt, wie sich bereits aus dem Begriff der "Anspruchsentstehung" ergibt (BSG, Urteile vom 19. September 2002 - B 1 KR 11/02 R - SozR 3-2500 § 44 Nr. 10 sowie 26. Juni 2007 - B 1 KR 8/07 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 und - B 1 KR 37/06 R - a.a.O.). Mit Blick darauf muss die Arbeitsunfähigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat. Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig vor Ablauf der Befristung der bisherigen Attestierung der Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wenn er das Erlöschen oder Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden will. Sowohl bei der ärztlichen Feststellung als auch der Meldung der Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist danach die Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V strikt zu handhaben (BSG, Urteil vom 08. November 2005 - B 1 KR 30/04 - a.a.O.; zum Ganzen vgl. zuletzt auch BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 - B 1 KR 20/11 R -, in juris).

Die strikte Handhabung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V kann ungünstige Auswirkungen auf den Anspruch auf Krankengeld des Versicherten haben, wovon auch das BSG ausgeht. Gleichwohl lässt der eindeutige Wortlaut des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V keine andere Auslegung zu.

Entgegen der Auffassung des SG erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine andere Beurteilung. § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V hat die gleichen Auswirkungen wie Fristenregelungen oder Stichtagsregelungen. Auch bei jenen Regelungen kann die Überschreitung von einem Tag zu einem Anspruchsverlust führen, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird durch die in der Rechtsprechung des BSG vorgesehenen Ausnahmen von der wortgetreuen Auslegung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (vgl. dazu zusammenfassend BSG, Urteil vom 08. November 2005 - B 1 KR 30/04 R - a.a.O., Randnr. 18 ff) Rechnung getragen.

Entgegen der Auffassung des SG lässt sich schließlich auch aus dem Gesichtspunkt, dass § 5 Abs. 3 Satz 2 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ausnahmsweise die Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit um bis zu zwei Tage zulässt, nichts Abweichendes herleiten (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 37/06 R - a.a.O.; zu § 5 Abs. 4 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie: BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 8/07 R - a.a.O.).

b) Der Senat lässt offen, ob Arbeitsunfähigkeit auch für den 25. Oktober 2010 ärztlich festgestellt ist und sich etwas anderes deshalb ergibt, weil Ärztin M.-W. an diesem Tag eine Bescheinigung für die Krankengeldzahlung (so genannter Auszahlschein) und nicht nur eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellte. Für die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit reichte die Bescheinigung für die Krankengeldzahlung aus. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ist nach Ablauf der Entgeltfortzahlung bzw. der Fortzahlung von Entgeltersatzleistungen ein Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit vom Vertragsarzt auf der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung (Muster Nr. 17) - dem sogenannten Auszahlschein - zu attestieren. Es ist damit nicht mehr erforderlich, Arbeitsunfähigkeit mit dem dafür vorgesehenen Vordruck (Muster Nr. 1) zu bescheinigen. Eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin mit dem Vordruck Muster Nr. 1 war nicht mehr erforderlich, weil der Zeitraum der Fortzahlung der Entgeltersatzleistung mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 30. September 2010 abgelaufen war. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin konnte mithin mit der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung erfolgen. Mit der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung wird Arbeitsunfähigkeit immer rückwirkend festgestellt, nämlich seit dem Ende des letzten Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit bis zum Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung. Für diesen Zeitraum zahlen die Krankenkassen regelmäßig dann auch Krankengeld.

Aber auch wenn für den 25. Oktober 2010 Arbeitsunfähigkeit nicht vertragsärztlich nicht festgestellt war, weil Ärztin M.-W. die weitere Arbeitsunfähigkeit, erst an diesem Tag bescheinigte, so dass - bei Vorliegen der weiteren Anspruchsvoraussetzungen - der Anspruch auf Krankengeld erst am 26. Oktober 2010 entstehen konnte, bestand ein Anspruch der Klägerin auf Krankengeld. Zu diesem Zeitpunkt hätte dann zwar eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld durch den Bezug von Arbeitslosengeld bestanden, wobei das Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit mit einer Dauer von bis zu sechs Wochen fortzubezahlen gewesen wäre (§ 126 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) und der Anspruch auf Krankengeld geruht hätte (§ 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V). Es liegt hier aber ein Ausnahmefall, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise rückwirkend - nachgeholt werden kann, vor. Denn dann, wenn der Versicherte alles in seiner Macht stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, er daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (beispielsweise durch die Fehleinschätzung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK) und er zusätzlich seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht, kann er sich auf den Mangel der zeitnahen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen (BSG, Urteil vom 08. November 2005 - B 1 KR 30/04 R - a.a.0.).

Nach Auffassung des Senats liegt im vorliegenden Fall aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine Fehleinschätzung der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztin M.-W. hinsichtlich der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vor. Die gesetzliche Regelung, dass nach dem Ende der vertragsärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit auch bei der erforderlichen erneuten vertragsärztlichen Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit der Anspruch auf Krankengeld erst am Tag nach der erneuten vertragsärztlichen Feststellung entsteht, ist für Versicherte nicht ohne weiteres erkennbar. Bei unveränderter Erkrankung gehen die Versicherten ohne weiteres davon aus, dass die erneute vertragsärztliche Feststellung nur eine Formalie ist. Demgemäß wäre es an sich Sache der Krankenkassen, die Versicherten rechtzeitig auf die besondere gesetzliche Regelung und deren im Regelfall gravierende Folgen hinzuweisen. Zumindest die Vertragsärzte, die für die Beklagte die Arbeitsunfähigkeit feststellen, müssen bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit die Versicherten darauf aufmerksam machen, rechtzeitig vor dem Ende der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit erneut vorzusprechen, damit ggf. die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit festgestellt und bescheinigt werden kann. Letzteres ist hier durch Ärztin M.-W. nicht erfolgt. Die Klägerin suchte am 28. September 2010 Ärztin M.-W. auf. Diese bescheinigte an diesem Tag Arbeitsunfähigkeit bis zum Sonntag 24. Oktober 2010. Nach ihren Angaben in ihrer Auskunft vom 05. Juni 2012 bescheinigte sie (Ärztin M.-W.) Arbeitsunfähigkeit deshalb (nur) bis zum Ende ihres Praxisurlaubs am 24. Oktober 2010, weil sie davon ausging, bei einer Krankschreibung, die einen Zeitraum von unter sechs Wochen umfasse, sich die Frage des Krankengeldes nicht stellen würde. Daraus schließt der Senat, dass Ärztin M.-W. von einem bestehenden Anspruch der Klägerin auf Lohnfortzahlung ausging. Die Frage, ob ein Anspruch auf Lohnfortzahlung oder ein Anspruch auf Krankengeld besteht, ist aber kein maßgebliches Kriterium für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Davon, dass die seit 28. September 2010 bestehende Arbeitsunfähigkeit mit dem 24. Oktober 2010 beendet sein würde, ging Ärztin M.-Wulf nicht zwangsläufig aus. In ihrer Auskunft vom 30. April 2012 gab sie insoweit an, dass sie davon ausgegangen sei, dass die Klägerin im Falle einer Besserung evtl. ihre Arbeit am 25. Oktober 2010 wieder aufnehmen könne bzw. sich arbeitsuchend melden könne und bei Fortbestehen der Erkrankung bei Bedarf eine weitere Krankschreibung erfolgen würde. Ergänzend führte sie in ihrer Auskunft vom 05. Juni 2012 aus, dass es keinerlei Gründe dafür gegebenen habe von einer vorübergehenden Gesundung der Klägerin auszugehen. Ärztin M.-W. hätte deshalb eigentlich bereits am 28. September 2010 nicht nur bis zum 24. Oktober, sondern bis zum 25. Oktober 2010, dem ersten Tag ihrer Praxistätigkeit nach dem Praxisurlaub, Arbeitsunfähigkeit bescheinigen müssen.

c) Die am 25. Oktober 2010 festgestellte Arbeitsunfähigkeit meldete die Klägerin bei der Beklagten rechtzeitig. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Aus der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte ergibt sich zwar nicht, wann genau der Beklagten der Auszahlschein vom 25. Oktober 2010 zuging. Dies muss allerdings entweder am 25. oder 26. Oktober 2010 erfolgt sein. Denn bereits mit Bescheid vom 26. Oktober 2010 lehnte es die Beklagte ab, Krankengeld über den 24. Oktober 2010 hinaus zu zahlen mit der Begründung, dass am 26. Oktober 2010 keine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld mehr bestanden habe. Explizit nahm sie auch auf die am 25. Oktober 2010 festgestellte weitere Arbeitsunfähigkeit Bezug.

d) Die Arbeitsunfähigkeit war für die Zeit vom 25. Oktober bis 29. November 2010 durchgehend ärztlich festgestellt. Denn Ärztin M.-W. bescheinigte in der am 25. Oktober 2010 ausgestellten Bescheinigung für die Krankengeldzahlung Arbeitsunfähigkeit "bis auf weiteres", also ohne einen Endzeitpunkt zu nennen. Des Weiteren hat Ärztin M.-W. für die Zeit bis zum 29. November 2010 weitere Bescheinigungen für die Krankengeldzahlung ausgestellt. Die entsprechenden Angaben der Ärztin M.-W. in ihrer Auskunft als sachverständige Zeugin vom 5. Juni 2012 hat die Beklagte nicht bestritten, ebenso wenig dass ihr diese weiteren Bescheinigungen unverzüglich zugegangen sind, weshalb der Senat diese Angaben Ärztin M.-W. seiner Entscheidung zugrundelegt.

e) Der Anspruch auf Krankengeld war auch nicht wegen vorangegangenem Bezugs von Krankengeld über 78 Wochen erschöpft. Hierzu fehlen jegliche Anhaltspunkte, insbesondere wird dies auch von der Beklagten nicht behauptet.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Klägerin in der Zeit vom 25. Oktober bis 29. November 2010 Arbeitslosengeld erhielt, denn wie das SG insoweit zutreffend ausgeführt hat, weshalb hierauf Bezug genommen wird, lagen insoweit die Ruhensvoraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V nicht vor, weil die Klägerin, da die Arbeitsunfähigkeit schon vor Einsetzen des Arbeitslosengeldes eingetreten war, Arbeitslosengeld zu Unrecht bezog.

3. Obwohl die Klägerin für die Zeit vom 25. Oktober bis 29. November 2010 dem Grunde nach Anspruch auf Krankengeld hatte, kann sie - wie das SG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - nur beanspruchen, dass die Beklagte ihr Krankengeld in der Höhe zahlt, das den Betrag des ihr (der Klägerin) für denselben Zeitraum gezahlten Arbeitslosengeldes übersteigt. Denn durch die Zahlung von Arbeitslosengeld ist der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Krankengeld in dieser Höhe erfüllt (§ 107 Abs. 1 SGB X - vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08. November 2005 - B 1 KR 30/04 R - a.a.O.).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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