L 9 KR 354/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KR 117/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 354/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 1/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen des Versorgungsauftrags eines Plankran-kenhauses in Brandenburg ist nach der im Zeitpunkt der Beschlussfassung des maßgebli-chen Landeskrankenhausplans geltenden ärztlichen Weiterbildungsordnung des Landes Brandenburg zu ermitteln.

2.) Nach der Weiterbildungsordnung 1995 umfasste das Fachgebiet Chirurgie orthopädi-sche Leistungen nicht; zu den orthopädischen Leistungen gehörte auch die Endoprothetik der Kniegelenke.
Bemerkung
BSG: Revision zurückgewiesen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. September 2010 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung für eine im November 2007 erbrachte Krankenhausleistung (Implantation einer Knieendoprothese, Rechnungsbetrag 11.327,79 EUR).

Die Klägerin ist u.a. mit dem Fachgebiet Chirurgie in den am 17. Dezember 2002 von der Landesregierung beschlossenen Zweiten Krankenhausplan des Landes Brandenburg - Erste Fortschreibung - (Amtsblatt für Brandenburg, Nr. 7 vom 19. Februar 2003, - 2. LKHPlan -) als Krankenhaus der Schwerpunktversorgung aufgenommen worden. In den Krankenhauseinzelblättern, die als Teil C. Bestandteil des genannten Krankenhausplans sind, werden für die Klägerin in der Fachabteilung Chirurgie 124 Ist-Betten und 116 Soll-Betten ausgewiesen; für das im Krankenhauseinzelblatt der Klägerin ebenfalls aufgeführte Fachgebiet Orthopädie werden dagegen keine Betten ausgewiesen. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 03. Februar 2003 stellte das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg die Aufnahme der Klägerin in den Zweiten Krankenhausplan des Landes Brandenburg - Erste Fortschreibung - gegenüber der Klägerin ab dem 15. Februar 2003 u.a. mit der oben genannten Fachabteilung für Chirurgie sowie der Bettenzahl fest.

Die Klägerin ließ den 1935 geborenen, bei der Beklagten versicherten R A (im Folgenden: der Versicherte) im Rahmen einer stationären Behandlung vom 05. November 2007 bis zum 21. November 2007 wegen einer posttraumatischen Gonarthrose durch die Implantation einer zementierten Scharnier-Endoprothese am Kniegelenk ohne Patellaersatz behandeln. Für diese Behandlung verlangte sie von der Beklagten aufgrund der DRG-Fallpauschale I43A (Prothesenwechsel oder Implantation einer Scharnier-Endoprothese oder Sonderprothese am Kniegelenk mit äußerst schweren CC [Nebenerkrankungen mit erhöhtem Komplikations- bzw. Komorbitätswert; fallerschwerend im DRG-System durch erhöhten Ressourcenverbrauch]) ein Entgelt in Höhe von insgesamt 11.327,79 EUR (Endrechnung vom 27. November 2007). Die Beklagte verweigerte die Bezahlung mit der Begründung, dass die zur Abrechnung gestellte DRG-Fallpauschale I43A mit der Klägerin nicht vereinbart worden sei.

Die Klägerin hat daraufhin gegen die Beklagte Klage auf Zahlung der Behandlungskosten i.H.v. 11.327,79 EUR erhoben, die das Sozialgericht Potsdam mit Urteil vom 28. September 2010 mit der Begründung abgewiesen hat, dass die erbrachten Leistungen in der Budget- und Entgeltvereinbarung des Jahres 2007 zwischen den Beteiligten nicht vereinbart worden seien.

Gegen das ihr am 18. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. November 2010 Berufung eingelegt und zu deren Begründung vorgebracht: Die von der Klägerin beim Versicherten durchgeführte Behandlung sei nicht nur medizinisch erforderlich, sondern auch von ihrem Versorgungsauftrag gedeckt gewesen. Denn die durchgeführte Operation falle in den Bereich der Orthopädie, der Unfallchirurgie und der allgemeinen Chirurgie nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer für das Land Brandenburg 2005, so dass die Klägerin die Versorgung habe vornehmen dürfen. Dieser Versorgungsauftrag dürfe nicht durch eine Erlös- und Budgetvereinbarung eingeschränkt werden; deshalb komme es nicht darauf an, ob in die zwischen den Beteiligten abgeschlossene Erlös- und Budgetvereinbarung das abgerechnete DRG aufgenommen worden sei.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. September 2010 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 11.327,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Dezember 2007 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen und hält das angefochtene sozialgerichtliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Zahlungsklage abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Begleichung der Kosten der Krankenhausbehandlung. 1. Die auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin macht zu Recht den Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung eines Versicherten gegen die Beklagte mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 (Sozialgerichtsgesetz - SGG -) geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers wie der Klägerin auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen ist und keine Klagefrist zu beachten ist. Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl. zu alledem Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 10/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12 m.w.N.). 2. Die Klage ist jedoch unbegründet. a) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. dem Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 8. Oktober 1996 für das Land Brandenburg (ABK-Vertrag). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht danach unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung, jeweils in der im Jahre 2007 geltenden Fassung, in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (vgl. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008, B 1 KN 1/07 KR R und B 1 KN 3/08 KR R, zitiert nach juris).

b) Dieser Vergütungsanspruch besteht indes nur für Behandlungen, die von dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses gedeckt sind. Über dessen Rahmen hinaus ist das Krankenhaus nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V nicht zu einer Krankenhausbehandlung verpflichtet und können Versicherte nach § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V Leistungen in dem Krankenhaus nicht beanspruchen. Beide Vorschriften knüpfen daran an, dass die mit der Zulassung eines Krankenhauses nach § 108 SGB V erlangte Befugnis zur Teilnahme an der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter erst durch den Versorgungsauftrag im Einzelnen konkretisiert und zugleich begrenzt wird. Diese Wirkungen kommen auch in § 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zum Ausdruck, wonach jedes Krankenhaus ausreichende, seinem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung haben muss. Ebenso wird bei der Krankenhausfinanzierung auf die durch den Versorgungsauftrag im Einzelnen festgelegten Versorgungsaufgaben des Krankenhauses abgestellt, wenn etwa der Versorgungsauftrag zur Bemessungsgrundlage für tagesgleiche Pflegesätze erhoben wird (§ 17 Abs. 2 Satz 1 KHG, vgl. auch § 4 Nr. 3 Bundespflegesatzverordnung - BPflV -). Außerhalb des Versorgungsauftrages kann ein Krankenhaus danach selbst dann keine Vergütung für eine erbrachte Leistung beanspruchen, wenn die Leistung ansonsten ordnungsgemäß gewesen ist.

c) Die konkreten Behandlungsmöglichkeiten eines Krankenhauses werden durch den ihm erteilten konkreten Versorgungsauftrag bestimmt. Dieser richtet sich nach der Art der Beteiligung an der Krankenhausversorgung. Danach ergibt sich der Versorgungsauftrag für Hochschulkliniken (§ 108 Nr. 1 SGB V) primär aus deren landesrechtlicher Anerkennung sowie sekundär aus dem Krankenhausplan nach § 6 Abs. 1 KHG und ggf. ergänzenden Vereinbarungen nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Für Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 2 SGB V) sind primär der Krankenhausplan in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung sowie sekundär ggf. ergänzende Vereinbarungen nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V beachtlich. Bei Vertragskrankenhäusern (§ 108 Nr. 3 SGB V) schließlich kann der Versorgungsauftrag nur dem mit ihnen getroffenen Versorgungsvertrag entnommen werden (vgl. auch § 4 Nr. 3 BPflV und § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 KHEntG). In diesem Fall kommt dem öffentlichrechtlichen Versorgungsvertrag nicht nur dem Grunde nach statusbegründende Wirkung zu (vgl. dazu BSGE 78, 243 = SozR 3-2500 § 109 Nr. 2), sondern er ist auch für die Ausgestaltung der Beteiligung im Einzelnen beachtlich (BSG, Urteil vom 24. Januar 2008, B 3 KR 17/07 R, zitiert nach juris).

d) Im vorliegenden Fall wird der Versorgungsauftrag der Klägerin durch den bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 03. Februar 2003 i.V.m. dem 2. LKHPlan bestimmt. Danach durfte die Klägerin 2007 jedoch nur chirurgische, aber keine orthopädischen Leistungen erbringen. Die der streitigen Kostenforderung der Klägerin zugrunde liegenden Leistungen waren jedoch dem Fachgebiet der Orthopädie zuzurechnen und gehörten deshalb nicht zu ihrem Versorgungsauftrag, so dass die medizinisch unstreitig notwendige Behandlung des Versicherten der Beklagten keinen Vergütungsanspruch gegen diese auslösen konnte.

e) Welche fachärztlichen Leistungen konkret vom Versorgungsauftrag eines Krankenhauses umfasst sind, lässt sich dem Landeskrankenhausplan entnehmen. Nach Ziff. 5 Abs. 1 Satz 2 des 2. LKHPlans trifft das Land Standortentscheidungen für die einzelnen Krankenhäuser, legt die bettenführenden Abteilungen entsprechend den Gebieten nach der von der Landesärztekammer Brandenburg beschlossenen Weiterbildungsordnung fest, weist besondere Einrichtungen und Leistungsschwerpunkte aus und legt Plätze für teilstationäre Leistungen und Ausbildungsstätten fest. Die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen des Versorgungsauftrags eines Plankrankenhauses ist danach nach der im Zeitpunkt der Beschlussfassung des maßgeblichen Landeskrankenhausplans geltenden ärztlichen Weiterbildungsordnung des Landes Brandenburg zu ermitteln, wie schon der Wortlaut des 2. LKHPlans ("beschlossenen Weiterbildungsordnung") zeigt (sog. statische Verweisung). Eine Heranziehung der Weiterbildungsordnung, die im Zeitpunkt der der Kostenforderung zugrunde liegenden ärztlichen Behandlung gegolten hat (dynamische Verweisung), ist schon durch den 2. LKHPlan ausgeschlossen. Sie würde im Übrigen auch gegen § 6 Abs. 1 KHG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 3 LKGBbg verstoßen. Denn nach § 6 Abs. 1 KHG stellen die Länder Krankenhauspläne auf. Nach § 12 Abs. 1 LKGBbg stellt das zuständige Ministerium nach Anhörung des zuständigen Ausschusses des Landtages einen Krankenhausplan nach § 6 KHG auf und schreibt ihn fort. Der Krankenhausplan ist nach § 6 Abs. 2 KHG mit der Krankenhausplanung des Landes Berlin abzustimmen. Die Empfehlungen der Landeskonferenz nach § 13 Abs. 6 Nr. 4 sind zu beachten. Der Krankenhausplan wird von der Landesregierung beschlossen und im Amtsblatt für Brandenburg veröffentlicht. Müsste die jeweils geltende Weiterbildungsordnung zur Abgrenzung der Fachgebiete/Fachabteilungen eines Krankenhauses und zur Bestimmung seines Versorgungsauftrages herangezogen werden, wie die Klägerin meint, würde ein wesentlicher Teil der Landeskrankenhausplanung entgegen den oben zitierten Vorschriften in die Rechtssetzungskompetenz der Landesärztekammer gestellt und der Landesregierung entzogen.

f) Maßgeblich zur Bestimmung des Versorgungsauftrages der Klägerin ist demzufolge die Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Brandenburg vom 11. November 1995 i.d.F. der 6. Satzung vom 25. September 2002 (WBO 1995). Nach § 2 Abs. 1 Nrn. 7 und 29 WBO 1995 gehörte die Orthopädie nicht zur (allgemeinen) Chirurgie mit den Schwerpunkten Gefäßchirurgie, Thoraxchirurgie, Unfallchirurgie und Visceralchirurgie, sondern stellte ein eigenes Gebiet mit dem Recht zum Führen einer eigenen Facharztbezeichnung dar (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 [Chirurgie] und Nr. 29 [Orthopädie].

aa) Nach Abschnitt I Nr. 29 WBO 1995 umfasste die Orthopädie die Prävention, Erkennung und Behandlung von angeborenen und erworbenen Formveränderungen und Funktionsstörungen, Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen der Stütz- und Bewegungsorgane und die Rehabilitation. Inhalt und Ziel der Weiterbildung waren Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Diagnostik und Therapie von Krankheiten, Verletzungen und Verletzungsfolgen der Stütz- und Bewegungsorgane sowie ihrer Verlaufsformen einschließlich der pathophysiologischen und pathologisch-anatomischen Grundlagen, der Biomechanik, speziellen Untersuchungsverfahren und bildgebenden Verfahren des Gebietes einschließlich des Strahlenschutzes, den konservativen Behandlungsmethoden, der Herz-Lungen-Wiederbelebung und Schockbehandlung, der physikalischen Therapie, der technischen Orthopädie, der gebietsbezogenen Rehabilitation einschließlich der selbständigen Durchführung der üblichen nichtspeziellen orthopädischen Operationen, sowie der gebietsbezogenen Laboruntersuchungen. Dazu gehörten die Vermittlung und der Erwerb von Kenntnissen über die kleine und mittlere Chirurgie, die chirurgische Intensivmedizin und die Narkoseverfahren des Gebietes. Der Erwerb der Fachkunde für die Anerkennung als Orthopäde setzte u.a. die Vermittlung und den Erwerb von Kenntnissen über chirurgisch-operative Fertigkeiten einschließlich der chirurgischen Intensivmedizin voraus. Nach den Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung in Gebieten, Fachkunden, Fakultativen Weiterbildungen, Schwerpunkten und Bereichen (beschlossen durch den Vorstand der Landesärztekammer Brandenburg am 16. Februar 1996, - Richtlinien 1996 -) erforderte der Erwerb der Fachkunde im Fachgebiet Orthopädie im Leistungskatalog der Ausbildung u.a. 95 selbständig durchgeführte Eingriffe an Gelenken einschließlich Endoskopien, Endoprothesen und Synovektomien.

Unter Nr. 29.B. sah die WBO 1995 darüber hinaus eine Fakultative Weiterbildung in Spezieller Orthopädischer Chirurgie vor, die Operationen höherer Schwierigkeitsgrade bei angeborenen und erworbenen Formveränderungen und Funktionsstörungen sowie Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen der Stütz- und Bewegungsorgane umfasste. Inhalt und Ziel dieser Weiterbildung waren Vermittlung, Erwerb und Nachweis spezieller Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten, welche über die im Gebiet aufgeführten Inhalte hinausgehen, in der Speziellen Orthopädischen Chirurgie einschließlich der Vor- und Nachsorge sowie der Rehabilitation nach speziellen orthopädisch-chirurgischen Eingriffen. Die Anerkennung dieser fakultativen Weiterbildung setzte spezielle Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten u.a. in einer Mindestzahl selbständig durchgeführter spezieller Eingriffe an der Wirbelsäule und den Gliedmaßen, einschließlich solcher an der Hand voraus; die Richtlinien 1996 verlangten hierfür den Nachweis von 70 selbständig durchgeführten Endoprothesen im Bereich der Wirbelsäule, der Gliedmaßen und der Hand.

Aus diesen Fachkundeanforderungen der (allgemeinen) Orthopädie und der Speziellen Chirurgischen Orthopädie ist zu entnehmen, dass die Facharztanerkennung Kenntnisse, Erfahrungen und durch eine nicht unerhebliche Zahl selbständig durchgeführter Operationen nachgewiesene Fertigkeit in der Endoprothetik der Gelenke erforderte. Die Endoprothetik war durch ihre ausdrückliche Listung im Leistungskatalog der Orthopäden als ein spezielles orthopädisches Behandlungsverfahren hervorgehoben und prägte damit dieses Fachgebiet. Die von der Klägerin durchgeführte Behandlung gehörte deshalb nach der WBO 1995 ins Fachgebiet Orthopädie.

bb) Entsprechende Anforderungen und Nachweise der Fachkunde hatte der Facharzt für Chirurgie nicht zu erbringen: Nach Abschnitt I Nr. 7 WBO 1995 umfasste die Chirurgie die Erkennung und Behandlung von chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Fehlbildungen mit den entsprechenden Untersuchungsverfahren, konservativen und operativen Behandlungsverfahren des Gebietes einschließlich der chirurgischen Intensivmedizin, den Nachsorgeverfahren des Gebietes sowie der Rehabilitation in jedem Lebensalter. Inhalt und Ziel der Weiterbildung waren Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der allgemeinen Diagnostik und Differentialdiagnostik chirurgischer Erkrankungen, insbesondere in den instrumentellen Untersuchungsverfahren, der Indikationsstellung zur operativen und konservativen Behandlung der Erkrankungen, Verletzungen und Fehlbildungen des Gebietes, der selbständigen Durchführung der operativen Eingriffe des Gebietes einschließlich der zur Grundversorgung erforderlichen gefäßchirurgischen, thoraxchirurgischen, unfallchirurgischen und visceralchirurgischen Eingriffe. Die Richtlinien 1996 verlangten u.a. den Nachweis von 40 Repositionen an der oberen und unteren Extremität, auch mit Extension und/oder Ruhigstellung im Gips sowie 35 weitere selbständige Operationen am Stütz- und Bewegungssystem, z. B. Arthrotomie, Exartikulation, Spongiosaplastik und Exostosenabtragung, Implantatentfernung und Zehenamputation. Anders als bei den Orthopäden ist die Endoprothetik trotz zahlreicher gelisteter Behandlungsverfahren nicht genannt, woraus im Rahmen einer systematischen Auslegung der Richtlinie 1996 geschlossen werden muss, dass dieses Behandlungsverfahren nicht zum Fachgebiet der Chirurgie gehörte. Das gilt auch für die Unfallchirurgie. Diese umfasste nach Nr. 7.C.3 als Schwerpunktgebiet der Chirurgie die Prävention, Erkennung, die operative und nichtoperative Behandlung von Verletzungen und deren Folgezuständen einschließlich der Nachsorge, Begutachtung und Rehabilitation und betrifft damit schon nach ihrer Definition nicht die Behandlung degenerativer Gonarthrosen. Dementsprechend verlangte die WBO 1995 für den Schwerpunkt Unfallchirurgie bezogen auf das Stütz- und Bewegungssystem auch nur besondere Kenntnisse und Erfahrungen der plastischen und wiederherstellenden Chirurgie bei Verletzungen und deren Folgezustände; hierzu gehörte eine Mindestzahl selbständig durchgeführter operativer Eingriffe. Die Richtlinien 1996 verlangten hierfür im Leistungskatalog u.a. 80 selbständig durchgeführte Eingriffe bei Verletzungen von Gelenken einschließlich des Gelenkersatzes und bei gelenknahen Frakturen. Erneut werden - anders als in der Orthopädie - die Endoprothesen nicht genannt und Operationen bei degenerativen Gonarthrosen - wie im vorliegenden Fall - nicht erfasst. Daraus ist zu schließen, dass die Endoprothetik der Gelenke und speziell der Kniegelenke nicht zum Fachgebiet der Chirurgie gehörte. Nur im Rahmen einer solchen Auslegung macht auch die von der WBO 1995 geschaffene Unterscheidung von Chirurgen und Unfallchirurgen einerseits und speziellen orthopädischen Chirurgen andererseits Sinn. Es ist deshalb festzustellen, dass die Endoprothetik, insbesondere die der Gelenke, nach der WBO 1995 nicht zum Fachgebiet der Chirurgie gehörte.

g) Das Fachgebiet Orthopädie gehörte 2007 nicht zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses der Klägerin, weil der 2. LKHPlan insoweit keine Betten ausweist. Wie sich im Umkehrschluss aus § 109 Abs. 1 Satz 5 SGB V ergibt, dürfen an der Versorgung der Versicherten nur Krankenhäuser teilnehmen, für die ein Versorgungsauftrag mit Mindestfestlegungen zur Bettenzahl und zur Leistungsstruktur besteht (BSG, Urteil vom 24. Januar 2008, B 3 KR 17/07 R, zitiert nach juris). Das verbietet die Annahme, eine Klinik könnte schon kraft Zulassung und unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des ihr erteilten Versorgungsauftrages unbeschränkt an der Versorgung der Versicherten teilnehmen und daraus Vergütungsansprüche herleiten.

h) Angesichts dieser Rechtslage kam es auf die weiteren von den Beteiligten aufgeworfenen Rechtsfragen nicht an, die deshalb hier unerörtert bleiben können.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG vorlag.
Rechtskraft
Aus
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