L 18 AS 1832/12 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 148 AS 3749/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1832/12 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juni 2012 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M bewilligt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der - bedürftigen - Klägerin ist begründet; das Sozialgericht (SG) hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die auf Gewährung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - für Juni 2010 iHv 0,32 EUR gerichtete Klage zu Unrecht abgelehnt.

Die Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - iVm § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -) schon deshalb, weil zur Klärung der streitigen Rechtsfrage - Höhe des Abzugs einer Pauschale für Kochenergie von den Unterkunftskosten - weitere Ermittlungen des SG angezeigt sind.

Eine Ablehnung der Bewilligung von PKH nebst Beiordnung des Bevollmächtigten wegen des (nur) streitigen Bagatellbetrags von 0,32 EUR kommt nicht in Betracht.

Zwar ist das Verfahren vor den Sozialgerichten ohne Anwaltszwang und gerichtskostenfrei ausgestaltet. Die Bewilligung von PKH ist hier jedoch insofern von Bedeutung, als der Unbemittelte durch die Beiordnung des Rechtsanwalts und dessen Befriedigung durch die Staatskasse von dessen Vergütungsansprüchen freigestellt wird (vgl § 59 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz). Dem Unbemittelten ist daher gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt dann beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Die Erforderlichkeit iSv § 121 Abs. 2 ZPO beurteilt sich nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache sowie nach der Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken (vgl BVerfGE 63, 380 (394)). Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (vgl BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2011 - 1 BvR 2493/10 - juris; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 1997 - 1 BvR 1440/96 -, NJW 1997, S. 2103 f.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. Juni 2007 - 1 BvR 681/07 = NJW-RR 2007, S 1713 f.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - juris Rn 17). Dabei darf die Frage, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, nicht auf eine ausschließliche Beurteilung des Verhältnisses von Streitwert und Kostenrisiko reduziert werden. Bewertungsmaßstab für die Frage der Beiordnung eines Rechtsanwalts ist, ob die besonderen persönlichen Verhältnisse dazu führen, dass der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Parteien verletzt ist (vgl BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2011 - 1 BvR 2493/10 - mwN). Im Übrigen erscheint es - worauf das BVerfG (aaO) ausdrücklich hinweist - keinesfalls fernliegend, dass ein Bemittelter auch verhältnismäßig hohe Rechtsanwaltskosten nicht scheut, wenn er mit einem Obsiegen und der Erstattung seiner Aufwendungen rechnet. Das SG wird nunmehr zu ermitteln haben, ob die von dem Beklagten in Abzug gebrachte Kochpauschale für Juni 2010 dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt ist. Soweit vorliegend mit einem Gasherd gekocht wird und die Kosten hierfür ebenfalls in den Gasabschlagszahlungen enthalten sind, ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kosten wie die Kosten für das Warmwasser insoweit bereits in der Regelleistung unter der Position Haushaltsenergie enthalten waren. Maßgeblich kann auch insoweit allein der Anteil sein, der bereits in der Regelleistung für das Kochen (im Regelfall das Kochen mit einem Elektroherd) enthalten ist (vgl BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 50/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Offenbar vertritt der Beklagte wie die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin die Auffassung, dieser Anteil sei mit 22,3 Prozent des in der Regelleistung enthalten Anteils für Haushaltsenergie zu bestimmen. Erläuternd heißt es dazu etwa in dem Rundschreiben I Nr 5/2009 der Senatsverwaltung (abrufbar über die Internetpräsenz der Senatsverwaltung: http://www.berlin.de/sen/soziales/berliner-sozialrecht/archiv/rdschr/2009 05 anlage.html) ua über die Pauschalen für Haushaltsenergie (sog Energiepauschalen): "Der Anteil der Pauschale für Haushaltsenergie am Regelsatz insgesamt ist durch die Regelsatzbemessung auf Grundlage der EVS 2003 vorgegeben, die Verteilung der Bestandteile jedoch nicht. Die prozentualen Anteile wurden anhand der in Berlin zugrunde gelegten Werte für das Bezugsjahr 2003 ermittelt." Das SG wird zu ermitteln haben, ob entsprechende Unterlagen bei der Senatsverwaltung vorliegen, die eine realistische Abbildung des Verbrauchsanteils für die Kochenergie (sei es mit Strom, sei es mit Gas) zulassen. Lässt sich ein Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, nicht finden, hat ein entsprechender Abzug von den Heizkosten im Falle der Versorgung mit Gas für Haushaltsenergie zu unterbleiben (vgl BSG aaO).

Eine Kostenerstattung findet im PKH-Beschwerdeverfahren nicht statt (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved