S 18 (22) AS 3/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 (22) AS 3/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1337/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 166/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der für die Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen erforderliche Fortzahlungsantrag gem. § 37 Abs. 1 SGB II ist nicht in einem Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit enthalten. Dies gilt auch dann, wenn die Dauer der Ortsabwesenheit über das Ende des laufenden Bewilligungszeitraumes hinausgeht.

Der Hinweispflicht über das Erfordernis eines Fortzahlungsantrages genügt der Leistungsträger durch Ausgabe eines Merkblattes, das auf eine erneute Antragstellung vor Ablauf des Bewilligungszeitraumes hinweist.

Mangelnde Sprachkenntnisse entwerten den Hinweis durch das Merkblatt nicht, wenn der Betroffene es unterlässt sich den Inhalt des Merkblattes durch Übersetzung oder Nachfrage beim Leistungsträger näher bringen zu lassen.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.10. bis zum 05.11.2008 streitig.

Die 1948 geborene Klägerin ist türkische Staatsbürgerin und der deutschen Sprache nur in eingeschränkten Umfang mächtig. Sie bezog bereits ab dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II von der Beklagten. Am 11.01.2007 vereinbarte die Klägerin mit der Beklagten den Bezug von Arbeitslosengeld II unter erleichterten Voraussetzungen (sog. "58er-Regelung"). Während des laufenden Leistungsbezuges händigte die Beklagte der Klägerin am 30.08.2007 ein Merkblatt "Wichtige Hinweise und Informationen zu Ihren Pflichten, wenn Sie Leistungen des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) in Anspruch nehmen" aus. Das Merkblatt enthielt u.a. den Hinweis, dass Leistungen der Grundsicherung für Tage vor Antragstellung nicht bewilligt werden. Die Klägerin bestätigte mit ihrer Unterschrift den Erhalt einer Kopie des Merkblattes. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Merkblattes (Blatt 142, 143 der Verwaltungsakte) Bezug genommen. Mit Bescheid vom 03.03.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum vom 01.04. bis zum 30.09.2008.

Am 10.07.2008 sprach die Klägerin bei einem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen B wegen der Einholung einer Zustimmung zu einer beabsichtigten Ortsabwesenheit vor. Die Beklagte stimmte einer Ortsabwesenheit der Klägerin vom 17.07. bis zum 16.10.2008 zu. Am 15.07.2008 sprach die Klägerin erneut beim Zeugen B vor, um die Dauer der Zustimmung zur Ortsabwesenheit ändern zu lassen. An diesem Tag stimmte die Beklagte einer verlängerten Ortsabwesenheit der Klägerin vom 17.07. bis zum 16.11.2008 zu. Die weiteren Inhalte der Gespräche zwischen der Klägerin und dem Zeugen B sind zwischen den Beteiligten streitig.

Ab dem 17.07.2008 befand sich die Klägerin im Rahmen der zugestimmten Ortsabwesenheit in der Türkei. Am 08.08.2008 versandte die Beklagte ein Schreiben an die Klägerin, mit der sie an die Stellung eines Weiterbewilligungsantrages für die Zeit nach dem 30.09.2008 erinnerte. Am 06.11.2008 meldete sich die Klägerin vorzeitig aus der Ortsabwesenheit zurück und stellte zugleich einen Fortzahlungsantrag. Mit Bescheid vom 07.11.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 06.11.2008 bis zum 30.04.2009. Am 17.11.2008 sprach die Klägerin in Begleitung einer Übersetzerin, der Zeugin L, erneute beim Zeugen B wegen der ausgebliebenen Leistungsgewährung während der Ortsabwesenheit vor.

Am 24.11.2008 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 07.11.2008 Widerspruch, soweit ihr keine Leistungen für die Zeit ab dem 01.10.2008 bewilligt worden waren.

Den Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie sich beim Zeugen B erkundigt habe, ob eine sechswöchige Ortsabwesenheit ohne Konsequenzen bleiben würde, dies sei ihr gegenüber bejaht worden. Auch sei sie nicht über die Notwendigkeit der Stellung eines Folgeantrages und des Ablaufes ihres ALG II-Bescheides informiert worden, obwohl sie hiernach gefragt hätte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Dies begründete die Beklagte damit, dass Leistungen grundsätzlich erst nach Antragstellung erbracht werden könnten. Ein entsprechender Antrag sei durch die Klägerin erst am 06.11.2008 gestellt worden. Auch habe die Klägerin vom Erfordernis eines Fortzahlungsantrages Kenntnis gehabt, da sie seit dem Jahr 2005 im Leistungsbezug stand und bereits mehrfach zuvor Anträge auf Weiterbewilligung der Leistungen gestellt hatte. Weiterhin sei die Klägerin auch durch das Schreiben vom 08.08.2008 schriftlich über die Erforderlichkeit eines Fortzahlungsantrages informiert worden.

Am 13.01.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, die Nichtgewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 01.10. bis zum 05.11.2008 sei zu Unrecht erfolgt. Im Rahmen eines Fortzahlungsantrages sei davon auszugehen, dass der zuvor gestellte Erstantrag auf Arbeitslosengeld II fortwirke. Weiterhin sei ein Antrag auf Fortzahlung der Leistungen auch in ihrer Nachfrage gegenüber dem Zeugen B, ob sie während des Urlaubes Geld erhalte, enthalten. Jedenfalls sei in ihrem Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit über den 30.09.2008 hinaus ein Leistungsantrag enthalten, da ohne Leistungsbezug eine Zustimmung zur Ortsabwesenheit nicht nötig sei. Weiterhin seien in ihrem Fall die Voraussetzungen für eine Gewährung von SGB II-Leistungen für die Zeit vom 01.10. bis zum 05.11.2008 nach den Grundsätzen der Nachsichtgewährung aufgrund einer besonderen Härte bzw. im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches gegeben. Der Beklagten sei insoweit ein Beratungsfehler bezüglich der Zustimmung zur Ortsabwesenheit über das Ende des Bewilligungszeitraumes am 30.09.2008 hinaus unterlaufen. Jedenfalls bei einer langandauernden Ortsabwesenheit - wie in ihrem Fall - wäre die Beklagte verpflichtet zu prüfen, ob während der Ortsabwesenheit ein Bewilligungszeitraum endet bzw. ob ein entsprechender Fortzahlungsantrag vorliegt. Während ihres Aufenthaltes in der Türkei habe sie niemanden beauftragt, sich um ihre Post zu kümmern, da ihrer Ansicht nach sie vorher alles geklärt hatte und sie ansonsten auch keine Post erhalten würde.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 07.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2008 bis einschließlich 05.11.2008 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen in Höhe von zumindest 811,18 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Nichtgewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10. bis zum 05.11.2008 sei zu Recht mangels Leistungsantrag erfolgt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Zustimmung zur Ortsabwesenheit, da sich hieraus nur ergebe, dass die Ortsabwesenheit selbst einer weiteren Leistungsgewährung nicht entgegensteht. Eine Aussage dahingehend, dass für die gesamte Zeit der Ortsabwesenheit automatisch Leistungen gewährt würden, ergebe sich hieraus nicht. Weiterhin sei die Klägerin auch ausreichend über das Erfordernis eines Fortzahlungsantrages informiert gewesen. Der Ablauf der laufenden Bewilligung habe sich insbesondere auch aus dem Bewilligungsbescheid ergeben. Weiterhin habe die Klägerin das Schreiben, mit der die Beklagte auf das Ende des Bewilligungszeitraumes hingewiesen habe, lediglich deshalb nicht erhalten, weil sie sich trotz einer viermonatigen Ortsabwesenheit nicht um eine Kontrolle ihrer Post gekümmert habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Zeugenvernehmung des Zeugen B sowie der Zeugin L.

Der Zeuge B hat bekundet, dass bei einer Vorsprache wegen Ortsabwesenheit die Weiterbewilligung bzw. die laufende Bewilligung grundsätzlich nicht Thema sei. Ob im konkreten Fall der Klägerin über die aktuelle Bewilligung oder einen Weiterbewilligungsantrag gesprochen worden sei, könne er sich nicht mehr erinnern. Grundsätzlich sei es bei der Prüfung der Genehmigung einer Ortsabwesenheit so, dass die Leistungsbewilligung bzw. die Frage, ob vorher Leistungen bewilligt worden sind, nicht generell geprüft werde. Es werde bei der Frage der Genehmigung der Ortsabwesenheit geprüft, ob schon eine Ortsabwesenheit in dem Jahr bewilligt wurde sowie weiterhin, für wie lange jetzt die Ortsabwesenheit genommen werden soll sowie ob aufgrund von geplanten Maßnahmen o.ä. etwas gegen die Zustimmung zur Ortsabwesenheit spricht.

Die Zeugin L hat bekundet, dass sie keine Erinnerung an ein konkretes Gespräch zwischen der Klägerin und dem Zeugen B habe, an dem sie teilgenommen habe. Sie könne sich an die Klägerin selbst erinnern, jedoch nicht an den konkreten Inhalt des Gespräches. Sie vermutet, dass es im Gespräch um Geld ging, könne dies aber nicht mit Sicherheit sagen. Es sei jedoch so, dass es fast immer wenn sie übersetze so sei, dass es Probleme wegen Geld gebe.

Für das weitere Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.05.2010 Bezug genommen.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Diese lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Streitgegenständlich ist die Entscheidung der Beklagten lediglich soweit mit ihr Leistungen für die Zeit vom 01.10. bis zum 05.11.2008 abgelehnt wurden. Der Bescheid der Beklagten vom 07.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008 ist rechtmäßig, soweit für diesen Zeitraum keine Leistungen nach dem SGB II gewährt wurden und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Beklagte hat die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10. bis zum 05.11.2008 zu Recht abgelehnt, denn es fehlt für diesen Zeitraum am erforderlichen Leistungsantrag der Klägerin. Entscheidend für den Leistungsbeginn ist das Datum der Antragstellung, dieses hat die Beklagten zu Recht auf den 06.11.2008 gelegt. Denn erst zu diesem Datum ist der (erforderliche) Fortzahlungsantrag der Klägerin bei der Beklagten gestellt worden.

Ein Leistungsantrag ist sowohl für den erstmaligen Bezug von SGB II-Leistungen wie auch für eine Fortzahlung der Leistungen nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) erforderlich. Leistungen nach dem SGB II werden gemäß § 37 Abs. 1 SGB II auf Antrag erbracht, für Zeiten vor Antragstellung scheidet eine Leistungsgewährung grundsätzlich aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Regelung in § 37 SGB II unabhängig davon, ob es sich um einen Erst- oder aber einen Folgeantrag für weitere Bewilligungsabschnitte handelt (ebenso LSG NRW, Urteil vom 11.05.2010, L 6 AS 189/10; LSG Hessen, Urteil vom 18.12.2009, L 7 AS 413/09; LSG NRW, Urteil vom 17.04.2009, L 19 B 63/09 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.03.2009, L 29 AS 162/09 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.03.2009, L 14 B 2368/08 AS PKH; LSG NRW, Urteil vom 17.04.2008, L 9 AS 69/07; Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. A. 2008, § 37 Rn 19; a.A. Münder, SGB II, 3. A. 2009, § 37 Rn 8). Der Wortlaut des § 37 SGB II, der allein den Begriff "Antrag" verwendet, differenziert nicht zwischen Erst- und Folgeantrag. Auch im Wege der Auslegung ist eine solche Unterscheidung nicht nur nicht geboten; sie widerspricht sogar der mit der Regelung verfolgten Absicht des Gesetzgebers. Auch aus der Systematik des SGB II ergibt sich das Erfordernis des Fortzahlungsantrages für die Gewährung von weiteren Leistungen nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes (ausführlich LSG NRW, Urteil vom 11.05.2010, L 6 AS 189/10).

Es bleibt daher bei dem allgemeinen Grundsatz, dass ein verfahrensrechtlicher Antrag gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) fortwirkt und wirksam bleibt, solange die Bewilligungsentscheidung nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (Eicher/Spellbrink, § 37 Rn. 19). Es kommt dem auf eine Leistungsgewährung nach dem SGB II gerichteten Antrag deshalb nur bis zu dem Zeitpunkt Wirkung zu, zu dem die Wirkung der auf diesen Antrag hin erfolgten Bewilligungsentscheidung endet. Ein Berechtigter, der Leistungen nach dem SGB II beantragt, ist deshalb gehalten, für die Folgezeit einen Weiterbewilligungsantrag gemäß § 37 SGB II zu stellen, um dem Leistungsträger eine Entscheidung über die weitere Leistungsbewilligung zu ermöglichen. Da es für die Hilfegewährung insbesondere auf die aktuelle Hilfebedürftigkeit und die aktuelle Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft ankommt, ist davon auszugehen, dass nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts die Wirkung des ursprünglichen Antrags erlischt, mithin ein neuer Fortzahlungantrag notwendig ist.

Die Klägerin hat auch nicht bereits vor dem 06.11.2008 einen Fortzahlungsantrag gestellt.

Ein Antrag auf Fortzahlung der Leistungen ab dem 01.10.2008 lag insbesondere nicht in dem Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit. Die Zustimmung zur Ortsabwesenheit beschränkt sich darauf, dass durch sie im Fall der Ortsabwesenheit des Leistungsempfängers kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 a SGB II eintritt. Durch die Zustimmung zur Ortsabwesenheit wird durch die Beklagte keine bindende Feststellung dahingehend abgegeben, dass für die gesamte Dauer der zugestimmten Ortsabwesenheit ein Leistungsanspruch bestehen würde. Auch hat die Erteilung der Zustimmung zur Ortsabwesenheit nicht zur Voraussetzung, dass bereits für die gesamte Zeit ein Leistungsanspruch bewilligt ist oder anschließend noch bewilligt wird. Die Zustimmung erschöpft sich darin, dass durch sie festgestellt wird, dass für die Dauer der beabsichtigten Ortsabwesenheit die Vermittlung in Arbeit bzw. in eine Maßnahme voraussichtlich nicht beeinträchtigt wird. Die Beklagte hat daher nicht bereits durch die Zustimmung zur Ortsabwesenheit für den Zeitraum ab dem 01.10.2008 einen Leistungsanspruch der Klägerin bestätigt, sie hat lediglich die Voraussetzungen geschaffen, dass bei Stellung eines Fortzahlungsantrages dieser nicht wegen eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 a SGB II hätte abgelehnt werden müssen.

Eine Antragstellung ist auch nicht im Verlauf der beiden Vorsprachen der Klägerin am 10.07.2008 und am 15.07.2008 beim Zeugen B erfolgt. Denn es steht für die Kammer nicht fest, dass im Verlauf dieser beiden Vorsprachen über die Fortdauer der Leistungsgewährung gesprochen wurde. Zwar hat die Klägerin selbst angegeben, dass sie aufgrund ihrer Nachfrage, ob sie Geld während des Urlaubes erhalte, davon ausgegangen sei, dass die Leistungen für die gesamte Dauer der Ortsabwesenheit weiter gezahlt würden. Dieser Vorbringen ist jedoch durch den Zeugen B nicht bestätig worden.

Der Zeuge hat für die Kammer nachvollziehbar bekundet, dass grundsätzlich bei Vorsprachen wegen Ortsabwesenheiten Weiterbewilligungsanträge und die Dauer der laufenden Bewilligung nicht thematisiert würden. Weiter hat der Zeuge bekundet, dass er an die konkreten Gesprächsinhalte mit der Klägerin keine Erinnerung mehr habe. Wenn im Fall der Klägerin, entgegen des ansonsten üblichen Ablaufes, über Weiterbewilligungsanträge gesprochen worden wäre, würde dies vielmehr dafür sprechen, dass sich der Zeuge an diesen Umstand erinnern könnte. Denn in diesem Fall läge eine Abweichung vom üblichen, standardisierten Ablauf der Erteilung der Zustimmung vor. Die Angaben der Zeugin L waren zu den Umständen der Vorsprache im Juli 2008 unergiebig. Denn die Zeugin hat bekundet, dass sie bei dem späteren Gespräch im November 2008 zwar zugegen gewesen ist, sie konnte sich jedoch an den Inhalt des Gespräches zwischen der Klägerin und dem Zeugen B nicht mehr erinnern. Somit steht jedenfalls nicht fest, dass die Klägerin gegenüber dem Zeugen B einen formlosen Fortzahlungsantrag im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit gestellt hat. Die Nichterweislichkeit wirkt sich zu ihrem Nachteil aus. Lässt sich der Zugang eines Antrags zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht feststellen, wirkt sich dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zum Nachteil des Leistungsbeziehers aus, der aus dieser Tatsache (rechtzeitige Antragstellung) Rechte herleiten will (LSG NRW, Urteil vom 11.05.2010, L 6 AS 189/10).

Schließlich ist die Klägerin auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu behandeln, als hätten sie den Fortzahlungsantrag rechtzeitig gestellt. Der Herstellungsanspruch setzt u.a. die Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis durch den Leistungsträger voraus (BSG, Urteil vom 06.03.2003, B 4 RA 38/02 R). An einer solchen Pflichtverletzung durch die Beklagte fehlt es vorliegend.

Grundsätzlich dürfte der Leistungsträger verpflichtet sein, den Hilfebedürftigen rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts ein Folgeantrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zu stellen ist (LSG NRW, Urteil vom 17.04.2008, L 9 AS 69/07; LSG Hessen a.a.O.; Eicher/Spellbrink, § 37 Rn. 19). Die Beklagte ist ihrer Hinweispflicht gegenüber der Klägerin ausreichend nachgekommen. So wurde die Klägerin durch ein Merkblatt der Beklagten am 30.08.2007 unter anderem darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Bezug von Leistungen einen Antrag erfordert. Das Merkblatt enthielt auch den Hinweis, dass möglichst 2 Wochen vor Ablauf des Bewilligungszeitraumes ein neuer Antrag gestellt werden sollte. Die Klägerin hat den Erhalt des Merkblattes mit ihrer Unterschrift bestätigt. Die Frage des Sprach- und Leseverständnisses der Klägerin muss die Kammer hierbei nicht weiter aufklären, denn auch wenn die Klägerin nur unzureichend der deutschen Sprache mächtig wäre, entwertet dies nicht die Hinweise durch das Merkblatt. Die Klägerin wäre in diesem Fall verpflichtet gewesen, sich den Inhalt des Merkblattes durch die Zuhilfenahme eines Übersetzers oder durch konkrete Nachfragen bei der Beklagten selbst näher bringen zu lassen. Soweit dies unterblieb, ist der Klägerin ein Sorgfaltsverstoß anzulasten, da sie sich nicht ausreichend um die Verfolgung ihrer Interessen gekümmert hat (vgl. LSG NRW, Urteil vom 17.04.2009, L 19 B 63/09 AS).

Darüber hinaus war die Klägerin auch durch die laufende Bewilligung aus dem Bewilligungsbescheid vom 03.03.2008 mit dem Bewilligungszeitraum vom 01.04. bis zum 30.09.2008 davon in Kenntnis gesetzt, dass eine laufende Bewilligung nur bis zum Ablauf des Monats September 2008 bestand. Aufgrund des bereits über einen Zeitraum von mehreren Jahren andauernden Leistungsbezug hätte die Klägerin hieran und dem Ausbleiben eines neuen Bewilligungsbescheides für die Zeit nach dem 30.09.2008 ebenfalls erkennen können, dass bis zum Beginn ihrer Ortsabwesenheit noch keine neue Bewilligung für die Zeit ab Oktober 2008 erfolgt war.

Schließlich hat die Beklagte die Klägerin noch durch das Informationsschreiben vom 08.08.2008 über den Ablauf der Bewilligung zum 30.09.2008 und das Erfordernis des Fortzahlungsantrages für weitergehende Leistungen informiert. Der Umstand, dass die Klägerin von diesem Brief keine Kenntnis erlangt hat, ist ihrer Sphäre zuzurechnen. Denn die Klägerin hat es trotz eines für ca. 4 Monate geplanten Auslandsaufenthaltes unterlassen, eine Kontrolle ihrer Briefpost sicherzustellen. Selbst wenn die Klägerin zutreffend davon ausgeht, dass sie kaum Post erhält, stellt sich der Verzicht auf eine Kontrolle der Briefpost für 4 Monate als fahrlässiges Verhalten dar. Der Umstand, dass die konkrete Information über die Stellung eines Fortzahlungsantrages vom 08.08.2008 die Klägerin nicht rechtzeitig erreichte, ist daher der Klägerin selbst zuzurechnen.

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, durch den Zeugen B nochmals ausdrücklich auf die Stellung eines Fortzahlungsantrages hinzuweisen. Denn nach den Bekundungen des Zeugen B steht nicht fest, dass über das Thema der Dauer der Bewilligung bzw. eines Fortzahlungsantrages überhaupt im Rahmen der Zustimmung zur Ortsabwesenheit gesprochen wurde. Der Zeuge B musste sich auch nicht zu einer Spontanberatung (§ 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I) veranlasst sehen. Denn aus dem Gesamtverlauf der Leistungsgewährung an die Klägerin ergibt sich, dass durch die Beklagte eine generelle Information über die Notwendigkeit von Fortzahlungsanträgen gegenüber den Leistungsbeziehern erfolgt. Einen Anlass für eine konkrete Beratung der Klägerin musste der Zeuge B daher für die Beklagte nicht annehmen.

Auch aus den Grundsätzen der Nachsichtgewährung ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagten zur Leistungserbringung für die Zeit vom 01.10. bis zum 05.11.2008. Denn eine Nachsichtgewährung erfordert, dass das zugrunde liegende Versäumnis unverschuldet zustandegekommen ist (BSG, Urteil vom 27.09.1983, 12 RK 7/82). Hieran fehlt es vorliegend bereits (s.o.). Weiterhin scheidet eine Nachsichtgewährung auch aus, da die Klägerin keinen außergewöhnlichen, unverhältnismäßigen Nachteil durch den begrenzten Verlust ihres Anspruches auf SGB II-Leistungen erleidet. Die Folgen des verspäteten Fortzahlungsantrages erschöpfen sich darin, dass vom Ende der bisherigen Bewilligung (30.09.2008) bis zum Fortzahlungsantrag (06.11.2008) keine Leistungen an die Klägerin erbracht werden. Darüber hinausgehende Folgen hat der verspätet gestellte Antrag jedoch für die Klägerin nicht. Insbesondere erleidet sie keine weitergehenden, dauerhaften Verluste ihrer sozialen Rechte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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